Die Koalition der großen Coups

Geschrieben von: am 16. Dez 2013 um 17:19

Alle schreiben, das Gabriel und der SPD ein großer Coup gelungen sei. Trotz ihres Wahldebakels habe die Parteispitze ein aus SPD-Sicht gutes Verhandlungsergebnis erzielt, das auch die Basis überzeugen konnte. Bei der Vergabe der Ministerposten ernten die Spitzengenossen ebenfalls staunende Blicke. Die Union steht zu Beginn der 3. Großen Koalition als vermeintliche Verliererin da. Doch verlieren wird und kann auch nur die SPD.

Das Regieren unter Angela Merkel ist zu einem quälenden Prozess verkommen. Entscheidungen werden nicht getroffen, sondern so lange hinausgezögert, bis es nicht mehr anders geht. Warum sollte die SPD daran etwas ändern können, zumal die nächsten Wahlen ihre Schatten schon voraus werfen. Viele fragen, was die Union eigentlich aus ihrem Programm in den Koalitionsvertrag hat einbringen können. Die Antwort: Kaum etwas. Das ist aber keine Niederlage, sondern Absicht derer, die bloß so weitermachen wollen wie bisher. Der Union reicht Angela Merkel als unangreifbare Übermutti und ansonsten reicht es ihr, die SPD in ihrem Eifer auszubremsen.

Nicht nur Merkel, sondern auch Schäuble, der als Finanzminister über besondere Rechte in der Regierungsmannschaft verfügt, werden zu gegebener Zeit intervenieren. Die Vorboten treten bereits in Erscheinung. Die zu kurz gekommenen Jungpolitiker in der Union wie Mißfelder und Spahn kritisieren den Koalitionsvertrag ganz offen, obwohl sie ihn zum Teil selbst mit aushandelten. Über viele Dinge müsse im Verlauf der Legislaturperiode noch einmal gesprochen werden, so die Auffassung. Und das wird auch so geschehen mit Unterstützung der sogenannten Experten an ihrer Seite wie auch den Medien.

Glaube an den Weihnachtsmann

Die SPD hingegen glaubt fest an das Gegenteil und erweckt auch den Eindruck, sie könne in dieser Koalition politische Erfolge erringen. Die Sozialdemokraten scheinen immer noch nicht verstanden zu haben, wie politische Entscheidungen in diesem Land unter Merkel vorbereitet werden. Dabei hätten sie aus der beispiellosen Demontage ihres zunächst gefeierten Kandidaten Steinbrück etwas lernen können. Zu viel Lorbeeren und Bewunderung vom Gegner ist trügerisch. Dennoch nutzte die Parteispitze um Gabriel deren vergiftetes Lob erneut als Argument, um die eigenen Leute in einem aussichtslosen Kampf hinter sich zu scharren.

Politische Entscheidungen unter Merkel werden durch das öffentliche Klima bestimmt. Gerade beim Thema Rente ist der eisige Gegenwind schon deutlich zu spüren. Die Stimmungsmache läuft bereits in den Medien mit Begriffen wie „Wahlgeschenk“ oder „Wohltat“. Die SPD merkt das nicht, sondern sonnt sich noch im Lichte eines Koalitionsvertrages, der nicht das Papier wert sein wird, auf dem er geschrieben steht. Die Sozialdemokraten werden mit einer Union, die sich aufs Bremsen verständigt hat und die Medienmacht im Rücken weiß, um halbherzige sozialpolitische Korrekturen im Koalitionsausschuss ringen müssen, während die Opposition mit der Umsetzung eines viel besseren Pakets frohlockt.

Posten als Belohnung fürs Scheitern in Vergangenheit und Zukunft

Der erhoffte Glanz, von dem auch die Wähler Notiz nehmen würden, bleibt ein frommer Wunschtraum derer, die mit einem Pöstchen im großen Personalkarussell entlohnt worden sind. Union und SPD wollen insgesamt 33 Parlamentarische Staatssekretäre ernennen. Ein neuer Negativrekord. Hinzu kommen die beamteten Staatssekretäre wie der unsägliche Asmussen, der bei der EZB aufgrund seiner mittelmäßigen ökonomischen Fähigkeiten mehr oder weniger kaltgestellt, nun ausgerechnet ins Arbeitsministerium entsorgt werden muss (was genau dahinter steckt, hat Jens Berger etwas genauer analysiert).

Hinzu kommt noch das Bundestagspräsidium, das noch vor Abschluss der Koalitionsgespräche in einem Akt großer Einigkeit zwischen Union und SPD aufgestockt werden musste. Die Posse des Postengeschachers liefert aber die Chefin selbst. Auf ihrer Pressekonferenz kündigte Kanzlerin Angela Merkel eine neue Stelle in ihrer Machtzentrale an. Ein neuer Staatssekretär soll sich um die Belange der Geheimdienste kümmern. Und zwar wegen dem, was andere die NSA-Affäre nennen, sie aber lieber als Angelegenheit bezeichnen würde. Das ist Kanzlerinnen-Duktus und zu diesem passt dann auch Klaus-Dieter Fritsche, der offenbar als Entschädigung für die beim Postengeschacher arg zu kurz gekommene CSU befördert werden soll.

Bleibt eigentlich nur noch Ursula von der Leyen, die künftig das Verteidigungsressort leiten soll. Diese Personalentscheidung gilt als faustdicke Überraschung und als mehr oder weniger gelungener Coup der Kanzlerin. Was daran nun aber gelungen sein soll, erschließt sich wohl nur den Hauptstadtjournalisten. Auf die erste wirklich gute Frage von Günther Jauch (Verstehen sie etwas von Verteidigungspolitik?) antwortete die designierte Ministerin gestern mit einem sehr ausführlich vorgetragenen und bezeichnenden Nein.

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Über den Autor:

André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.
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Kommentare

  1. landbewohner  Dezember 17, 2013

    in anbetracht dessen, daß die spd bereits im vorfeld der verhandlungen alle ihre “ forderungen“ de facto zu makkulatur gemacht hat (mindestlohn unterhalb des existenzminimums evtl ab 2020 bie zahllosen ausnahmeregelungen), war klar, daß die „parteispitzen“ lediglich daran interessiert waren, für sich persönlich möglichst „viel herauszuholen“, ergo pöstchen ergattern. politik oder ähnliches ist für diese gestalten absolut beliebig solange die eigene kasse stimmt.

  2. Arnold  Dezember 17, 2013

    Da in der Tat nicht beabsichtigt ist, aktive Konjunkturpolitik zu betreiben (z.B. Mindestlohn sofort, Vermögenssteuer statt Sparen etc) sondern nur auf bereits eingetretene Entwicklungen reagiert wird, prophezeie ich, dass wir vor einer wirtschaftlichen Talfahrt stehen, die bis über die nächste Wahl hinaus anhalten wird.
    Die SPD wir erneut als Sündenbock dastehen und bei der nächsten Wahl dementsprechend unter 20% rutschen.
    Erste Hinweise auf die von mir hier prophezeite wirtschaftliche Talfahrt sehe ich in der einsetzenden Deflation in der Eurozone. Da die Politik tatsächlich glaubt, dass die EZB diese Deflation stoppen kann und Frau Merkel weiter auf mehr Wettbewerbsfähigkeit baut, wird sich die Deflation wohl zwangsläufig weiter ausbreiten.

    • adtstar  Dezember 17, 2013

      Es ist in der Tat ein Trauerspiel. Die Wirtschaftsinstitute prognostizieren das Gegenteil. Ein Wachstum von 1,… soll nächstes Jahr drin sein. Mal abgesehen davon, ob die Größe tatsächlich auch eintreten wird, so ist es doch auf jeden Fall übertrieben, schon wieder vom Boom oder einem starken Wachstum zu schreiben. Dieser ökonomische Analphabetismus unter den Kollegen geht mir so was von auf den Senkel.