Bereits einen Tag nach der Wahl, betonen alle Parteien, wie sehr es ihnen doch jetzt um Inhalte geht. Wie ein Schutzschild tragen sie den Begriff vor sich her, der nicht mit dem gefüllt zu sein scheint, was er verspricht. Bei dem sich wiederholenden Geplapper geht es offenbar mehr um eine Sprachregelung zwischen den Parteien, die miteinander koalieren müssen, weil sie eine Mehrheit von Inhalten kategorisch ausschließen.
Klar ist, dass der Wähler weder von der SPD noch von den Grünen über den Tisch gezogen werden will. Dieses Privileg fällt allein Angela Merkel zu. Mutti Blamage darf alles. Sie ist auch die Königin der Umetikettierung. Sie hat nur keine Mehrheit, wie auch die Medien inzwischen festgestellt haben. Sie braucht einen Partner. Zwei, die eigentlich nicht wollen, stehen zur Wahl. Sowohl SPD als auch Grüne befürchten aber, teils aus Erfahrung, dass sie in einer Koalition mit der Union nur verlieren. Denn unangenehme Entscheidungen würden nicht der beliebten Kanzlerin, sondern dem Koalitionspartner angelastet.
Zu welchen politischen Entscheidungen es aber kommen wird, ist allerdings nicht klar, denn hinter Merkel steht kein Programm, dass sie abarbeiten könnte. Merkel ist das Programm. Sie selbst sagte in der Berliner Runde, sie könne nicht absehen, was in der Eurokrise noch alles passiere und auf uns zukomme. Aus dem Wahlkampf wissen wir, dass sie sich für viele Dinge, wie den NSA-Skandal etwa, gar nicht zuständig fühle. Allein bei der dringenden Frage nach einer PKW-Maut gab es so etwas ähnliches wie eine Haltung bei der Kanzlerin.
Die Union ist stark wie nie, doch fehlt der politische Inhalt. In ihre Beliebigkeit lassen sich dann wohl auch die berühmten Schnittmengen finden, die es für eine Koalition braucht. Die Medien werden in diesem Punkt sicher ganz kritisch nachfragen, um ihre Wunschkoalition auf den Weg zu bringen. Vielleicht hat ja Sigmar Gabriel auch vor seinem Kleiderschrank gestanden und sich gefragt, was er am Tag nach der Wahl anzieht. Dann hätte man ja schon eine Gemeinsamkeit gefunden.
SEP
Über den Autor:
André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.