Kanzlerinnenmehrheit verfehlt? 84 Prozent sagen Ja

Geschrieben von: am 27. Feb 2012 um 22:39

Na was war das für eine Nachricht. Kanzlerin Angela Merkel hat am Montag bei der Abstimmung über das zweite Rettungspaket für Griechenland im Bundestag die sogenannte Kanzlerinnenmehrheit verfehlt. Oh je. Bei 496 Ja-Stimmen davon zu sprechen, eine Mehrheit verfehlt zu haben, mutet schon reichlich schräg an. Natürlich haben nicht alle Parlamentarier aus dem schwarz-gelben Lager für den Antrag der Bundesregierung gestimmt – zahlreiche Abgeordnete (29) waren nicht anwesend – an der Zustimmung des Hauses bestand aber nie ein Zweifel. Von den 591 Abgeordneten haben schließlich knapp 84 Prozent für die Vorlage der Bundesregierung gestimmt. Nun tun aber die Medien so, als hätte am Montagnachmittag ein kleines innenpolitisches Erdbeben stattgefunden.

Da ist dann von einem neuen Bündnis die Rede, welches am politischen Firmament anzuziehen beginnt. Union, SPD und Grüne agierten sehr viel stabiler, als die beiden Parteien, die im Augenblick die Regierung tragen. Doch wer trägt diese Regierung? Ist es nicht eher so, dass es bei den wirklich wichtigen Themen immer eine breite parlamentarische Mehrheit aus Union, SPD, Grünen und FDP gegeben hat? Bei der Eurorettung sind sich alle einig. Beim Thema Krieg sind sich ebenfalls alle einig. Auch die Arbeitsmarktpolitik und insbesondere das gemeinsame Kind Hartz IV vermag diese Koalition der Willigen nicht zu spalten. Die Schuldenbremse, ein volkswirtschaftlicher und finanzpolitischer Irrweg, hat inzwischen Verfassungsrang.

Unterschiede gibt es allenfalls auf Nebenschauplätzen und selbst dort wird nur mit Nebelkerzen geworfen. An dieser Stelle muss nicht noch einmal die traurige Geschichte vom Mindestlohn erzählt werden, der nach zahlreich verpassten Chancen noch immer darauf wartet, im wichtigsten Land der EU endlich eingeführt zu werden. Psst, die SPD will es diesmal wirklich angehen. Nein, man muss schon unterscheiden zwischen Symbolpolitik und Sachfragen, deren Lösungen als Alternativlosigkeit Partei übergreifend präsentiert werden. Angela Merkel hat ihre Kanzlerinnenmehrheit nicht verloren, weil sie in Wahrheit von weit mehr als Zweidrittel der Abgeordneten getragen wird. Die SPD weigert sich sogar, bei der kommenden Wahl auf eine Ablösung der amtierenden Kanzlerin hinwirken zu wollen. An der CDU-Chefin führt auch künftig kein Weg vorbei, egal mit welcher anderen Partei aus ihrer großen Koalition sie offiziell auch regieren wird.

0

Über den Autor:

André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.
  Verwandte Beiträge