Bei der gestrigen Niedersachsenwahl ist die FDP wie prognostiziert unter die Räder gekommen. Sie hat den Einzug in den Landtag verpasst, hätte aber auch bei einem anderen Ausgang keinen Einfluss gehabt. Das hat Auswirkungen auf die Ampel-Regierung im Bund. Mit der würden viele FDP-Wähler fremdeln, sagte Parteichef Christian Lindner in Berlin. Das ist zu einfach. Es zeigt sich vielmehr, dass es ein Fehler war, beim Schmieden der „Fortschrittskoalition“ zentrale Fragen einfach auszuklammern.
Der Generalsekretär der FDP, Bijan Djir-Sarai, redete in der Berliner Runde Tacheles. Er gab an, nicht als Teil der Regierung zu sprechen, um indirekt drohen zu können. Er kritisierte, dass sich SPD und Grüne auf Kosten der FDP profilierten. Die Liberalen müssten erkennbar bleiben. Damit wurde der scheinheiligste aller Sätze, dass es ja nie um die Partei, sondern in erster Linie immer nur ums Land gehe, gnadenlos abgeräumt. Ihre Beteiligung an der Ampel will die FDP dennoch als staatspolitische Verantwortung verstanden wissen.
Mit anderen Worten: Die desaströse Parteipolitik von Partnern, die nicht zusammenpassen, setzt sich in der Bundesregierung fort. Vor allem um die Schuldenbremse dürfte in den kommenden Tagen und Wochen ein erbitterter Kampf ausbrechen. Finanzminister Christian Lindner hatte es abgelehnt, diese erneut auszusetzen und das mit Verfassungsrecht und den künftigen Generationen begründet. Beides ist Unsinn, was auch Lindner weiß, dem aber die liberalen Themen ausgehen. Er wird dennoch die Hintertür nehmen müssen, die er selbst als „Ultima Ratio“ angedeutet hatte.
Wie kompliziert die Lage zwischen den Regierungspartnern allerdings ist, zeigt sich an der Ausgestaltung der Gaspreisbremse. Dass eine Kommission die Ergebnisse ihrer Arbeit genau einen Tag nach der Niedersachsenwahl vorstellen will, ist ja kein Zufall. Die Ungewissheit und Sorgen von Verbrauchern und Unternehmen hatte die SPD im Wahlkampf adressiert, ohne aber wirklich Antworten zu bieten. Ergebnis ist eine höhere Wahlenthaltung auf der einen und mehr Protestwähler auf der anderen Seite, von der die AfD deutlich profitieren konnte.
Spitzenkandidat Stephan Weil setzte sich in der öffentlichen Wahrnehmung zwar von der Bundesregierung ab und forderte schnelle Entscheidungen, die aber auch unter seinem Vorsitz in der Ministerpräsidentenkonferenz mit Blick auf die Wahl nicht geliefert wurden. Sein Vorschlag eines landeseigenen Rettungsschirms legte er allzu schnell mit dem Verweis auf den Koalitionspartner, der das nicht wolle, zu den Akten, so dass der Eindruck eines billigen Wahlkampfmanövers entstand. Neben der CDU verlor daher auch die SPD an Zustimmung, was in der Öffentlichkeit aber nicht weiter thematisiert wird.
Die Grünen greifen den Vorschlag nun wieder auf. Noch während der Koalitionsverhandlungen soll ein Rettungsschirm für Niedersachsen gespannt werden, erklärte der Spitzenkandidat Christian Meyer. Gut ist, dass sowohl SPD als auch Grüne die Schuldenbremse nicht als heilige Kuh verehren, sondern nach Wegen der Finanzierbarkeit von Krisenfolgen suchen. Stephan Weil erklärte, dass der Bund noch einmal eine Notlage feststellen solle, die im Grundgesetz ausdrücklich vorgesehen ist, um die Schuldenaufnahmeregel auszusetzen.
Inwieweit diese Bedingung Auswirkungen auf seinen eigenen „Niedersachsen-Wumms“ hat, bleibt abzuwarten. Denn da schließt sich der Kreis. Das politische Geschäft ist derzeit nichts weiter als ein Hin- und Herschieben von Verantwortung, auch wenn man beim niedersächsischen Regierungschef so tut, als würde gerade er besonders viel davon für Land und Leute wahrnehmen. Dennoch: Als Erfolg für die Zukunft des Landes muss gelten, dass so ein finanzpolitischer Betonkopf wie Reinhold Hilbers von der CDU als Finanzminister abgelöst wird.
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Über den Autor:
André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.