Irgendwie scheint Mannheim in diesen Tagen zu einem Zentrum zu werden. Es verschlägt einen immer wieder dahin. Diesmal ist es unsere Bundeskanzlerin, die vor dem ZEW (Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung) eine Rede hielt und abermals zu Protokoll gab, nix Großes mehr gegen die Krise tun zu wollen.
„Wir werden im Januar noch einmal reagieren, es könnten dabei nochmals ein paar Milliarden zustande kommen“ […]
„Es ist hier nur begrenzt möglich, gegenzusteuern“ […]
Die Unternehmen seien in Deutschland aber besser gegen die wirtschaftliche Krise gewappnet als noch vor einigen Jahren. Die Verfassung der Unternehmen sei wesentlich robuster und das Niveau der Beschäftigung höher.
Häh? Gerade hat das Bundeswirtschaftsministerium seine Schrumpfungsprognose auf -3 Prozent korrigiert und Merkel faselt weiter von einer robusten Verfassung. Und was meint sie mit höherem Beschäftigungsniveau? Die Ausweitung des Niedriglohnsektors, in dem nunmehr 22 Prozent aller Erwerbstätigen arbeiten und die jetzt in der Krise um ihren Arbeitsplatz fürchten? Meint sie die vielen Teilzeitbeschäftigten, die vielen Leih- und Zeitarbeiter, denen angesichts des stärksten Niedergangs der deutschen Wirtschaft seit Kriegsende das Schicksal droht, ganz robust auf die Straße gesetzt zu werden? Der „nachhaltigen“ Flexibilisierung und Deregulierung der vergangenen Reformjahre sei Dank.
Und wer sitzt eigentlich im ZEW? Also wer ist eigentlich Merkels Publikum, quasi die Zielgruppe ihrer Politik. Mal schauen.
-> Da wären der Präsident und wissenschaftlicher Leiter Professor Wolfgang Franz, Mitglied im Sachverständigenrat.
-> Im wissenschaftlichen Beirat sitzen zahlreiche Unternehmensvertreter und Vertreter aus der Wissenschaft
-> Arbeitgeberpräsident Dr. Dieter Hundt
-> Prof. Dr. Beatrice Weder di Mauro (Sachverständigenrat, Uni Mainz, Kollegin von Raffelhüschen im Aufsichtsrat des ERGO-Versicherungskonzerns)
-> Im Aufsichtsrat des ZEW sitzt der Versicherungsvertreter mit Professorentitel Axel Börsch-Supan.
-> Zum Förderkreis des ZEW gehören Großunternehmen, Versicherungsunternehmen und Finanzdienstleister
Quelle: NachDenkSeiten
Also, wie sagte Georg Schramm in einem anderen Zusammenhang doch so schön.
„Diese Politik ist ja nicht einfach falsch. Diese Politik ist für Teile der Bevölkerung goldrichtig. Nur sie sind nicht dabei. So müssen sie das sehen.“
Diese Regierung tut nichts, um den von ihr mit angerichteten Schaden zu beseitigen. Jeder vergeudete Tag kostet Arbeitsplätze. Für die Banken war innerhalb einer Woche ein komplettes Gesetz mit einem Volumen von 500 Mrd. Euro fertig. Merkel lobt das noch mal ausdrücklich, obwohl sie gleichzeitig ins Mikrofon den Satz hinterhernuschelt, Deutschland befinde sich in einer Krditklemme. Voller Erfolg?
Auf der anderen Seite sagt sie, die Realwirtschaft betreffend könne man nur begrenzt gegensteuern. Bei den Banken gab es keinerlei Grenzen. Aber bei einem Konjunkturprogramm schon. Da sollen derzeit magere 4 Mrd. Euro aus Bundesmitteln ausreichen (Lassen sie sich nicht von den angeblichen 32 Mrd. blenden, die sollen nur angestoßen werden! Wie? Fragen sie nicht mich. Fragen sie den Adam Smith Kenner Hans-Werner (Un)Sinn.).
Paul Krugman hat schon recht, wenn er der deutschen Regierung Dummheit vorwirft. Seinen aktuellen Kommentar in der New York Times über „Frau NEIN“ gibt es hier.
DEZ
Über den Autor:
André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.