Unsere rasenden Reporter Christoph Slangen und Rasmus Buchsteiner waren mal wieder unterwegs und verbreiten im Auftrag der Bundeskanzlerin Merkel-Botschaften. Nicht nur in der Neuen Presse Hannover erscheint heute das Interview unter dem Titel „Deutschland soll stärker werden“. In der Schwäbischen Zeitung zum Beispiel können sie den Scheiß unter dem Titel „Deutschland ist gut gerüstet“ sogar online nachlesen. Komisch ist, dass man auf der offiziellen Interviewseite der Kanzlerin seit dem 15.03.2009 keinen Eintrag mehr findet.
Es ist nach wie vor ein Skandal, dass regionale Tageszeitungen so tun, als hätten sie mit medialen Erfüllungsgehilfen wie Christoph Slangen, Rasmus Buchsteiner und Andreas Herholz unabhängige Journalisten in ihren eigenen Reihen beschäftigt. Das ist eine grobe Irreführung der Leserschaft. Es kann nicht sein, dass die unterschiedlichsten regionalen Tageszeitungen landauf landab diese sprichwörtlichen Mediennutten ihren Lesern als eigenes Personal verkaufen. Diese Leute sind nichts weiter als die PR-Abteilung der Berliner Politik. Nur sie führen in der Regel die Interviews mit Merkel, Steinmeier, Köhler und Co und verbreiten diese deutschlandweit.
Vor ein paar Wochen konnten sie hier im Blog Informationen über ein entsprechendes Interview mit Horst Köhler erfahren, das im Vorgriff auf seine „Wir haben alle über unsere Verhältnis gelebt“- Rede ebenfalls in zahlreichen regionalen Tageszeitungen abgedruckt wurde. Dieses Interview wurde genauso unkritisch von denselben Journalisten geführt, wie das heutige mit Angela Merkel. Bitte weisen sie ihre Tageszeitungen darauf hin, sollte auch bei ihnen solche Interviews abgedruckt sein, dass solche PR-Gefälligkeitsarbeiten der Herren Slangen, Herholz und Buchsteiner nichts mehr mit dem journalistischen Anspruch auf unabhängige Berichterstattung zu tun haben. Wenn solche korrupten Ratten dann auch noch Kommentare in den jeweiligen Tageszeitungen verbreiten dürfen, ist das der Gipfel der Unverschämtheit.
Zu dem Interview braucht man an sich nicht viel zu sagen. Sie werden heute im Radio oder der Tagesschau mit den Ansichten der Kanzlerin bombardiert. Kernaussage wird vermutlich die Steuersenkungsabsicht nach der Wahl sein. Das Ganze steht unter dem Schalgwort „Dreiklang“ und zwar…
„Wir werden im Wahlprogramm einen Dreiklang von Schuldentilgung, Investitionen in Innovation und steuerlicher Entlastung beschließen.“
Das taucht in dem Interview so direkt nicht auf, wird aber den Lesern selbstredend in einem Extrakasten mitgeliefert. Eigentlich weiß man gar nicht genau, wie lang das Interview tatsächlich war. Denn jede Tageszeitung stellt sich ihr eigenes Paket zusammen. Dennoch kann man eine Reihenfolge der Themen erkennen. An erster Stelle steht die „Schweinegrippe“. Es gilt zu beruhigen und Handlungsfähigkeit zu demonstrieren. So als ob die Grippe schlimmer ist, als die Wirtschaftskrise. Denn erst im Anschluss kommt die Absage an weitere Konjunkturpakete und die gleichzeitige Versicherung, alles gegen die Krise zu unternehmen. Es soll ja nicht der Eindruck entstehen, die Kanzlerin böte ein Angriffsziel, an dem sich etwaige soziale Unruhen abarbeiten könnten. Diesen Spekulationen erteilt sie eine klare Absage.
„Die Menschen wollen konstruktive Antworten und seriöses Krisenmanagement. Die Bundesregierung geht hier die richtigen Schritte. Unser Ziel ist, soviel Beschäftigung wie möglich zu sichern. Die Sozialpartner verhalten sich in der aktuellen Situation sehr verantwortlich. In den Unternehmen werden zurzeit gemeinsam von Management und Belegschaften viele verantwortliche Entscheidungen getroffen, um Arbeitsplätze zu sichern. Das gibt mir Zuversicht, dass die weltweite Krise den Gedanken der sozialen Marktwirtschaft in Deutschland wieder stärken wird.“
In der Neuen Presse Hannover steht noch mehr…
„Wir tun alles, um den Bürgern und Unternehmen eine Brücke zu bauen, diese globale Wirtschaftskrise möglichst schnell zu überstehen. Und wir haben den Anspruch, dass Deutschland stärker aus der weltweiten Krise hervorgeht, als es hineingekommen ist.“
[…]
„Die erfolgreiche Bekämpfung der Krise entscheidet über die Stärke und Wettbewerbsfähigkeit der einzelnen Volkswirtschaften der Welt. Wenn die Weltwirtschaft wieder anspringt, muss unser Anspruch sein, eine führende Exportnation zu bleiben.„
[…]
„Wir gehen davon aus, dass die Talsohle in diesem Jahr erreicht wird und wir dann langsam, aber sicher aus dem Tal herauskommen. Die Bundesregierung hat viel getan, um die Auswirkungen der starken Rezession abzumildern: Wir fördern die Kurzarbeit und stützen die sozialen Sicherungssysteme. So stabilisieren wir den Konsum und dämmen den Anstieg der Arbeitslosigkeit ein. Entscheidend wird aber sein, dass die Weltwirtschaft möglichst bald wieder wächst. Denn Deutschlands Verluste beim Export können wir nicht zu hundert Prozent ausgleichen, indem wir die Binnennachfrage stärken.„
[…]
„Ein drittes Paket mit völlig neuen Maßnahmen brauchen wir nicht. Es wäre kontraproduktiv, schon wieder neue Erwartungen zu wecken. Wir sollten die beschlossenen Investitionen erst einmal wirken lassen.“
Lesen sie ganz genau, was die Kanzlerin sagt. Sie will, dass Deutschland Exportnation bleibt. Eine erfolgreiche Bekämpfung der Krise hängt also davon ab, ob andere Volkswirtschaften wieder Nachfrage entwickeln. Denn die Stärkung der eigenen Binnennachfrage ist in den Augen der Kanzlerin kein geeignetes Mittel zur Überwindung der Krise. Stellen sie sich mal einen Franzosen oder einen Amerikaner vor, der das liest. Der muss sich doch fragen, warum er ausgerechnet mit seinen Steuergeldern, die die Konjunkturpakete seines Landes speisen, nun dafür sorgen soll, den deutschen Export zu stützen und somit die eigene Staatsverschuldung noch weiter nach oben zu treiben, als sie ohnehin schon ist. Das funktioniert einfach nicht.
Die Kanzlerin demonstriert einmal mehr ihre Ahnungslosigkeit in volkswirtschaftlichen Fragestellungen. Sie ist sich der Konsequenzen ihrer Aussagen nicht bewusst. Aber was noch viel schlimmer ist, sind diese bescheurten Journalisten, die es nicht merken. Sie fragen nicht einmal danach, wie das Kurzarbeitergeld für eine Stabilisierung des Konsums sorgen soll. Meines Wissens liegt diese Entgeltersatzleistung immer noch empfindlich unter dem tatsächlichen Lohn. Auch die Aufstockungen einiger Unternehmen auf 90 Prozent des Gehalts wurden wieder abgeschafft. Fakt ist, dass die reale Kaufkraft abermals zurückgeht. Von einer Stabilisierung kann also überhaupt keine Rede sein. Die Bundesregierung verlässt sich in ihrem Tun einzig und allein auf die Anderen. Sie selbst tut nichts.
Das konnte man schon unter der Woche bei der Vorstellung des Wirtschaftsberichts durch den Herrn „von und zu“ sehen. Bei der Prognose behauptete der, dass es durch Export und steigende Löhne im eigenen Land wieder aufwärts gehen werde – nach der Wahl. Die Bundesregierung interpretiere da ein paar Zahlen etwas anders als die Institute, hat er gesagt. Im Zentrum stünden die steuerlichen Entlastungen die irgendwann einmal wirken sollen, wenn sie denn endlich in Kraft treten.
Den Weg der steuerlichen Entlastung möchte nun auch die Kanzlerin und ihre Partei weiter gehen. Im Wahlkampf schließt man sich nun den Liberalen an. Der obige „Dreiklang“ also. Schuldentilgung, Investitionen und steuerliche Entlastungen. Sie lesen richtig. Das passt überhaupt nicht zusammen. Man muss den Eindruck gewinnen, die schmeißen ein paar Forderungen in einen Becher und schütteln das Ganze mal kräftig durch. Heraus kommt obiger Unsinn. In einer Wirtschaftskrise dieses Ausmaßes kann man keine Steuern senken, gleichzeitig investieren und Schulden tilgen und in Sachen Konjunktur darauf warten, dass der Export irgendwann wieder anspringt. Wo soll das Geld herkommen? Eine Besteuerung von Vermögen lehnt die Kanzlerin ja nach wie vor ab. Bei wem soll also künftig eingespart werden?
Dazu Robert von Heusinger in der FR…
„Im Schnitt steigt die Staatsverschuldung nach einer Bankenkrise um 86 Prozent, haben die Top-Ökonomen Kenneth Rogoff und Carmen Reinhart herausgefunden. Überschlagen wir kurz: Bei einem Schuldenstand von rund 1,5 Billionen Euro entsprechen 86 Prozent knapp 1300 Milliarden Euro zusätzliche Verschuldung in den kommenden Jahren!
Diese Schulden wollen verzinst werden, und zwar aus Steuergeldern. Das ist die wahre Herausforderung vor der die Wirtschaftspolitik steht – Wahlkampf hin, Wahlkampf her. Über Steuersenkungen zu reden ist in höchstem Maße unseriös. Das Gegenteil ist richtig: Die Steuern müssen erhöht werden. Und sie können erhöht werden, hat Deutschland doch eine im internationalen Vergleich verdammt niedrige Steuerquote.“
Aber was tut die Bundesregierung? Sie denkt aktuell darüber nach, an der Unternehmenssteuerreform nachzubessern. Die Unternehmen sollen also noch einmal entlastet werden.
MAI
Über den Autor:
André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.