Nicht nur Klimaanlagen in vermeintlich hochmodernen ICE-Zügen fallen aus wenn es zu heiß ist, auch in Regierungsmaschinen der Luftwaffe schleicht sich gelegentlich der Fehlerteufel ein. Heute meldet der Bild-Nachrichtenticker, dass Verteidigungsminister zu Guttenberg bei einem Tankstopp in Kiew aus „einem qualmenden Jet der Flugbereitschaft seines eigenen Ministeriums flüchten“ musste.
Quelle: Bild
Bei einem Tankstopp ließ die Luftwaffen-Crew die mehr als zwei Jahrzehnte alte Challenger- Maschine wegen eines rauchenden Fahrwerks räumen. Später stellte sich der Schaden als relativ harmlos heraus. Durch ein Leck in der Nähe der Bremsen war Flüssigkeit ausgetreten. Trotzdem konnte der kleinste VIP-Flieger der Luftwaffe mit nur zwölf Passagiersitzen nicht weiter fliegen. Guttenberg übernachtete von Mittwoch auf Donnerstag in Kiew und wollte seine Reise am Nachmittag mit einer aus Deutschland eingeflogenen Ersatzmaschine fortsetzen.
Ja wohin ging denn die Reise überhaupt??? Das ist den Springer-Leuten wohl egal. Hauptsache 00-Gutti konnte einem möglichen Inferno entgehen. Ach nee, war ja gar keins. Was ist jetzt also die Nachricht? Defekte Maschinen? Unerwartete Reiseverlängerung für Gutti? Der Bild-Leser wird wahrscheinlich dumm sterben. Aber nein. Die Bild-Zeitung hat sich für eine Kombination aus bewährter James Bond Nummer („Guttenberg in Not“, „Zwischenfall mit Guttenbergs Regierungsflieger: Feuer! Alle sofort hier raus!“) und einer Auflistung „peinlicher Pannen“ mit Regierungsmaschinen (siehe Bild-Zeitung hier).
Die Bilder müssen sie sich unbedingt ansehen. Da hätten die Springer-Leute jetzt auch den Titel For Your Eyes Only wählen können. Der Geheimagent im Auftrag der Vorsitzenden des Staatsrats der Bundesrepublik Deutschland Frau Dr. Angela Merkel Minister war übrigens unterwegs nach Asien. Immerhin ein Ziel, mit dem sich der Bild-Leser auf der Weltkarte schon einmal grob orientieren kann. Welchem Auftrag der Minister dort aber nachkommt, bleibt weiterhin im Unklaren.
Fliegt er vielleicht nach Afghanistan? Will er den Soldaten vielleicht das neue Buch zweier Bild-Journalisten (Julian Reichelt und Jan Meyer) mit dem Titel „Ruhet in Frieden, Soldaten!“ präsentiern? Bei der Buchbesprechung im Berliner Café Einstein Mittwochnachmittag, also kurz vor Abflug nach wohin auch immer, behaupteten die Autoren und der anwesende Minister doch allen ernstes, ein Stück Aufklärung in Sachen Afghanistan-Krieg vorlegen zu können (siehe Hintergund, „Zynische Aufklärung über Afghanistan“).
Zwar sprechen die Autoren in ihrem Buch mit Blick auf die Kuduz-Affäre von Vertuschung, aber sie nehmen das nicht zum Anlass, die Kriegspolitik für gescheitert zu erklären, sondern begeben sich an die Seite der Regierung und meinen mit Aufklärung, dass der Einsatz in Afghanistan durch die Medien nur besser vermittelt werden müsse. Auf der Seite des Ministers findet sich dazu folgende Einschätzung:
Bemerkenswert fand zu Guttenberg, dass viele Soldaten, die heute in Afghanistan seien, am 11. September 2001 erst neun oder zehn Jahre alt gewesen seien und sich deshalb an den Grund des Krieges kaum noch erinnerten. “Deshalb müssen wir den Einsatz weiterhin erklären, erklären, erklären!, „machte der Minister deutlich.
Bei Lenin hieß es „Lernen, lernen, lernen!“ Das war ja noch ein Appell an das Individuum, den eigenen Kopf zu benutzen. Damit hatte das wenigstens noch einen produktiven Sinn. Zu Guttenberg dagegen hält nicht viel vom Lernen. Seine Maxime „Erklären, erklären, erklären!“ zielt darauf ab, dem Individuum das Denken zu verwehren. Es soll schlicht an das Glauben, was ihm „erklärt“ wird. Die Erkenntnis ist nicht erwünscht. Das ist halt die übliche Masche derer, die glauben, mit dem Sieg über den Sozialismus hätte sich auch die Suche nach der Wahrheit erledigt.
Der Minister hält im Übrigen den Begriff Vertuschung für übertrieben und will lieber von „gemeinsamer Überforderung“ in Bezug auf die Aufarbeitung des Kunduz-Zwischenfalls sprechen. So ist er halt, der Sprachwahrer des Jahres 2009 (siehe auch hier). Die Bombardierung zweier Tanklastzüge nahe Kunduz, bei der zahlreiche Zivilisten getötet wurden, ist nun bald ein Jahr her. Finden sie, dass diesbezüglich schon irgend etwas aufgeklärt wurde?
Eine Bilanz wäre ganz hilfreich, in Sachen Kunduz und natürlich in Sachen Afghanistan-Krieg. Doch unser Super-Gutti meint dazu:
Zweitens sei es verfrüht, wie die Autoren es tun, über den Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan Bilanz ziehen zu wollen. Es werde nie etwas anderes geben können als eine Art Zwischenbilanz.
Quelle: Hintergrund
Da hilft auch kein „Erklären, erklären, erklären!“ mehr. Ich nix „Verstehen, verstehen, verstehen!“ Aber immerhin wissen wir jetzt, wofür deutsche Männer und Frauen im Kampfanzug ihr Leben riskieren. Nicht für Brunnen, Schulen und die Freiheit afghanischer Frauen, sondern wegen der Bündnistreue zu den USA. Daraus ergäbe sich ein scheinbarer Sachzwang, dem die Bundesregierung nicht einfach entfliehen könne. Sie wissen schon, das Ganze ist „alternativlos“.
JUL
Über den Autor:
André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.