Grundrechenarten

Geschrieben von: am 19. Sep 2012 um 22:56

Reicher Mann und armer Mann, standen da und sahn sich an. Und der Arme sagte bleich: “wär ich nicht arm, wärst du nicht reich.”

Bertolt Brecht hat mehr von Volkswirtschaft verstanden, als 90 Prozent der deutschen Ökonomen oder führende Politiker, die als Abgeordnete des deutschen Bundestages oder als Regierung über Maßnahmen entscheiden, die unser aller Schicksal bestimmen.

In dieser Woche erreichten uns neue Zahlen zur Vermögensverteilung, die eigentlich niemanden überraschen dürften. Daneben tobt die Rentendebatte, in deren Schlepptau eine neuerliche PR-Offensive der Versicherungslobby folgt. Selbst diesen unbedeutenden Blog erreichen Mails von irgendwelchen Agenturen, deren Texte und Grafiken über tolle Anlagemöglichkeiten zur Vermeidung von Altersarmut ich doch gern verwenden könne.

Die große Volksverdummungs-Stiftung mit Namen Warentest veröffentlicht wieder Berichte über Riester-Renten und stellt völlig überraschend fest, dass nur 5 von 29 Policen im Sinne der Versicherten “gut” seien. Man fragt sich verwundert, was unabhängig vom Sinn der Riester-Rente aus der staatlichen Zertifizierung geworden ist, die angeblich all diesen Verträgen geprüfte Seriosität verleihen sollte. Es wird einfach weiter manipuliert und dummes Zeug erzählt.

Heiner Flassbeck hat unterdessen herausgefunden, dass die Sparquote der privaten Haushalte seit der Einführung der Riester-Rente im Jahr 2002 praktisch unverändert geblieben ist. Messerscharf kombiniert der Ökonom:

“Der Staat hat mehr als zehn Milliarden an Subventionen dafür ausgegeben, dass die Haushalte Ersparnisse, die sie ohnehin gehalten hätten, teilweise durch Riester-Produkte ersetzt, insgesamt aber weniger gespart haben. Sinnloser kann eine Subvention nicht sein.”

Es ist doch vollkommen klar, dass die Versicherungsbranche bei solch einem Befund leicht in Panik gerät und ein Versiegen der vom Staat am Sprudeln gehaltenen, kommerziell sehr lukrativen Ölquelle befürchtet. Denn im Gegensatz zu den Politikernasen beherrschen die Damen und Herren Finanzvertreter die Grundrechenarten und setzen sie für ihre Zwecke ein.

Möglicherweise könnte ja ein Blitzerwarner helfen, um die Zunahme absurder Entscheidungen zu verhindern. Geblitzt wurde auf der herbstlichen Sommerpressekonferenz der Bundeskanzlerin ja viel. Doch relativ unbemerkt und unwidersprochen durfte sie Unglaubliches in die Notizblöcke diktieren:

“Wegen der sehr hohen Verschuldung sind die Finanzmärkte in Sorge, ob wir die Schulden jemals zurückzahlen können.” Deshalb müssten die Ausgaben für den öffentlichen Sektor in vielen Euro-Staaten zurückgeschnitten werden, auch wenn dies in einer Übergangsphase sicher zu “negativen Wachstumsimpulsen” führe, sagte Merkel. Dafür zeige sich etwa in Spanien und Portugal aber bereits, dass durch den eingeschlagenen Reform-Kurs wieder Arbeitsplätze in der Industrie- und Exportwirtschaft entstünden.

Quelle: Reuters

Ihr blute übrigens das Herz, weil vor allem die Griechen mit niedrigem Einkommen unter der Krise zu leiden hätten. Die Sorge der Finanzmärkte wiege aber schwerer und der Hunger, den die Menschen im angeblich wieder aufstrebenden Portugal verspüren und der sie deshalb zu Tausenden auf die Straße treibt, scheint bei Frau Merkel und den Hauptstadtjournalisten in Berlin noch nicht angekommen zu sein. Der Reform-Kurs wirke ja, so die Botschaft. Wen interessieren schon die Realitäten. Zum Beispiel, dass Portugals Wirtschaft in diesem Jahr um weitere 3,3 Prozent geschrumpft und die Arbeitslosigkeit auf das Rekordniveau von 15,7 Prozent angestiegen ist.

Das sei ja nur eine Übergangsphase mit “negativen Wachstumsimpulsen”. Aha. So etwas kann Frau Merkel, kann auch jeder andere heute einfach sagen, ohne das jemand die betreffende Person für einen Schwachkopf oder eine Schwachköpfin hält. Wie gut, dass es da noch ehemalige Finanzminister gibt, die mit “frischen Konzepten” zur Regulierung der Kapitalmärkte aufwarten. Bei der Vorstellung der Steinbrück-Biografie – ich dachte, die hätte Su-Peer schon mit dem Buch “Unterm Strich” abgeliefert – rührt ein weiterer Ex-Finanzminister (Theo Waigel) die Werbetrommel für den Starökonomen der SPD.

“Ja, er kann es”, sagte Waigel. Nur was? Schach vielleicht? Im vergangenen Jahr hatte diesbezüglich Altkanzler Helmut Schmidt wohl unbeabsichtigt aber dennoch “Zug um Zug” Steinbrücks Schwächen offengelegt. Waigel attestiert ihm nun ökonomischen Sachverstand und das Gerede um die Kandidatenfrage, wer auch immer das für wichtig hält, breitet sich weiter aus.

Dabei hätte ich von allen Kandidaten und der amtierenden Regierung einmal die fünf Konten der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung erklärt bekommen, von denen der oben zitierte Bertolt Brecht offenbar mehr verstanden zu haben scheint.

Professor Bontrup, Sprecher der Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik übernimmt:

Auf Konto eins, das sind die privaten Haushalte haben sich zwischen 1991 und 2010 1986,7 Mrd. Euro an Vermögen angesammelt. Das sind im Schnitt rund 100 Mrd. pro Jahr. Wo die gelandet sind, steht im aktuellen Armutsbericht. Auf Konto zwei, das sind die nichtfinanziellen Kapitalgesellschaften, also produzierende Unternehmen, standen zum selben Zeitpunkt 414,9 Mrd. Euro Schulden, was auch vollkommen normal ist, da Unternehmen für Investitionen Kredite aufnehmen müssen. Auf Konto drei haben die Finanzinstitute, also Banken, Versicherungen und die Bundesbank ein Vermögen von 260,1 Mrd. Euro zwischen 1991 und 2010 angesammelt, was durchaus verwunderlich ist, wenn man das Gerede vom Misstrauen und einer angeblichen Kreditklemme in Erinnerung hat.

Auf Konto vier kommen nun endlich die nächsten Schuldner. Der Staat, also alle öffentlichen Haushalte (Bund, Länder, Kommunen) und die Sozialversicherungen. Sie haben zwischen 1991 und 2010 Schulden in Höhe von 958,9 Mrd. Euro angehäuft. Das sind durchschnittlich rund 48 Mrd. Euro neue Schulden pro Jahr. Wenn man jetzt mal alles zusammenaddiert, fehlt etwas, damit die Bilanz ausgeglichen ist. Und zwar noch weitere Schulden in Höhe von 873 Mrd. Euro. Die sind in Konto fünf verbucht, das die Überschrift “Ausland” trägt. In diesem Konto ist das in diesem Blog immer wieder thematisierte Bilanzungleichgewicht erkennbar. Der Exportweltmeister hat Forderungen in gigantischer Höhe angehäuft. Dafür hat der deutsche Michel nun seinen Gürtel enger geschnallt. 

Zwischen all diesen Konten besteht ein Zusammenhang. Die rund 2 Billionen Euro Vermögen brauchen zwangsläufig einen Schuldner, um überhaupt als Vermögen existieren zu können. Will man also die Schulden abbauen oder neudeutsch bremsen, muss man zwangsläufig auch Vermögen reduzieren oder dessen Vermehrung einbremsen. Da dass aber nicht im Interesse der Vermögenden ist, werden zwischen den Konten allerhand trickreiche Umbuchungen vorgenommen. Meistens fällt dem Konto vier dabei die Rolle des Schurken zu. Allein in den Krisenjahren 2009 und 2010 hat sich die Staatsverschuldung um 72 Mrd. bzw. 82 Mrd. Euro erhöht.

Das musste so sein, weil die Vermögenden ihre Verluste an den Finanzmärkten nicht durch einen Vermögensverlust bezahlen wollten. Die privaten Haushalte haben im Gegenteil im Jahr 2009 ihr Vermögen um zusätzliche 136 Mrd. Euro steigern können. Um das zu realisieren, mussten auf der anderen Seite auch die Schulden in den Konten vier und fünf steigen.

Bei der politisch veranlassten Umbuchung hat übrigens der oben kurz erwähnte und ach so kompetente Ökonom Steinbrück als Finanzminister und Best-Krisenmanager-Ever im Verwendungszweck des Überweisungsträgers  das Wörtchen “systemrelevant” eintragen lassen. Sie erinnern sich? Nun brauchte nur noch eine sprachliche Umdeutung der Vermögenskrise in eine Staatsschuldenkrise zu erfolgen und der Drops war gelutscht.

Es ist übrigens witzig, dass Steinbrücks angeblich bahnbrechendes Konzept den Umbau der Deutschen Bank vorsehen soll. Die Manager müssten sich warm anziehen, heißt es. Wie warm Steinbrück im Herbst 2008 wohl angezogen war, als ihn Ackermann über den Tisch gezogen hat und er kreidebleich mit seiner Chefin Angela vor die Presse trat, um eine Garantie für die Spareinlagen aller Deutschen abzugeben, können wir wohl jenseits des Protokolls in Steinbrücks Biografie nachlesen.

Und morgen suchen wir alle einen Namen für die neue Billig-Airline der Lufthansa.

Gute Nacht.      

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Über den Autor:

André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.
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Kommentare

  1. Kopfstaendler  September 21, 2012

    Vielen Dank für diesen Beitrag und den Hinweis auf Prof. Bontrups Vortrag. Ich werde, Ihr Einverständnis vorausgesetzt, Ihre Seite und den Vortrag in meinem Blog verlinken.

    Gruß vom Kopfstaendler

    • adtstar  September 21, 2012

      Na klar.

  2. Anonymous  September 21, 2012

    Die BRD ist Pleite

    dieses Land steht bereits seit der Euro-Einführung am Abgrund. Das man diese Tatsache zur Zeit noch mit ernormen Mengen an Schuldgeld zuzudecken sucht, konterkariert diese Tatsache keineswegs.

    Seit der Euro Einführung hat der Schuldenstand der BRD in nur 14 Jahren etwa um >60% zugenommen, nur weil es nicht sauber bilanziert wird, sind diese Schulden ja nicht gegenstandslos.

    Man sollte sich mal ein paar Zahlen vor Augen führen, um dies zu verdeutlichen.
    Von 1962-2001 sammelte die BRD Neuschulden in Höhe von ca. 1.096 Mrd. DM also etwa 560 Mrd Euro an. Wohlgemerkt in fast 40 Jahren und trotz einer „Wiedervereinigung“, die gestemmt werden musste!

    http://www.kas.de/wf/doc/kas_465-1522-1-30.pdf?040415175627

    Gleichzeitig waren schon damals die Zinsen mit 1.130 Mrd. DM also etwa 580 Mrd. Euro größer, als die Summe des aufgenommenen Geldes.

    Die Schulden wurden also zu 100% aufgenommen, um die Zinsen bezahlen zu können und reichten dafür damals schon nicht mehr aus. Ich hoffe, es wird einigermaßen deutlich worauf ich hinweisen will?

    Heute vor dem Hintergrund der Krisen, sind das Summen, die fast schon lächerlich anmuten. Solche Summen übernimmt der Bund heute jährlich an Zahlungsverpflichtungen für Vermögende in anderen Staaten und für die Banken!! Nicht für die Bürger!!

    Der offizielle Schuldenstand nur des Bundes wird heute mit ca. 2,2 Billionen Euro beziffert. In Wirklichkeit handelt es sich aber eher um mehr als 3,5 Billionen Euro, wenn man die Garantien und Zahlungsverpflichtungen hinzurechnet, die man durch den Euro eingegangen ist. Denn diese werden in kürze fällig werden.

    Doch welche Kreditaufnahmen werden nötig werden, um auch in Zukunft die Zinszahlungen für diese enorme Summe bedienen zu können?

    Die Steuereinnahmen des Bundes lagen 2011 bei satten 248 Mrd. Euro und sind vor dem Hintergrund solcher Zahlen als lächerlich gering anzusehen. Der Bund kann nämlich nicht frei über diese Summe verfügen, der letztlich frei verfügbare Anteil liegt bei weniger als einem Viertel dieser Summe.

    http://de.statista.com/statistik/daten/studie/166381/umfrage/steuereinnahmen-laut-steuerschaetzung/

    Um es klar zu sagen, wenn eine Firma irgendwo auf der Welt bei einer Bank ihrer Wahl, um einen Kredit nachsucht und solche Zahlen präsentiert, wird man den Verantwortlichen aus der Bank jagen und das zu Recht. Denn er versucht hier einen dreisten Konkursbetrug durchzuführen. Ein solches Unternehmen ist nach allen Regeln des Finanzmarktes als Bankrott anzusehen.

    Die Tatsache, dass man bei Staaten andere Kriterien anlegt, sollte uns nicht glauben machen, man könnte sich dauerhaft um ökonomische Grundregeln herumdrücken. Diese Annahme brachte uns erst in diese Situation. Diese ökonomischen Regeln holen uns sehr bald, sehr schmerzhaft ein und die unausweichliche Antwort auf derart unverantwortliches Handeln, wird der totale Zusammenbruch der Finanzmärkte sein!

    Wir haben hier den „point of no return“ längst hinter uns gelassen. Es gibt keinen Ausweg mehr, aus diesen enormen Schulden und jeder der etwas anderes behaupten will, soll mir das hier an Beispielen vorrechnen.

    Selbst wenn es aber möglich wäre, dass man mit einer nationalen Anstrengung das Diktat der Finanzmärkte abstreifen könnte, um Handlungsfähigkeit zurück zu gewinnen, muss eins klar sein, dass so etwas nicht gelingt während man in einer gemeinsamen Binnenwährung mit Pleiteländern verbleibt, deren Zahlen noch dramatisch schlimmer aussehen als die eigenen und die man nicht einmal beeinflussen kann. Da die Instrumente dazu komplett fehlen.

    Wenn die BRD aber aus dem Euro austritt, also den einzigen logischen Schritt aus der Krise vollziehen will, sind alle ihre Auslandsforderungen massiv bedroht, denn diese könnten nie zurückgezahlt werden, da die Schuldner die enormen Zinsen nicht aufbringen können und ihre Motivation zum Schuldendienst zumindest zweifelhaft ist.

    Außerdem würden alle Forderungen in Euro unglaublich viel an Wert verlieren, da der Euro bei einem Austritt Deutschlands dramatisch abwerten würde. Ich denke der Wertverlust würde bei 60-70% liegen. Somit wären alle deutschen Banken über Nacht bankrott und müssten sofort verstaatlicht werden. Da Inlandsforderungen in neue deutsche Mark umzurechnen wären, also in eine neue Hartwährung, während alle Auslandsforderungen 70% ihres Wertes einbüßen würden, da sie ja auf Euro lauten.

    Die Höhe der gesamten Auslandsforderungen der BRD, sowohl des Staates wie auch die der Bürger und Unternehmen liegen aber bei etwa 3,3 Billionen Euro!!!!

    Rechnet man diese zu den Bundesschulden von ca. 2,2 Billionen hinzu, so kommt man auf etwa 5,5 Billionen Euro. Ich lasse jetzt einfach die Schulden der Länder und Gemeinden außen vor.

    In Deutschland gibt es etwa 30 Millionen Menschen die ein sozialversicherungspflichtiges Einkommen erzielen.

    Also rechnen wir mal 5,5 Billionen geteilt durch jene, die ein nennenswertes Einkommen beziehen. So hätte jeder Deutsche mit einem nennenswerten Einkommen etwa 184. 000 Euro Schulden, ohne Zinsen versteht sich!!!!!!

    Wer mir auch nur vorrechnen kann, wie hier auch nur die Zinsen dafür bezahlt werden können, nur zu, ich lerne gerne dazu.

    Deutschland ist verloren und bankrott und man traut sich nur noch nicht das auch zuzugeben.

    Würden die Finanzmärkte wirklich nur ökonomischen Regeln folgen, dann hätte der Euro seit 2009 nicht nur um 40% gegen den Dollar abwerten müssen, sondern um 80%.

    Zu retten ist diese lächerliche Währung nicht mehr, weder von der BRD, auch nicht wenn wir alle kollektiv verarmen, noch von sonst wem.

    Schulden in dieser Größenordnung kann man auch nicht mehr einfach weg inflationieren, wie viele Experten immer wieder befürworten, denn das führt dann zu einer Hyperinflation und dann zum Zusammenbruch des Systems. Diesen Weg hätte man 2009 vielleicht noch gehen können, als die Schulden noch weit geringer waren, aber hier verspielte die Kanzlerin die letzte Gelegenheit noch mit einem „blauen Auge“ aus dieser Krise zu kommen, die die größte Wirtschaftskrise in der gesamten Menschheitsgeschichte werden wird.

    Wer etwas zum weinen will, der kann sich die Mühe machen und obige Rechnung am Beispiel Italiens wiederholen, da sieht die Lage, bei fast gleich hohen Staatsschulden noch viel düsterer aus.

    Wir brauchen also einen Reset des gesamten Finanzsystems. Die Frage ist nur wie so etwas ausgestaltet wird. Wer noch immer an Mutties „Garantien“ für die Spareinlagen glaubt, der wird alles verlieren was er hat.

    Wer klug ist legt sich Lebensmittelvorräte für wenigstens 2 Monate an, sorgt dafür, dass er wehrhaft ist und besorgt sich Edelmetalle, da sie die Krise im Unterschied zu allen Papierforderungen überstehen werden und der Staat sie kaum kontrollieren kann. Wer genug Kapital hat, sollte sich ein Haus außerhalb der Euro-Zone möglichst in ländlichem Bereich erwerben und sich vorbereiten. Selbst von Immobilien in Europa muss man abraten, denn diese werden in der Krise dramatisch an Wert verlieren, sie sind nicht mobil, sie unterliegen dem vollen Zugriff des Staates und somit auch der Enteignung, sie sind in diesem Szenario stark zerstörungsgefährdet.

    Schäuble hat in einem Interview in New York bei der NY Times gesagt: „Wir brauchen in Europa den Zusammenbruch der Finanzmärkte, damit eine europäische Wirtschaftsregierung installiert werden kann“. Ich sage der Wirtschaftsfaschismus und der Sozialrassismus wird installiert und ist schon realisiert worden, letzteres durch die Hartz Gesetze.

    Der Ausverkauf hat begonnen. Die Agenda 2010 war der Anfang vom Ende, inside nicht nur Hartz, sondern auch die Deregulierung der Finanzmärkte. Die Agenda 2010 war der größte Anschlag auf die Zivilbevölkerung seit dem 2. Weltkrieg. Jetzt steht uns ein weitaus größerer Anschlag bevor. Die Beteiligten wissen, dass die Fehler der Vergangenheit nicht mehr zu reparieren sind, der Bürger weiß das nicht.

    Ist jetzt doch ein bisschen länger geworden als beabsichtigt und ich wüsste noch vielmehr zu schreiben, aber ich denke immer an Deine knapp bemessene Zeit.

    Liebe Grüße von mir.

    • adtstar  September 21, 2012

      Ihre Zahlen kann ich nicht nachprüfen, daher werde ich mich dazu nicht äußern. Mir sind bei ihrer Argumentation aber zwei Dinge aufgefallen. Da wäre zum einen der Vergleich von Volkswirtschaften mit Unternhemen. Das ist nicht redlich. Wir haben zwar einen „Unternehmerstaat“, in dem die Unternehmer-Logik permanent Grundlage politischer Entscheidungen ist, der Staat ist aber kein Unternehmen.

      Das führt mich zu meiner zweiten Bemerkung. Die Verschuldung und ein Bankrott. Volkswirtschaften können zusammenbrechen und ganze Gesellschaften ins Chaos stürzen, ja, aber im Gegensatz zu Unternehmen können sie weder abgewickelt noch zerschlagen werden, um die Gläubigerinteressen zu bedienen. Bei der Bankrottdiskussion wird auch immer so getan, als gehöre das Geld denen, die es besitzen. Das stimmt aber nur in soweit, wie es Vertrauen in die Währung gibt. Und bei diesem Spiel sitzt immer die ausgebende Zentralbank am längeren Hebel.

      Der Staat ist Herr über sein eigenes Geld, egal ob die Zentralbank unabhängig ist oder nicht und das zirkulierende Kapital braucht eine Anlage. Immer. Deshalb ist die öffentliche Verschuldung auch kein Kriterium, einem Land kein Geld mehr zu geben. Das beweisen Japan und die USA. Deutschland ist auch ein gutes Beispiel, da es eine signifikant höhere öffentliche Verschuldung als Spanien aufweist. Dennoch kaufen Ivestoren lieber deutsche Euroanleihen, obwohl sie dafür noch etwas drauflegen müssen.

      Wenn alle schlechte Schuldner wären, sähe es auch schlecht für die Vermögenden aus, deren Geld nur dann etwas wert ist, wenn es ausreichend gute Schuldner gibt.

  3. Anonymous  September 22, 2012

    Hi Andre,

    Kann ein Staat Pleite gehen?

    Dein Einwand „Da wäre zum einen der Vergleich von Volkswirtschaften mit Unternehmen. Das ist nicht redlich“, ist nur bedingt akzeptabel finde ich. Ich gehe davon aus, nach all den vielen Reformen, wie z.B. die Agenda 2010, dass die Regierung den Boden der Volkswirtschaft und der sozialen Marktwirtschaft verlassen hat und seit dem Mauerfall 1989, ihre Regierungsgeschäfte nach kapitalistischen Prinzipien diktiert von der Finanzwelt und den Vermögenden ausgerichtet hat. Die Regierenden betreiben eine rücksichtslose Machtpolitik unter Ausnutzung aller Mittel, ohne ethische Einflüsse, Moral und Sittlichkeit. Selbst die Verarmung vieler Millionen Bürger, nicht nur in der Südkurve Europas sondern auch in unserem Land, wird billigend in Kauf genommen. Die Agenda 2010 von Rot – Grün, Schröder und Fischer u.a., hat nichts mehr aber auch gar nichts mehr mit volkswirtschaftlichen Interessen zu tun.

    Die BRD ist faktisch Pleite und wird niemals Ihre Schulden zurückbezahlen können. Ein Staat kann natürlich nicht wie ein Unternehmen Bankrott gehen, ich aber spreche von vielen Bürgern, die durch die derzeitige Politik eben auch in Deutschland, schon millionenfach verarmt sind und die Anzahl der Armen, wird sich in den nächsten Jahren noch drastisch erhöhen. Du hast zu Recht den Armutsbericht erwähnt, die Zahlen will ich nicht wiederholen, die kennst Du.

    Europa wollen wir alle, aber kein Europa das den Wirtschaftsfaschismus und den Abbau demokratischer Strukturen als Ziel definiert hat. Europa auf millionenfacher Armut zu gründen, ist einfach nur als Wahnsinn zu bezeichnen und genau das passiert.

    2002 war Argentinien bankrott, genauer Millionen von Bürgern. Man hat Geld gedruckt, was keinen Gegenwert hatte, kam so in die Inflation, druckte noch mehr Geld, kam in die Hyperinflation und die Menschen konnten die Preise nicht mehr bezahlen, sie verarmten. Selbst Steuererhöhungen und Privatisierungen, halfen den Menschen nicht mehr.

    Kann ein Staat sich nicht mehr auf dem internationalen Finanzmarkt verschulden, weil die Staatsanleihen keinen Abnehmer finden, kommt es zu einer staatlichen Insolvenz siehe Griechenland. Das Land kann dann seine Ausgaben für Rentner, Arbeitslose, Gehälter für Staatsbedienstete, Schulen Krankenhäuser usw. nicht mehr auszahlen, also wieder Verarmung der Bürger. Die Zahl 2,2 Billionen Schulden, sowie die Fälligkeiten für Kredite in Kürze von rund 1,5 Billionen, die Zahlen der Statistiken differieren etwas, kannst Du schon nachvollziehen, davon gehe ich aus, da ich ja mit Deinem Text ziemlich einverstanden bin. Wichtiger allerdings als die Grundrechenarten, sollte die Quintessenz sein, die da wäre, das Problem ist so nicht mehr zu lösen. Man muss die Ursachen eliminieren. Ohne wenn und aber müssen die Finanzmärkte reguliert werden, der Arbeitsmarkt muss wieder reguliert werden, Versorgungseinrichtungen (Strom,Wasser usw) gehört in staatliche Hand nicht in die Hände von Privatleuten und HedgeFonds, der Niedriglohnsektor sowie die Leiharbeit gehört abgeschafft, es müssen vernünftige Löhne bezahlt werden und an erster Stelle, muss der Sozial- und Rechtsstaat wieder aufgebaut werden. Rigoros und ohne wenn und aber, die Agenda 2010 gehört abgeschafft und die Verantwortlichen wegen Volksverrat und Betrug verurteilt.

    DIE WELT berichtet, dass der ungarische EU – Sozialkommissar L. Andor die jahrelange Lohnzurückhaltung der Deutschen geißelt und Deutschland sei für die Euro – Krise durch konstant niedrige Löhne mitverantwortlich. Andere z.B. die 36.000 Kläger vor dem BVerfG, sehen die Schuld Deutschlands an den Krisen und der schon jetzigen und zukünftigen Verarmung in der Agenda 2010 und dem schon von mir erwähnten kapitalistischen Kasperletheater, welches man uns allabendlich und dann noch verlogen auftischt.

    Deutsche Steuersenkungen auf Dumping Niveau führten dazu, das ausländische Firmen nichts mehr verkaufen konnten.

    Unsere Exporte sind hier schlicht die Verbindlichkeiten der anderen, da die deutsche Politik unglaublich kurzsichtig handelte. Jedes Mal wenn so ein schlichtes Gemüt wie Gerhard Schröder in der Vergangenheit die deutschen Exporte und den Titel Exportweltmeister beklatscht hat, ist mein Blutdruck bedenklich gestiegen.

    Eine Konzentration auf den eigenen Binnenmarkt unter Berücksichtigung einer einigermaßen ausgeglichenen Außenhandelsbilanz ist das langfristig tragfähigste Modell. Hier ist die Inlandsnachfrage der größte Antrieb für die Wirtschaft, die Löhne sind relativ hoch genau wie der Wohlstand im Land. Bestes Beispiel ist hier die Schweiz. Das sind Er-Kenntnisse die in jedem Wirtschaftsstudium im ersten Semester vermittelt werden.

    Eine „exportorientierte“, globalisierte Wirtschaft, in der die Binnennachfrage stagniert oder schrumpft und somit die Konzentration auf den „Export“ immer wichtiger wird. Dann schenkt der eigene Staat den anderen irgendwann das Geld, damit die Waren der eigenen Wirtschaft weiter gekauft werden können. Die Löhne sind relativ niedrig, die Steuern der Unternehmen auch und weite Teile der Bevölkerung verarmen. Die schrumpfenden Staatseinnahmen führen unweigerlich zu hoher Verschuldung des Staates, der ja auch noch Geld herschenken muss, damit fremde Staaten weiter die Waren der eigenen, exportorientierten Wirtschaft nachfragen können. Bestes Beispiel ist hier Deutschland.

    Besonders wenn man in einem gemeinsamen Markt mit gemeinsamer Währung gefangen ist und einem die „Exportüberschüsse“ daher nicht mehr zu Gute kommen, da es in einem Binnenmarkt keinen echten Export mehr gibt, sind Exportüberschüsse nicht wünschenswert.

    Ist man erst abhängig vom Export hat das auch noch den Nachteil, dass man die Politik in den Zielmärkten nicht beeinflussen kann und so jede Krise in den Zielmärkten auf Umwegen zu eigenen Krisen werden. Man ist dann fremdbestimmt.

    Genau das erkennen wir seit der Euroeinführung immer mehr. Jede der Krisen trifft uns mit derselben Härte wie die Staaten, in denen die Krisen zunächst auftreten. Ganz egal ob in Amerika eine Bank pleite geht, oder es in Spanien eine Immobilienkrise gibt. Immer sind wir in großem Umfang mit betroffen.

    Bisher deckt die Politik diese Fehlentwicklung mit immer neuen Schuldenbillionen zu, aber lange geht das nicht mehr. Die Euro-Katastrophe endet spätestens mit der deutschen Zahlungsunfähigkeit und diese steht unmittelbar bevor, auch wenn man die wahren Schuldenstände der Staaten noch verschleiert bis nach der nächsten Wahl. Wer für eine Schuld bürgt, der steht auch voll für diese ein und sollte das nur tun, wenn er auch selbst genug Geld hat. Der deutsche Staat bürgt für immer gigantischere Summen, während er selbst in Schulden ersäuft.

    Die Politik scheint zu glauben, wenn man immer neue Schulden draufpackt, müsste man die Rechnung nie glattstellen, aber das ist ein tragischer Irrtum.

    Europa steht vor der gemeinsamen Verarmung, vor einer Wirtschaftskrise wie es sie bislang noch nie gab und vor einem folgenschweren Bürgerkrieg nach dem Euro-Zusammenbruch. Denn dann wird es Verteilungskämpfe geben. Die deutsche Politik hat sehenden Auges die Chance verspielt, mit einem blauen Auge aus der Sache zu kommen. Dafür hätte man auf der Einhaltung der Verträge und einer Staatspleite Griechenlands beharren müssen. Mutti ging den anderen Weg und dieser führt unweigerlich in den Untergang!

    Fazit: Diese Leute da Oben gehören weg und zwar so schnell wie möglich und egal wie.

    Dein Artikel ist korrekt, was mir gefehlt hat, ist eine Konsequenz.

    • adtstar  September 22, 2012

      Eine gängige Definition von „Staatspleite“ gibt es nicht. Das hat sich inzwischen auch unter Ökonomen durchgesetzt, die Anfang des 21. Jahrhunderts eine immerhin 20 Jahre andauernde Diskussion darüber ergebnislos beerdigt hatten.
      Das Beispiel Argentinien ist gerade irreführend. Argentinien war nicht in eigener Währung, sondern in Fremdwährung verschuldet, die als Folge der neoliberalen Reformpolitik entstanden war (Privatisierung der Altersvorsorge etc.).

      Ein Land kann nur dann zahlungsunfähig werden, wenn die Liquidität in fremder Währung knapp wird und ein Leistungsbilanzdefizit zu genau dieser Währung besteht. Bei Argentinien war es der Dollar. Das hat aber mehr mit Währungsspekulationen und der daran anschließenden Finanzkrisen zu tun, als mit volkswirtschaftlicher Realität und staatlichen Schulden. In Brasilien, Korea, Mexiko und Russland konnte man ähnliche Vorgänge beobachten. Ein Währungsregime, wie es einmal mit Bretton Woods bestand, könnte dieser Spekulation vorbeugen und ein Eingriff von Organisationen wie den IWF überflüssig machen.

      Am Ende musste Horst Köhler, damals noch IWF-Präsident, einem Schuldenschnitt, der die Gläubiger traf, und einer massiven Abwertung des Peso zustimmen. Argentinien existiert heute immer noch und konnte nach der Krise einen beachtlichen Aufschwung hinlegen.

      Umgekehrt ist dieser Weg für die Eurozone keine Lösung, da eine Abwertungsoption über Währungen gar nicht besteht. Würde man einen Schuldenschnitt durchführen, hätte man allenfalls Zeit erkauft und den Inhabern von CDS ein gutes Geschäft verschafft. Da reicht schon das Gerede über Staatspleiten aus, um den Wert von Kreditausfallversicherungen steigen zu lassen. Diesen Gefallen tun deutsche Politiker den Spekulanten nur all zu gern.

      Eine Anpassung innerhalb der Währungszone, die den Abbau außenwirtschaftlicher Ungleichgewichte zum Ziel hat, kann somit nur über die Löhne erfolgen. Aber das können sie bei Heiner Flassbeck, Jens Berger und Albrecht Müller sehr genau nachlesen.

      Den Vorwurf, ich würde die NachDenkSeiten nicht oder nur kaum zur Kenntnis nehmen, weise ich zurück. Gerade die hysterische Diskussion über Staatsschulden wird dort energisch zurückgewiesen.

  4. Anonymous  September 22, 2012

    Guten Morgen Andre,

    wie Du siehst, bin ich schon sehr früh aufgestanden, da mir Dein Beitrag und Dein Kommentar sehr zu Bedenken geben und ich Dir zum Schluss doch noch etwas auf die Pelle rücken muss.

    Wir sind gerade Zeugen, in einer der größten Wirtschaftskriminalfälle, die die Menschheit je gesehen hat. Der größte Anschlag auf die Zivilgesellschaft nach dem 3. Reich, war die Agenda 2010. Was jetzt aber auf die Menschen zukommt, endet in einer globalen Katastrophe.

    Wer wie Du behauptet „Der Staat ist Herr über sein eigenes Geld“ oder „Wenn alle schlechte Schuldner wären, sähe es auch schlecht für die Vermögenden aus, deren Geld nur dann etwas wert ist, wenn es ausreichend gute Schuldner gibt“, der hat entweder nach 1999 mit der Machtübernahme der Rot – Grünen Regierung, das selbstständige Denken vernachlässigt oder aber hat die Aufklärung der großen Philosophen, trotz Deines Bildes von der französischen Revolution nicht verstanden. Die Werbung der Nachdenkseiten, die ich im Übrigen auch lese und sehr gut finde, ist auf Deinem Block nicht unbedingt angebracht. Viele Dinge die Du schreibst sind richtig, aber mindestens genauso viele Aussagen in Deinem Blog sind unrichtig.

    Um die Krisen zu verstehen, braucht man tatsächlich nur die Grundrechenarten. 2,2 Billionen Staatsschulden + die Verbindlichkeiten in Höhe von round about 1,5 Billionen die in Kürze anstehen + die Zinsen darauf + die Verschuldung der einzelnen Bundesländer + die Zinsen darauf + die Verluste die in der Bad Bank (ehemals HypoRealEstate) liegen ergibt in etwa die von mir erwähnte Summe von 5,5 Billionen Euro Schulden, die niemals mehr zurückbezahlt werden können. Deshalb sind die Protagonisten in diesem Kriminalfall daran interessiert, Deutschland abzuwickeln. Es gibt keinen anderen Ausweg mehr. Die Katastrophe ist unabwendbar, sie wird nur hinausgezögert.

    Ich „amüsiere“ mich immer köstlich, wenn ich all die Schreiberlinge in den Ecken des Netzes bemüht sehe, sich die Terminologie der Finanzmärkte anzueignen, um „mitreden zu können“, allerdings mit mäßigem Erfolg. Deine 300.000 Leser und mehr, sollten lieber selber nachdenken und die entsprechenden Schlüsse ziehen. Die Nachdenkseiten sind da ergiebiger als vieles in deinem Blog. Schade eigentlich, dass Du das große Spiel der Welt nicht erschöpfend verstanden hast. Auf dem Staatstheater in Duisburg steht:

    „Mit allen seinen Tiefen, seinen Höhen,
    Roll ich das Leben ab vor Deinem Blick
    Wenn Du das große Spiel der Welt gesehen
    So kehrst Du reicher in Dich selbst zurück“.

    Ich hoffe Du bist mir nicht all zu böse mit meiner Kritik, kannst damit umgehen und reagierst nicht löschend auf meine Kommentare, aber in einer Demokratie muss man Kritik aushalten können auch, wenn es für Dich überraschend kommt, trotzdem liebe Grüße von mir.