Zu den Grünen

Geschrieben von: am 28. Mrz 2011 um 17:28

Jens Berger hat sich mit den Grünen beschäftigt und, wie ich finde, einmal mehr einen sehr lesenswerten Beitrag geschrieben. Darin zeigt er den Transformationsprozess einer Partei auf, die sich aus einer konkreten gesellschaftlichen Bewegung heraus gebildet und sich mit den Lebensbiografien ihrer Unterstützer verknüpft, über die Zeit von etwa 30 Jahren zu einer zweiten Klientelpartei neben der FDP gewandelt hat. So gesehen, hätte Jens Berger ruhig von der Öko-FDP sprechen können.    

Die „linken“ Studenten der 80er sind heute ökonomisch gut situierte Angestellte, Selbstständige und Beamte und haben ganz andere Sorgen als die Probleme von damals. Ging man früher gegen den NATO-Doppelbeschluss und für eine klassenlose Gesellschaft auf die Straße, kämpft man heute für verkehrsberuhigte Zonen in gehobenen Stadtvierteln und die steuerliche Förderung von Solarzellen auf den schicken Einfamilienhäusern. Dieser Gesinnungswandel drückt sich auch in den politischen Positionen und den Themengewichtungen der Wählerschaft aus. Atomausstieg und Solarförderung liegen den Grünen-Wählern näher als Mindestlohn und Verteilungsgerechtigkeit.

Folgt man der Annahme, dass Parteien zuallererst immer die Interessen der eigenen Wählerschaft vertreten, verwundert es auch nicht, dass grüne Politik eben keine „linke“ Politik ist, deren oberstes Ziel immer Gerechtigkeit und Chancengleichheit sein muss. Die Zahnarztfrau hat nun einmal kein gesteigertes Interesse daran, dass ihre Kinder auf einer Gesamtschule gemeinsam mit Kindern aus „bildungsfernen Schichten“ lernen. Die Grünen kokettieren vielmehr mit einem „linken“ Image, das bei näherer Betrachtung jedoch nicht haltbar ist.

Mit der Koalitionsführerschaft in Baden-Württemberg steigt die Gefahr, dass die Grünen den Spagat zwischen linker Wohlfühlrhetorik und knallharter neokonservativer Realpolitik nicht mehr meistern können. Was heißt es für die Grünen, wenn Stuttgart 21 unter einem grünen Ministerpräsidenten weitergebaut wird? Wird Kretschmann Stuttgart-21-Gegner zusammenprügeln lassen, wenn die Proteste sich wieder verschärfen sollten?

Quelle: NachDenkSeiten

Man könnte auch Volker Pispers aus dem Jahr 2000 zitieren:

Der Marsch durch die Institutionen sei doch immer nur als schöne Polonäse gedacht gewesen. Der Weg sei das Ziel. Da müsse man immer im Kreis laufen, sonst werde das nix. Im Grunde sei ein Grüner ein Liberaler, der für Dosenpfand ist. Im Kern gehe es bei den Grünen um die Transformation von einer Sekte zur Kirche. Früher waren es Sektierer (Fundis), die jeden Quatsch geglaubt hätten, heute seien es gelassene Kirchgänger (Realos), die nur einmal in der Woche sagen müssten, dass sie an den Quatsch glauben. 

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Über den Autor:

André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.
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Kommentare

  1. realasmodis  März 28, 2011

    Die Grünen wurden seinerzeit in dem Moment „salonfähig“, in dem Kelly und Bastian unter bis heute nicht völlig aufgeklärten Umständen starben. Der Einzug in die Parlamente und die gesellschaftliche Akzeptanz – oder sollte es besser Anpassung heißen? – erfolgte erst, als die konsequente Führungsspitze weg war. Seither stürzt sich die Partei auf Einzelthemen. Das macht sie gut. Aber es fehlt vollkommen am Gesamtkonzept … Und das macht sie zur Öko-FDP.

  2. Anonymous  März 28, 2011

  3. ludischbo  März 28, 2011

    auch nicht schlecht ;)

  4. Kroesus  März 30, 2011

    Und die SZ pinkelt die Grünen an, weil sie Porsche fahren, in ‚besseren‘ Vierteln wohnen und wohlhabend seien.

    Anscheinend ist Legitimiät der Ziele nun von Automarke
    oder Einkommen abhängig.
    Nur mit Fahrrad darf Grün.. ?

    Die Süddeutsche weiss ganz genau,
    wer Porsche fährt ist eine Sau.

    Auch Porsche- Fahrer sehen ein,
    das AKW braucht doch kein Schwein.

    Sprüche zum Abschalten und mitmachen:
    http://muenchenausgestrahlt.blogspot.com/
    Falls zur Demo am 25.4 kein Spriuch einfällt.