Langsam wird es kompliziert. Am Montag hatte Finanzminister Schäuble noch verlauten lassen, dass es keine neuen Entscheidungen bzgl. Griechenlands auf dem Treffen der Finanzminister in Brüssel gegeben hätte und das die Bundesregierung nach wie vor davon ausgeht, dass Griechenland mit seinem Sparprogramm entsprechende Erfolge erzielen würde. Eine faustdicke Lüge, wie die Nachrichten der letzten Tage zeigten.
Der griechische Ministerpräsident Papandreou verlangte nun auch öffentlich, dass die Europäische Union endlich ein Rettungspaket auf den Tisch legen müsse, das den Finanzmärkten entsprechende Impulse gäbe. Mit anderen Worten, Griechenland benötigt einen Bürgen um bezahlbare Zinsen für neue Kredite am Kapitalmarkt zu erhalten. Die Bundesregierung spielt auf Zeit. Mal dringen Stimmen über die Schaffung eines europäischen Währungsfonds nach außen, mal die Stimmen nach dem IWF. In Europa wird heiß diskutiert, während hierzulande, der zuständige Finanzminister seinen Mitarbeitern einen Maulkorb verpasst.
Finanzminister Schäuble verordnet seinen Beamten Sprechverbot gegenüber dem Kanzleramt. Niemand soll vorzeitig von Überlegungen zur Rettung Griechenlands erfahren.
Quelle: MMnews
Generell hat man den Eindruck, als wolle Berlin keine konkrete Aussagen treffen, also ganz dem „Duktus“ der Kanzlerin folgen, die sich ja nie so richtig festlegen kann. In der internationalen Presse hieß es dazu letzte Woche, dass Berlin besondere Rücksicht nehmen müsse, da man dem Steuerzahler einen weiteren Rettungsschirm nur schwer vermitteln könne. Doch inzwischen reicht es nicht nur dem griechischen Ministerpräsidenten, sondern auch der EU-Führung. Auch EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso hatte letzte Woche an die Adresse aller EU-Staaten gerichtet, aber im Besonderen Deutschland gemeint, dass es jetzt endlich zu konkreten Hilfen für Griechenland kommen müsse.
Derweil stellt sich Schäuble wieder dumm und behauptet in der morgen erscheinenden Bild am Sonntag immer noch…
„Für EU-Hilfen gibt es kein Gemeinschaftsinstrument. Also kämen im äußersten Fall nur bilateral koordinierte, also freiwillige Hilfen infrage, aber Griechenland selbst sieht diesen Fall nicht als gegeben.“
Quelle: Reuters
Mit anderen Worten, Griechenland habe keine Hilfen angefragt. Offensichtlich ignoriert der deutsche Bundesfinanzminister die Wirklichkeit und sieht in dem Auftreten Papandreous keinen Hilferuf. In der Bild am Sonntag schlägt der Finanzminister stattdessen vor, dass Griechenland auch zum IWF gehen könne. Dem lohnt sich einmal nachzugehen. Der Chef des internationalen Währungsfonds Dominique Strauss-Kahn sagt aber, dass von seiner Organisation nur max. 12 Mrd. Euro zu bekommen wären. Der Bedarf der Griechen läge aber mit rund 50 Mrd. Euro deutlich höher.
A ses interlocuteurs, M. Strauss-Kahn a redit que le FMI était prêt à soutenir la Grèce. Seul problème : l’organisation ne pourrait prêter qu’entre 10 milliards et 12 milliards d’euros à Athènes. Or les besoins grecs sont bien supérieurs : „Pour rassurer les marchés, il faudrait annoncer un prêt de l’ordre de 50 milliards d’euros, l’équivalent de 20 % du produit intérieur brut grec“, estime un expert.
Quelle: Le Monde
Die Meinung Strauss-Kahns habe ich in deutschen Medien bisher nicht gefunden. Wäre ja auch blöd, wenn das Scheinargument des Finanzministers ihm einfach so abhanden kommen würde. EU-Kommissionspräsident Barroso meint als Reaktion auf Strauss-Kahn übrigens, dass die IWF-Lösung auch nur ergänzend betrachtet werden könne, neben klaren bilateralen Finanzhilfen, von denen Kanzlerin Merkel und ihr rollender Politverbrecher bis heute nichts wissen wollen.
Le recours au FMI ne pourrait avoir lieu qu’en complément des prêts bilatéraux de la zone euro. „Ce n’est pas une question de prestige. Il s’agit de voir quel est le meilleur moyen de répondre à la situation“, observe José Manuel Barroso, président de la Commission.
Das ist halt „Täuschland“. Da meldet sich abschließend sogar der Bundeshorst, lange hat man von diesem Kasperkopf ja nichts mehr gehört, und mahnt an, Undenkbares zu Denken. Er meint damit die „geordnete Insolvenz“ von ganzen Staaten. Da spricht der Mann aus Erfahrung. Als er nämlich noch Chef des IWF war, sah er sich mit Argentiniens Staatsbankrott konfrontiert und musste mit dem Schuldner verhandeln. Nicht sehr erfolgreich. Die Streitereien zwischen dem IWF und Argentinien dauern bis heute an. In dem südamerikanischen Staat ist Köhler nicht sonderlich beliebt. Auf dem Höhepunkt der Auseinandersetzung im März 2004 verließ Horst Köhler seinen Posten fluchtartig, um in Deutschland Grußonkel zu werden.
Im Focus-Interview meint der Bundes-Hotte:
Wenn ein Staat in die Zahlungsunfähigkeit gerate, sei die größte Gefahr, dass Chaos ausbricht. Dass es zu sozialen und politischen Unruhen kommt, sagte Köhler. Deshalb brauchen wir ein geordnetes Verfahren. Damit jeder weiß, welche Stellen kümmern sich, welche Spielregeln gelten jetzt?“
Sehr schön. Offensichtlich hat der Horst im Fall Argentinien wie auch Griechenland geschlafen. Diese Unruhen traten bereits auf, bevor Bankrott angemeldet werden musste. Und diese Unruhen entstanden nicht, weil die Menschen nicht wüssten, welche Spielregeln gelten, sondern weil sie genau begriffen haben, das ganz bestimmte Spielregeln gelten sollen. Ich kann wirklich nicht verstehen, warum dieser Bundespräsident laut einer Umfrage zu den beliebtesten deutschen Politikern gehört. Erst sagt er lange nix und dann kommt wieder nur Müll. Die Eurozone sei eine Schicksalsgemeinschaft, sagt Köhler. Ich hoffe nicht, dass Köhler und Deutschland auch eine sind.
MRZ.
Über den Autor:
André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.