Heute im deutschen Bundestag. Kanzlerin Angela Merkel erleutert dem Parlament kurz ihre Griechenland-Strategie, die sie heute Abend und morgen auf dem EU-Gipfel in Brüssel vertreten wird. Sie bleibt natürlich bei ihrem bescheuerten Konzept einer Beteiligung des IWF und zusätzlicher bilateraler Hilfen. Dabei versucht sie schon krampfhaft den Eindruck zu zerstreuen, dass Deutschland Geld zahlen muss.
Quelle: Bundestag
„Die Bundesregierung wird sich beim Rat heute und morgen dafür einsetzen, dass im Notfall eine Kombination von Hilfen des IWF und gemeinsamen bilateralen Hilfen in der Eurozone gewährt werden müsste. Aber dies ist – ich sage es noch einmal – die Ultima Ratio. Ich werde entschieden dafür eintreten, dass eine solche Entscheidung – IWF plus bilaterale Hilfen – gelingt. Dabei werden wir wieder sehr eng mit Frankreich zusammenarbeiten. Ich wiederhole: Es geht nicht um konkrete Hilfen, sondern um eine Spezifizierung und Fortschreibung der Entscheidung vom 11. Februar.„
Immerhin betrachtet Merkel das Thema als Teil der Tagesordnung. Ein bemerkenswerter Wandel, wenn man bedenkt, dass nicht mehr viel Zeit bleibt, um überhaupt zu reagieren. Der Kanzlerin, aber auch der Öffentlichkeit sollte man noch einmal konkret darlegen, worum es eigentlich geht. Griechenland muss bis Mai Kredite in Höhe von 22 Mrd. ablösen. Dieses Geld haben die Griechen kurzfristig einfach nicht zur Verfügung. Weder durch ihr Sparprogramm, noch durch neue Kredite. Frisches Kapital wäre nämlich nur durch deutlich höhere Zinsen am Markt zu haben (5,5 Prozent). Den Griechen geht es nun darum, die möglichen Zinsbelastungen zu drücken. Das ist auch verständlich, wenn man sich vergegenwärtigt, dass die Bonität eines Landes von Ratingagenturen und Zockern abhängt, die auf eine Pleite des Staates wetten.
Griechenland will deshalb auch keine direkten Gelder von den EU-Partnern, sondern ein Signal, dass diesen kriminellen Spekulanten zeigt, dass sie auf eine Pleite nicht wetten brauchen, weil im Notfall die EU mit entsprechenden Maßnahmen reagieren würde. Dem miesen Spiel wäre sozusagen das Ziel entrissen. Darum geht es im Kern. Würde die EU einen solchen Beistandsplan beschließen, würden die Zinsen auf neugeliehenes Geld automatisch sinken, weil der Kapitalrückfluss nicht mehr durch das Szenario eines Staatsbankrotts bedroht wäre. Für Griechenlands Staatshaushalt würden niedrigere Zinssätze eine enorme Entlastung in Milliardenhöhe bedeuten. Ein rigoroser Sparplan, wie ihn Deutschland und Europa fordern und der bereits umgesetzt wurde, ergibt ja auch nur dann einen monetären Sinn (volkswirtschaftlich sehe ich persönlich keinen), wenn die Ausgabenbelastungen zurückgefahren und nicht durch einen ausufernden Schuldendienst konterkariert werden. Wer also, wie die Deutschen, an soliden griechischen Staatsfinanzen interessiert ist, müsste einen Beistandsplan unterstützen und nicht mit allen Mitteln bekämpfen.
Aber weil Merkel dumm ist oder einfach nur auf die deutschen Banker hört, die mit einem höheren Zinssatz vielleicht auf fettere Gewinne hoffen, fährt sie einen Kurs, der nicht nur europafeindlich, sondern auch für das eigene Land ökonomisch unverantwortlich ist. Merkel will mit aller Macht den Eindruck vermeiden, deutsche Steuergelder nun für ganze Staaten ausgeben zu müssen, nachdem man sie schon für die eigenen Banken verpulvert hat. Dabei klingt die IWF-Lösung toll, weil der deutsche Steuerzahler keine Ahnung hat, mit wie viel Geld er schon an diesem Weltfinanzfonds beteiligt ist. Gestern habe ich Wolfgang Lieb von den NachDenkSeiten dazu zitiert, der in Erinnerung rief, dass die Mittel für den IWF im Zuge der Finanzkrise und unter tatkräftiger Mithilfe Deutschlands enorm aufgestockt worden sind.
Dennoch ist der IWF allein keine Lösung, weil der nur rund 10 Mrd. Euro locker machen könnte. Die Höhe der Hilfen richtet sich nämlich immer nach der Beteiligung des betroffenen Landes an dem Fonds. Im Falle Griechenlands wären das 1,2 Mrd. Dollar. Aber Merkel ist nicht nur im Rechnen eine Null, sondern auch dünnhäutig, was Kritik angeht. Zum Problem der Bilanzungleichgewichte innerhalb der EU, die von Deutschland zu verantworten sind und als Ursache der Krise zu Recht betrachtet werden, sagt sie im Bundestag:
„Eines möchte ich an dieser Stelle noch erwähnen, wenn auch nur am Rande: Es ist geradezu absurd, Deutschland mit seiner wettbewerbsstarken Wirtschaft gleichsam zum Sündenbock für die Entwicklung zu machen, die wir jetzt zu bewältigen haben.
Unsere Kritiker in Europa verkennen, dass unsere Exportgewinne zum Teil in die Defizitländer zurückfließen und dass Deutschland auch das größte Importland Europas ist. Deutsche Unternehmen haben 500 Milliarden Euro in der EU investiert und beschäftigen dort mehr als 2,7 Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Damit leisten wir einen wichtigen Beitrag zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit Europas, auch auf den Weltmärkten. Darauf können wir zu Recht stolz sein.“
Hier beweist sie, dass sie von Ökonomie überhaupt keine Ahnung hat. Ein Offenbarungseid. Dass Deutschland das größte Importland ist, ist angesichts der volkswirtschaftlichen Größe und gemessen an der Einwohnerzahl (80 Millionen Menschen) eine schlichte Banalität. Merkel hat noch immer die Kritik nicht verstanden. Deutschland müsste gemessen an seiner volkswirtschaftlichen Leistungsfähigkeit sehr viel mehr Waren importieren, um die Handelsbilanzungleichgewichte mit den Defizitländern endlich abzubauen. Es geht um Verhältnisse, nicht um absolute Zahlen. Wenn Deutschland deutlich mehr exportiert als importiert, bedeutet das zwangsläufig, dass eine andere Ökonomie mehr importiert als exportiert. Dieser Zusammenhang ist evident. Alle Handelsbilanzen müssen zusammengerechnet eine Null ergeben. Da hilft eine Aufzählung über Investitionen nur sehr wenig, denn die stecken in der Leistungsbilanz schon mit drin.
Merkel will also verwirren. Mehr noch, sie will kriminelle Akte von Banken und Spekulanten decken. An dieser Stelle würde ich ja gern wieder dafür plädieren, Angela Merkel nicht mehr einreisen zu lassen. Das tue ich aber nicht. Denn dann würde Guido Westerwelle neuer Bundeskanzler…
Abschließend Albrecht Müller von den NachDenkSeiten zum Thema und als Antwort auf Merkels Stolzsein auf deutsche Wettbewerbsfähigkeit:
Mit ständigen Leistungsbilanzüberschüssen häufen wir Forderungen gegenüber anderen Völkerschaften an, wie fast im gesamten letzten Jahrzehnt geschehen. Wir leisten mehr, als wir selbst zur Verfügung haben. Wir leben unterhalb unserer Verhältnisse. Ob die angehäuften Forderungen dann irgendwann auch noch zum angemessenen Wert an uns zurückgezahlt werden, ist zudem oft fraglich. Wenn zum Beispiel der Dollar auf mittlere und lange Sicht an Wert verliert, dann haben wir zum Teil um sonst gearbeitet und geleistet.
MRZ
Über den Autor:
André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.