Ein Interview gibt es heute mit Peer Steinbrück in der Neuen Presse Hannover. Aber nicht auf Seite zwei oder drei wie üblich, sondern Seite vier. Denn Christoph Slangens PR-Anfertigung musste wohl wegen des neuen Skandals am unruhigen Zeitungshimmel nach hinten verschoben werden. Die „Abzocke mit der Abwrackprämie“ schaffte es in letzter Minute noch auf Seite zwei ins Blatt, wie ich gestern ja bereits vermutete. Auch diese Geschichte liefert natürlich Christoph Slangen, der mit drei Beiträgen heute (Interview mit Steinbrück und passender Kommentar sowie Abwrackabzockstory) zu ungeahnter Höchstform aufzulaufen scheint.
Slangens Interview zu Steinbrücks Kampf gegen Steueroasen, den Banken sowie zum SPD-Wahlkampf ist eigentlich belanglos. Steinbrück darf allerhand unwidersprochen behaupten. Auf die Frage nach der Bilanz des SoFFin und den Milliardenrisiken, die auf den Schultern der Steuerzahler nun lasten, antwortet Steinbrück wahrheitswidrig:
„Bisher hatten wir keine Verluste zu verzeichnen. Aber das wird man erst bei der Endabrechnung beurteilen können. Der Steuerzahler trägt Risiken. Aber von 500 Milliarden Euro Abschirmung wird längst nicht alles als Ausfall abgebucht werden müssen. Mit der gefundenen Lösung für Schrottpapiere haben wir diese Risiken im Übrigen weitestgehend bei den Eigentümern der Papiere belassen.„
Die Eigentümer werden gerade geschont. Das Bad Bank Modell der Bundesregierung sieht nämlich vor, dass die Banken ihre Schrottpapiere gegen einen staatlichen Schuldtitel eintauschen dürfen, um ihre Bilanzen zu bereinigen. Bei dieser Aktion erhöht sich zwangsläufig das Eigenkapital der Banken zu Lasten des Staates. Die Auslagerung in die Bad Banks ist ja erklärter politischer Wille. Nur sollen dann „unabhängige Experten“ eine Bewertung der Schrottpapiere vornehmen, nach denen sich wiederum die Höhe der Haftung der Eigentümer richtet. Denn schlussendlich sollen die fiktiven Werte der Schrottpapiere zusammen einen „Fundamentalwert“ ergeben. Und die dann ermittelte Differenz aus dem ursprünglichen Buchwert der Papiere in der Bankbilanz und dem neu festgelegten Fundamentalwert sollen die Anteilseigner der Banken ausgleichen müssen.
Sie sehen schon das Problem, hoffe ich. Wenn also diese „unabhängigen Experten“ einen hohen fiktiven Wert errechnen, was wahrscheinlich ist, weil die Banken sonst nicht mitmachen, dann verringert sich die Belastung der Bankeigentümer. Und nach zwanzig Jahren, wenn die ganze Geschichte für die Eigentümer vorbei sein soll, stellt man plötzlich fest, dass die fiktiven Werte leider eben nur fiktiv waren und in Wirklichkeit deutlich unter dem errechneten Ergebnis gelegen haben. Und für diese Differenz darf der Steuerzahler dann „garantieren“. So hat es Steinbrück nämlich genau gesagt. Nicht haften, sondern garantieren.
Wolfgang Lieb von den NachDenkSeiten schrieb zu Steinbrücks Täuscherei treffend:
„Schlimmer ist aber, wie Finanzminister Steinbrück die Öffentlichkeit dreist an der Nase herumzuführen versucht: Der Fiskus übernehme keine Haftung sondern nur eine Garantie für die Defizite, die am Ende übrig blieben. Ist eine Garantie nicht viel mehr als eine Haftung? Eine Haftung tritt nach allgemeinem Sprachgebrauch und nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen erst ein, wenn auch ein Verschulden des Haftenden vorliegt. Eine Garantie verpflichtet zum Ersatz ohne Rücksicht auf ein Verschulden, sozusagen bedingungslos.“
Im Grunde ist das ein riesiger Skandal, den Bad Guy Steinbrück da zu verantworten hat, obwohl er noch zu Beginn des Jahres in Sachen Bad Banks ganz anderer Meinung war. Im Januar konnte er sich die Bildung einer Bad Bank „ökonomisch und vor allem politisch nicht vorstellen“. Sogar als „durchsichtig“ bezeichnete er die Forderungen der Finanzbranche. Und nun gibt’s gleich mehrere Bad Banks im Angebot. Normalerweise hätte ein Journalist Herrn Steinbrück mindestens auf diese Wendehälsigkeit ansprechen müssen, aber Christoph Slangen belässt es wie gewohnt dabei. Konjunkturprogramme hatte Steinbrück letztes Jahr um diese Zeit ja auch vehement abgelehnt und mittlerweile hat er deren schon zwei beschlossen. So what.
Insofern sind Slangens Fragen zu den Wahlaussichten der SPD nicht wirklich interessant, da sie den Kern des Verlusts an Wählerpotenzial nicht berühren. Allenfalls für Faktenliebhaber ist da was dabei. Denn auf die Frage nach der aktuellen Forsa Umfrage, wonach nur noch 20 Prozent SPD wählen würden, antwortet Steinbrück erneut wahrheitswidrig:
„Wer will, dass die Sozialdemokraten verzagen und defensiv werden, täuscht sich. Im Übrigen sahen die Umfragen vor der Bundestagswahl 2005 mindestens so schlecht für die SPD aus. Wir haben am Wahltag die Union jedoch fast eingeholt. Also täuschen sich die Demoskopen, viele Menschen entscheiden erst kurz vor der Wahl. Das Potenzial der SPD ist bei diesen Wählern groß.“
Im Jahr 2005 lag die SPD in den Umfragen ganze zehn Prozent höher. Selbst bei den notorischen Versagern von Forsa, deren Chef Güllner noch immer auf Rache sinnt, weil er von der SPD keine Aufträge mehr bekommt.
AUG
Über den Autor:
André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.