Die NachDenkSeiten drehen sich im Kreis. An dem Beitrag von Wolfgang Lieb Die totale Lindner-Show ist das Verhalten der Medien mit Blick auf die FDP sehr gut analysiert.
Allerdings ist der obligatorische Verweis auf wohlgesonnene Verleger und wohlhabende Mittelständler am Ende, die sich als kleine Interessengruppe zusammengetan hätten, um eine Wahlentscheidung in ihrem Sinne zu kaufen aus meiner Sicht nicht so recht nachvollziehbar. Welche Wahlentscheidung hätten die Herren denn gern? Egal ob die FDP in Düsseldorf knapp rein kommt oder nicht, spielt für die Regierungsbildung nach derzeitigem Stand und für die politische Richtung insgesamt keine Rolle. Weil es egal ist, wer mit wem koaliert. Selbst die Bundes-CDU hat die Wahl schon abgeschrieben, wie Lieb richtig feststellt.
Es ist doch wohl eher so, dass die FDP im Spiel gehalten wird, weil man Lindner aus Mediensicht eben schön aufblasen kann und er Seifenoper tauglich ist. Und die Seifenoper ist nun mal das Geschäft dieser Medien und nicht die seriöse Berichterstattung. Ich würde das unter die Kategorie zu Guttenberg einordnen, auch wenn dessen Ballon vor dem Platzen weitaus größer war. Wenn die Zeit reif ist, geht es im Fahrstuhl wieder nach unten. Es geht halt um Geschichtchen und Geschichten und um Klicks und Auflage. Darin besteht meiner Meinung nach das Interesse der Medien und ihrer Besitzer.
Dass mit dem Kaufen von Wahlentscheidungen aus politischem Interesse macht auch deshalb keinen Sinn, weil es nicht erklärt, warum dieselben Gönner dabei zugesehen haben, wie die FDP von denselben Medien vor kurzem noch beerdigt wurde. Unterm Strich wäre der betriebene Aufwand schlicht rausgeschmissenes Geld, nur um einer Partei über die Fünf-Prozent-Hürde zu helfen, die im Parlament aber dennoch ohne Einfluss bliebe. Es stellt sich doch die Frage, ob die FDP auch hochgeschrieben würde, wenn es keinen Lindner und keinen Kubicki gegeben hätte, sondern eine ähnlich farblose und rhetorisch untalentierte Gestalt wie den Rösler. Wahrscheinlich nicht. Auch das spricht gegen gekaufte Entscheidungen aus politischem Interesse.
Auch die NachDenkSeiten müssen doch einsehen, dass es völlig egal ist, welche Regierungskonstellation 2013 ihren Dienst antritt. An der politischen Richtung ändern weder schwarz-gelb, schwarz-rot, schwarz-grün noch rot-grün etwas. Allenfalls eine starke Linke könnte den etablierten Parteien in die Suppe spucken. Aber die scheint bereits erledigt zu sein. Von dort droht also auch keine Gefahr für eine bestimmte Klientel mit Partikularinteressen.
Auf der anderen Seite wird das viele Gerede um Koalitionsoptionen, politische Lager und neue Ampelformen (siehe Dänenampel oder schwarze Ampel) nur deshalb so inflationär betrieben, weil es in Wirklichkeit doch keine Auswahl an Alternativen mehr gibt. Alle sind für die Schuldenbremse, für Kriege um Handelsrouten und Ressourcen wie auch für Strukturreformen mit denen nichts anderes als die Zerstörung des Sozialstaates gemeint ist. Mit dieser Einheitlichkeit in ganz wesentlichen Punkten soll der Wähler nur nicht so stark konfrontiert werden, weil man dann unangenehme Fragen zum Zustand der Demokratie beantworten müsste. Deshalb moniert die jeweilige Opposition auch immer nur handwerkliche Fehler bei politischen Entscheidungen, die sie dann selbst immer mitträgt.
Reiche Verleger und bestimmte Interessengruppen müssen sich also keine Wahl mehr kaufen, weil das Angebot bereits voll ihren eigenen Ansprüchen genügt und der Wähler nichts mehr zu entscheiden hat, außer die Farbkombination der Verpackung, in der sich der immer gleiche Inhalt befindet. Der FDP-Hype dient zur Belustigung der Massen und verschafft den Medien selbst die Aufmerksamkeit, die sie brauchen, um ihre eigenen Anzeigen zu verkaufen. Es geht um banale Geschäftsinteressen auf einem Markt, der einfach immer weniger abwirft. Und charismatische Köpfe sind in allen Bereichen gefragt, unabhängig von ihrer Kompetenz und geistigen Zurechnungsfähigkeit.
Wenn sich die NachDenkSeiten von dem Vorwurf befreien wollen, Verschwörungstheoretikern immer neues Futter zu liefern, wäre eine Rückkehr zu mehr Sachlichkeit empfehlenswert. Dass es Kampagnen und Meinungsmache gibt und Frau Mohn, Frau Springer und Frau Merkel gemeinsam Kaffee im Kanzleramt trinken bestreitet ja niemand, doch sollte die Kritik an den herrschenden Verhältnissen auf die Verhältnisse gemünzt und begrenzt werden und damit auch auf die sich widersprechenden Aussagen derer, die diese Verhältnisse bloß konservieren wollen, aus welchen Gründen auch immer.
MAI
Über den Autor:
André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.