Das Gejammer über die Verstaatlichung der HRE

Geschrieben von: am 07. Okt 2009 um 11:41

Gestern habe ich nicht schlecht geguckt, als ich meine Tageszeitung, die Neue Presse Hannover, aufschlug. Darin ein Kommentar von Dirk Busche zur vollendeten Verstaatlichung der Hypo Real Estate. Herr Busche sieht in dem Vorgang nicht etwa die logische Konsequenz einer durch und durch außer Kontrolle geratenen Minibank, bei der am Ende der Keller mit den dort lagernden unzähligen Leichen noch tiefer zu sein scheint, als die hübsche Fassade an der Oberfläche hoch ist. Ein kontinentaler Eisberg sozusagen. Herr Busche will aber auch nicht erkennen, dass am 5. Oktober 2009 die Aktionäre einer Bank nicht einfach nur schroff enteignet worden sind, sondern für ihre fast wertlosen Anteilsscheine, wobei sich das fast auf Steuergelder stützt, noch einmal Geld vom Staat bekamen.

Nein, der Journalist Dirk Busche macht sich Sorgen um die Aktionärsdemokratie. 8| Ja, sie lesen richtig. Hier das Zitat aus seinem Kommentar mit dem Titel „Staat heizt Flucht aus Aktienmarkt an“

„Durch die Verstaatlichung wird die HRE-Rettung zwar einfacher, doch für die Aktienkultur, sprich Aktionärsdemokratie, ist es ein schwerer Rückschlag.“

Busche beklagt sich über das schwindende Vertrauen der Bürger in die Aktienmärkte. Jedes Jahr, so Busche, zögen sich etwa eine Million Menschen aus Enttäuschung von der Börse zurück. Das läge aber auch am Staat, wie Busche mit der HRE-Verstaatlichung dümmlich zu begründen versucht.

„Deutschlands Bürger sind auf der Flucht. Sie nehmen Reißaus von der Börse. Jedes Jahr sind es etwa eine Million Menschen, die sich aus Enttäuschung über Kursverluste als Anleger vom Markt für Aktien zurückziehen. Und es werden noch mehr werden. Das liegt nicht allein an der weltweiten Finanzkrise, durch die Abermillionen von Kleinverdienern große Teile ihrer Altersvorsorge verloren haben. Es liegt auch am Staat. Der hat gestern endgültig zahlreiche Aktionäre enttäuscht, die Geld in die Immobilienbank Hypo Real Estate (HRE) investiert hatten.“

Wenn wir mal für einen Moment die gequirlte Scheiße von Dirk Busche ernst nehmen, bedeutet sein Argument ja, dass der Staat sich besser hätte raushalten sollen, um die „Demokratie am Aktienmarkt“ nicht zu gefährden. Was wird dann aber aus der immer wieder betonten „systemischen Frage“? Bedeutet „systemisch“ in dem Zusammenhang also nur, dass der Steuerzahler für den Ausgleich einer Schieflage tauglich und gern gesehen ist, aber auf Ansprüche, die sich unweigerlich auch demokratisch aus seinem finanziellen Großgagement ergeben, verzichten sollte? Und wieso ist es überhaupt Aufgabe des Steuerzahlers ein rein privates Investment, das wertlos geworden ist, erstens zu retten, zweitens dem Pleitier abzukaufen und drittens sich dafür auch noch vom so Begünstigten beschimpfen zu lassen? Für welches Demokratieverständnis ist das eigentlich ein größerer Rückschlag, Herr Busche?

Es bleibt ein Rätsel, warum sich Dirk Busche und viele seiner Kollegen für die Börse und die dortigen Investoren einsetzen. Es liest wahrscheinlich kaum ein Aktionär die grüne Bild aus Hannover. Nur rund fünf Prozent der Deutschen sind überhaupt Aktienbesitzer. Für den Großteil der Leserschaft dürfte der Aktienmarkt demnach total uninteressant sein. Ein Zustand, den man Blick auf die Krise in der privaten Altersvorsorge, seitens der Redakteure vielleicht gern ändern möchte? Das Vertrauen in die Finanzmärkte schwindet doch nicht wegen der HRE-Verstaatlichung, bei der keine Sau mehr durchblickt, sondern wegen der massiven Verarsche bei der Riester-Rente. Und da liegt meines Erachtens auch das Motiv von Dirk Busche für seinen Kommentar. Es soll ein Bewusstsein für die angeblichen Vorzüge des Kapitalmarktes wieder entwickelt werden.

Der Finanzmarkt an sich wäre auch ohne Anleger vorstellbar, die ihre Investments an Spekulationen ausrichten. Was sagen uns denn die täglichen Börsenmeldungen vom Auf und Ab der Indizes? Soll etwa nur Stimmung gemacht werden, um den Eindruck einer Notwendigkeit einer unproduktiven Industrie zu verfestigen, von der viele Börsianer, Banker und Journalisten finanziell gut leben können? Man muss sich doch fragen, warum Dirk Busche es wichtiger findet, etwas über Aktionärsdemokratie zu faseln, anstatt sich mit der Erschütterung der wirklichen Demokratie auseinanderzusetzen, die nun unter der Last der „systemischen Milliardengeschenke“ zu zerbrechen droht. Da reicht doch ein Blick in die Koalitionsverhandlungen zwischen Schwarz und Gelb. Das Wort „Kürzen“ zum Beispiel finden sie in jeder zweiten Meldung.

Wenn also Busche titelt, der Staat heizt Flucht aus Aktienmarkt an, könnte man nach der Lektüre seines Textes über den Autor sagen, er heize den Ofen für eine weitere Runde bei der systematischen Volksverdummung an, um vielleicht auch seine eigenen Schäfchen im Trocknen zu behalten. Die so proklamierte Meinung sollte man dann vielleicht unter die Rubrik korruptes Verhalten subsumieren. Das muss dann aber schlussendlich der Leser entscheiden.

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Über den Autor:

André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.
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