Welche Form von Demokratie ist gemeint

Geschrieben von: am 08. Mrz 2013 um 7:48

Der Tod Hugo Chávez hat auch bei Leuten, von denen man es nicht erwarten würde, Bestürzung ausgelöst. Unter anderem zollte Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) seinen Respekt. Er verband diese Heuchelei aber gleich mit der Forderung, dass nun freie und demokratische Wahlen in dem lateinamerikanischen Land stattfinden müssten, die zu einem Aufbruch in eine neue Zeit beitrügen. Das Land habe „ein großes Potenzial, und Demokratie und Freiheit sind der richtige Weg, um dieses Potenzial zu verwirklichen“, so Westerwelle. Was hier so unscheinbar jovial klingt, ist pure Berechnung.

Westerwelle weiß ja ganz genau, dass die liberale und zum Teil aus Steuermitteln finanzierte Friedrich-Naumann-Stiftung seit geraumer Zeit in dem südamerikanischen Land agitiert und mit neoliberalen Schwesterorganisationen wie „Red Liberal de América Latina” (RELIAL) kooperiert. In diesem Netzwerk arbeiten inzwischen 46 Organisationen aus 17 Staaten zusammen. Ziel ist die Durchsetzung marktliberaler Konzepte und die Unterstützung bolivianischer und venezolanischer Sezessionsbewegungen (vgl. NachDenkSeiten).

Wenn Westerwelle also einen demokratischen Willensbildungsprozess einfordert, meint er eine bestimmte Form der Demokratie, die heute auch in einem Kommentar in der Süddeutschen anders gewendet zum Ausdruck kommt.

Sueddeutsche_2013-03-08
Quelle: Süddeutsche, 8. März 2013

Daniel Brössler kritisiert die Linkspartei wegen ihrer Trauer um Hugo Chávez. Er begründet das mit einer fehlenden Distanz der Linken. Schließlich habe Chávez freundschaftliche Bande zu anderen Diktatoren wie Ahmadinedschad und Lukaschenko geknüpft. Er schreibt in seiner Konklusio: „Wenn es dem Sozialismus dient, scheint das alles in Ordnung zu gehen. Sozialismus ohne Demokratie komme für sie nicht mehr in Frage, verkünden die Linken oft.“ Angesichts der oben geschilderten Verflechtungen von mutmaßlich echten Demokraten in innere Angelegenheiten eines souveränen Staates, scheint doch die Frage eher an Leute wie Westerwelle berechtigt zu sein, welche Form von Demokratie sie eigentlich meinen.

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Über den Autor:

André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.
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Kommentare

  1. Kopfstaendler  März 8, 2013

    Aber klar doch hat Venezuela ein großes Potential. Das hat auch Libyen, Mali, Syrien durch seine interessante Lage. Der Westen kann da helfen bei der Ausbeutung. ….. nur der Bodenschätze und mit fairen Preisen, was haben Sie denn jetzt gedacht.

    Wir sind doch die Guten! Wir leben nach dem Motto:
    „und willst du nicht mein Bruder sein, dann hau‘ ich dir den Schädel ein!“ Aber nur mit fairen Mitteln. Durch den Anus aufspießen wie bei Gadhafi geht ja nun wirklich nicht. Pfui! Der wurde gepfählt, sagt Scholl-Latour.

    Wir glauben mit evangelikalem Eifer (oder war das der Eifer der Katholen) an unsere eigene Unfehlbarkeit.

  2. landbewohner  März 8, 2013

    wenn die schreiberlinge und ihre häuptlinge statt von demokratie von demokratur oder diktatur der märkte reden würden, wären sie der wahrheit eine ganze ecke näher und würden evtl sogar bemerken, daß immer mehr menschen von der „westlichen wertegemeinschaft“ die schnauze gestrichen voll haben.