Flassbeck mahnt auf seinem Blog Flassbeck Economics zu einer grundlegenden Kritik an der neoklassischen Arbeitsmarkttheorie mit Blick auf den Mindestlohn an. Wenn also Gegner des Mindestlohns oder scheinbare Befürworter argumentieren, ein Mindestlohn müsse branchenspezifisch oder genau an der Produktivität des jeweiligen Arbeitnehmers ausgerichtet sein, da er sonst entweder wirkungslos verpuffe oder Arbeitsplätze vernichte, sollte sich folgende Realität vor Augen halten.
„Wenn der Lohn eines Arbeitnehmers sehr eng seine Produktivität widerspiegelte, dann dürften Krankenschwestern, Lehrer und Polizisten niemals mehr Lohn bekommen, sondern immer nur die Arbeitnehmer der IG-Metall in den Bereichen, wo die Produktivität kräftig steigt.“
Es sei zwar richtig, immer wieder auf die emprischen Erfahrungen mit dem Mindestlohn hinzuweisen, doch reiche das nicht aus, um die absurde Logik der Neoliberalen zu entkräften. Sie tun ja gerade so, als könnten sie sich mit dem Mindestlohn unter bestimmten Bedingungen arrangieren. Doch im Kern lehnen sie ihn nach wie vor ab.
Die Folge einer fehlenden Kritik ist bekannt. Inzwischen gilt Angela Merkels CDU als sozialdemokratisiert, nur weil sie über Lohnuntergrenzen in Branchen spricht, die zwischen Gewerkschaften und Arbeitgebern einfach ausgehandelt werden müssten und die dann von der Politik für allgemeinverbindlich erklärt würden. So als ob es die Erosion des Flächentarifvertrages und damit eine wesentliche Schwächung der Verhandlungsposition der Arbeitnehmer nicht gegeben hätte.
Wer also für den Mindestlohn ist, sollte klar sagen, warum die Argumente der Gegner bloße Behauptungen ohne jeden Beleg und damit totaler Quatsch sind. Man könnte aber auch mit Volker Pispers Worten etwas zugespitzt sagen, wer den Menschen einen Mindestlohn verweigert, ist ein Arschloch. Wer dazu noch sagt, der Mindestlohn koste Arbeitsplätze, ist ein dummes Arschloch.
FEB
Über den Autor:
André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.