Aber als ich eben noch lesen musste, dass am Wochenende die geplante Trauerfeier zum Medienevent werden soll, dreht sich mir mal wieder der Magen um. Der Sarg soll mitten im Stadion aufgebahrt werden und das Erste ist live dabei. Kann man nicht einfach mal die Schnauze halten? Bereits gestern lief die Medienaufarbeitung des tragischen Selbstmords von Robert Enke auf Hochtouren. Ein Psychiater mit Professorentitel hüpfte zwischen dem heute-journal im ZDF und der Sendung stern.tv bei RTL hin und her. Die Verantwortlichen von Hannover 96 wurden nicht müde zu betonen, dass Robert Enke ein Doppelleben geführt haben musste, von dem sie nichts ahnen konnten. Heute meldet sich Christoph Daum via Boulevardblatt Kölner Express und behauptet, schon früher von den Depressionen gewusst zu haben.
Der Aufmacher der Donnerstags Ausgabe der Neuen Presse Hannover war in meinen Augen kaum noch zu ertragen. Die Extrabeilage über Enke wurde mit Schlagzeilen und den entsprechenden Seitenangaben angepriesen:
- Die Qualen des Torwarts (Seite 11)
- Die Trauer der Witwe (Seite 12)
- Ein Dorf unter Schock (Seite 13)
- Die steile Karriere (Seite 14)
- Schock für die Nationalelf (Seite 15)
- Das große Enke-Poster (Seite 16)
- Trauer in der Stadt (Seite 17)
Während alle Medien übreinstimmend von 35.000 Menschen berichteten, die an dem Trauerzug durch die Innenstadt von Hannover teilnahmen, schreibt die Neue Presse Hannover von 50.000.
In ihrer Freitagsausgabe wird die Neue Presse Hannover titeln,
„Das Stadion der Trauer“
Der Tod Robert Enkes wird als riesiger Medienevent aufgeblasen und wohlmöglich noch lange die Blätter füllen. Das sollte man kritisieren.
Robert Enke nahm sich am 10.11.2009 das Leben, auf den Gleisen eines Abschnitts, auf dem sich in der Vergangenheit schon viel zu viele tragische Selbstmorde ereigneten, zu denen die Medien stets und richtigerweise schwiegen. Der Fall Robert Enke berührt natürlich ein öffentliches Interesse. Jedoch halte ich die bisher getätigte Berichterstattung für weit überzogen.
R.I.P.
NOV
Über den Autor:
André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.