Auf der Ehrentribüne

Geschrieben von: am 17. Jun 2012 um 16:20

Sollte die deutsche Fußballnationalmannschaft heute Abend den Gruppensieg perfekt machen, kommt es im Viertelfinale am Freitag zur Begegnung mit den Griechen. Damit dürften die Schlagzeilen des Boulevards und sämtlicher anderer Medien für die kommende Woche wohl feststehen. Bundeskanzlerin Angela Merkel könnte zum ersten Mal bei dieser Europameisterschaft auf der Ehrentribüne in Danzig und wahrscheinlich neben einem Vertreter Griechenlands platznehmen. Möglicherweise sehen die Fans dann auch mehr von der politischen Begegnung in der Loge als von der sportlichen auf dem Feld.

Diesbezüglich hatte es in der vergangenen Woche vom ZDF-Kommentator Béla Réthy schon Äußerungen des Bedauerns gegeben, weil er Spiele ohne den üblichen Schwenk der Bildregie auf Politikernasen absolvieren musste.    

Gerade mit Blick auf die heute in Griechenland stattfindenden Parlamentswahlen dürfte der Partie am Freitag von den Medien eine besondere Rolle beigemessen werden. Wählen die Griechen links könnte die Bild-Zeitung neben dem Rauswurf aus dem Euro auch das sofortige Ausscheiden der Helenen bei der EM fordern. Flatter schreibt dazu absolut zitierwürdig:

“Die heißt nämlich “Euro2012″ und nicht “Drachme2012″. Und daran können sich auch die Pleitespanier gleich mal ein Beispiel nehmen. Wenn die frech werden, nehmen wir ihnen Messi weg und Ronaldo und ebenfalls die Rettungsschirme. Dann bleiben ihnen nur noch die Liegestühle. Auf denen aber liegen längst unsere Handtücher. Ja, da guckt ihr sparsam, was? Hättet ihr euch mal eher überlegen müssen.” 

Die Bundeskanzlerin hat vorsorglich mit der Einstellung der Hilfszahlungen gedroht, falls die Wahl in Griechenland nicht so ausgehen sollte wie gewünscht. Das würde dann bedeuten, dass die Südeuropäer auf Abruf weder deutsche U-Boote noch ihre Schulden bei deutschen und anderen europäischen Banken bezahlen könnten. Ein toller Plan, mit dem Merkels Chaostruppe noch immer alle verschaukeln will.

So ein Rausschmiss aus dem Euro ist außerdem schwieriger als gedacht. Denn diejenigen, die immer auf die Einhaltung von Verträgen pochen, müssten selbst vertragsbrüchig werden. Denn laut Merkels EU-Vertrag gibt es keinen Paragrafen, der den Austritt eines Landes regelt. Insofern hatte Merkel schon recht mit ihrer Schicksalsgemeinschaft, von der sie im Falle eines Wahlsieges der Linken oder einer Neuverhandlung des Austeritätsprogramms von wem auch immer, offenbar nichts mehr wissen will.

Darüber wird auf der Ehrentribüne wohl zu reden sein, wenn sich der Biorhythmus der Kanzlerin nach dem Ausflug zum G-20-Gipfel in Mexiko wieder normalisiert hat.

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Über den Autor:

André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.
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Kommentare

  1. Ormuz  Juni 17, 2012

    Auch wenn es irgendwie unvernünftig scheint, ich wünschte wirklich die Linken würden das Ding durchziehen und dann raus aus dem Euro.
    Schlimmer als es jetzt ist, kann es ja damit nun auch nicht mehr werden und die Merkeldiktatur kriegt endlich mal den Dämpfer, den sie schon längst gebraucht hätte, nämlich die Erfahrung, daß sie nicht so allmächtig ist wie sie meint.

    • adtstar  Juni 17, 2012

      Es geht immer noch schlimmer. Ohne den Euro zum Beispiel. Die Linken wollen zudem keinen Austritt aus dem Euro. Da darf man nicht der Meinungsmache unserer Medien aufsitzen.

      Griechenland wählt nicht gegen den Euro, sondern gegen das gescheiterte Krisenkonzept der Troika aus EZB, EU-Kommission und IWF!

      • ludischbo  Juni 18, 2012

        sehe ich auch so.

        leider sind die gewählt worden, die das Ding mit an die Wand gefahren haben …. Trotzdem. Starkes Ergebnis für die Linken in Griechenland!