Dummdreiste Deutschtümelei in den Tagesthemen

Geschrieben von: am 13. Nov 2013 um 22:51

In Brüssel bei der EU, in Berlin bei den künftigen Koalitionären wie auch in Hamburg bei den Tagesthemen ist man sich einig. Es müsse in Europa mehr Deutschländer geben. Die Kritik an den hohen Exportüberschüssen sei absurd und allenfalls von Neid geprägt. Der Kommentar von Sigmund Gottlieb aus München setzte dem ganzen dann noch einmal die Krone auf. Gustav A. Horn schreibt angesichts dieser intellektuellen Minderleistung auf facebook über ein Meisterwerk der Ignoranz geprägt von dummdreister Deutschtümelei.

Wirtschaftspolitik wird nach wie vor als Schlachtfeld begriffen, auf dem es ausschließlich um die Verteidigung von Wettbewerbspositionen geht. Man habe nichts zu verschenken. Die anderen müssten einfach nur besser werden und ihre Hausaufgaben nach deutschem Vorbild machen. Dass Deutschland selbst noch einmal die Hefte herausholen müsste und beispielsweise über höhere Löhne und höhere Investitionen nachdenken müsse, geißeln die Ahnungslosen, die so tun, als verstünden sie etwas, als abwegig.

Die Wischiwaschi-Kritik der EU-Kommission macht es ihnen aber auch leicht. Von dort schwappt eine Mischung aus Bewunderung für die deutsche Wirtschaftskraft und sanfter Kritik an dem dadurch ausgelösten Ungleichgewicht herüber, die in Berlin entsprechende Reaktionen auslösen musste. Europa könne man nicht stärken, indem man Deutschland schwächt, säuselt etwa Alexander Dobrindt von der CSU in die Mikrofone und Andrea Nahles von der SPD sieht sogar keinen Handlungsbedarf, weil ihr nicht klar ist, was die Kritik an den Überschüssen konkret zu bedeuten habe.

Beide hätten auch sagen können, dass ihre Kenntnisse über volkswirtschaftliche Zusammenhänge nicht ausreichen, um die Kritik erstens verstehen und zweitens die richtigen Schlüsse daraus ziehen zu können. Aber auch die Medien versagen auf ganzer Linie. Der Mann der ARD in Brüssel mit Doppel-Null-Status, Rolf-Dieter Krause, hätte ja den Zuschauern mal erklären können, warum die Kommission Verfahren gegen EU-Staaten eröffnet, die Handelsbilanzdefizite ab vier Prozent des BIPs ausweisen und Länder wie Deutschland allenfalls prüfen will, deren Überschüsse sechs Prozent des BIPs überschreiten.

Da die Überschüsse der einen immer auch die Defizite der anderen sind, was inzwischen auch bei der ARD angekommen ist, stellt sich doch die Frage, warum beides ungleich behandelt wird. Es stellt sich aber noch eine weitere Frage. Die oben beschriebene Sixpack-Regelung ist auf Betreiben von Deutschland und namentlich Finanzminister Wolfgang Schäuble erlassen worden. Die gesamte deutsche Öffentlichkeit sowie die Politik beklagen sich also über ein lasches Prüfverfahren, dass sie selbst und zu ihrem Vorteil verändert, aber immer noch unter der Maßgabe, makroökonomische Ungleichgewichte zu verringern, mitbeschlossen haben.

Volkswirtschaftlich betrachtet, gibt es eben überhaupt keinen Zweifel an den schädlichen Auswirkungen der deutschen Exportfixiertheit. Nur wollen oder können Frau Nahles, Herr Dobrindt oder Herr Gottlieb nicht begreifen, dass eine Wirtschaft aus mehr als nur dem Export besteht. Es geht eben nicht um die Drosselung der Wirtschaft oder darum, Wachstum einzubremsen – dafür sorgen die Deutschen mit ihrer Verbohrtheit übrigens schon selber, die Freude über minimale Wachstumsraten inmitten der Rezession unterstreichen das – sondern darum, die Binnenwirtschaft zu stärken, mehr Konsum und folglich mehr Importe zu ermöglichen.

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Über den Autor:

André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.
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Kommentare

  1. Jane  November 14, 2013

    Hallo Herr Tautenhahn,

    ich bin über die nachdenkseiten zu Ihnen gestoßen.
    Sie treffen hier mit Ihren Aussagen des Pudels Kern.
    Nur leider frage ich mich zunehmend, ob unsere Aktivitäten im Internet ausreichen, um in Deutschland – endlich! – etwas zu bewegen.
    Sprich, man fühlt sich zunehmend hilflos.
    Haben Sie ein Rezept, wie man damit umgehen soll?

    Herzliche Grüße

    • adtstar  November 14, 2013

      Wenn ich eins hätte, würde ich drüber schreiben.

      Die Gegenöffentlichkeit im Internet ist nur ein kleiner Baustein mit begrenzter Wirkungskraft. Die großen Medien müssen wieder ihren Job erledigen.

  2. Sizialwissenschaftler sind Parasiten  November 14, 2013

    Internet was ist aus dir geworden… OMG

    Tipp #1 Keinen Text veröffentlichen über den sich nur die Anwälte freuen.

    Tipp #2 Benutze die Autokorrektur um Rechtschreibfehler zu vermeiden

  3. Marl Karx  November 14, 2013

    Ich gebe ihnen in vollem Umfang Recht. Es ist ein Kampf gegen Windmühlen, wo man ganz zuunterst anfangen muss und allen an der Diskussion beteiligten erst einmal klar machen muss, was der Unterschied zwischen #VWL und #BWL ist.
    Das Schlimme ist nur,run 99% aller Bürger und wohl 100% aller Politiker kennen nur und ausschließlich die schwäbische Hausfrau, welche wiederum nur BWL versteht…

  4. ShaniaM  November 14, 2013

    Wie soll man Importe fördern, wenn man weiterhin dafür sorgt, daß die dumpinglohnschiene fortgesetzt wird? Selbst, wenn es zu einem flächendeckenden Mindestlohn kommen sollte. 8.50 ist grade mal so kanpp über Armutsgrenze, sofern man ganztags arbeitet. Die meisten jobs bekommt man aber nur für 30 Wochenstunden. Also, immernoch ein Hungerlohn. Der zweite Aspekt, der den Mindestlohn unterlaufen wird, wird sein, daß ab 2014 genug willige Armutseinwanderer trotz Mindestlohn bereit sein werden, diesen nicht in Anspruch zu nehmen. Deshalb sollte der Mindeststundenlohn ein höherer sein und verhindert werden, daß jeder Hinz und Kunz aus einem maroden EU-Land in Deutschland Arbeti aufnehmen kann.