NachDenkSeiten: Gebühren-Millionen für die Selbstzensur

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Auf den NachDenkSeiten finden sie heute einen sehr interessanten Beitrag über den wahren Missbrauch von GEZ-Gebührengeldern. Es geht dabei um die finanziellen Aufwendungen der öffentlich-rechtlichen Sender, die aus Gebührengeldern erbracht werden müssen, um das völlig blödsinnige Löschgebot des 12. Rundfunkstaatsvertrags sicherzustellen. Online-Angebote von ARD, ZDF und DLF dürfen nur noch sieben Tage im Netz abrufbar sein. Alles zu löschen und zu überwachen bzw. mit Ausnahmeregelungen zu versehen, damit es länger im Netz stehen bleiben kann, kostet unnötig Geld.

Diese Selbstzensur des Marktes haben gerade die privaten Dummfunkdudler durchgesetzt, die, wenn es andersherum gerade passt, das Wettbewerbsdenken immer besonders hochhalten.

„Bei den kommerziellen Fernsehsendern und vor allem auch von der damit verbandelten Verlegerseite gab es Anfang April massive Kritik, weil das ZDF dem privaten Konkurrenten Sat1 ab 2012 die Übertragungsrechte für die Fußball-Champions-League weggeschnappt hat. 50 Millionen pro Jahr für Fußballübertragungen sei ein Missbrauch von Gebührengeldern, wetterten die werbefinanzierten Sender und ihre Betreiber. Man mag da geteilter Meinung sein. Aber einen Aufschrei, dass bisher aus Gebühren mindestens 6 Millionen, vermutlich aber eher ein zweistelliger Millionenbetrag missbraucht worden ist, um Zeitungsverleger und Kommerzsender vor einem Informations-Wettbewerb zu schützen, hat man nicht gehört. Gebührenmillionen für nichts anderes, als ein schon finanzierte Internetangebot der Rundfunkanstalten wieder zu löschen oder bestenfalls in einem aufwändigen bürokratischen Verfahren durchzukämpfen, dass solche Angebote länger als sieben Tage im Netz bleiben dürfen – ein unsinnigerer Missbrauch von Gebührengeldern ist kaum vorstellbar.“

Quelle: NachDenkSeiten

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Wachstumsprognose: Es werden noch mehr Eier fliegen

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Kaum verkündet Brüderle, einen höheren Alkoholspiegel, quatsch, ein höheres Wirtschaftswachstum für dieses Jahr zu erwarten, fliegen auch schon die Eier auf Maschmeyers besten Freund und Bundespräsident Christian Wulff in Wiesbaden. Der war dort zu seinem Antrittsbesuch im Bundesland Hessen. Es ist natürlich etwas irritierend, dass der Herr Bundespräsident rund zehn Monate nach seiner Wahl noch Antrittsbesuche absolviert. Möglicherweise war der mutmaßliche Eierwerfer auch verwirrt und hatte vorher vergeblich versucht, jemanden über die neue Behördenrufnummer 115 zwecks Klärung des Vorgangs zu erreichen.

Aber ich war ja noch beim Prost-Brüderle:

„Der Aufschwung in Deutschland steht auf einem breiten Fundament. Die Inlandsnachfrage gewinnt zunehmend an Kraft. Das macht unsere Wirtschaft insgesamt widerstandsfähiger. Angesichts der aktuellen Rohstoffpreisentwicklung, der Katastrophen in Japan und der noch nicht ausgestanden Schuldenkrise im Euroraum wird sich das auszahlen. Unsere Binnenwirtschaft wird gleichermaßen von Investitionen und Konsum getragen. Die fast schon traditionelle deutsche Konsumschwäche ist überwunden – die Zuwächse des privaten Konsums liegen deutlich über denen des letzten Jahrzehnts. Das ist angesichts der hinter uns liegenden Krise eine beachtliche und erfreuliche Zwischenbilanz.“

Quelle: BMWi

Wenn ich mich an die letzte Weissagung der GfK (Gesellschaft für Konsumforschung) erinnere, dann war die Begründung genau andersherum.

Ein zuletzt unsicherer gewordenes internationales Umfeld sowie wachsende Inflationsängste haben im März dafür gesorgt, dass die Verbraucherstimmung leicht an Wert verloren hat. Diese Faktoren haben damit die nach wie vor günstigen Rahmenbedingungen für die Verbraucher, wie steigende Beschäftigung und Einkommen, überlagert. Dennoch bleibt das Niveau der Konsumstimmung weiterhin recht hoch. Mögliche Effekte der Natur- und Umweltkatastrophe in Japan können noch nicht berücksichtigt werden, da zum Zeitpunkt des verheerenden Erdbebens und seiner Folgen die Befragung bereits abgeschlossen war.

Quelle: GfK

Während Brüderles Aufschwung ein wackeliges internationales Umfeld nichts anhaben kann, warnt die GfK vor einer Eintrübung der Verbraucherstimmung gerade aus diesem Grund. Beide Behauptungen haben recht wenig mit dem privaten Konsum zu tun. Sie dienen mehr der allgemeinen Verwirrung.

Das Wegbrechen der internationalen Absatzmärkte ist absehbar, wahrscheinlich auch für Brüderle. Deshalb schwört er die Öffentlichkeit auf eine scheinbare Blüte des Binnenkonsums ein. Bei der GfK zeigt selbst die hirnrissige Kategorie einer irgendwie gemessenen „Kaufneigung“ der Deutschen nach unten, was einer gleichfalls hirnrissigen Begründung bedarf. Nur, weder Fukushima, noch Gadaffi oder die Finanzkrise sorgen für die hiesige Kaufzurückhaltung, sondern schlicht und ergreifend das fehlende Geld durch stagnierende oder real rückläufige Masseneinkommen. Zudem sind Brüderles Beschäftigungsrekorde teuer mit einer dramatischen Zunahme prekärer Beschäftigung erkauft.

Immer mehr Menschen sind zusätzlich auf Sozialleistungen angewiesen, zuletzt haben 7.456.373 Menschen in diesem Land entweder Arbeitslosengeld I, II oder Sozialgeld bezogen. Brüderles Jobwunder-Gehabe und Prognose über abnehmende Arbeitslosenzahlen und Vollbeschäftigung bleibt weiterhin lächerlich!

Die Wachstumsprognose der Bundesregierung ist ein Witz. Die Inlandsnachfrage wird nicht zu einer Stütze der Konjunktur werden. Im letzten Jahr trug der private Konsum gerade einmal mit 0,7 Prozent zum Anstieg des BIP (3,5%) bei. Für dieses Jahr wird laut Konjunkturprognose der Wirtschaftsforschungsinstitute eine Zunahme der Kaufkraft um lediglich 1,0 Prozent erwartet. Brüderle schwadronierte heute von einem kräftigen Kaufkraft-Plus. Woher soll denn nun der neuerliche Konsumboom kommen, der zum XXL-ten Mal angekündigt wird?

Meine Prognose ist, dass es noch mehr fliegende Eier auf Politiker geben wird. Wetten?

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Ein absurder Zinsschritt

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Die europäische Zentralbank (EZB) hat den Leitzins für die Eurozone auf 1,25 Prozent angehoben. Begründung: Inflationsgefahr.

Das ist natürlich armselig und falsch zugleich, weil die EZB einmal mehr die streng monetäre einer real wirtschaftlichen Betrachtung vorzieht. Wegen einer gemessenen Inflationsrate von 2,6 Prozent innerhalb der Eurozone wird einfach darauf geschlossen, dass es eine konjunkturelle Überhitzung geben müsse, die zu einer sog. Lohn-Preis-Spirale führe, der man mit restriktiver Finanzpolitik entgegentreten müsse. Denn Ziel der Zentralbank ist nach wie vor die Preisstabilität.

Zahlreiche Analysten und Experten hätten diesen Zinsschritt, den man inzwischen schon als „Wende“ bezeichnet, vorausgesehen und erwartet. Die Inflation sei schuld. Doch was ist in der realen Wirtschaft eigentlich los? In Deutschland herrscht Aufschwung. Wer’s glaubt. Die steigenden Preise hierzulande sind aber keinesfalls nachfrageinduziert. Die Einzelhandelsumsätze stagnieren bereits wieder, nachdem sie sich im letzten Jahr aus dem Krisenkeller etwas nach oben entwickelt hatten.

Im Rest der Eurozone herrscht Krisenstimmung. Griechenland, Irland und seit gestern auch Portugal hängen am Topf des europäischen Rettungsfonds. In den Volkswirtschaften bricht sich die Rezession abermals bahn. Dort wird man sich bei der EZB bedanken, weil Kredite für Investitionen, die dringend gebraucht werden wieder teurer und damit unattraktiv werden. Dazu kommen die harten Sparbedingungen des Rettungsfonds. Die Wirtschaft hat also keine Chance, sich zu erholen.

Mit dem Zinsschritt schadet die EZB der realen Wirtschaft zusätzlich. Zwar gibt die Zentralbank vor, besonders Spekulanten im Blick zu haben, die bisher mit billigem Geld weiter zocken gehen, doch die schreckt man doch nicht mit geringfügig höheren Zinsen ab, wenn sie ihr Geld für deutlich mehr Rendite weiterreichen und dabei immer noch einen guten Schnitt machen können. Fragen sie die Deutsche Bank, eine der schlimmsten Zockerbuden weit und breit.

Wer der Spekulation und der Zockerei Einhalt gebieten will, muss dafür sorgen, dass das Kasino geschlossen wird! 

Die steigenden Preise sind aber nicht nur eine Folge der Spekulation, sondern vielmehr Ausdruck eines Herdentriebs an den Finanzmärkten, der sich eben nicht nach wirtschaftlichen Indikatoren ausrichtet und auch nichts mit Angebot und Nachfrage zu tun hat, sondern damit, ob alle ins Risiko gehen oder nicht. Seit März 2009 gehen alle wieder rein. Die Kurse stiegen und das mitten im Abschwung. Es gab und gibt also keine Verbindung zur realen wirtschaftlichen Entwicklung. Dafür herrscht aber erneut der Glaube vor, dass eine Blase schon nicht platzen wird, obwohl die recht junge Erfahrung etwas anderes lehrt.

Es liegt eben an der Politik, dem unverantwortlichen Treiben an den Börsen und in den Banken ein Ende zu setzen. Doch die bleibt tatenlos.

Früher galten für Analysten und Volkswirte die Zahlen der Bundesbank zur Geldmenge als verlässliches Zeichen, ob eine Inflation bevorstehe oder nicht. Die Anhänger der Geldmengenlehre (Monetarismus), zu denen auch die EZB-Banker gehören, haben von ihrem geistigen Übervater und Chicago Boy Milton Friedman gelernt, dass Inflationsgefahr bestehe, wenn die für die Wirtschaft relevante Geldmenge M3 zunimmt. Doch heute schaut keiner mehr auf diesen Chart der Bundesbank, der ziemlich eindeutig in die andere Richtung weist.     

 

Quelle: Bundesbank

Im Prinzip müssten die Chicago Boys und Girls Deflationsalarm geben, wenn sie denn ihrer Dogmenlehre streng folgen. Es ist halt schwer zu glauben, dass bei Ausweitung von Staatsdefiziten und Rettungsgeldern in Milliardenhöhe, also einer vordergründigen Geldschwemme, keine Inflation entsteht.

Das Problem ist eben, dass das viele Geld niemals im wirtschaftlichen Kreislauf angekommen ist, sondern innerhalb der Banken- und Finanzwelt zirkuliert, quasi die Blase immer weiter aufbläht.

Wir retten eben keine Staaten und Volkswirtschaften, sondern immer noch Banken! 

Die Verluste der Banken muss aber nach wie vor die Volkswirtschaft begleichen. Deshalb sollen alle sparen und ihr Tafelsilber verkaufen. Nicht damit sie ihre Haushalte konsolidieren, sondern damit sie die Zinsen zahlen.

Der einzige Wirtschaftsweise mit Hirn, Peter Bofinger, fordert daher zurecht eine Art Marshall-Plan für europäische Krisenländer. Die Finanzgenies der europäischen Union, gemeint ist natürlich die deutsche Bundesregierung, scheinen nach Auffassung Bofingers eben nicht zu begreifen, dass man mit rigorosen Sparprogrammen nichts konsolidiert, sondern die Konjunktur abwürgt und das Problem der Haushaltdefizite nur verschärft.

Die EZB tut ihr übriges hinzu. Höhere Zinsen sind gegenwärtig Gift für die Konjunktur. Nicht die Gefahr einer Inflation, sondern die einer monetär nicht zu beherrschenden Deflation verschärft sich weiter. Denn offenbar gibt es weder Nachfrage nach Investitionskrediten noch die Bereitschaft der Banken, solche an private Investoren zu vergeben, damit diese wiederum in die Realwirtschaft investieren oder reale Waren und Dienstleistungen konsumieren.

Die Krise kommt nicht zurück, sie ist immer noch da. 

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Wie es gerade passt – Zu den Einzelhandelsumsätzen

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Das statistische Bundesamt betreibt mal wieder Irreführung. Heute gab es die Meldung, dass die Einzelhandelsumsätze im Monat Februar um 1,1 Prozent gestiegen seien. Schaut man in der Pressemitteilung etwas genauer nach, wird deutlich, dass der Vergleich nicht etwa zum Vormonat, wie sonst üblich, sondern zum Vorjahresmonat gezogen wird. Der Grund liegt auf der Hand. Im Vergleich zum Vorjahr steigen die Umsätze, im Vergleich zum Januar sinken sie.

Die deutschen Einzelhandelsunternehmen setzten im Februar 2011 nach vorläufigen Ergebnissen des Statistischen Bundesamtes (Destatis) nominal 3,0% und real 1,1% mehr um als im Februar 2010. Beide Monate hatten jeweils 24 Verkaufstage. Im Vergleich zum Januar 2011 ist der Umsatz im Februar 2011 unter Berücksichtigung von Saison- und Kalendereffekten (Verfahren Zensus X-12-ARIMA) nominal um 0,8% gestiegen und real um 0,3% gesunken.

Quelle: destatis

Die jeweils positiveren Zahlen bestimmen dann auch die Überschrift. Allerdings setzt sich das Verwirrspiel in den Schlagzeilen der Medien fort.

„Umsatz im Einzelhandel steigt“

Der deutsche Einzelhandel setzt seinen Aufwärtstrend fort, das Tempo hat aber nachgelassen.

Quelle: Handelsblatt

„Umsatz im Einzelhandel überraschend gesunken“

Der deutsche Einzelhandel setzt seinen Aufwärtstrend fort, das Tempo hat aber nachgelassen.

Quelle: Rhein-Neckar-Zeitung

Was ist nun richtig? Wie immer hilft ein Blick auf die grafische Umsetzung der statistischen Daten. Über einen längeren Zeitraum betrachtet, erkennt man eine stetige Abnahme der Umsätze im Einzelhandel. Selbst die leichte Erholungsphase im Jahr 2010, die nach dem tiefen Einbruch in 2009 stattfand, ist bereits einer Stagnation gewichen. Ein Konsumboom oder eine Kaufrauschorgie sehen anders aus.

Einzelhandel bis Februar 2011

Das scheint inszwischen auch die Propaganda-Abteilung der Bundesregierung für den privaten Konsum, die GfK (Gesellschaft für Konsumforschung) begriffen zu haben.

Die Stimmung der deutschen Verbraucher kann ihr überaus hohes Niveau im März dieses Jahres nicht weiter verbessern. Sowohl Konjunktur- und Einkommenserwartung wie auch die Anschaffungsneigung müssen Einbußen hinnehmen. Der Gesamtindikator prognostiziert nach 6 Punkten im März für April einen Wert von 5,9 Punkten.

Quelle: GfK

Allerdings scheinen die Gründe für den überrschenden Pessimismus der GfK sehr weit hergeholt zu sein.

Ein zuletzt unsicherer gewordenes internationales Umfeld sowie wachsende Inflationsängste haben im März dafür gesorgt, dass die Verbraucherstimmung leicht an Wert verloren hat. Diese Faktoren haben damit die nach wie vor günstigen Rahmenbedingungen für die Verbraucher, wie steigende Beschäftigung und Einkommen, überlagert. Dennoch bleibt das Niveau der Konsumstimmung weiterhin recht hoch. Mögliche Effekte der Natur- und Umweltkatastrophe in Japan können noch nicht berücksichtigt werden, da zum Zeitpunkt des verheerenden Erdbebens und seiner Folgen die Befragung bereits abgeschlossen war.

Warum sollten Gaddafi oder Fukushima Auswirkungen auf die Kaufneigung der Deutschen haben? Liegt es nicht viel näher, die nach wie vor schlechte Einkommenssituation der Arbeitnehmer sowie die zunehmend prekären Beschäftigungsverhältnisse als Begründung für die Kaufzurückhaltung heranzuziehen? Was ist mit der Altersarmut, der Jugend- und Langzeitarbeitslosigkeit? Stattdessen Inflationsängste. Nein, es geht doch vielmehr um Existenzängste.

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Sprudelnde Steuerquellen?

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Die gute konjunkturelle Lage sorge angeblich für sprudelnde Steuereinnahmen, meldet die Nachrichtenagentur Reuters unter Berufung auf Regierungskreise.

Die gute Konjunktur spült dem Bund und den Ländern erhebliche Steuermehreinnahmen in die Kassen.

Ihr Steueraufkommen stieg im Februar gegenüber dem Vorjahr um 9,7 Prozent auf 39,5 Milliarden Euro, wie aus einer der Nachrichtenagentur Reuters am Freitag vorliegenden Unterlage des Bundesfinanzministeriums hervorgeht.

Mehreinnahmen sind zwar richtig, doch erweckt die Meldung den Eindruck, als seien die Steuerausfälle aus der Vergangenheit ausgeglichen, die durch Krise und permanente Steuersenkungen entstanden waren. Ein Blick auf die Datenreihen gibt Aufschluss.

Steueraufkommen

Grafisch sieht das dann so aus:

Steueraufkommen_Grafik

Die absolute Zahl an Steuereinnahmen nutzt aber gar nichts – obwohl auch hier schon einiges gegen die Behauptung von sprudelnden Steuerquellen spricht -, so lange man nicht einen Bezug zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) herstellt. Das nennt man dann Steuerquote. Sie gibt darüber Aufschluss, wie hoch der Anteil der Steuern am Volkseinkommen ist. Und da sieht das Bild etwas klarer aus.

Steuerquote
Steuerquote im Vergleich
Quelle: wikipedia

Gemessen am BIP fallen die Abgaben eher unterdurchschnittlich aus. Vor allem der internationale Vergleich bestätigt dieses Bild. Das liegt daran, dass Deutschland auf Steuern auf Vermögen und Unternehmertätigkeit systematisch verzichtet.

Im aktuellen Monatsbericht des Finanzministeriums heißt es unter dem Punkt Entwicklung der Steuer- und Abgabenbelastung in den Mitgliedstaaten der OECD:

Die deutsche Steuerquote im Jahr 2008 betrug 23,1 %. Sowohl der OECD-Durchschnitt (+ 2,7 Prozentpunkte) als auch der EU-Durchschnitt (+ 3,4 Prozentpunkte) liegen darüber (Abbildung 1).

In Deutschland spielen allerdings die Sozialversicherungsbeiträge eine wesentlich stärkere Rolle bei der Finanzierung von Sozialleistungen als in den meisten anderen Staaten. So finanziert Dänemark fast die gesamten staatlichen Ausgaben über Steuern, die Sozialbeiträge umfassen hier lediglich 1 % des Bruttoinlandsprodukts. Für internationale Steuerbelastungsvergleiche ist daher die Abgabenquote aussagekräftiger (Abbildung 2). Der EU-Durchschnitt im Jahr 2008 liegt zwar mit + 1,3 Prozentpunkten über der deutschen Abgabenquote von 37,0 %, der OECD-Durchschnitt liegt jedoch um – 2,2 Prozentpunkte darunter. Wie bei den Steuern, so weist Dänemark auch bei den Abgaben die höchste Quote auf. Die Differenz zu Deutschland ist allerdings mit + 11,2 Prozentpunkten bereits erheblich geringer als beim Vergleich der Steuerquoten.

An dieser Interpretation der OECD-Studie „Revenue Statistics“ können sie sehr schön sehen, wie man die Lage schönzureden versucht. Fakt ist, dass sowohl Steuer- wie auch Abgabenquote (einschl. Sozialabgaben) unterhalb des Durchschnitts liegen oder allenfalls mittelmäßig sind. Das Gerede von einer zu hohen Steuer- bzw. Abgabenbelastung bestätigt sich hingegen nicht. Demzufolge ist auch jede Meldung, die von angeblich sprudelnden Steuerquellen kündet, mit äußerster Vorsicht zu genießen. Durch diese Art der Berichterstattung soll wohl nur der Weg für künftige Steuersenkungsfantasien bereitet werden, wohingegen die in der Vergangenheit systematisch vorangetriebene Verarmung des Staates verschleiert wird.

Gleichzeitig stützen steigende Steuereinnahmen die Aufschwungspropaganda der Bundesregierung, die die nach wie vor hohen Defizite in den öffentlichen Haushalten einfach völlig ausblendet.

Das kassenmäßige Finanzierungsdefizit im Kernhaushalt des Bundes – in Abgrenzung der Finanzstatistik – belief sich im Jahr 2010 auf 44,3 Milliarden Euro. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) nach vorläufigen Kassenergebnissen zu den Kernhaushalten des Bundes und der Länder weiter mitteilt, lag das Defizit des Bundes mit einer Zunahme um 9,8 Milliarden Euro deutlich über dem des Vorjahres. Es war damit nahezu doppelt so hoch wie das Defizit der Kernhaushalte der Länder insgesamt (22,3 Milliarden Euro).

Quelle: destatis

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Sparwütige und juristische Kleingeister

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Die bevorstehenden Landtagswahlen rufen erneut jene Kleingeister auf den Plan, für die es nur eine politische Aufgabe zu geben scheint. Sparen und Schulden bremsen. Die Verbindlichkeiten der öffentlichen Haushalte sind hoch und die Rezepte dagegen dünn. In Nordrhein-Westfalen hat gerade ein Verfassungsgericht den Nachtragshaushalt der rot-grünen Landesregierung mit dem schönen wie treffenden Titel, „Nachtragshaushalt für 2010 – Landesregierung zieht Schlussbilanz für Schwarz-Gelb“, auf Grundlage falscher Annahmen über die wirtschaftliche Entwicklung gekippt. Die Richter sahen die Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts nicht ausreichend durch die Landesregierung begründet und unterstellten sogar eine verbesserte Wirtschaftslage.

Auf die im Jahr 2010 unerwartet deutlich verbesserte Wirtschaftslage habe die Landesregierung lediglich die Ergebnisse der November-Steuerschätzung umgesetzt und die deutlich positiver als erwartet verlaufende wirtschaftliche Entwicklung in der Begründung erwähnt, weitere Ausführungen zum Fortbestehen einer Störungslage jedoch unterlassen. Damit beruhe ihre Einschätzung der gesamtwirtschaftlichen Lage weiterhin auf Daten, die seit Monaten überholt seien, obwohl bei Vorlage der Ergänzung zum Gesetzentwurf aktuelle Daten bekannt gewesen seien.

Quelle: VGH NRW

Die Landesregierung habe es unterlassen, zum Fortbestehen einer Störungslage Stellung zu beziehen. Da reibt man sich verwundert die Augen und möchte wissen, ob die Richter ihre eigene Sehstörung übersehen und nicht erkannt haben, dass sie das Budgetrecht des Parlaments mit dererlei Rechtssprechung aushebeln. Denn ein einfacher Blick in die Finanzplanung hätte genügt, um zu begreifen, warum die Landesregierung gezwungen war, eine höhere Neuverschuldung in Kauf zu nehmen.

Allein 1,3 Mrd. Euro muss die Landesregierung zusätzlich bereithalten, um eine Zweckgesellschaft der krisengeschüttelten WestLB abzusichern, für deren Schrottpapiere die Vorgängerregierung unter Rüttgers eine Bürgschaft ausgestellt hatte.

Für die dort gelagerten Risikopapiere mit einem Einkaufswert von 23 Milliarden muss das Land als Mehrheitseigentümer der Landesbank mit bis zu 5 Milliarden bürgen. Auch diese Vorsorge ist eine Altlast der Vorgängerregierung und resultiert aus den Fehlern des früheren Ministerpräsidenten Rüttgers.

Quelle: NachDenkSeiten

Nun kann man, wirtschaftliche Lage hin oder her, nicht an der Tatsache vorbei, dass die Folgekosten der Finanzkrise als Sondervermögen getarnt in erheblichen Maße die Ausgabenseite der öffentlichen Haushalte belasten. Laut Meldung des statistischen Bundesamts vom 21. Februar 2011 hat sich der Schuldenstand aller Etats im abgelaufenen Jahr um 18 Prozent auf fast 2 Billionen Euro erhöht. Davon entfallen allein 232,2 Milliarden Euro, also über 76 Prozent der Neuverschuldung, auf die Rettung von Banken. Wortwörtlich ist zu lesen:

Wesentlich zum Anstieg beigetragen haben die im Jahr 2010 neu gegründeten (beziehungsweise in Geschäftsbetrieb gegangenen) „Bad Banks“. Die Übertragung von Risikopapieren der Hypo Real Estate in die FMS Wertmanagement sowie die Stützungsmaßnahmen der Ersten Abwicklungsanstalt für die WestLB erhöhten den Schuldenstand zum Jahresende um 232,2 Milliarden Euro.

Die Stützung der WestLB wird also explizit genannt und herangezogen, um eine Schieflage der öffentlichen Finanzen zu beschreiben. Wie kommen also die Richter in Münster dazu, die Störung eines gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts anzuzweifeln? Mehr Störung geht ja schon fast nicht.

Schlimm genug, dass für die Verluste der Banken der Steuerzahler aufkommen muss, nun wird aber auch noch so getan, als könne man die entstandenen Defizite durch verstärkte Sparanstrengungen an anderer Stelle kompensieren. Wir haben ja Aufschwung. Prost. Ein übles Spiel. Die brutalen Haushaltssanierer stehen schon bereit und wettern gegen eine angebliche Politik des Schuldenmachens und schimpfen über unsolide Finanzpolitik. Dabei waren gerade sie es, die mit ihren Bankenrettungsschirmen dafür gesorgt haben, dass die Verschuldung deutlich zulegte.

Aber das ist natürlich kein Problem. Schließlich gehören von der Pleite bedrohte Finanzinstitute wie Naturkatastrophen zu jenen schlimmen Ereignissen, die laut grundgesetzlich verankerter Schuldenbremse eine Erhöhung der Staatsschulden über das vorgeschriebene Maß hinaus erlauben.

Im Falle von Naturkatastrophen oder außergewöhnlichen Notsituationen, die sich der Kontrolle des Staates entziehen und die staatliche Finanzlage erheblich beeinträchtigen, können diese Kreditobergrenzen auf Grund eines Beschlusses der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages überschritten werden.

Quelle: Art. 115 Grundgesetz

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DIHK-Hauptgeschäftsführer Martin Wansleben zum Bahnstreik

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Wenn die Lokführer streiken, hat das große Auswirkungen. Für die Menschen, die auf die Bahn als öffentliches Verkehrsmittel angewiesen sind, aber natürlich auch für die Wirtschaft, deren Güter zu einem großen Teil auf der Schiene transportiert werden. Deshalb liegt es nahe, sich darüber zu beschweren, dass mit den Lokführern eine relativ kleine Gruppe von Arbeitnehmern es in der Hand hat, ein ganzes Land lahmzulegen. Das ruft dann fast automatisch die Interessenvertreter der Wirtschaft auf den Plan, deren Meinungen zwar immer wieder erfragt werden, aber aus meiner bescheidenen Sicht keineswegs erwünscht sind, vor allem dann nicht, wenn sie von solchen Gestalten wie dem Arbeitgeberpräsidenten Hundt oder aber vom Hauptgeschäftsführer des DIHK Martin Wansleben geäußert werden.

Letzterer gab dem Deutschlandradio ein Interview zum Bahn-Streik. Der käme natürlich zur Unzeit.

„Ich glaube, wir müssen zwei Dinge auseinanderhalten. Konjunkturell bricht nicht gleich der Himmel ein, wenn jetzt mal ein Streik stattfindet. Ich meine, das ist die Welt gewohnt, das gibt es immer mal wieder. Ich glaube, das ist auch am Ende keine Rufschädigung Deutschlands, dass so was ist, und die Freiheit dazu ist ja auch ein Teil unseres demokratischen Gemeinwesens. Auf der anderen Seite ist es so, dass wir schon mit unserem Wohlstand davon abhängig sind, hoch produktiv und vernetzt zu agieren in Deutschland, europaweit und weltweit. Insofern gehört die Verkehrsinfrastruktur schon zu einem ganz sensiblen Teil unseres Nervensystems, wenn Sie so wollen, unserer Volkswirtschaft, und wenn dann eine relativ kleine Gruppe, also in diesem Falle ja „nur“ die Lokführer, einen solchen Nerv lahmlegen können, ist das immer wieder die Erinnerung daran, dass wir ganz schöne Abhängigkeiten haben, und insofern ist das Thema nicht zu unterschätzen.“

Also ich kenne noch eine relativ kleine Gruppe, die man nicht unterschätzen sollte. Und zwar jene selbsternannte Expertenriege, die gerade wegen ihres angeblichen Sachverstandes in Ausfsichts- und Beratungsgremien berufen wird. So auch Martin Wansleben, der als Mitglied des Beraterkreises der IKB seine unglaublich weitsichtigen Fähigkeiten auch bei der ehemaligen Mittelstandsbank eingebringen durfte und immer noch darf.

Nur zur Erinnerung diese Bank hat den Steuerzahler rund 10 Mrd. Euro echtes Geld gekostet, also keine Garantien oder Bürgschaften. Die IKB war 2007 die erste Bank, die faktisch pleite war, weil sie sich im Finanzkasino verzockte. Damals wurde schon die Frage aufgeworfen, warum eine Bank, die für die Kreditversorgung des deutschen Mittelstands zuständig war, mit US-Hypothekenpapieren spekulieren musste. Diese Frage könnte der Berater Wansleben endlich mal beantworten, bevor er Tipps für den Tarifstreit zwischen Bahn und GDL verteilt und darüber jammert, dass die deutsche Wirtschaft so abhängig von der Verkehrsinfrastruktur sei und eine kleine Gruppe von „nur“ Lokführern einen beträchtlichen volkswirtschaftlichen Schaden anrichten könne.

Wie viel eigentlich? Von Millionen ist da die Rede. Das ist immer noch weniger, als die verpulverten 10 Mrd. Euro für eine Minibank, bei der ein Herr Wansleben beratend tätig war und ist. Für mich ist Martin Wansleben ebenfalls Teil einer kleinen Gruppe, die durch ihr Verhalten einen bedeutend größeren volkswirtschaftlichen Schaden angerichtet hat und immer noch anrichtet.

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Deutscher Einzelhandel mit leichtem Umsatzplus im Januar

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Einen Beitrag zu den Einzelhandelsumsätzen bin ich letzte Woche noch schuldig geblieben. Das hole ich hiermit nach.

Wie das statistische Bundesamt am vergangenen Donnerstag mitteilte, haben die Umsätze im Einzelhandel im Januar um real 2,6 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat zugelegt. Bevor deswegen einmal mehr Jubelstürme losbrechen und das Märchen vom Konsumboom neue Nahrung erhält, sollte man die Daten einordnen und die Entwicklung der Umsätze anhand einer grafischen Darstellung genauer betrachten.

Umsatz (2005=100, kalender- und saisonbereinigt)
Einzelhandel bis Januar 2011
Die Grafik werde ich für die folgenden Monate fortsetzen

Im Januar gab es also einen kleinen Schritt nach oben auf der Treppe im Umsatzkeller. Aber wie sie an der Grafik sehr schön sehen können, ist das nicht außergewöhnlich. Der erkennbare Abwärtstrend wurde immer mal wieder von positiven Ausschlägen begleitet. Gründe für eine Trendumkehr gibt es aber nach wie vor keine. Insgesamt bewegt sich das Niveau der Umsätze immer noch deutlich unterhalb des Vorkrisenzeitraums und selbst da kann von einem Konsumboom keine Rede sein.

Immerhin dämpfen die Einzelhändler selber die Erwartungen, die beispielsweise durch GfK-Konsumklima- und ifo-Index sowie Rainer Brüderle immer wieder realitätsfern formuliert werden. Steigende Preise für Kraftstoffe und Energie könnten die Geschäfte der Händler belasten, heißt es. Man sei vorsichtig optimistisch. Steigende Preise für Kraftstoffe sind natürlich das eine, aber viel wichtiger ist doch die Tatsache, dass die Einkommen auch in diesem Jahr weiter stagnieren werden.

Löhne und Gewinne
Quelle: ver.di

Nehmen sie als Beispiel die bevorstehenden Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst. Erste Warnstreiks hat es dort bereits gegeben. Rainer Brüderle hatte letztes Jahr noch einen kräftigen Schluck aus der Lohnpulle gefordert, weil der Aufschwung auch bei den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ankommen müsse. Nun hätte er also Gelegenheit seinem Länderkollegen Möllring aus Niedersachsen, der mal wieder Verhandlungsführer für die Arbeitgeber spielt, auf die Finger zu klopfen. Doch Brüderle bleibt still. Finanzminister Hartmut Möllring hingegen gibt weder ein Angebot ab, noch hält er es für nötig, auf die Gewerkschaften zuzugehen. Im Gegenteil. Er sendet, wie all die Jahre zuvor, eine klare Botschaft.

Die Gewerkschaft Verdi müsse «einsehen, dass sowohl drei Prozent als auch 50 Euro mehr pro Monat nicht gehen», sagte er der «Stuttgarter Zeitung» (Samstag) mit Blick auf die leeren Kassen der Länder. «Und wenn schon jede Einzelforderung für sich nicht geht, ist offenkundig, dass beides zusammen gar nicht geht. Diese Einsicht muss bei der Gewerkschaft noch greifen, dann werden wir ein Ergebnis bekommen.»

Quelle: Süddeutsche

Bei den Einkommen der Menschen geht gar nichts. Das ist die Botschaft, die sie bitte kapieren sollen, also neben der Tatsache, dass Aufschwung ist, die Wirtschaft boomt und die Menschen künftig mehr einkaufen werden.

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Mal eine unverdächtige Stimme zum Aufschwung

Geschrieben von:

„Ein paar lästige Details zum Aufschwung“ liefert die Financial Times Deutschland in einem bemerkenswerten Artikel, um dann ganz nüchtern festzustellen:

Es geht hier nicht darum, Fortschritte zu leugnen. Aber der Rummel, der wegen der diversen Firmen- und Verbraucherumfragen veranstaltet wird, ist mit Blick auf die echten Zahlen mehr als albern. Das BIP ist auf dem Niveau vom vierten Quartal 2007. Was, bitte schön, gibt es denn da zu bejubeln?

Quelle: FTD

Bitte auch die Grafik beachten. Zum Brüderle sage ich erst einmal nix. Vielleicht zu späterer Stunde und nach einem Glas Wein. ;)

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Schuldenrekord trotz Schuldenbremse

Geschrieben von:

Gestern hatte ich über die Meldung des statistischen Bundesamts berichtet, wonach die öffentliche Verschuldung im letzten Jahr um 18 Prozent auf rund 2 Billionen Euro zugenommen habe. Dabei schlage vor allem die Bankenrettung zu buche. Von den 304,4 Mrd. Euro entfallen allein 232,2 Milliarden Euro, also über 76 Prozent der Neuverschuldung, auf Maßnahmen zur Stabilisierung maroder Finanzinstitute.

Das ist natürlich ein Pfund, weil über diese unglaublichen Summen, die die Staatsverschuldung nach oben getrieben haben, bei weitem nicht so lange gestritten und verhandelt wurde, wie über die läppische Hartz-IV-Erhöhung im Umfang von ein paar Hundert Millionen Euro pro Jahr.

Aber das ist jetzt gar nicht so interessant, vielmehr stellt sich doch die Frage, wie die Rekordneuverschuldung mit dem Anpreisen der deutschen Schuldenbremse in Europa in Einklang zu bringen ist. Die soll doch nach dem Willen Merkels und des abgebrochenen Franzosen-Duce Sarkozy überall in der EU per Zwang eingeführt werden, nach dem Motto, am deutschen Wesen sollen auch die anderen genesen. Oder untergehen, denn wie will Frau Bundeskanzlerin die Schuldenbremse den europäischen Partnern schmackhaft machen? Was kann sie denn anbieten, auf was verweisen?

Okay die Schuldenbremse greift ja erst in diesem Jahr, dennoch ist überhaupt nicht klar, wie das funktionieren soll. Ein Abbau der Neuverschuldung ist nicht in Sicht, weil keiner genau sagen kann, wie viel Geld noch bereit gestellt werden muss, um Banken und inzwischen ja auch ganze Staaten vor dem Untergang zu retten. Kürzlich ist bekannt geworden, dass die Bundesbank klammheimlich Milliardenhilfen an Mitglieder der Eurozone gewährt hat. Sollten diese Forderungen aber nicht mehr bedient werden können, hafte natürlich der deutsche Steuerzahler.

Allein die Forderungen an nationale Notenbanken in Euro-Ländern belaufen sich auf 326 Milliarden Euro. 2006, also vor Ausbruch der Finanz- und folgender Euro-Schuldenkrise, lagen die Forderungen insgesamt bei nur 18 Milliarden Euro.

Dieser ungebremste Anstieg der Schulden des Euro-Raums gegenüber der Bundesbank „macht Fachleute fassungslos“, sagt ifo-Präsident Hans-Werner Sinn. „Wenn Länder, deren Banken die Kredite gegeben wurden, zahlungsunfähig werden, haftet Deutschland.“ Diese Haftung wurde aber weder demokratisch legitimiert – etwa durch den Bundestag – noch von der Bundesregierung beschlossen.

Quelle: Wirtschaftswoche

Da hat der Professor (Un)Sinn einmal recht. Für die unterstellte Funktion der Schuldenbremse bedeutet das aber ein ziemlich hohes Ausfallrisiko. Denn in Artikel 115 GG, in dem die Schuldenbremse festgeschrieben wurde, fällt die Rettung von Banken und Staaten unter den Passus „außergewöhnliche Notsituationen“, „die sich der Kontrolle des Staates entziehen und die staatliche Finanzlage erheblich beeinträchtigen“.

D.h., sollte die Bundesbank auf den dreistelligen Mrd. Forderungen sitzen bleiben, weil zum Beispiel die Schuldnerstaaten nach deutschem Vorbild sparen müssen, dann fällt dieses finanzielle Desaster in die gleiche Kategorie wie eine Naturkatastrophe und die Schuldenbremse somit spiegelbildlich ins Wasser.

Bleiben also nur die regulären Ausgaben im Staatshaushalt und da betrifft es vornehmlich jene Posten, die im Sozial-, Bildungs- oder Kulturetat angesiedelt sind. Eine sparsame Haushaltsführung definiert sich also immer über die Kürzungsbereitschaft in Bereichen, von denen Millionen Staatsbürger unmittelbar betroffen sind, sofern diese keine Großaktionäre oder Großgläubiger von Banken, AKW oder Hotelbesitzer sind, die auf der anderen Seite auch weiterhin großzügig beschenkt werden.

Unterm Strich soll von dieser Form der Schuldenbremse und einer Reihe weiterer Maßnahmen, wie die Erhöhung des Renteneintrittalters auf einheitlich 67 Jahre oder dem Kürzen von Löhnen ein Wachstumsschub ausgehen, von dem dann alle innerhalb der EU profitieren. Deutschland macht es gegenwärtig schließlich vor, so Merkel verheißungsvoll. Aber genau in der Frage, woher das Wachstum eigentlich kommen soll wenn alle gleichermaßen sparen und nur die Bedienung von Schulden erlaubt und erwartet wird, stellen sich Merkel und Sarkozy, also die neue Wirtschaftsregierung, einfach dumm.

Diesen Unsinn müssen sie eben glauben. Damit es für sie einfacher wird, darf beispielsweise der oben zitierte Professor Unsinn seinen ifo-Geschäftsklimaindex weiter präsentieren und der Öffentlichkeit irgend welche bedeutungslosen Rekorde vermelden sowie die Gesellschaft für Konsumforschung im Auftrag der Bundesregierung, die nun wirklich schon abgehangene und bereits übel stinkende Botschaft verbreiten, die Deutschen befänden sich in irgend einer Art von Kauflaune.

Sogar den Anhängern des Ölprinzen zu Guttenberg müsste auffallen, dass hier etwas nicht stimmt. Nur von denen zieht keiner mehr die Notbremse.

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