Was wird aus dem Streusalz?

Geschrieben von:

Uns wurde doch ein strenger Winter versprochen? Das war wie bei den Prognosen zum Wirtschaftswachstum. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit sollte es bereits ab Mitte November Temperaturen von weit unter –10 Grad Celsius geben. Seit Wochen warte ich nun darauf, meinen Verkehrssicherungspflichten endlich nachkommen zu dürfen. Selbst die Deutsche Bahn gibt an, gut gerüstet zu sein. Auch Sie will endlich beweisen, dass sie den Herausforderungen des Winters in diesem Jahr gewachsen ist.

Die Deutsche Bahn ist nach eigener Einschätzung gut für den Winter gerüstet. Technik-Vorstand Kefer sagte dem „Spiegel“, vor einem Jahr hätten Schnee und Kälte die Bahn überfordert. Diesmal habe sich das Unternehmen aber in allen Bereichen intensiver auf einen Wintereinbruch vorbereitet als je zuvor. So sei die Zahl der Mitarbeiter im Räumdienst mehr als verdoppelt worden. Außerdem würden hunderte Weichen zusätzlich beheizt.

Quelle: dradio

Und was ist? Bei uns im Norden beginnt der Neujahrstag mit wohligen 13 Grad über Null. Dazu vielleicht ein wenig Regen. Der liebe Gott scheint kein Fan der Deutschen Bahn zu sein und schon gar nicht von unseren Betriebswirtschaftlern, die aus ihren Fehlern der letzten Jahre lernen wollten und nun tonnenweise Streusalz bunkern ließen. Nur wohin mit dem Zeug, wenn’s nicht schneit?

Einfach so auf die Straße kippen, hat keinen Sinn. Denn dann werden Hundepfoten wund, lese ich zum Beispiel hier. Die Medien haben das Schneechaos herbeigesehnt. Die Artikel lagen schon fertigredigiert in der Pipeline, darauf wartend, endlich gedruckt oder versendet zu werden. Vorerst verbleiben sie auf Halde oder werden in Zustandsmeldungen umgeschrieben.

Ich frage mich allerdings, warum noch keiner der Schreibenden auf die tolle Idee gekommen ist, von einer Streusalzblase zu berichten, die wohlmöglich platzen könnte. Denn laut Städtebund-Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg könne man Streusalz nur “beschränkt lagern”. Das war im letzten Jahr, als Salzhersteller aus Südosteuropa mit hohen Preisen und LKW-Fahrern mit starken Nerven das Geschäft aufmischten, weil hiesige Produzenten die vertraglich zugesicherte Lieferungsleistung nicht mehr erbringen konnten.

Nun haben die Kommunen vorgesorgt und entweder Trockensilos gebaut und im Sommer mit Salz befüllt oder welches bei verschiedenen Herstellern, zwecks Risikostreuung, reserviert. Die Hersteller kassieren dafür eine Reservierungsgebühr. Die sei gering, beteuern die Kommunen, allerdings hätte man sie auch umsonst gezahlt, wenn der Winter mild verliefe und die eigenen Reserven auf den Baubetriebshöfen ausreichen würden. Nur was ist, wenn der Winter tatsächlich noch einmal hart zuschlagen sollte?

Auch reservierte Vorräte müssen doch geliefert werden? Das Problem im letzten Jahr lag ja offenbar nicht nur an der Produktion, sondern auch im Vertrieb. Trotz klarer Lieferverträge mit den Kommunen wurden am Ende Straßenmeistereien bevorzugt. Was sollte eine Reservierungsgebühr oder anders formuliert, ein Streusalzoptionsschein daran ändern, wenn das Worst-Case-Szenario wieder eintritt?

Zur Not könnte man das überzählige Streusalz zerkleinern, in kleine Pappkartons packen und als Bad Reichenhaller Plussalz ohne Zusätze verkaufen. Ich bin mir sicher, es würde rasenden Absatz finden.

Ansonsten trotzdem guten Rutsch.

2

Geschönte Arbeitsmarktdaten! Plötzlich aufgewacht?

Geschrieben von:

Die Süddeutsche Zeitung berichtete gestern von einer Studie der Bundesagentur für Arbeit, wonach von den 2,8 Millionen Beschäftigten, die im abgelaufenen Jahr ihren Job verloren haben, rund 26 Prozent sofort auf Hartz IV Leistungen angewiesen waren. Grund dafür seien eine zu kurze Beschäftigungsdauer oder aber zu niedrige Löhne.

Nun rauscht es im Blätterwald. Auch weil die Grünen plötzlich die Regierung beschuldigen, die Arbeitsmarktstatistik geschönt zu haben. Die Diskussion um Lohndumping, Niedriglohnsektor und Mindestlohn keimt von neuem auf, obwohl die Fakten nicht neu sind. Man könnte durchaus von einem Erwachen sprechen, da immer mehr Journalisten zu der Überzeugung gelangen, dass an der Arbeitsmarktpolitik etwas faul sein könnte. Allerdings überwiegen noch immer die alten Vorurteile. So schreibt etwa die STUTTGARTER ZEITUNG:

„Wo Arbeitnehmer und Gewerkschaften zu schwach sind, ein halbwegs akzeptables Lohnniveau durchzusetzen, kann staatliche Regulierung für Linderung sorgen. Erfahrungen aus dem Ausland zeigen, dass Mindestlöhne nicht unbedingt zu einem massiven Arbeitsplatzabbau führen müssen. Das gilt erst recht für branchenspezifische Lösungen, die berücksichtigen, dass die Wertschöpfung nicht überall gleich hoch ist.“

Quelle: dradio Presseschau

Dass die Gewerkschaften zu schwach sind, ist eine Folge der Agenda-Politik. Die Drohung auf Hartz IV Niveau abzurutschen hat von Anfang an gewirkt und war auch so beabsichtigt. Interessant ist nun, dass der Autor den Mindestlohn als Regulierungsmaßnahme vorschlägt. Dabei verweist er auf die Erfahrungen aus dem Ausland. Allerdings sind diese völlig falsch wiedergegeben, denn in keinem Land, das einen Mindestlohn eingeführt hat, ist es zu einem Arbeitsplatzabbau gekommen. Der Autor oben tut aber so, als hätte das stattgefunden, weil die reine Lehre das voraussagt. Dabei ist das Gegenteil richtig. Die Erfahrung lehrt, dass ein Mindestlohn nirgendwo Arbeitsplätze vernichtet hat, sondern als sinnvolles Instrument für Stabilität und sogar Beschäftigungsaufbau sorgt.

Aber bis zu dieser Erkenntnis ist’s wahrscheinlich noch ein weiter Weg. Dazu müsste nämlich erst begriffen werden, dass Löhne nicht nur Kosten im betriebswirtschaftlichen Sinne sind, sondern auch und vor allem eine volkswirtschaftliche Bedeutung haben. Ohne sie, keine Nachfrage. Und ohne Nachfrage, kein Konsum. Und ohne Konsum, kein Grund irgendetwas sinnvolles zu produzieren. Stattdessen wird Lohndrückerei kombiniert mit der Produktion von möglichst billigen Dingen, die weder nützlich noch fortschrittlich sind, dafür gerade noch bezahlbar.

Die LUDWIGSBURGER KREISZEITUNG rät dagegen zu Vorsicht im Umgang mit Statistiken:

„Dank des Booms am Arbeitsmarkt finden auch immer mehr Langzeitarbeitslose einen Job. Allerdings nur vorübergehend, weshalb die Zeit nicht ausreicht, um damit einen Anspruch auf das reguläre Arbeitslosengeld zu begründen. Daher landen sie gleich wieder bei Hartz IV. Hätten die Betroffenen gar keine Arbeit gehabt, wären die staatlichen Transfers ohne Unterbrechung geflossen – und die ‚dramatische‘ Statistik hätte es so nicht gegeben.“

Quelle: dradio Presseschau

Der Boom am Arbeitsmarkt. Man hört das immer wieder. Selbst die Diskussion um fingierte Arbeitslosenzahlen – die Bundesregierung leugnet das nicht mehr, wäscht ihre Hände aber in Unschuld und spricht von „Unschärfen“ – sorgt nicht für einen Abbruch des Geredes vom Boom und vom Aufschwung. Dass immer mehr Langzeitarbeitslose einen Job finden, bestätigen aber auch gerade die manipulierten Zahlen nicht. Seit langem verharrt der Anteil der Langzeitarbeitslosen an allen Arbeitslosen bei über 30 Prozent. Der sogenannte Aufschwung geht also gerade an diesen Betroffenen konsequent vorbei.

Im letzten Monatsbericht der Bundesagentur ist zu lesen:

Weil der Rückgang schwächer ausfiel als bei allen Arbeitslosen, hat sich der Anteil der Langzeitarbeitslosen an allen Arbeitslosen von 34 auf 35 Prozent erhöht. Dabei ist die Langzeitarbeitslosigkeit in beiden Rechtskreisen rückläufig (Rechtskreis SGB II: -15.000 bzw. -2 Prozent; Rechtskreis SGB III: -23.000 bzw. -15 Prozent). Im Vorjahresvergleich blieb der Anteil der Langzeitarbeitslosen im Rechtskreis SGB III mit 17 Prozent unverändert und hat sich im Rechtskreis SGB II um 1 Prozentpunkt auf 43 Prozent erhöht.

Quelle: Agentur für Arbeit (Monatsbericht November 2011)

Übrigens weißt die Linkspartei schon das ganze Jahr über auf die Trickserei bei der Zählung von Arbeitslosen hin. Dass die Medien erst jetzt auf eine plötzliche Eingebung der Grünen reagieren, ist mal wieder typisch für diese traurige Medienwelt.

1

Einzelhandel hofft auf sinkende Temperaturen

Geschrieben von:

Wie jedes Jahr klafft eine große Lücke zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Vor Weihnachten werden traditionell die größten Umsätze im Einzelhandel verbucht. Doch sie erreichen einmal mehr nicht die Erwartungen. Der Einzelhandelsverband legt sich dabei die Begründungen passend zur Wetterlage zurecht. Dieses Jahr heißt es:

Bei Winterbekleidung und Wintersportartikeln hoffen die Händler allerdings noch auf sinkende Temperaturen und Schneefall. Denn erfahrungsgemäß werden warme Jacken und Mützen erst bei Frost und Schnee gekauft.

Quelle: HDE

Ich kann mich noch gut an letztes Jahr erinnern, als der Winter uns deutschlandweit fest im Griff hatte, überall Schnee lag und die Temperaturen im Keller waren. Damals begründeten die Einzelhändler ihre schwachen Umsätze auch mit dem Wetter.

Eis und Schnee haben das Geschäft zu Wochenbeginn leicht einfrieren lassen.

Quelle: HDE (19.12.2010)

Noch ein, zwei Wochen und die Einzelhändler hoffen auf die berühmten Spätkäufer und nach drei Wochen wird dann bestimmt das Einlösen von Gutscheinen sowie zahlreiche Umtauschwillige das Geschäft beleben. Erst im Februar wird aber verlässlich klar sein, dass auch dieses Weihnachtsgeschäft genauso beschissen gelaufen ist, wie all die Jahre zuvor. Noch immer bewegen sich die Umsätze im Einzelhandel unter dem Niveau von 2005.

Einzelhandel bis Oktober 2011

Die Lohnentwicklung zeigt ebenfalls deutlich, dass eine relevante Massenkaufkraft gar nicht zur Verfügung steht, weil die Löhne, aber auch Renten seit über zehn Jahren stagnieren bzw. real (inflationsbereinigt) zurückgehen. Es sei denn, die Verbraucher verschulden sich, um deutlich mehr zu konsumieren.

Löhne und Gewinne

Für Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler sind diese Zahlen natürlich immer noch ein Beleg für eine breit angelegte und auch gefestigte Binnenkonjunktur.

“Sie gründet sich mittlerweile auch auf eine wachsende Nachfrage der Verbraucher nach Konsumgütern. Die deutsche Wirtschaft verfügt damit über gute Voraussetzungen, die weltwirtschaftliche Flaute im Winterhalbjahr gut zu meistern. Eine notwendige Voraussetzung sind allerdings wirksame Maßnahmen zur Stabilisierung des Euro. Dazu zählen besonders schärfere Sanktionsmechanismen gegen Schuldenstaaten, wie sie derzeit diskutiert werden.”

2

Vermeintliche Heldengeschichte: Weidmann rettet Unabhängigkeit der Bundesbank

Geschrieben von:

Im Nachklapp des G-20-Gipfels wurde bekannt, dass Bundesbankpräsident Jens Weidmann den Zugriff auf deutsche Währungsreserven verhindert habe. Deutschlands Haftung für den Eurorettungsschirm sollte mittels einer Zweckgesellschaft, die im Namen des IWF auf die Reserven der Notenbanken aller Mitgliedstaaten hätte zugreifen dürfen, aufgestockt werden. Damit hätte die Unabhängigkeit der Bundesbank gelitten.

Weil aber diese Unabhängigkeit zum Dogma aller Marktgläubigen gehört – sie muss um jeden Preis verteidigt werden – hat der Bundesbankpräsident und Ex-Kanzlerinnen-Chefberater Jens Weidmann Alarm geschlagen.

Als EU-Ratspräsident Herman van Rompuy und Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy den Plan vortrugen, schlug Bundesbank-Präsident Jens Weidmann Alarm. Nach SPIEGEL-Informationen alarmierte Weidmann Kanzlerin Angela Merkel (CDU). Dann erst teilte Merkel den Kollegen in Cannes mit, dass die autonome Bundesbank bei der Freigabe der Sonderziehungsrechte nicht mitmachen würde.

Zunächst einmal ist es sehr amüsant, dass die Unabhängigkeit der Bundesbank offenbar an dem Verhältnis zwischen Merkel und Weidmann besonders erkennbar sein soll. Zweitens ist die sprichwörtliche Unabhängigkeit der Bundesbank keinesfalls sakrosankt, da sie lediglich durch ein Bundesgesetz geregelt wird, das mit einfacher Mehrheit gekippt werden könnte. Drittens ist es ja gerade die dogmatisch beschworene Unabhängigkeit der Zentralbanken, die die Staaten dazu zwingt, sich dem Diktat der Finanzmärkte unterzuordnen.

Denn die Staaten übernehmen vollkommen irrational die Rolle gewöhnlicher Schuldner bei den privaten Geschäftsbanken, von denen sie sich gerade das Geld leihen, welches sich diese wiederum von den unabhängigen Zentralbanken erst besorgen müssen.

Was bei der Heldengeschichte um Weidmann mal wieder völlig vergessen wird, ist die Tatsache, dass sich die deutsche Regierung mit Händen und Füßen gegen eine direkte Finanzierung der Staaten durch die Zentralbanken wehrt. Und der einzige Grund, mit dem sie das tut, ist die absurde Warnung vor einer Inflation. Staaten dürfen niemals Hand an die sogenannte Notenpresse legen. Wenn es aber private Hände in Gestalt der Geschäftsbanken tun, ist das natürlich etwas anderes.

Irrigerweise glaubt die Politik in Deutschland noch immer, dass nur private Hände sinnvoll mit geliehenem Geld umgehen können und an der richtigen Stelle investieren würden. Die Realität zeigt aber, dass gerade nichts größer ist, als die Gefahr vor einer Rezession. Dank der Politik, die Sparprogramm um Sparprogramm erlässt und die Schuldenbremse für eine große Reform hält, wissen die privaten Hände gar nicht mehr, wo sie eigentlich noch investieren sollen. In der Realwirtschaft bietet sich keine Anlagemöglichkeit und selbst auf den Kapitalmärkten macht sich die Panik breit.

Es muss doch einen Grund geben, warum die Staatsanleihen der großen Wirtschaftsnationen gerade so begehrt sind, dass Bieter immer weniger Zinsen verlangen, bloß um den Zuschlag zu erhalten und Gläubiger eines Landes wie Deutschland, USA oder Japan zu werden, obwohl deren öffentliche Verschuldung weit über den Vorgaben liegt, die sich die Politik als Obergrenze gesetzt hat.

Seltsamerweise spielt dann auch die Unabhängigkeit der Zentralbank keine Rolle, wenn sie aufgrund der sich abzeichnenden volkswirtschaftlichen Abkühlung die Zinsen senkt, wie es der neue EZB-Präsident Draghi gleich nach Amtsantritt getan hat. Dann sprechen aber alle wieder von Inflationsrisiken, die mit dieser Entscheidung verbunden seien. Nur wo soll so eine Inflation herkommen, wenn alle immer nur sparen und die Produktion von Waren und Dienstleistungen heruntergefahren werden muss, weil die Nachfrage wegbricht?

Natürlich liegt die aktuelle Teuerungsrate bei drei Prozent. Das ist verglichen mit den Lohnsteigerungen, die, wenn gewährt, darunter liegen auch ein Problem, weil die Kaufkraft immer weiter abnimmt. Von einer galoppierenden Inflation kann aber überhaupt keine Rede sein. Teurer werden zudem Waren, die auch nicht knapp, sondern der Spekulation auf den Märkten ausgesetzt sind. Mit ihnen lässt sich Geld verdienen. Sie werden auch zunehmend interessanter, wenn die Investitionsmöglichkeiten in der realen Wirtschaft abnehmen und die Zockerei ohne Regeln oder Schließung des Finanzkasinos fortgesetzt werden darf.

Nur darüber spricht kein Mensch. Zu schön sind die Heldengeschichten um Weidmann, Merkel und Co.   

0

Abseits der Krise: Klientelpolitik trägt weitere Früchte

Geschrieben von:

“Neue Entlastungen der Großindustrie bedeuten Mehrkosten für deutsche Stromkunden in Höhe von 1,4 Milliarden Euro”, lautet eine Pressemeldung, die nach einem Beitrag über ein “Heimliches Geschenk” der Bundesregierung an die Großindustrie in der gestrigen Monitor-Sendung, formuliert wurde. Demnach soll die Bundesregierung für Verbraucher und kleine Betriebe eine neue Netzentgeltumlage ab 2012 und eine höhere EEG-Umlage ab 2013 planen, weil sie die energieintensive Großindustrie von weiteren Strompreissteigerungen und Stromkosten entlasten will.

So entstehe aufgrund einer Befreiung der industriellen Stromfresser von den Netzentgelten seit diesem Jahr sowie einer im Sommer heimlich beschlossenen Entlastung dieser Konzerne von der Umlage für den Ausbau Erneuerbarer Energien (EEG-Umlage), die jeder Verbraucher bezahlen muss, nach Monitor-Recherchen ein Geschenk in Höhe von 1,4 Mrd. Euro, dessen Kosten an anderer Stelle natürlich wieder hereingeholt werden müssen – und zwar bei den kleinen Betrieben und den Verbrauchern. Dafür plane die Bundesregierung eine neue Umlage. Die Rede sei von einem “Sonderkundenaufschlag” ab dem 1. Januar 2012.

So steht es zumindest auch auf der Seite der Bundesnetzagentur:

Hinweis zur Veröffentlichung (11.10.2011):

Im Rahmen der Veröffentlichung des elektronischen Erhebungsbogen gemäß § 28 Nr. 3 u. 4 ARegV informiert Sie die Bundesnetzagentur darüber, dass die Beschlusskammer 8 gedenkt eine Festlegung zu treffen und einen „Sonderkundenaufschlag“ einzuführen. Hierin ist zu regeln, wie die durch die Netzentgeltreduzierung und die Netzentgeltbefreiung entgangenen Erlöse gemäß § 19 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 StromNEV auf die allgemeinen Netznutzer umzulegen sind. Dies würde ab dem 01.01.2012 zu einem neuen Aufschlag auf die Netzentgelte gemäß § 19 Abs. 2 Satz 7 StromNEV i.V.m. § 9 Abs. 7 KWK-G führen. Die Beschlusskammer 8 beabsichtigt in Kürze ein Festlegungsverfahren zum „Sonderkundenaufschlag“ einzuleiten. Die Bundesnetzagentur weist darauf hin, dass das Festlegungsverfahren zum „Sonderkundenaufschlag“ der Befassung des Länderausschusses bedarf.

Vielleicht erinnern sie sich in diesem Zusammenhang noch an das letzte Jahr, als die Regierung beschlossen hat, die Befreiung energieintensiver Unternehmen von der Ökosteuer mit einer Erhöhung der Tabaksteuer in fünf Stufen bis 2015 gegenzufinanzieren. Das geschah bekanntlich im Rahmen des Sparpaketes und wurde der Öffentlichkeit als gerechte Beteiligung aller an den Krisenkosten verkauft. Ursprünglich wollte man diese Unternehmen durch Streichung der Ökosteuerbefreiung mit 1,5 Mrd. Euro an den Folgen der Krise beteiligen.

Jetzt wird halt für die Schwerindustrie geraucht und demnächst auch noch deren Stromhunger von allen Verbrauchern subventioniert, denen dennoch immer gesagt wird, besonders sparsam mit Energie zu sein und den Anbieter zu wechseln. Dabei werden sparsame Verbraucher permanent mit steigenden Preisen bestraft und große Verschwender, im übrigen auch im privaten Bereich, mit Rabatten und Befreiungen von den Kosten der Energiewende belohnt. Und die Begründung für diesen Blödsinn ist stets dieselbe.

Joachim Pfeiffer, Wirtschaftspolitischer Sprecher (CDU/CSU): „Wenn wir jetzt weitere Sonderlasten auf die Industrie abwälzen, dann ist deren Wettbewerbsfähigkeit in Gefahr. Denen steht da das Wasser eh schon bis zur Oberkante Unterlippe. Und dann würden Hunderttausende von Arbeitsplätzen wegfallen und dieses Rückgrat der deutschen Industrie aus Deutschland abwandern.“ 

Ja, den Blödsinn verkünden immer die Blöden. Soviel ist mal klar. Egal ob Ökosteuer, EEG-Umlage, Netzentgelte oder ein Tempolimit auf deutschen Autobahnen. Immer kommt das Totschlagargument mit den gefährdeten Arbeitsplätzen. Damit können sie jeden Scheiß begründen. Die Bundesregierung macht das schon seit Jahren so. Im übrigen wird die Tabaksteuer auch nur deswegen in Stufen erhöht. Kein Witz, denn die Politik befürchtet, dass bei einer zu deutlichen einmaligen Erhöhung der Tabaksteuer, die Raucher mit dem Rauchen aufhören könnten und das, sie ahnen es schon, gefährde Jobs in der Zigarettenindustrie.

1

Verlierer und Gewinner am heutigen Tag

Geschrieben von:

Die Nachrichtenlage kennt heute nur Verlierer. Berlusconi drohe wegen des Spardrucks mit Rücktritt. Die Kanzlerin müsse sich erneut mit Abweichlern aus den eigenen Reihen auseinandersetzen, weil schon wieder über den ESFS abgestimmt werden muss. Und der britische Premier Cameron, dessen Rat beim französischen Präsidenten nicht sehr gefragt ist, hat bereits eine Abstimmungsniederlage beim EU-Referendum hinnehmen müssen. Alle drei Verlierergeschichten haben etwas mit der Finanzkrise zu tun.

Aber es gibt auch Gewinner. Die Deutsche Bank hat überraschend einen Vorsteuergewinn von fast einer Milliarde Euro im dritten Quartal realisiert. Analysten gingen nur von der Hälfte aus. Die Atomkraftwerksbetreiber bekommen 170 Millionen Euro Steuern zurückerstattet, während der Prozess gegen den früheren Automanager Bernd Pischetsrieder wegen Steuerhinterziehung eingestellt wurde.

Da ist jetzt für sie nichts dabei? Doch, auch sie haben heute gewonnen. Die GfK vermeldet eine steigende Kauflaune unter den Deutschen. Unter anderem glauben die schätzenden Kaffeesatzleser aus Nürnberg, dass die Unsicherheiten an den Finanzmärkten die Verbraucher dazu anrege, mehr zu kaufen als zu sparen.

Trotz und gerade wegen der Schuldenkrise steigt auch die Konsumbereitschaft der Menschen. Die Diskussionen um die Stabilität der gemeinsamen Währung sowie der Banken haben laut GfK das Vertrauen der Konsumenten in die Finanzmärkte erschüttert. „Folglich sind sie momentan weniger geneigt, Geld auf die hohe Kante zu legen, wie auch die stark rückläufige Sparneigung beweist“, betonte Bürkl.

Das ist eine sehr seltsame Theorie und dürfte wohl kaum auf die zutreffen, die sich in prekärer Beschäftigung befinden und auf Erspartes zurückgreifen müssen, weil die Löhne zum Leben nicht mehr reichen. Folglich dürfen sich nur die glücklich schätzen, die noch eine hohe Kante und Geld haben, das sie theoretisch darauf legen könnten, so wie die Anteilseigner der Deutschen Bank zum Beispiel.

0

Heiner Flassbeck zum Schuldenschnitt und Röslers Konjunkturmärchen

Geschrieben von:

Alle in Bedrängnis geratenen Länder der Eurozone haben nicht nur ein Schuldenproblem, sondern auch ein Wachstumsproblem. Sie haben kein Mittel, sich aus der Rezession zu lösen, sondern geraten wegen der Sparauflagen der Gläubiger immer tiefer hinein. Die Rückkehr zu Wachstum ist aber die Voraussetzung für eine dauerhafte Milderung des Schuldenproblems. Wenn ein Gläubiger nun großzügigerweise auf einen Teil seiner Forderungen verzichtet, ist das Wachstumsproblem in keiner Weise gelöst, ja, seine Lösung wird sogar erheblich erschwert.

Quelle: Heiner Flassbeck via Badische Zeitung

Das Wachstumsproblem muss man auch nicht lösen, wie Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler gestern meinte, als er die Konjunkturerwartung der Bundesregierung für nächstes Jahr mit der Bemerkung kommentierte:

“Von einer Rezession, die manche herbeireden wollen, kann ausdrücklich keine Rede sein. Auch ein Prozent Wachstum ist natürlich Wachstum. Es geht also weiter aufwärts”

Quelle: Reuters

Man muss die volkswirtschaftlichen Kennzahlen einfach auf FDP-Art interpretieren und schon bekommt Deutschland ein “gelbes Trikot” vom Bundesminister verpasst. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das noch irgendjemand witzig findet. Vor allem dann nicht, wenn ganz offensichtlich mit einer gewollten und irreführenden Verknüpfung von Zahlen der Eindruck eines anhaltenden Aufschwungs vermittelt werden soll.

Die Löhne steigen. Die verfügbaren Einkommen der privaten Haushalte steigen 2011 um 3,2 Prozent, 2012 um 2,9 Prozent. Die verfügbaren Einkommen verzeichnen damit in zwei aufeinander folgenden Jahren den größten Anstieg seit dem Wiedervereinigungsboom.   

Quelle: BMWi

Die verfügbaren Einkommen sind nicht gleich Löhne. Umgekehrt sind die Löhne nur ein Teil der verfügbaren Einkommen. Zur Gruppe der verfügbaren Einkommen gehören aber auch Vermögenseinkünfte, die in der Tat deutlich zugenommen haben und weiter zunehmen werden. Die Arbeitnehmereinkommen haben auch im Jahr 2010 real an Kaufkraft verloren und sollen laut Prognose nur mäßig zulegen. Hier noch einmal die richtige Projektion im Vergleich zu den Einkünften aus Vermögen und Unternehmenstätigkeit.

Löhne und Gewinne

Wenn der Bundeswirtschaftsminister weiterhin behauptet, dass die Binnennachfrage zum Tragpfeiler des Wirtschaftswachstums geworden sei und im nächsten Jahr noch stärker werde, sagt er schlicht die Unwahrheit. Wenn er ferner die Befürchtungen vor einer Rezession als unbegründet zurückweist, um abermals die alberne Forderung seiner Partei nach Steuersenkungen zu rechtfertigen, macht er sich schuldig, dem Land wider besseres Wissen Schaden zufügen zu wollen.

Deutschland ist nicht “Stabilitätsanker und Wachstumsmotor für Europa”, sondern bei anhaltenden Leistungsbilanzüberschüssen der Totengräber aller anderen in der Eurozone und schaufelt damit auch an einem noch tieferen Loch für sich selbst als 2009. Der zweite Zusammenbruch der Weltwirtschaft hat schon begonnen. Nur wird dieses mal niemand auf der Welt bereit sein, Konjunkturprogramme aufzulegen, um Deutschlands Exportwirtschaft zu retten.   

3

Der Irrsinn mit den Fahrkartenautomaten oder kurz: Marktirrsinn

Geschrieben von:

Wie absurd die Privatisierung öffentlicher Aufgaben ist, haben die Redakteure des Satiremagazins Extra 3 gestern am Beispiel der Bahn gezeigt. Die Idee, dass auf einer Infrastruktur verschiedene Anbieter konkurrieren und um Fahrgäste werben, wird  besonders auf dem Bahnhof Buxtehude deutlich. Dort stehen drei Fahrkartenautomaten verschiedener Anbieter quasi im Wettbewerb. Die Kunden sollen, ja müssen auswählen, an welchem Automaten sie die vermeintlich richtige Fahrkarte lösen können. Das geschieht aber nicht immer zum Vorteil der Reisenden.

Den Verkehrsunternehmen ist das Problem, welches man vorsichtig formuliert mit dem Adjektiv “verwirrend” beschreiben könnte, bereits bekannt. Deshalb arbeite man daran, die bunte Vielfalt im Sinne der Reisenden zu vereinheitlichen. In einigen Jahren, eventuell… 2013 oder später.

Da fragt man sich doch, worin eigentlich der Sinn bestanden hat, eine unteilbare Aufgabe wie die Beförderung von Menschen auf der Schiene, den Bedingungen eines Marktes auszusetzen, der gar nicht funktionieren kann. Der Kunde hat doch kein Interesse daran, zwischen verschiedenen Erbringern der gleichen Beförderungsleistung wählen zu dürfen. Er will doch nur von Bahnhof A nach Bahnhof B gefahren werden.

0

Zur Lage der Lageeinschätzer

Geschrieben von:

Die Wirtschaftsforschungsinstitute haben einmal mehr ihre Prognosen aus dem Frühjahr korrigieren müssen und sehen nun ein Ende der erfundenen Aufschwung-XXL-Party. Man muss die Fehlleistungen von Professoren der Ökonomie nicht weiter kommentieren. Ob die nun ein Gutachten mehr oder weniger erstellen, dürfte kaum jemanden in diesem Land interessieren, der noch bei klarem Verstand ist. Zahlreiche Journalisten scheinen aber nicht dazu zu gehören, da sie den Unsinn der Scheinexperten einfach nachbeten oder glauben, in dem vorgestellten Herbstgutachten eine gewisse Plausibilität erkennen zu können.

weiterlesen

3

Wenn der Mächtige triumphiert

Geschrieben von:

Gesetz und Gerechtigkeit gelten nicht für den, der über die Macht verfügt. Das ist eine bittere Lektion, die man bereits lernt, wenn man versteht, was Kommunalfilz ist. Dieser äußert sich zum Beispiel darin, dass sich Bürgermeister und Stadträte etwas in den Kopf setzen, dabei geltendes Recht ignorieren und mit Hilfe kungelnder Regionalmedien – man kennt sich halt – solange öffentlichen Druck aufbauen, um durch längeren Atem und dem berühmten Aussitzen, den in seinen Mitteln unterlegenen Gegner zur Aufgabe zu zwingen. Der Schwächere mag ja das Recht auf seiner Seite haben, nur es nützt ihm nichts, weil der Mächtige über etwas viel Wertvolleres verfügt, nämlich Zeit. Sie sichert ihm den Gewinn, auch ohne Gesetz und Gerechtigkeit sonderlich beachten zu müssen. Nur wenn sich die Mächtigen auf diese Weise durchsetzen, gelten sie auf kommunaler Ebene gemeinhin als Macher und nicht als jene, die sich selbst in unzulässiger Weise über das Gesetz stellen.

Was in der kleingeistigen Welt der kommunalen Selbstverwaltung funktioniert, ist natürlich auf den großen Kosmos der Bundespolitik übertragbar. Es triumphiert eben nicht das Gesetz, die Gerechtigkeit oder die Demokratie, sondern eine Form der Staatskriminalität, bei der der Mächtige nicht der gewählte Volksvertreter ist – der ist ja bloß ein Handlanger – sondern derjenige, der ein Interesse daran hat, bestimmte Regeln zu umgehen, um einen betriebswirtschaftlichen Vorteil daraus zu ziehen.

Gerade die deutsche Wirtschaft genießt Sonderrechte, die ihr eigentlich gar nicht zustehen. Dank politischer Korruption darf sie sich aber über Steuergeschenke freuen, die zu einem Großteil als Spielgeld auf den internationalen Finanzmärkten landen. Sie darf sich darüber freuen, dass die Verluste aus Spekulationsgeschäften von der Solidargemeinschaft, der sie selber nicht angehören wollen und tatsächlich auch durch Aufkündigung der paritätischen Finanzierung des Sozialsystems immer weniger angehören, übernommen werden. Sie darf sich ferner über Arbeitskräfte freuen, die unter Druck und Androhung von Sanktionen bereit sein müssen, ob sie das wollen oder nicht, jede Arbeit zu jedem Preis anzunehmen.

Als Friedrich Engels im 19. Jahrhundert über die Freiheit des Proletariers ironisch schrieb, er habe die Wahl, die Bedingungen, “die ihm die Bourgeoisie stellt, zu unterschreiben oder – zu verhungern, zu erfrieren, sich nackt bei den Tieren des Waldes zu betten!” (Friedrich Engels, Lage der arbeitenden Klasse in England), konnte er noch nicht wissen, dass es mal eine Bundesregierung geben wird, die mit der Einführung eines “vorsorgenden Sozialstaats” nicht den Kampf gegen die Armut gemeint hat, bei dem sie sich der Wahrung von Grundrechten verschrieben hätte, sondern einen Kampf gegen die Menschen selber. Die haben zwar formal einen Anspruch auf ihre Grundrechte, sind aber letztlich so schwach, dass es für die Handlanger der Mächtigen ein Leichtes ist, sie ihnen vorzuenthalten oder wegzunehmen.

Die Zeit und die Dauer eines rechtsstaatlichen Verfahrens, bei dem am Ende das unrechtmäßige Handeln auch als solches erkannt und festgestellt wird, verpufft indes wirkungslos. Zu dominant sind die geschaffenen Fakten und zu schwach die Drohung der Gerichte, die über die Grundrechte wachen. Die Mächtigen wie auch deren Handlanger in der Politik haben begriffen, dass das System gerade auch unter der zunehmenden Realität verfassungswidriger Zustände funktioniert. Das Gesetz hat seine Macht verloren. Die Demokratie steht zur Disposition und der Wiederkehr der Tyrannei kaum noch etwas im Wege. 

2
Seite 15 von 41 «...101314151617...»