Krawalldiplomatie: Baut der Iran wirklich an der Bombe?

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Sind sie auch davon überzeugt, dass der Iran an einer Atombombe baut? Die korrekte Meldung lautet ja, dass die internationale Atomenergiebehörde (IAEA) laut einem Bericht der “Washington Post” über Beweise verfügen würde, dass der Iran mit Hilfe von ausländischen Spezialisten an der Entwicklung von Kernwaffen arbeite.

Natürlich legt die IAEA und auch die Washington Post keine Beweise vor. Man beruft sich wie immer auf diplomatische Quellen.

Gemäß der Angaben der Geheimdienste von namentlich nicht genannten Ländern, die in den letzten Jahren bei der IAEO eingehen, habe ein gewisser „sowjetischer“ Spezialist für die Entwicklung von Waffen den iranischen Kollegen Ratschläge zur Ausarbeitung von Zündern gegeben, wie sie in der Kernmunition zur Initiierung der Spaltreaktion genutzt werden können.  

Quelle: RIA Novosti

Das muss genügen, damit alle durchdrehen. Dabei hat sich an der Einschätzung und der Faktenlage seit dem Jahr 2003 nichts geändert. Zu diesem Zeitpunkt waren vor allem amerikanische Sicherheitsbehörden zu dem Ergebnis gekommen, der Iran habe sein nukleares Waffenprogramm eingestellt.

Seitdem machen Gerüchte und Mutmaßungen die Runde. Vor einem Jahr stützte die IAEA ihre Annahmen auf Berichte der US-Geheimdienste, in denen aber wortwörtlich stand, dass keine Erkenntnisse vorliegen, aber die Größe von entsprechenden Anlagen es theoretisch ermögliche, waffenfähiges Uran anzureichern. Nun ist die IAEA schlauer und behauptet einfach, dass sie sich auf Angaben von gleich mehreren Geheimdiensten stütze, deren Namen man aber nicht preisgebe.

Die Amerikaner, die aufgrund dieser wagen Andeutung erneut mit dem Säbel rasseln, dürften wohl nicht zu den “namentlich nicht genannten Ländern” gehören und damit als Quelle ausscheiden. Denn in deren Geheimdienstberichten an den Kongress steht immer noch kein konkreter Beweis, der eine Anklage rechtfertigen würde.

In dem letzten mir bekannten Bericht der CIA zur weltweiten Bedrohungslage vom 10. März 2011 steht zum Thema Iran sinngemäß: Wir haben keine Ahnung, ob sich der Iran dazu entschließen wird Atomwaffen zu bauen.

CIA-Iran

Dabei beruft sich der Geheimdienst wiederum auf die IAEA, die einen Anstieg der installierten und verwendeten Zentrifugen zum Anreichern von Uran gezählt hat. Daraus schließen die Analytiker nun, dass der Iran aufgrund genügender Kapazitäten technisch in der Lage sei, eine Atombombe zu bauen. Aber diesen Vorwurf könnte man wahrscheinlich jedem Staat machen, der mittels Atomkraftwerken auf Kernenergie setzt und Strom erzeugt.

Außerdem ist es geradezu absurd, dass eine Wiener Behörde, die als Teil der UN fungiert mehr weiß als die CIA. Bekannt ist hingegen, dass der US-Geheimdienst Druck auf die IAEA ausgeübt hat, entsprechende Belege für ein Atomprogramm des Iran zu liefern. Der frühere Generaldirektor der IAEA und Friedensnobelpreisträger Mohammed el-Baradei weigerte sich aber beharrlich, die Existenz eines geheimen iranischen Atomwaffenprogramms zu bestätigen. Er warnte gar vor einem militärischen Eingreifen wie gegen den Irak, das auf Grundlage gefälschter Beweise erfolgte. Von der US-Regierung wurde er wohl auch deshalb systematisch belauscht.

Nun scheint es aber so, als würde das Zusammenspiel zwischen US-Regierung und IAEA wieder bestens funktionieren. Es macht sich natürlich gut, wenn eine Behörde außerhalb der US-Sicherheitskreise nebulöse Warnungen formuliert. Ob die nun stimmen oder nicht, spielt zunächst keine Rolle. Die festgefahrenen Verhandlungen zwischen Iran und der sogenannten Sechsergruppe sollen anscheinend wieder in Schwung gebracht und die Position des Westens mit unfairen Mitteln verbessert werden.

Denn bisher lautet der Kompromiss mit den Vermittlerstaaten Brasilien und Türkei, dass der Iran einen Teil seines Uranbestandes (1200 Kilogramm leicht angereichertes Uran) im NATO-Land Türkei zwischenlagern und aufbereiten lassen soll. Im Gegenzug hätte die Türkei Brennstäbe für einen iranischen Forschungsreaktor geliefert. Ungeachtet dessen wollte Iran aber auch weiter an einer eigenen Urananreicherung festhalten, was genau betrachtet auch verständlich wäre, falls der Westen sich dazu entschließen sollte, den Iran um das herausgegebene Uran zu bescheißen. Eine Art “Rückversicherung” sozusagen.

Der Westen sieht das natürlich anders und vermutet weiterhin ein geheimes Atomwaffenprogramm. In der Folge drehte sich die Diskussion dann auch um den Punkt, dass der Iran von der eigenen Anreicherung Abstand nehmen müsse, um die gegen ihn erhobenen Vorwürfe, er wolle eine Bombe bauen, zu entkräften. Und weil die Vorwürfe des Westens bei näherer Betrachtung haltlos sind, müssen Beweise her, die zu den bekannten Fakten passen.

Daher auch die Geschichte eines “Spezialisten”, der iranischen Kollegen Ratschläge zur Ausarbeitung von Zündern gegeben haben soll. Dumm nur, dass ein iranischer Kollege, der mit dieser Information etwas hätte anfangen können, der 35-jährige Wissenschaftler und Universitätsdozent Dariusch Rezaie, vor dem Kindergarten seiner Tochter durch Schüsse zweier Täter im Sommer diesen Jahres getötet wurde. Und auch andere Wissenschaftler, die dem iranischen Atomprogramm zugerechnet werden, fielen Attentaten zum Opfer.

Es stellt sich also die Frage, in wie fern vom Iran Gefahr für die Sicherheit in Nahost und für die Welt ausgeht. Bei näherer Betrachtung, der sich unsere Medien natürlich einmal mehr verweigern, dürften zumindest Zweifel an der offiziellen Darstellung angebracht sein.

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TV-Tipp: Neues aus der Anstalt

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Der graue Monat November hat gerade erst begonnen, die Nachfolge von Thomas Gottschalk ist noch nicht entschieden, doch heute Abend schon lichtet sich der Nebel im ZDF. Pelzig und Priol werden in Neues aus der Anstalt eine Antwort geben. Wetten, dass..? ließe sich doch prima mit dem Koalitionsausschuss zusammenlegen. Moderieren könnten dann gleich drei sehr bekannte TV-Gesichter. Angela Merkel, Philipp Rösler und das bayerische Urgestein Horst Seehofer. Da wären alle Altersgruppen abgedeckt. Die ehemalige Stadtwette würde zur Landeswette umfunktioniert und Ratingagenturen könnten einen Tipp abgeben.  

Unterstützt werden sie dabei von den Kabarettisten Andreas Rebers, Hagen Rether und Ingo Appelt.

Neues aus der Anstalt – am Dienstag,

8. November 2011, um 22.15 Uhr im ZDF!

Quelle: ZDF

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Das Letzte vom Regierungssprecher Seibert

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War gerade bei Einweihung d. neuen SPIEGEL-Gebäudes in HH. Sehr selbstbewusste Architektur für eine herausragende Marke im dt. Journalismus.

Quelle: Twitter

Na, wenn es sonst nichts zu berichten gibt. Wirklich herausragend wie sich der Regierungssprecher und Ex-ZDF-Nachrichtensprecher von einer Verpackung blenden lässt. Aber nicht nur er, auch namhafte Politiker rührten ordentlich Schleim an. Vom Herz des kritischen, unabhängigen und innovativen Journalismus war die Rede, das weiterhin in Hamburg schlage. Die geografische Entfernung zu Berlin wurde mit inhaltlicher Distanz gleichgesetzt. Dem Magazin wurde ein Überblick über das Geschehen bescheinigt, bei dem in Ruhe analysiert und eingeordnet werde. Kurzum: Qualitätsjournalismus eben.

Oh je, es gab doch mal Zeiten, da wurden die Spiegelräume durchsucht und Haftbefehle wegen Landesverrats ausgestellt. Von Abgründen war die Rede. Heute stehen die Nichtskönner aus der Politik (Steinbrück, Scholz und Co.) Seit an Seit mit Journalisten, die kaum besser sind, als ihre Kollegen bei Bild. Und das Schlimme ist, dass man sie Händchen haltend zusammen sehen kann, weil das Gebäude so transparent geraten ist.   

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Fundstück: Jauch(e) im Ersten

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Heute Morgen bin ich über die Seiten des Handelsblattes gesurft und, mir die Augen reibend, auf folgende Meldung gestoßen.

Jauch-Talk

Quelle: Handelsblatt

Ich dachte zunächst, mit Jauch im Ersten gehe es nicht mehr lange gut. Dann musste ich aber zu meinem Bedauern feststellen, dass der Satz aus dem Off auf die Lebensrealität einer griechischen Familie gemünzt war, die trotz qualifizierter Ausbildung, nicht mehr wisse, ob sie eine Perspektive habe oder nicht.

Lustig ist in diesem Zusammenhang der zitierte Satz, von der als Wirtschaftsjournalistin bezeichneten Anja Kohl (die Frau hat Germanistik, Publizistik und Politikwissenschaft studiert), die eigentlich bloß den Börsenquatsch im Ersten moderiert. Sie habe gefragt:

„Wer soll denn in Zukunft die Staaten finanzieren?“ – kein privater Investor sei bald mehr bereit, das Risiko zu tragen.

Schöner kann man die eigene Inkompetenz nicht in Worte fassen. Frau Kohl hält sich und ihr Tun noch immer für etwas Besonderes, hat aber überhaupt keine Ahnung. Die Frage müsste nämlich lauten: Wen sonst, als die Staaten, sollen private Investoren finanzieren? Die Bewohner des Mondes oder des Mars? Hätte sie etwas von Marktwirtschaft verstanden, wüsste sie auch, dass der Staat in diesem System als Akteur auf den Finanzmärkten eine ganz zentrale Rolle spielt. Ohne ihn als Schuldner funktioniert der ganze Kapitalismus nämlich nicht.

Man muss immer wieder darauf hinweisen, dass trotz enormer öffentlicher Verschuldung die Anleihen der großen Wirtschaftsmächte USA, Deutschland und Japan nie so gefragt waren wie heute. Was reitet die Investoren da bloß? Vielleicht hat Frau Kohl das mit dem “Risiko” nicht richtig zu Ende gedacht und vergessen, die Spekulation als lohnendes Geschäftsmodell ihrer Zunft in ihre Überlegungen miteinzubeziehen.

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Vermeintliche Heldengeschichte: Weidmann rettet Unabhängigkeit der Bundesbank

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Im Nachklapp des G-20-Gipfels wurde bekannt, dass Bundesbankpräsident Jens Weidmann den Zugriff auf deutsche Währungsreserven verhindert habe. Deutschlands Haftung für den Eurorettungsschirm sollte mittels einer Zweckgesellschaft, die im Namen des IWF auf die Reserven der Notenbanken aller Mitgliedstaaten hätte zugreifen dürfen, aufgestockt werden. Damit hätte die Unabhängigkeit der Bundesbank gelitten.

Weil aber diese Unabhängigkeit zum Dogma aller Marktgläubigen gehört – sie muss um jeden Preis verteidigt werden – hat der Bundesbankpräsident und Ex-Kanzlerinnen-Chefberater Jens Weidmann Alarm geschlagen.

Als EU-Ratspräsident Herman van Rompuy und Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy den Plan vortrugen, schlug Bundesbank-Präsident Jens Weidmann Alarm. Nach SPIEGEL-Informationen alarmierte Weidmann Kanzlerin Angela Merkel (CDU). Dann erst teilte Merkel den Kollegen in Cannes mit, dass die autonome Bundesbank bei der Freigabe der Sonderziehungsrechte nicht mitmachen würde.

Zunächst einmal ist es sehr amüsant, dass die Unabhängigkeit der Bundesbank offenbar an dem Verhältnis zwischen Merkel und Weidmann besonders erkennbar sein soll. Zweitens ist die sprichwörtliche Unabhängigkeit der Bundesbank keinesfalls sakrosankt, da sie lediglich durch ein Bundesgesetz geregelt wird, das mit einfacher Mehrheit gekippt werden könnte. Drittens ist es ja gerade die dogmatisch beschworene Unabhängigkeit der Zentralbanken, die die Staaten dazu zwingt, sich dem Diktat der Finanzmärkte unterzuordnen.

Denn die Staaten übernehmen vollkommen irrational die Rolle gewöhnlicher Schuldner bei den privaten Geschäftsbanken, von denen sie sich gerade das Geld leihen, welches sich diese wiederum von den unabhängigen Zentralbanken erst besorgen müssen.

Was bei der Heldengeschichte um Weidmann mal wieder völlig vergessen wird, ist die Tatsache, dass sich die deutsche Regierung mit Händen und Füßen gegen eine direkte Finanzierung der Staaten durch die Zentralbanken wehrt. Und der einzige Grund, mit dem sie das tut, ist die absurde Warnung vor einer Inflation. Staaten dürfen niemals Hand an die sogenannte Notenpresse legen. Wenn es aber private Hände in Gestalt der Geschäftsbanken tun, ist das natürlich etwas anderes.

Irrigerweise glaubt die Politik in Deutschland noch immer, dass nur private Hände sinnvoll mit geliehenem Geld umgehen können und an der richtigen Stelle investieren würden. Die Realität zeigt aber, dass gerade nichts größer ist, als die Gefahr vor einer Rezession. Dank der Politik, die Sparprogramm um Sparprogramm erlässt und die Schuldenbremse für eine große Reform hält, wissen die privaten Hände gar nicht mehr, wo sie eigentlich noch investieren sollen. In der Realwirtschaft bietet sich keine Anlagemöglichkeit und selbst auf den Kapitalmärkten macht sich die Panik breit.

Es muss doch einen Grund geben, warum die Staatsanleihen der großen Wirtschaftsnationen gerade so begehrt sind, dass Bieter immer weniger Zinsen verlangen, bloß um den Zuschlag zu erhalten und Gläubiger eines Landes wie Deutschland, USA oder Japan zu werden, obwohl deren öffentliche Verschuldung weit über den Vorgaben liegt, die sich die Politik als Obergrenze gesetzt hat.

Seltsamerweise spielt dann auch die Unabhängigkeit der Zentralbank keine Rolle, wenn sie aufgrund der sich abzeichnenden volkswirtschaftlichen Abkühlung die Zinsen senkt, wie es der neue EZB-Präsident Draghi gleich nach Amtsantritt getan hat. Dann sprechen aber alle wieder von Inflationsrisiken, die mit dieser Entscheidung verbunden seien. Nur wo soll so eine Inflation herkommen, wenn alle immer nur sparen und die Produktion von Waren und Dienstleistungen heruntergefahren werden muss, weil die Nachfrage wegbricht?

Natürlich liegt die aktuelle Teuerungsrate bei drei Prozent. Das ist verglichen mit den Lohnsteigerungen, die, wenn gewährt, darunter liegen auch ein Problem, weil die Kaufkraft immer weiter abnimmt. Von einer galoppierenden Inflation kann aber überhaupt keine Rede sein. Teurer werden zudem Waren, die auch nicht knapp, sondern der Spekulation auf den Märkten ausgesetzt sind. Mit ihnen lässt sich Geld verdienen. Sie werden auch zunehmend interessanter, wenn die Investitionsmöglichkeiten in der realen Wirtschaft abnehmen und die Zockerei ohne Regeln oder Schließung des Finanzkasinos fortgesetzt werden darf.

Nur darüber spricht kein Mensch. Zu schön sind die Heldengeschichten um Weidmann, Merkel und Co.   

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Oettinger auf halbmast? Er hat doch gesündigt

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Vor kurzem wollte EU-Kommissar Günther Oettinger die Flaggen von Schuldnerländern vor EU-Gebäuden auf halbmast setzen lassen. Das hätte zwar nur Symbolcharakter, aber auch einen hohen Abschreckungseffekt, meinte der CDU-Politiker via Bild-Zeitung. Mit den Zahlen muss man es schließlich so machen, wie Oettinger zu seiner Regierungszeit in Baden-Württemberg. Einfach nicht kommunizieren.

Auf Oettingers Wunsch hin sollen die Ergebnisse zur Berechnung von Stuttgart 21 unter der Decke gehalten worden sein, weil diese dem politischen Gegner und der Öffentlichkeit nur schwer hätten vermittelt werden können. Die Rede ist von Kosten zwischen mindestens 4,9 und wahrscheinlichen 6,5 Mrd. Euro. So genau wollte es der damalige Ministerpräsident Oettinger dann gar nicht mehr wissen und ordnete an, dass weitere Berechnungen zu unterbleiben hätten.

Das alles will der Spiegel erfahren haben. Weiter unten im Bericht heißt es in einer Anmerkung der Redaktion:

In einer früheren Version dieses Artikels hieß es, die Regierung Mappus habe die Berechnung verheimlicht. Tatsächlich war es aber die CDU-Regierung unter der Führung des Mappus-Vorgängers Günther Oettinger. Wir haben den Text entsprechend korrigiert und bitten den Fehler zu entschuldigen.

In der Zeit als Oettinger Ministerpräsident war, hatte Mappus den Posten des CDU-Fraktionsvorsitzenden inne. Es ist schwer vorstellbar, dass der spätere Nachfolger Oettingers im Amt des Ministerpräsidenten, der seine Überzeugung für das Projekt S21 auch mit Gewalt durchsetzen ließ, keine Kenntnis von den Berechnungen der Beamten besaß.

Jedenfalls zeigt die Rechenpraxis unserer politischen Zahlenverdreher und Euroratgeber deutlich, dass einige es verdient hätten, persönlich auf halbmast gesetzt zu werden, um andere von einem ähnlichen Gebaren abzuschrecken. Ganz in Oettingers Sinne wäre das ja auch nur symbolisch gemeint.

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Wer sitzt am längeren Hebel?

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Diese Frage stellt sich, wenn man die Aussagen unserer Eurorettungsassistenten im Bundestag sortiert. Da heißt es einerseits, die Griechen hätten Vertrauen verspielt, weil sie mit dem bekannten “Winkelzug” das Volk in einer wichtigen Frage zu befragen, bloß Zeit schinden wollten. Die Griechen hätten die Geduld der Rettungsassistenten strapaziert, heißt es aus den hinteren Reihen von Union und FDP. Die gewonnene Vertrauensabstimmung habe noch keine Probleme gelöst.

Jetzt müssten zusätzliche Garantien her, an die weitere Hilfen geknüpft seien. Griechische Staatsunternehmen zum Beispiel könnten als Pfand hinterlegt werden. Andererseits behaupten dieselben Geister, dass eine Insolvenz Griechenlands gravierende Auswirkungen auf die ganze Welt haben würde und daher unter allen Umständen vermieden werden sollte.

Wenn das stimmen sollte, wieso sollte dann das griechische Volk darauf eingehen und sich Bedingungen diktieren lassen, wenn es die Welt in den Abgrund reißen könnte? Sitzt nicht der am längeren Hebel, der die Macht besitzt, über Wohl und Wehe aller zu entscheiden? Die Ankündigung, eine Volksabstimmung durchführen zu wollen, hat doch gezeigt, wie labil das marktgläubige System geworden ist, an dem alle hängen.

Ein Satz genügt, um die Welt der Gläubigen aus den Angeln zu heben. Die Frage ist doch wohl, ob es sich die Marktgläubigen leisten können, Hilfe zu verweigern, weil ihre Auflagen nicht umgesetzt werden. Darüber sollten die Griechen mal nachdenken, denen ja weitere Milliardengelder trotzdem  zugesagt wurden, obwohl sie nicht die Bedingungen von Troika, Schäuble, Merkel und Co. erfüllten. Je lauter politische Hinterbänkler aus Deutschland nach noch schärferen Vorgaben rufen, desto größer muss die Angst auf deren Seite sein, alles zu verlieren.

Und das man es der relativ kleinen griechischen Wirtschaft zutraut, die ganze Welt in den Abgrund zu reißen, zeigt doch nicht nur die Blödheit, mit der man es zu tun hat, sondern auch eine Möglichkeit, den Spieß nach Belieben umzudrehen und selbst Bedingungen zu stellen.

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Ein Satz wie in Stein gemeißelt

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“Wir müssen die Wettbewerbsfähigkeit für unsere Kinder und Enkel erhalten!”

Beim Krisentreffen der G20-Staaten in Cannes hat Angela Merkel noch einmal ihre Regierungsdoktrin verkündet, die, wie Jens Berger auf den NachDenkSeiten sehr schön beschreibt, nichts weiter ist, als die Beschreibung für Merkels Vorstellung von einer “marktkonformen Demokratie”.

Dieser Satz wirkt wie in Stein gemeißelt, der schlussendlich als Erinnerung auf dem europäischen Grab stehen wird.

Die Formulierung zeigt, dass die deutsche Regierung, an deren Lippen halb Europa hängt, gar kein Interesse hat, die bestehenden Ungleichgewichte zwischen Nord und Süd zu beseitigen. Deutschlands Wettbewerbsfähigkeit werde bis zuletzt verteidigt, notfalls mit weiteren Lohnsenkungen. Denn sollte es den Griechen, Italienern, Spaniern, Portugiesen und Franzosen mit der verordneten deutschen Rosskur widererwarten doch gelingen, Wettbewerbsanteile zurückzugewinnen, werde Angela Merkel im Namen der deutschen Kinder und Enkel konsequent zurückschlagen.

Ein kurzer Einschub an alle, die seit dieser Woche erneut glauben, die CDU hätte sich sozialdemokratisiert: Der Mindestlohn wird und kann auch nicht zu den Mitteln gehören, mit denen Angela Merkel zurückschlagen würde, wenn obiger Satz Gültigkeit haben soll.

Derweil meldet der ARD-Deutschlandtrend eine Verbesserung der Zustimmungswerte für Angela Merkel, die hinter Thomas de Maizière – für den Sterben und Töten zum Alltag der Soldaten bei der Bundeswehr gehört und für den internationale Sicherheitsinteressen mehr wiegen als Menschenrechte  – sowie dem falschen (Schach)spieler Peer Steinbrück nunmehr auf Platz drei rangiert. Wäre am Sonntag Bundestagswahl, gäbe es wieder eine Große Koalition. Mission erfüllt, könnte man sagen.

Der deutsche Pöbel spurt.

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Bundesregierung von der Demokratie überrascht

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Da kündigt der griechische Ministerpräsident Papandreou ein Referendum über das Spardiktat der Eurozone an und die deutsche Bundesregierung, die gerade noch die wagen Gipfelergebnisse zusammen mit den Börsen ordentlich gefeiert hat, zeigt sich überrascht. Demokratie hatte wohl keiner auf der Rechnung?

Aber so ist es ja auch nicht. Die griechische Regierung macht genau das, was die Deutsche schon seit Jahren macht. Sie erkauft sich aus niederen Machterhaltungsgründen Zeit, um dem etwas mehr als nur verärgerten Volk einen blassen Schimmer von Hoffnung zu geben.

Würden bei uns die Menschen in Scharen auf die Straße laufen und randalieren, weil sie endlich einen gesetzlichen Mindestlohn wollen, und es leid sind, hören zu müssen, Arbeit sei wichtiger als Lohn, würde unsere Volkskanzlerin vielleicht auch über ein Referendum nachdenken, anstatt bloß die CDU-Parteiflügel (Vorsicht, das ist ein Widerspruch in sich) mit einem Prüfauftrag zu beschäftigen.

Leider sind wieder alle, vor allem die Linken, auf den Merkelschen Trick hereingefallen und diskutieren darüber, ob es die Union tatsächlich ernst meine. Dabei sollte klar sein, dass es Frau Bundeskanzlerin nur um die sprichwörtliche Deutungshoheit gehen kann. Sie will den Begriff Mindestlohn für sich beanspruchen, ihn seiner Bedeutung berauben und ihn anschließend entkernt ihrem Neusprech hinzufügen, zu dem zum Beispiel auch der vergewaltigte Begriff “Soziale Marktwirtschaft” gehört.

Dabei wird ihr von Seiten der SPD, den Gewerkschaften und vieler linker applaudiert. Sie falle in die richtige Richtung, meinte gar die Scheinlinke in der SPD Andrea Nahles. Wer sich aber die Diskussion anschaut, wird sehr schnell feststellen, das erreicht wurde, was damit bezweckt war. Die Mietmäuler in den Redaktionsstuben beklagen allenfalls pflichtbewusst den Verlust des Parteienprofils. Das sei letztlich schlimmer, als ein Mindestlohn, über dessen Sinnhaftigkeit sich trefflich streiten ließe, der aber grundsätzlich nicht verkehrt sei.

Damit wird mittels Botschaft A (Verlust des Profils) die absurde Botschaft B (Streit über Sinnhaftigkeit des Mindestlohns) transportiert und die Öffentlichkeit schluckt den Köder bereitwillig. Im Streit über die Höhe einer “Lohnuntergrenze” haben somit jene genügend Verhandlungsmasse gewonnen, die ihn schon immer ablehnten, weil sie ihn für ökonomisch falsch halten. Dass aber derjenige, der einen Mindestlohn für ökonomisch falsch hält, von Ökonomie keine Ahnung haben kann, fällt dabei unter den Tisch.

Am Ende dürfen diese Ahnungslosen einen Preis für ihre Dummheit verlangen und beim Geschacher um die Höhe eines “Mindestlohnes” das letzte Wort haben. Die Idee, sich bei der Findung von Lohnuntergrenzen an den Entgelten in der Zeitarbeitsbranche zu orientieren, zeigt das sehr deutlich. Man redet dabei immer von Geringqualifizierten, um die es angeblich nur gehe. Wieso kommt dann nur keiner darauf, sich bei der Suche nach Lohnuntergrenzen an den Vergütungen in der Bad Bank Branche zu orientieren, in der einige gerade grobe Schwächen beim Addieren von Zahlen gezeigt haben?

Es ist doch so, dass Lohnexperten, wie Professor (Un)Sinn immer vorgegeben haben, sie könnten genau ausrechnen, was ein einzelner mit seiner Arbeit zum Gesamtergebnis eines Unternehmens beitrage (Grenzproduktivität). Dabei gilt in einer Volkswirtschaft, dass die Kosten des einen immer auch die Erträge des anderen sind. Wenn alle nun ihre Kosten permanent senken oder darum bemüht sind, den Anstieg der Kosten gering zu halten, bleiben auch die Erträge bescheiden und das Rennen um möglichst niedrige Kosten beginnt von Neuem.

So funktioniert das deutsche Lohnmodell, das seinen Erfolg den europäischen Partnern verdankte, die ihre schrumpfenden Erträge mit kreditfinanziertem Konsum beantworteten. Das wird in Zukunft nicht mehr stattfinden, egal ob Griechenland ein Referendum abhält oder nicht. Das Spardiktat ist ja bereits Realität und andere Länder werden der deutschen Vorgabe folgen. Am Ende sparen alle nur noch Kosten und wundern sich über den Rückgang der Erträge. Dann werden die Kosten noch weiter gedrückt werden müssen, um Wettbewerbsanteile nicht zu verlieren.

Dabei wird sich die öffentliche Verschuldung weiter erhöhen, weil immer noch gilt, dass die Kosten des einen (Unternehmen), die Erträge des anderen sind (Staat, Steuereinnahmen), die entsprechend ausgeglichen werden müssen, wenn man den demokratischen Kern einer Gesellschaft oder das Vertrauen in das Wirtschaftssystem irgendwie erhalten will.

Alle Regierungen wissen das und spielen deshalb auf Zeit, um den Punkt des absehbaren Zusammenbruchs so weit wie möglich hinauszuzögern. Die Vernunft ist dabei die Geißel einzelwirtschaftlicher Interessen, die an der Krise immer noch ordentlich verdienen. 

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Geld übersehen

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Ich komme nicht umhin, einen süffisanten Kommentar zu den 56 Milliarden Euro der FMS Wertmanagement – formerly known as Hypo Real Estate (HRE) – abzugeben.

Die Bankmanager der größten staatlichen Bad Bank wollen die gigantische Summe durch fehlerhaftes Rechnen in der Bilanz übersehen haben. Und nun sollen dieses Leute ausgerechnet beim Finanzminister Schäuble zum Rapport antreten und erklären, wie das passieren konnte. Dabei müsste Herr Schäuble doch eine Ahnung davon haben. Schließlich hat er auch schon mal viel Geld nach eigener Erinnerung vergessen, das bei ihm in der Schreibtischschublade real und nicht nur bilanziell herumgelegen hat.

Natürlich könnte es auch sein, dass die plötzlich aufgetauchten 56 Milliarden Euro nicht auf einem Buchungsfehler beruhen, sondern bewusst, ganz im Sinne einiger ehemaliger Gläubiger, die sich jetzt bestimmt wieder melden werden, entdeckt worden sind.

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