Grass macht den Möllemann

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Günter Grass hat ein Gedicht geschrieben, das für Aufregung sorgte. Die Reaktionen hat der Schriftsteller in seinem Text selbst vorweggenommen und demzufolge auch erwartet. Doch warum hat er sich diese Zeilen dann nicht gleich gespart? Weil, so schreibt er, etwas, nämlich genau dieses, gesagt werden musste.

Dabei bediente sich Grass derselben Rhetorik, nach dem Motto, man wird doch noch mal sagen dürfen, wie einst Jürgen Möllemann auf seinem Flugblatt. Außerdem sind die Worte so gewählt, dass der Eindruck entstehen soll, die Juden tragen selbst Schuld an ihrer Lage. Und das Ganze auch noch vor dem jüdischen Pessach-Fest, eine großartige intellektuelle Leistung.

Grass will über Inhalte sprechen und beklagt sich über den Vorwurf des Antisemitismus, für den er selbst die Verantwortung trägt. Derweil klatschen Linke und Rechte Beifall und fragen einmal mehr, wohl aus Dummheit, was an dem Gedicht von Grass nun antisemitisch sei. Dabei muss es doch seltsam anmuten, dass die Bedienung von antisemitischen Ressentiments unter den Menschen auf der Linken wie auch auf der Rechten mal wieder für das sorgt, wozu die Ökonomie nicht imstande ist: Gemeinschaft.

Gerade die Linke blamiert sich einmal mehr, in dem sie Günter Grass schützend beiseite springt, obwohl der nach wie vor von Schröders rot-grüner Agendapolitik überzeugt ist und allenfalls wie SPD-Chef Gabriel, scheinheilig Korrekturen in Form von Nebelkerzen für angebracht hält. Grass warnt vor einem dritten Weltkrieg, ausgehend vom nahen Osten und Israel, verkennt aber jenen Krieg, den Regierungen in Abhängigkeit von den Finanzmärkten ihren Völkern längst zumuten.

Stattdessen macht der deutsche Stardenker mit Nobelpreis die Juden wieder nur zu Objekten, weil ihr Staat Israel sich dem System der Gleichmacherei zu widersetzen scheint. Klar verfügt Israel über ein riesiges Waffenarsenal und sicherlich über eine Vielzahl an Atomraketen. Die Logik der Existenz Israels beruht aber allein darauf. Denn würde das Land nicht über eine außerordentliche militärische Macht verfügen, wäre es schon längst von der Landkarte verschwunden.

Grass formuliert im Grunde nichts anderes als ein Assimilationsdiktat. Er fordert die Juden dazu auf, mit ihren Verfolgern identisch zu werden, was auf der anderen Seite die blutige Realität des Pogroms vergessen machen soll. Er will ja den Krieg und unnötige Opfer nur verhindern, beteuert Grass. In Wirklichkeit aber will er sich vom “Verdikt” befreien, das dem deutschen Volk seine Verbrechen an den Juden permanent vor Augen hält.

Israel kann gar keine Gefahr für den Weltfrieden sein, weil wie oben schon erklärt, ein Krieg bereits voll im Gange ist, vor dem Herr Grass seine Augen aber starr verschlossen hält. Natürlich kann und sollte man über den Iran-Konflikt reden. Was aber hat das mit Israel zu tun? Der Westen will doch auf Teheran keine Bomben schmeißen, um Israel zu retten oder um einen Holocaust-Leugner zu beseitigen, sondern um den Aufstieg einer neuen Regionalmacht in einem an Ressourcen reichen Gebiet zu verhindern, aus dem heraus die berühmten verteidigungswürdigen Nachschubwege führen.

Man stelle sich nur vor, der Iran kontrolliere unsere freien Handelsrouten auf dem Territorium von Staaten wie dem Irak, Saudi Arabien, Afghanistan oder Pakistan. Das ist eine Horrorvorstellung und zwar nicht nur für das Bundeskartellamt, das vor Ostern auch in Zukunft die Höhe der Spritpreise aufgeregt und zur kollektiven Volksberuhigung untersuchen will. Grass hätte also gut daran getan, die erklärte Politik der Sicherung von Rohstoffen und Energiequellen “out of area” zu geißeln, anstatt eine plumpe Israelkritik zu formulieren, die sich so eindeutig antisemitischer Ressentiments bedient.

Nur in einem hat Grass Recht. Mit der Lieferung von Waffen verfolge die Bundesregierung eine Art von Wiedergutmachung, die das Verlangen nach Versöhnung kennzeichnet, in Wahrheit aber den Wunsch nach einer Verleugnung der Schuld deutlich werden lässt. Dieser offenkundige Abwehrmechanismus gilt aber auch für Günter Grass, der meint, sich als Freund Israels mit Kritik nicht zurückhalten zu müssen. Dabei haben die Täter und ihre Nachkommen kein Recht von Versöhnung zu sprechen.

Man muss eine gestörte Wahrnehmung der äußeren Realität annehmen. Denn der Massenmord an den Juden hinterlässt im Zuge des Ausbleibens der Vergeltung ein Gefühl der Unangemessenheit. Auf dieser Grundlage fällt es Menschen wie Günter Grass wohl leichter, Israel als eine Bedrohung für den Weltfrieden zu betrachten.

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Von wegen volkswirtschaftlich vernünftig

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In den Medien wird der Tarifabschluss im öffentlichen Dienst als “hoch” bezeichnet und vor allem die Folgen für die klammen Kommunen beleuchtet. Auch wird behauptet, dass das Verhandlungsergebnis in erfreulicher Art und Weise zeige, dass die Arbeitgeber des Umdenkens fähig wären, weil höhere Löhne aus volkswirtschaftlicher Sicht auch für sie einen Sinn ergeben würden. Dabei ist diese Schlussfolgerung aus dem Verhandlungsergebnis keinesfalls herleitbar.

Zunächst einmal sollten die Berichterstatter endlich zur Kenntnis nehmen, dass die Löhne nicht um 6,3 Prozent oder in mehreren Schritten bis dahin angehoben werden, sondern ganz konkret um lediglich 3,5 Prozent rückwirkend für das Jahr 2012. Im Jahr 2013 erfolgen weitere zaghafte Anpassungen, die man auch als neuerlichen Lohnbetrug bezeichnen könnte. Ab Januar 2013 werden die Einkommen um magere 1,4 Prozent und im August 2013 um weitere sehr magere 1,4 Prozent angehoben.

Das Ergebnis, und das sollte man auch erwähnen, ist mit knapper Mehrheit und viel Bauchschmerzen durch die Tarifkommission von ver.di akzeptiert worden. Wer da wie und warum gerade so abgestimmt hat, soll an dieser Stelle mangels Informationen nicht weiter erörtert werden.

Sicherlich wird für das Jahr 2012 eine Steigerung der Gehälter knapp oberhalb der sogenannten Lohnregel (Inflationsziel der Zentralbank (2 %) plus Produktivitätszuwachs) erreicht werden. Allerdings in diesem Zusammenhang von volkswirtschaftlicher Vernunft zu sprechen, ist weit übertrieben. Die Arbeitgeber haben es nämlich geschafft, die schlechte Bezahlung in den untersten Lohngruppen aufrecht zu erhalten. Von 8,57 Euro steigt der Stundenlohn im Jahr 2012 um 30 Cent auf 8,87. Der Gewerkschaft ver.di folgend, hätte es mit der sozialen Komponente (mindestens 200 Euro mehr) einen Stundenlohn von mindestens 9,76 geben sollen – also einen Bruttolohn von gerade mal 1.561 Euro.

Auch das wäre, meiner Einschätzung nach, noch viel zu wenig gewesen, wenn man berücksichtigt, dass die amtliche Niedriglohnschwelle in Westdeutschland bei einem Einkommen von 1.890 Euro für eine Vollzeitstelle liegt. Inzwischen arbeiten rund 23 Prozent oder über 2,5 Millionen Vollzeitbeschäftigte für ein Gehalt, das unterhalb dieser Schwelle liegt.

Quelle: Böckler Boxen

Dabei stagnieren die Löhne bzw. findet ein realer Einkommens- und Kaufkraftverlust seit dem Jahr 2000 statt. Das hat ver.di selbst einmal grafisch herausgearbeitet.

Löhne und Gewinne

Aufgrund dieser Entwicklung ging die Gewerkschaft offensiv aber dennoch verhalten in ihren Forderungen in die Tarifauseinandersetzung. Das mag jetzt der ein oder andere nicht glauben, aber auch eine Erfüllung der ursprünglichen ver.di Forderung hätte volkswirtschaftlich gesehen kaum zu einer Anpassung, der zuvor erlittenen Verluste geführt. Wer nur auf die Zahlen schaut und meint, dass 6,5 Prozent für deutsche Verhältnisse viel zu hoch sein müssen, weil man an Abschlüsse weit darunter gewöhnt ist, zeigt nur, dass er von Volkswirtschaft und vor allem von den Ursachen und der Dimension der europäischen Krise nichts verstanden hat.

Den Arbeitgebern volkswirtschaftliche Vernunft zu attestieren, ist nämlich gerade mit Blick auf Europa und seine Währungskrise schlichtweg dumm. Würden die öffentlichen Arbeitgeber volkswirtschaftlich vernünftig handeln, müssten sie nämlich viel höhere Lohnabschlüsse zulassen und zwar weit über den Forderungen der Gewerkschaften. Denn ohne eine deutliche Zunahme der Lohnstückkosten in Deutschland kann der Süden Europas einschließlich Frankreichs nie und nimmer an Wettbewerbsfähigkeit hinzugewinnen.

Wenn man aber den Euro und die friedliche Union als Ganzes erhalten will, führt kein Weg an der Beseitigung der außenwirtschaftlichen Ungleichgewichte und einer Wiederherstellung der Wettbewerbsfähigkeit, der mit Auslandsschulden belasteten Länder vorbei. Da eine Minderung des Ungleichgewichts über Wechselkurssysteme nicht möglich ist, muss diese über die Löhne und Lohnpolitik (Mindestlohn) geschehen. Um hierbei zum Erfolg zu gelangen, muss der jahrelange Verstoß gegen das gemeinsame Inflationsziel der Europäischen Zentralbank (2 Prozent) im Prinzip umgekehrt werden.

Gerade Deutschland muss als Überschusssünder (nur möglich durch permanentes Unterschreiten des Inflationsziels) dafür Sorge tragen, dass seine Lohnstückkosten in den kommenden Jahren stärker steigen als die in den südeuropäischen Ländern. Deutschland muss klar nach oben vom Inflationsziel abweichen, während die Defizitländer knapp darunter bleiben müssen, um eine Deflation zu verhindern. Deutschland muss also selbst Defizite hinnehmen, um wirklich einen Beitrag zur Lösung der Eurokrise leisten zu können. Doch diese einzig vernünftige Strategie wird nicht einmal zu denken gewagt, weil in der Diskussion die Defizite der anderen nicht in Verbindung mit unseren Überschüssen gebracht werden dürfen.

Selbst der Bundesbankpräsident Jens Weidmann rühmt sich des jahrelang betriebenen Verstoßes gegen das Inflationsziel, wirbt weiterhin für Preisstabilität und geißelt Lohnerhöhungen als per se inflationstreibend. Das Spiel mit den Inflationsängsten der Deutschen ist ein bewährtes Rezept, um sie zu disziplinieren, und sie auf den neoliberalen Irrweg, der fälschlicherweise als Kurs bezeichnet wird, weiter einzuschwören. Unter dieser haltlosen Drohung werden ein weiter vor sich hin wuchernder Niedriglohnsektor sowie eine galoppierende Zunahme von Billionenvermögen auf den Konten weniger toleriert, wohingegen das in die Irre geleitete Auge empört auf die im Vergleich dazu schleichend steigende öffentliche Verschuldung starrt.   

Diejenigen, die finanziell etwas zur Begleichung der privaten Wettschulden, die nun bewusst zu Staatsschulden gemacht worden sind, beitragen könnten, dürfen ihr Vermögen unbesehen und ungeprüft behalten. Eine Abgabe ist nicht nötig. Stattdessen jammern die öffentlichen Arbeitgeber über eine Unfinanzierbarkeit des vorliegenden Tarifabschlusses, nehmen es aber kommentarlos hin, dass niedrige Löhne weiterhin durch öffentliche Gelder aus dem Hartz-System aufgestockt werden müssen, über das der strafrechtlich verurteilte Namensgeber nun sieben Jahre nach dessen Einführung behauptet, einmal sehr viel höhere Eckregelsätze ausgerechnet zu haben.

Hier treffen sich dann auch eine seriös vorgeführte Wirtschafts-, Sozial- und Arbeitsmarktpolitik mit der nicht mehr zu übersehenden kriminellen Energie, die offensichtlich aufgebracht werden muss, um bestimmte Partikularinteressen gegenüber dem Gemeinwohl und den Belangen der Mehrheit der Bevölkerung durchsetzen zu können. Mit volkswirtschaftlicher Vernunft hat das aber nichts zu tun.  

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Konsumflaute hält an

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Den Medien sind die abermals gefallenen Einzelhandelsumsätze natürlich keine Meldung wert. Warum auch? Hat man doch vor ein paar Tagen noch den ifo-Geschäftsklimaindex verbreitet, der erneut eine gute Stimmung signalisierte, oder anhand des Konsumklimaindexes der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) eine Fortsetzung des Konsumbooms prognostiziert. Nun fallen die Zahlen der Statistiker aus Wiesbaden mal wieder ernüchternd aus, auch wenn sie es in der Überschrift nicht zugeben wollen.

Einzelhandelsumsatz im Februar 2012 real um 1,7 % gestiegen

Doch bereits im zweiten Satz folgt die Einschränkung. “Allerdings hatte der Februar 2012 mit 25 Verkaufstagen einen Verkaufstag mehr als der Februar 2011.” Ja richtig, 2012 ist ein Schaltjahr und das hilft natürlich auch den Umsätzen im Einzelhandel. Nur lässt sich nicht verbergen, dass die Konsumflaute auf lange Sicht gesehen weiter zunimmt und die Umsätze deutlich unter dem Niveau früherer Jahre liegen.

Zu den schwachen Zahlen sagt der Bundeswirtschaftsminister dann auch lieber nichts. Hat er sich doch erst gestern wieder aus dem Fenster gelehnt und behauptet, der Arbeitsmarkt sei eine verlässliche Stütze binnenwirtschaftlicher Entwicklung. Nun scheint sich diese gar nicht so gut zu entwickeln wie vermutet. Heißt das jetzt etwa im Umkehrschluss, dass die angeblich so mutigen Reformen auf dem Arbeitsmarkt vielleicht mutig – ich würde ja sagen, völlig bescheuert – aber im Ergebnis doch nutzlos waren? 

Einzelhandel bis Februar 2012

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Das Saarland hat gewählt

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Zunächst einmal muss man wieder feststellen, dass es auch im Saarland einen weiteren Einbruch bei der Wahlbeteiligung gegeben hat. Von 67,6 % im Jahr 2009 auf 61,6 %. Ein neues Rekordminus im Saarland. Für den ARD-Chefumfrager Jörg Schönenborn ist das dennoch eine Überraschung im positiven Sinne, weil man mit einem deutlicheren Rückgang gerechnet habe. Dass es die Meinungsforscher im Fernsehen mit den Fakten nicht so genau nehmen, wurde bereits mit der Behauptung deutlich, die Linke habe in dem Ausmaß verloren wie die SPD zugelegt hat. Das war zu keinem Zeitpunkt der Fall. Denn auch die Verluste der Grünen, landen als Gewinne bei der SPD.

Die Piraten kommen aus dem Stand auf fast acht Prozent und die Senioren CDU schafft es noch einmal als stärkste Partei aus den Wahlen hervorzugehen.

In der Analyse sollte es darum gehen, die Linkspartei als böse Verhinderungspartei darzustellen. Am deutlichsten machte das SPD-Parteichef Sigmar Gabriel mit seiner offenen Wählerbeschimpfung deutlich. Im Saarland gebe es Lafontaine-Romantiker, die nun Schuld daran seien, dass es wieder eine schwarze Regierungschefin geben wird. Gabriel sollte die Mehrheitsverhältnisse noch einmal genau studieren und nicht so tun als würde er zu irgendetwas gezwungen werden. Darüber hinaus scheint die SPD-Spitze nach wie vor nicht an den eigenen Inhalten interessiert zu sein, sondern eine Politik streng von genehmen Personen und Befindlichkeiten abhängig zu machen.     

Helmut Markwort, der Medien-Experte des ZDF, meinte ebenfalls, dass Lafontaine zum wiederholten Mal dem Spitzenkandidaten der SPD Heiko Maas den MP-Posten geklaut habe. Was für ein Demokratieverständnis? Man könnte nach den großkoalitionären Absprachen vor Wahlen (siehe Gauck und das Saarland) fast zu der Überzeugung gelangen, dass die Tatsache, dass bei einer Wahl auch andere Parteien gewählt werden dürfen als die, die sich bereits auf eine Regierungsbildung vorab verständigt haben, für Empörung auf Seiten des Regierungskartells sorgt.

Über die sonstigen Parteien ist alles gesagt, mit einer Ausnahme. Die Familienpartei hat nach vorläufigem amtlichen Endergebnis 0,3 % Verluste hinnehmen müssen. Von zwei Prozent in 2009 sank das Ergebnis auf 1,7 %. Mit dem dennoch beachtlichen Resultat hat es die Familienpartei aber nicht als Balken an die Videoleinwände der großen Sendeanstalten geschafft. Dafür aber eine andere Partei, die in der Wählergunst noch deutlich hinter der Familienpartei und mal wieder auf Augenhöhe mit der NPD durchs Ziel gestorben ist.  

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Empört euch!

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Den Aufruf von Stéphane Hessel versteht der Kabarettist Georg Schramm als kategorischen Imperativ. Unterstützend zitiert er einen Papst aus dem 6. Jahrhundert.

“Die Vernunft kann sich mit größerer Wucht dem Bösen entgegenstellen, wenn der Zorn ihr dienstbar zur Hand geht.”

Den Zorn dürfe man aber nicht mit der Wut, der unbeherrschten und zügellosen Schwester des Zorns, verwechseln. Empörung sei das Gebot der Stunde, der sich vor allem die Jugend anschließen sollte. Eine Jugend, die sich inzwischen angewidert von den Politikern abgewendet hat, weil deren Sprache sie überhaupt nicht mehr erreicht, auch nicht erreichen soll. Denn Politiker reden viel, sagen aber nichts.

“Das Wort ist am Ende, aber es ist kein heldenhaftes Ende. Das Wort ist tot, aber kläglich tot. Nicht vom Tyrannen erschlagen, nicht vom Zensor erwürgt. Als leere Worthülse im Brackwasser der Beliebigkeit untergegangen. Die Polemik ist tot, es lebe die Unterhaltung.”

Quelle: Georg Schramm

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Am Sonntag ist wieder Wahl

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Diesmal im Saarland. Und Bundeskanzlerin Merkel wünscht sich eine große Koalition, weil die andere große Koalition nicht verlässlich sei. Das müssen sie jetzt nicht verstehen, sondern sich nur klarmachen, dass sowohl SPD als auch CDU eine große Koalition nach der Wahl anstreben. Auf einer Wahlkampfveranstaltung sagte Angela Merkel am Freitagabend:

„Wenn Sie eine starke Regierung und eine große Koalition wollen, dann müssen sie CDU wählen.“

Quelle: dpa

Sie können aber auch SPD wählen. Denn egal wer die Regierung anführt. Er oder Sie sind weder verlässlich noch haben sie gute Hände, in die man das Saarland legen sollte. Da erzeugt auch kein noch so knappes Kopf-an-Kopf-Rennen eine neue Spannung. Wenn noch mehr Wähler gar nicht erst zu Wahl gehen, könnte man das bei diesen Aussichten nur verstehen.

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Lammerts Vorbemerkungen

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Bundestagspräsident Norbert Lammert gilt inzwischen als Entertainer des parlamentarischen Betriebes. Bisweilen erfrischend und süffisant sind seine Spitzen und Anmerkungen in Richtung der Abgeordneten. Man könnte beinahe sagen, wenn Lammert spricht, wird es immer lustig.  

Dabei sollte man schon etwas genauer hinhören. Zum Beispiel auf Norbert Lammerts Vorbemerkungen im Rahmen der Vereidigung des neuen Bundespräsidenten Joachim Gauck, die in den Medien bloß als unterhaltende Einlage verkauft wurden. Verlogen war zum Beispiel die Würdigung des ebenfalls anwesenden Bundespräsidenten a.D., Christian Wulff, über dessen Rücktritt sich Lammert vor einer Woche zur Erheiterung der Bundesversammlung noch wiederholt lustig machte.

Weiterhin sagte Lammert mit Blick auf den neuen Präsidenten:

“Joachim Gauck weiß aus eigener Anschauung, was ein Leben in Gängelung, Bevormundung und Unfreiheit bedeutet – und was die Kraft der Freiheit vermag.”

Ist das nun Ironie oder purer Zynismus? Als ob nicht auch der ausgebildete Sozialwissenschaftler Lammert wüsste, dass die Kraft der Freiheit gegenwärtig wieder darin besteht, Menschen zu gängeln, zu bevormunden und sie unter Androhung von Leistungskürzungen in ihren Grundrechten zu beschneiden.

Weiterhin sagte er:

„Demokratie ist gerade kein Verfahren zur Vermeidung von Streit, sondern zur fairen Austragung unterschiedlicher Interessen und Meinungen.“

Hätte man hier nicht anfügen müssen, dass sich das Wörtchen „fair“ nur auf den Vorgang oder das Verfahren an sich beziehen kann, aber keinesfalls auf das Ergebnis von Politik, da egal welche Mehrheitsverhältnisse nun vorherrschen, sich immer die gleichen Interessen und Meinungen durchsetzen?

Zur Ansprache des Bundespräsidenten hat sich Roberto sehr zustimmungswürdige Gedanken gemacht:

http://ad-sinistram.blogspot.de/2012/03/langer-rede-kaum-ein-sinn.html

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Ruhestand für alle war gestern

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Ursula von der Leyen verdankt ihre politische Karriere Christian Wulff, der sie als niedersächsischer Regierungschef aus vermutlich seinem Hut zauberte. Allein das reicht schon, um an der Kompetenz der Ministerin zu zweifeln. Ihre politische Bilanz ist verheerend. So ziemlich alles. was diese Frau auf den Weg gebracht hat, wird oder wurde wieder einkassiert.

Sie hat den Blinden in Niedersachsen kaltherzig eine dringend notwendige Sozialleistung gestrichen, später wurde das wieder zurückgenommen. Sie hat im Internet Stoppschilder aufstellen lassen, damit Kinderschänder bei ihrem perversen Treiben einen Sichtschutz erhalten, und sie hat die Akademikerinnen-Wurfprämie aufgrund zweifelhafter Geburten-Statistiken, die ihr von dubioser Seite zugespielt wurden, erfunden. Inzwischen wird das Elterngeld wieder zusammengestrichen.

Dazu kommen 10 Euro für Hartz-IV-Kinder, die davon mehrere Schulessen finanzieren sollen, die es gar nicht gibt usw. usf. Nun hat Frau von der Leyen herausgefunden, dass Altersarmut nicht die Ausnahme, sondern zur Regel zu werden droht und erklärt den Ruhestand, die Rente, für abgeschafft. Denn wer zu wenig Rente bekommt, um davon leben zu können, soll künftig im Alter mehr hinzu verdienen dürfen. Eine tolle Sache, findet die Ministerin. Man kann das, nein man muss das anders sehen.

Roberto hat das, wie ich finde, treffend aufgeschrieben.

http://ad-sinistram.blogspot.de/2012/03/der-altersarmt-den-kragen.html

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Ein Claus Kleber auf Reisen

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Claus Kleber ist für das ZDF in den Iran geeilt, um mit dem dortigen Präsidenten Ahmadinedschad ein Interview zu führen. Vorhin wurde im heute-journal darüber berichtet. Na ja, eigentlich wurde mehr darüber berichtet, wie sich Kleber und das gesamte Umfeld im Iran auf das Gespräch vorbereiteten. Inhaltlich überzeugte Kleber einmal mehr durch typische Naivität.

„Herr Präsident, sie brauchen nur ihre Türen zu öffnen, um die Krise zu lösen.“

Ja, so einfach ist das in einem Land, dem seit 20 Jahren vorgeworfen wird, unmittelbar vor der Fertigstellung einer Atombombe zu stehen. Putzig war auch die grafische Aufbereitung der Lage und möglicher Angriffsstrategien. Da wurden wieder Satellitenbilder von Atomanlagen gezeigt und Kreise um Punkte auf einer Karte gezogen, innerhalb derer die Zuschauer eindeutig etwas Verdächtiges erkennen mussten oder sollten.

Ahmadinedschad mag ein Fanatiker und Volksverhetzer sein, eins ist er aber nicht. Nämlich so blöde, wie ihn das ZDF und der anmaßende Kleber auf seinem Egotrip im angeblichen Auftrag aller Deutschen wieder darzustellen versuchen. So wird auch Kleber den heraufziehenden Krieg leider nicht verhindern können. Buschgeld gibt es wohl trotzdem.

Aber wirklich dusselig wurde das heute-journal als sich Gundula Gause über den Verkauf von Millionen neuer iPads freute, die ja in China unter mehr als zweifelhaften Arbeitsbedingungen hergestellt werden. Da kämpft beim ZDF wohl nicht nur das neue lüfterlose Tablet mit Überhitzungsproblemen.

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Er nervt bereits

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Bereits kurz nach der Wahl Joachim Gaucks zum Bundespräsidenten ist das eingetreten, was ich gestern beschrieben habe. Er nervt schon jetzt das Publikum mit seinem nicht erklärbaren Freiheitsbegriff und muss sich anpassen. Nun will er auch andere Themen ansprechen, verriet er in einschlägigen Interviews. Wir dürfen gespannt sein.

Es war ja mitunter schon peinlich, wie gleichgeschaltet alle Unterstützer Gaucks dessen Verständnis von Freiheit und Verantwortung vor den Fernsehkameras als alleiniges Qualifizierungsmerkmal nannten. Ein bisschen mehr Meinungspluralität hätte man den demokratisch legitimierten Volksvertretern schon noch zugetraut oder hat sich das Konzept der Marktkonformität bereits durchgesetzt?

Dieser inflationäre Gebrauch der Begriffe Freiheit, Verantwortung und Bürgerrechtler, die allesamt selbsterklärend sein sollen, muss natürlich auf das Publikum inzwischen abstoßend und nervend zugleich wirken, was eine geringfügige Anpassung in der Kommunikationsstrategie nötig machte. Ob seinen Ankündigungen auch Taten folgen, bleibt abzuwarten. Interessant dürfte dabei die Rolle der Medien sein, die es nun mit einem qualitativ höherwertigem Sprechblasenautomaten zu tun haben.

Während sie Merkels sprachliche Unzulänglichkeiten regelmäßig ignorierten und den Momenten, in denen sie weder sprach noch etwas unternahm, eine besondere Wirkung zuschrieben, müssen sie bei Gauck nun richtig Übersetzungsarbeit leisten, die, wie die Vertreter der Hauptstadtpresse bereits zugeben mussten, noch gar nicht stattgefunden hat. Es fehlen wohl die Mittel. Unter anderem ein kritischer Verstand.

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