Merkel im Sendehaus des NDR

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Ich war die letzten Tage durch eine Mittelohrentzündung kombiniert mit einem fiesen Husten außer Gefecht gesetzt und habe jetzt erst rund 135 aufgelaufene Mails checken können. Es kann also noch etwas dauern, bis hier wieder mehr Beiträge erscheinen. An das letzte woran ich mich erinnern kann, ist ein Interview von Angela Merkel bei NDR-Info. Vielleicht war das ja der Auslöser für die schmerzhafte Entzündung des Gehörgangs.

In dem Interview äußerte sich die Volkskanzlerin auch zu ihrer Krisenbewältigungsstrategie. Die lässt sich auf die Formel bringen, Solidarität nur gegen Bedingungen (Solidarität gibt’s nur im Austausch für Solidität). Der angestrebte Fiskalpakt sei dabei eine notwendige, aber noch nicht ausreichende Maßgabe, um Wohlstand für die Menschen zu bekommen. Natürlich, so die Kanzlerin, dürfe das Wachstum als “zweite Säule” nicht aus den Augen verloren werden. Dies könne aber nicht nur durch staatliche Konjunkturprogramme, sondern vor allem durch Strukturreformen erzeugt werden.

„Wachstum kostet eben nicht immer Geld, wenn ich eine Rentenreform oder Arbeitsmarktreform mache wie wir mit der Agenda 2010. […] Durch die Hartz IV Reform haben wir heute mehr Menschen in Arbeit, als je zuvor. […] Das alles hat Deutschland kein Geld gekostet, aber sehr geholfen. […] Ich habe als deutsche Bundeskanzlerin darauf gedrängt, Wachstumsfragen zum Thema zu machen. […] Aber ich sage noch einmal, nicht nur Wachstum durch Konjunkturprogramme, sondern auch Wachstum durch Strukturreformen.“

In diesem Interview zeigte die deutsche Bundeskanzlerin ihr marktkonformes Zerrbild einer für sie erstrebenswerten europäischen Zukunft. Kennzeichnend dafür sind Zynismus und Ignoranz, die sich in den Worten Merkels verbergen, wenn sie beiläufig darüber spricht, dass die Flexibilisierung des Arbeitsmarktes auch zu Lohndumping geführt habe, einem bedauerlichen Problem, dem man sich ja nun (nach sieben Jahren und einem Verfassungsgerichtsurteil zur Berechnung der Regelsätze) annehme. Dafür und für ihren halbkaltherzigen Vorschlag, einen Mindestlohn einführen zu wollen, wenn die Tarifpartner sich irgendwie einigen, sollte man ihr wohl noch dankbar sein.

Interessant waren in diesem Zusammenhang auch die Ergebnisse der ILO-Studie (Internationale Arbeitsorganisation), die den angeblich so nützlichen und Wachstum fördernden Strukturreformen eine zerstörerische Wirkung attestieren. 

„Die Strategie des Sparens und Regulierens sollte zu mehr Wachstum führen, was jedoch nicht geschieht“, sagte der ILO-Direktor für internationale Arbeitsmarktstudien und Hauptautor des Berichts, Raymond Torres, in Genf. Die Spar-Strategie sei damit „kontraproduktiv“ gewesen. Torres bescheinigte den EU-Staaten, „wenig durchdachte“ Sparprogramme aufgelegt zu haben. Als Beispiel nannte er Spanien, wo das Haushaltsdefizit trotz drastischer Einsparungen nur von gut neun Prozent im Jahr 2010 auf 8,5 Prozent 2011 gesunken sei.

Quelle: Stern Online

Den Deutschen werfen die Arbeitsmarktexperten vor allem vor, ihr Jobwunder auf atypischer und unsicherer Beschäftigung aufzubauen (Minijobs und Leiharbeit). Das wurde zunächst auch kritisch als Botschaft durch die Medien am Morgen verbreitet. Am Mittag hieß es aber schon, dass sich das Beschäftigungswachstum in Deutschland, laut der Studie, auf einem hohen Niveau befinde und schon war die neoliberale Welt der marktkonformen Demokratie samt ihrer Lohnschreiber wieder in Ordnung. Immerhin wurde noch im Abspann erwähnt, dass Deutschland höhere Reallöhne benötige. Aber wer hört da noch so genau hin?

Toll wäre es also gewesen, die Kanzlerin in einem Interview mit der Wirklichkeit ihrer eigenen Politik oder die, die sie für nachträglich richtig hält, zu konfrontieren,  um ihr unpassendes Loblied darauf mit den Worten “kontraproduktiv” und “wenig durchdacht” zu quittieren. Doch NDR Info Programmchefin und NDR Hörfunk Chefredakteurin Claudia Spiewak tat das nicht. Statt Merkel bezeichnete sie lieber den französischen Präsidentschaftskandidaten Hollande als jemanden, der “große Töne spuckt”. Vielleicht wollte sie der geistigen Luftpumpe Merkel, die ohne Rücksicht auf demokratische Gepflogenheiten in den französischen Wahlkampf eingriff, damit auch nur gefallen. Schließlich kommt die Staatsratsvorsitzende ja nicht oft zum Gespräch im Sendehaus des NDR vorbei.   

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Symbolisch für den Mindestlohn

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Die Arbeitsgruppe der Union zum Thema Mindestlohn ist mit Blick auf die bevorstehenden Landtagswahlen aufgewacht und hat angeblich ein Ergebnis formuliert. Das hat nun Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen vorgestellt. Unterm Strich lässt sich das so zusammenfassen:

Bisher gilt die Tarifautonomie, die Gewerkschaften und Arbeitgebern ohne die Einmischung des Staates die Freiheit lässt, in gemeinsamen Verhandlungen einen Lohn zu finden. Leider, so die Ministerin, gebe es auch Regionen und Branchen, in denen weder Gewerkschaften noch Arbeitgeberverbände solche Verhandlungen führen würden und Menschen daher Löhne erhalten, die zum Leben nicht reichen. Lösung der Arbeitsgruppe: Künftig soll auch dort die Tarifautonomie gelten und Gewerkschaften wie auch Arbeitgeberverbände eine Lohnuntergrenze festlegen.

Da stellt sich doch die Frage, was dieser Vorschlag an der gegenwärtigen Situation ändert. Nur weil Frau von der Leyen sagt, dass die Tarifpartner ihre Aufgabe erfüllen und sich zu Verhandlungen zusammensetzen sollen, werden die das jetzt einfach so tun? Das mutet schon reichlich lächerlich und naiv an. Von der Leyen sagt aber, einen Mindestlohn müsse man richtig machen. Um dieses Ziel zu erreichen, will die Ministerin möglichst viel heiße Luft in Bewegung setzen und sogar einen neutralen Raum zur Verfügung stellen, der bedeutungsschwanger als unabhängige Kommission bezeichnet werden soll, in dem sich die Tarifpartner ungezwungen treffen und verhandeln können. 

Das werden die bestimmt tun, symbolisch versteht sich. Der FDP-Abgeordnete – und ich weigere mich zu diesem Vogel Arbeitsmarktexperte zu sagen – Johannes Vogel meint, die Union präsentiere eine Lösung für ein nicht vorhandenes Problem. Es ist genau umgekehrt. Für ein vorhandenes Problem präsentiert die Union mit viel Wahlkampfgetöse überhaupt keine Lösung. Was da aus dem Mund der Arbeitsministerin quillt, bedeutet in der Konsequenz die Beibehaltung des Status quo. Da müsste die FDP eigentlich Beifall klatschen.

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Betreuungsgeld: Anreize und Taschenspielertricks

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Bundesfamilienministerin Schröder ist eigentlich gegen das Betreuungsgeld der CSU. Sie muss es aber einführen, um den ohnehin schon brüchig gewordenen Koalitionsfrieden nicht noch weiter zu gefährden. Am besten funktioniert das, wenn der Blödsinn aus Bayern mit jener Zutat vermischt wird, die zum Markenkern der schwarz-gelben Chaostruppe gehört. Soziale Kälte. Denn Kristina Schröder knüpft Bedingungen an das Betreuungsgeld, um falsche Anreize, wie es vor ein paar Tagen hieß, zu vermeiden.

Das betrifft dann natürlich Familien mit niedrigem Einkommen, was bei Schröder mit der Bezeichnung “schwierige Verhältnisse” umschrieben wird.

Eine Minderheit von Kindern käme aus so schwierigen Verhältnissen, dass sie von einer frühen Förderung in der Kita stark profitieren würden, erklärte die CDU-Politikerin. „Diese kleine Gruppe sollten wir im Auge haben, wenn es darum geht, beim Betreuungsgeld einen falschen Anreiz zu vermeiden.“

Daneben muss es selbstverständlich auch richtige Anreize geben, die vermutlich bei jenen Familien zu finden sind, die zwar über ausreichend Einkommen verfügen, aber trotzdem das Betreuungsgeld als Prämie erhalten sollen. Die Kinder von Besserverdienenden profitieren dann auch nicht von frühkindlichen Bildungsangeboten, da inzwischen jeder begriffen haben sollte, dass Bildungschancen und Bildungserfolg in diesem Land vom Geldbeutel der Eltern abhängig sind.

Es ist schon infam, wenn permanent behauptet wird, gerade Kinder aus prekären Verhältnissen würden vom Besuch einer Kindertageseinrichtung besonders profitieren. Heißt das etwa im Umkehrschluss, dass Kinder aus gutsituierten Verhältnissen nicht profitieren würden und die Wahl haben sollten, gegen Zahlung einer Geldleistung versteht sich, sich vom gesellschaftlichen Prekariat fernhalten zu dürfen?

In klarer und deutlicher Weise hat nun die Koalition einen Kompromissvorschlag erarbeitet, der genau das vorsieht, was Kristina Schröder vor ein paar Tagen in die Diskussion geworfen hat. Hartz IV Empfänger sollen beim Betreuungsgeld außen vor bleiben. Das tolle an der geplanten Regelung ist aber, dass der Haushalt von Arbeitsministerin von der Leyen durch einen Taschenspielertrick entlastet würde, da das Betreuungsgeld als Familienleistung aus dem Etat von Kristina Schröder flösse. Damit könnte die Koalition die gezahlten Sozialleistungen an Hilfebedürftige auf dem Papier drücken und so tun, als habe sich die prekäre Lage in diesem Land entspannt.

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Abschalten statt umrüsten oder die Anstalt schauen

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Wenn alles nur so reibungslos klappen würde, wie der Umstieg vom analogen auf den digitalen Sat-Empfang. Am 30. April ist nämlich für das analoge Fernsehen Sendeschluss. Die befürchtete Massenpanik ist Gott sei Dank ausgeblieben. Die Händler haben ihre Neugeräte sicher an zum Teil verstörte Fernsehzuschauer verkaufen können, die auch in Zukunft nicht auf ihre tägliche Dosis Dummfunk, pardon, ein umfangreiches Medienangebot verzichten wollen.

Falls einige den medialen Tanz in den Mai doch verschlafen sollten, dürfte das Schneegestöber auf der Mattscheibe kaum zu Irritationen führen. Gibt es doch bei solchen Bildern viel zu entdecken. Auf jeden Fall mehr als bei den Suchbildern von 9live. Andererseits dürfte die Fülle an digitalen Schrottprogrammen den ein oder anderen geistig überfordern. Dazu bieten die privaten Sendeanstalten, die ihr Programm als free bezeichnen und daher möglichst wenig Programm um viel Werbung platzieren auch noch HD-Ableger an, die sich der technikgeile Fernsehfreak für 50 Euro pro Jahr nutzbar machen kann.

Dafür gibt es aber nicht nur HD-Fernsehen, sondern auch  zusätzliche Restriktionen wie eine Vorspulsperre, damit Werbeblöcke wie zu analogen Zeiten oder beim normalen digitalen Fernsehen nicht einfach übersprungen werden können. Künftig ist auch ein Werbepausenpinkelverbot geplant, das nicht durch die GEZ, sondern durch die Vertreter des VPRT (Verband Privater Rundfunk und Telemedien) überprüft werden könnte.

Freilich, das System, das in irreführender Weise auch noch HD+ genannt wird, ist für ein Jahr kostenlos, steckt aber in jedem neuen Fernseher und Receiver bereits drin. Damit sehen sie vielleicht schärfer, den Durchblick behalten sie aber nicht. Auch dann nicht, wenn sie sich für einen noch teureren 3D-Fernseher entscheiden.

Zum Glück gibt es Neues aus der Anstalt im ZDF. Die Sendung vermag ein wenig die große Lücke zu füllen, die das Restprogramm 14 Strich 49 in Standard oder High Definition Tag für Tag in die Hirne der Massen zu reißen scheint. Diesmal haben sich die Kabarettisten Helmut Schleich, Wilfried Schmickler, Andreas Rebers und Max Uthoff einliefern lassen. Neben Urban Priol und Erwin Pelzig bilden sie die kabarettistische Putzkolonne, die auf satirische Weise zum politischen Großreinemachen ansetzt.

Quelle: ZDF

Neues aus der Anstalt – am Dienstag, 24. April 2012, um 22.15 Uhr im ZDF!

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Politische Unsicherheiten

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Das Wochenende hatte gleich zwei Hiobsbotschaften für die marktkonforme Demokratie parat. In Frankreich stehen die Zeichen auf einen politischen Wechsel und in den Niederlanden scheitert die Regierung an der Frage einer rigorosen Sparpolitik. Da helfen keine Brandmauern und keine Rettungsschirme, meinte vorhin Franz Zink, ZDF Börsenonkel, im heute-journal. Die Kurse stürzten an diesem Montag überall in den Keller und mit einem besorgten Blick gab Franz Zink zurück nach Mainz ins ZDF Sendezentrum.

Die stinknormale Wahl in einem europäischen Land sowie der stinknormale Bruch einer Regierungskoalition in einem anderen europäischen Land werden in den Nachrichten als politische Unsicherheiten verkauft, die, sie ahnen es vielleicht, den Euro als Ganzes gefährden und die Rettungsversuche von Angela „Fiskalpakt“ Merkel konterkarieren. Sehr interessant, zumal unsere Staatsratsvorsitzende mit dem Chef des Staatsrates der Volksrepublik China über die Hannover Messe wandelte und die FDP als Partei der Freiheit ihr mediales Comeback feiern durfte.

Sowohl Angela Merkel als auch die FDP bezeichnen die aktuelle wirtschaftliche Lage übrigens als hervorragend. Die einen fühlen sich nur von linken Feinden umzingelt, während die CDU-Vorsitzende mit einem Mitglied des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Chinas entspannt eine Ausweitung der fruchtbaren Handelsbeziehungen bespricht. Bedingungslos und vorurteilsfrei, versteht sich. In Frankreich und den Niederlanden sieht das nun aber anders aus. Dort haben die Ereignisse vom Wochenende auch etwas mit dem Erstarken der politischen Rechten zu tun, die das Protestpotenzial gegen den eingeschlagenen europäischen Austeritätskurs zu nutzen weiß.

Interessant ist nun, dass gerade deutsche Börsenexperten und weite Teile der Medien sowie die Bundesregierung es ohne mit der Wimper zu zucken hinnehmen würden, ja es sogar ausdrücklich begrüßen würden, wenn die Rechten in Europa dem deutschen Fiskalpakt zustimmten. Zumindest im Fall der Niederlande dürfte das Nein des Rechtspopulisten Wilders Bedauern auf Seiten der schwarz-gelben Schuldenbremser auslösen. Wie wird Merkel reagieren? Wie soll sie reagieren? Wird sie den rechten Spinnern in Europa, die es bereits in Regierungen geschafft haben, nun mangelndes europäisches Verantwortungsbewusstsein vorwerfen? Wird sie an Marine Le Pen vom rechtsextremen Front National die Bitte richten, ihrer Klientel eine Wahlempfehlung für Sarkozy auszusprechen, um den Fiskalpakt doch noch zu retten?

Die zur Schau gestellte Beliebigkeit, mit der Angela Merkel Politik betreibt, lässt dieses Szenario immerhin möglich erscheinen. Die Zustimmung der Märkte wie auch von Franz Zink vom ZDF wäre ihr wohl gewiss.

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Wirtschaftsinstitute mit Schwankungsbreite im Aufwind

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Heute machte die frohe Botschaft die Runde, wonach die deutsche Wirtschaft vor einer Boomphase stehen soll, weil die führenden Wirtschaftsinstitute im Frühjahrsgutachten ihre falschen Prognosen aus dem Herbstgutachten mal wieder korrigiert haben. Dafür, dass die Voraussagen nie zutreffen oder wie dieses Mal gleich Schwankungsbreiten von 0,5 bis 3,5 Prozent eingeräumt werden, sind die Schlagzeilen deutlich.

Mehr Jobs, höhere Löhne, kerngesunde Firmen: Deutschland trotzt der Schuldenkrise und bleibt Wirtschafts-Supermacht in Europa, heißt es. Für Europa sei Deutschland ein “Glücksfall”, weil es die Eurozone stütze. Dabei halten es die “Experten” selbst für sehr wahrscheinlich, dass Deutschland in den nächsten Jahren seinen Wettbewerbsvorsprung massiv ausbauen wird. Das halte ich auch für möglich, nur wie kann dann ein enormer Wettbewerbsvorsprung ein Glücksfall für den Rest der Eurozone sein? Die müssen doch logischerweise den Wettbewerbsnachteil haben.

Um das zu begreifen, muss man kein Wirtschaftsexperte sein, die offensichtlich mit einer hohen Schwankungsbreite im Hirn durch die Gegend laufen und die Widersprüchlichkeit ihrer Analysen gleich in die Überschrift packen.

Deutsche Konjunktur im Aufwind – Europäische Schuldenkrise schwelt weiter

Quelle: Frankfurter Rundschau

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Ein typisches Interview mit einer Linken

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Die berühmte Wochenzeitung „Die Zeit“ hat mit Sahra Wagenknecht ein Interview geführt. Gleich die erste Frage an Wagenknecht beschäftigt sich mit einem möglichen Scheitern der Linkspartei bei den kommenden zwei Landtagswahlen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen. Sollte die Partei unterhalb der Fünfprozenthürde bleiben, wäre die Partei tot, wird behauptet, nicht gefragt! Das ist schon komisch, da gerade eine offensichtlich tote Partei wie die FDP von allen Medien wiederbelebt und in die Landtage geschrieben wird.

Sehr schön auch der Hinweis darauf, dass die von den Medien ebenfalls sehr geliebten Piraten den Tatbestand fortwährender Widersprüchlichkeit erfüllen.

„Was haben die, was sie nicht haben?“, fragen die von der Zeit, die offenbar das Klingeln des Weckers nicht gehört haben. Die Piraten haben einfach eine gute Presse, die ihnen gegenüber wohlwollend auftrete und statt Aufklärung lieber dabei helfe, Imagepflege zu betreiben.

„Sie werden nicht als Partei wahrgenommen, sondern als Gegenprogramm zum Politikbetrieb“, antwortet Wagenknecht gewohnt scharfsinnig. Man könnte auch sagen, dass die Verpackung der Piraten als Marke wunderbar und gewinnbringend verkauft werden kann. Da spielt es für die PR-Strategen eben keine Rolle, welche Qualität der angebotene Inhalt hat.

Tatsächlich seien die Piraten mit ihrer programmatischen Beliebigkeit den etablierten Parteien viel ähnlicher als die Linke, sagt Wagenknecht. In einer Demokratie ist es aber eher von Nachteil, wenn der Öffentlichkeit permanent weisgemacht wird, dass sich Parteien unterscheiden, obwohl sie für die gleiche Politik eintreten. Das kann nur dann funktionieren, wenn zum Beispiel alle der Überzeugung sind, dass Schulden abgebaut würden, weil ein Gesetz den Namen Schuldenbremse trägt oder Sparprogramme zu einem Abbau von Schulden führen.

Immerhin erkennt die Zeit an, dass sich die politischen Gegner warm anziehen müssen, wenn sie Sahra Wagenknecht in Sachen Finanzpolitik das Wasser reichen wollen. Gemeint ist sicherlich ihr volkswirtschaftlicher Sachverstand, den zu erwähnen das Blatt vermeidet und stattdessen lieber ein vergiftetes Lob platziert, um sie für die Übernahme der Parteiführung ins Spiel zu bringen.

Hauptsache der Streit an der Spitze der Linken erhält bis zum Parteitag weiter Nahrung. Auch das ist natürlich eine Form von Imagepflege, der sich die hiesige Medienlandschaft bereitwillig verschrieben hat.

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Brüning, eine Wirtschaftsredakteurin und ein Historiker

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Viele Wirtschaftswissenschaftler sprechen mit Blick auf Griechenland von einer Wiederholung Brüningscher Sparpolitik. Eine Redakteurin von NDR-Info hat nun mal recherchiert, ob sich die Situation in Griechenland mit der Politik Brünings vergleichen lässt. So in etwa wurde dieser Beitrag heute Morgen angekündigt. Was dann aber kam, war einfach nur lächerlich.

Denn statt sich mit der volkswirtschaftlichen Wirkung einer mit brutaler Gewalt betriebenen Austeritätspolitik zu beschäftigen oder mit den Argumenten von Ökonomen wie Peter Bofinger, ließ sich die “Wirtschafts-Journalistin” von Historiker Manfred Harnisch erklären, dass die Griechen gar nicht so zu leiden hätten. Im Unterschied zu den Deutschen in den 30er Jahren müssten die Griechen gar nicht hungern, seien nicht obdachlos und würden sich auch nicht in sogenannten Aufwärmstuben auf Stühlen sitzend aufhalten, wo sie sich von dem damaligen “sozialen Netz” – Leinen, die vor die Bänke gespannt waren – auffangen lassen, falls sie einnicken.

In Griechenland herrsche noch ein echtes soziales Netz, das den Deutschen in den 1930er Jahren völlig fremd gewesen sei, so der Historiker. Aus dieser kruden Argumentation heraus, fällt es dann auch nicht schwer, den Bogen zu notwendigen Reformen zu schlagen, deren Sinnhaftigkeit natürlich außer Zweifel steht.

Reichskanzler Brüning kürzte Gehälter und Tariflöhne, führte neue Steuern ein, erhöhte die Beiträge für die Arbeitslosenversicherung, senkte aber die Leistungen. Davon ist Griechenland nach Meinung von Historiker Manfred Harnisch weit entfernt. Das viele der griechischen Reformen notwendig sind, ist für ihn unbestritten.

Nur zur Erinnerung: Die griechische Regierung kürzt ebenfalls Gehälter in erheblichem Maße, zuletzt die Mindestlöhne um 22 Prozent. Den Tarifpartnern hat man per Gesetz sogar untersagt, die Löhne in der Privatwirtschaft steigen zu lassen. Die Leistungen der Sozialversicherung stehen ebenfalls unter dem Spardiktat. Massive Einschnitte im Gesundheitsbereich, 3,2 Mrd. Euro, mussten im März vorgelegt werden, um die Voraussetzungen des zweiten Hilfspaketes zu erfüllen. Die Arbeitslosenquote liegt bei über 20 Prozent, bei den unter 25-Jährigen ist fast jeder Zweite ohne Job. Viele Griechen sind bereits obdachlos, weil sie ihre Miete nicht mehr zahlen können und suchen Hilfe in sozialen Einrichtungen.

Was der Historiker Harnisch also behauptet, ist schlichtweg falsch. Dass sich aber eine Wirtschaftsredakteurin vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk so einen Bären aufbinden lässt und diesen Blödsinn auch noch als Recherche verkauft, spottet jeder Beschreibung. So jedenfalls hätten der Experte und die Berichterstatterin den Unterschied zwischen Griechenland und Weimar auch anhand der Zahl mobiler Telefonanschlüsse in beiden Zeitperioden erklären können.

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Im asiatischen Windschatten

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Kurz vor und kurz nach Ostern trumpfte das statistische Bundesamt mit Meldungen auf, wonach die deutschen Exporte trotz Eurokrise auf Rekordkurs gestiegen seien. Grund sei die starke Nachfrage aus Asien und da insbesondere China. Es scheine so, als würde ausgerechnet das Reich der Mitte für die unter verschärfter Austeritätspolitik leidenden europäischen Handelspartner in die Bresche springen. Die deutsche Wirtschaft wachse nun im asiatischen Windschatten mit, meint der Präsident des Bundesverbandes Großhandel, Außenhandel und Dienstleistungen (BGA), Anton Börner.

Dabei ist dieser Windschatten gar nicht so groß oder von Dauer wie es den Anschein hat. Denn mit einem Anteil von knapp 6 Prozent an den deutschen Exporten hat China nicht wirklich jene ersetzende Zugkraft, die hier unterstellt wird. Über 60 Prozent der Ausfuhren gehen nach wie vor in die EU und die Eurozone (etwa 40 Prozent), die aber vom Spardiktat und der drohenden Schuldenbremse gezwungen wird, auf Waren Made in Germany zu verzichten.

Wenn nun aber ein Anstieg der Ausfuhren gerade in die Staaten der Eurozone freudestrahlend vermeldet wird, müssten die Fiskalpaktierer doch eigentlich Alarm schlagen, da der Überschuss des einen, nämlich unserer, ganz automatisch zu einer Erhöhung des Defizits auf Seiten derer führen muss, die bereits als Defizitsünder abgestempelt sind und harte Strafen zu befürchten haben. Stattdessen zeigt die Lobby der vermeintlichen Wirtschaftsexperten hämisch mit dem Finger auf jene, die immer wieder vor einem Absturz der deutschen Wirtschaft warnen. 

Dass die vermeldeten Exportzahlen als Ausweis einer guten Konjunktur nichts taugen, beweisen wesentlich aussagekräftigere Zahlen aus der Wirtschaft. Denn weder aus der Industrieproduktion noch beim Auftragseingang waren zuletzt Impulse für die Konjunktur feststellbar, von den Einzelhandelsumsätzen einmal ganz zu schweigen. Die volkswirtschaftlichen Indikatoren zeigen somit nach unten und belegen keinesfalls einen neuerlich bevorstehenden Boom, der aus Fernost getragen wird.

Denn sollte sich Chinas Handelsbilanz – derzeit macht es ja noch Überschüsse – dauerhaft umkehren, bleibt den Chinesen die Möglichkeit durch Abwertung des Yuan am Wechselkurs zu drehen und Importe zu verteuern, was verlorene Wettbewerbsanteile zurückbrächte. Das können die Euroländer bekanntlich nicht. Wer also auf der einen Seite einen knallharten Austeritätskurs verschreibt und damit die Wirtschaft seiner wichtigsten Handelspartner an die Wand fährt und auf der anderen Seite darauf vertraut, dass die übrige Welt Defizite hinnimmt, um die Überschüsse der deutschen Wirtschaft zu finanzieren, muss schon über reichlich viel Naivität verfügen.

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"Nach Auschwitz ein Gedicht zu schreiben, ist barbarisch."

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Eigentlich wollte ich mit der Überschrift „Grass macht den Möllemann“ zum Ausdruck bringen, dass sich Grass auf die Stufe eines Möllemanns begibt und nicht umgekehrt, wie das in einem Kommentar geäußert wurde. Grass wusste um die Wirkung seines Gedichtes. Er hat es ja selbst dort hinein geschrieben. Insofern hat Reich-Ranicki in der FAZ vollkommen Recht wenn er sagt, dass es Grass nur um die Wirkung, die Diskussion und die Aufmerksamkeit zu einem zudem problematischen Zeitpunkt ging und nicht um den Inhalt, wie Grass im anschließenden Interview mit dem NDR beteuerte.

Ich frage noch einmal, warum kritisiert Grass nicht die „out of area“ Politik zur Sicherung von Ressourcen und Nachschubwegen, an der sich auch die deutsche Bundesregierung beteiligt und der das iranische Regime einfach im Wege steht? Die Anfeindungen, die Grass aus den Mainstreammedien entgegenschlagen, ist nicht verwunderlich und wirkt wie bestellt. Jetzt kann man nämlich die neue Wirtschaftspolitik mit militärischer Option prima verteidigen. Eine Kritik daran hat nun den Ruch antisemitisch zu sein. Eigentlich müsste die Linke, der Grass mit seinem Gedicht einen Bärendienst erwies, ihn dafür verurteilen.

Stattdessen stolpert die Linke sichtlich irritiert durch ihre eigenen Artikel und findet jemanden toll, dem auch die Rechten Beifall klatschen, was dem Verfasser des Gedichtes von Anfang an klar sein musste. Und obwohl die schlechte Qualität seiner Arbeit von niemanden bestritten wird, nimmt man ihn in Schutz, weil eine Kritik an Israel geäußert wurde, die in diesem Land nun einmal nicht so einfach formuliert werden darf. Doch wenn es einer tut, führt das zu einer seltsamen Verbindung zwischen links und rechts und zu einer Diskussion um Antisemitismus, an der sich alle abarbeiten und ihren Blick von den wirklichen Problemen wenden.

„Nach Auschwitz ein Gedicht zu schreiben, ist barbarisch.“
Zitat: Theodor W. Adorno.

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