Wieder ist ein Sommerinterview mit Angela Merkel rum und der Zuschauer bleibt ratlos zurück. Top-Meldung bei der ARD ist, wie erwartet, Merkel weist CSU in die Schranken. Das war vorhersehbar, nach der plumpen oder wahrscheinlich eher abgesprochenen Vorlage, die Dick und Doof in der BamS lieferten. Den entscheidenden Satz Merkels hat die Nachrichtenabteilung der ARD aber nicht dokumentiert. Nämlich den, als sie darüber sprach, was sie in einer Einschätzung eines asiatischen Think Tanks kürzlich gelesen haben will.
Darin hieß es, in Europa fehle etwas und zwar flächendeckend. Merkel erklärt das dann so:
Wir können nicht einfach sagen, das ist unser Sozialstandard, auf dem bleiben wir stehen, und wir können nichts anderes machen, sondern wir müssen schauen, wenn wir Arbeitsplätze haben wollen, dass wir auch in der Lage sind, wettbewerbsfähige Kosten, vernünftige Produkte anzubieten, auf den Weltmärkten möglichst innovative Produkte, dann können wir nämlich auch gute Erlöse und Gehälter dafür zahlen.
Mal abgesehen vom gewohnt anstrengenden Satzbau (wortwörtlich von den Lippen der Kanzlerin abgeschrieben) will Angela Merkel doch sagen, dass unser dringendes Problem Sozialstandards seien, die Arbeitsplätze, Wettbewerbsfähigkeit und eine gute Bezahlung behindern würden. Klar sei es extrem ärgerlich wenn während der Finanzkrise die Reichen mit ihrem Geld irgendwo hin verschwinden, vornehmlich über die Berge (meint sie damit etwa die Schweizer Alpen?), doch könne man offensichtlich nichts gegen diese Ungerechtigkeit unternehmen, weil die bescheuerten ARD-Interviewer einfach nicht nachfragen!!!
Es klingt wie ein schlechter Scherz, wenn Deppendorf am Ende des zusammengestückelten Interviews sagt, dass er und sein minder begabter Kollege Becker noch viel mehr hätten fragen können und wollen. Jedenfalls wissen wir jetzt, dass die mächtigste und weiseste Frau der Welt den Eindruck hat, dass sich andere ernsthaft anstrengen. Doch wie sieht es bei der Kanzlerin aus, darüber bleibt der Zuschauer im Unklaren. Sie wolle abwarten. Diesmal den Troika-Bericht und Urteile des Bundesverfassungsgerichts. In der Zwischenzeit führt das Land eine Debatte, in der es den Anschein hat, als bestimme die deutsche Bundesregierung oder der deutsche Bundestag über den Verbleib Griechenlands in der Eurozone.
Jeder sollte seine Worte wägen, ist Merkels kurze Antwort, die in der ARD mit einem angeblichen Zurechtweisen sehr durchschaubar übersetzt wird. Gleichzeitig stärkt die Kanzlerin dem Bundesbank-Präsidenten den Rücken, der mit seinem Geschwätz nicht nur die Vorlage für Dobrindts Falschmünzer-Äußerung lieferte, sondern damit auch eine absolute Minderheitenposition im EZB-Rat vertritt. Die Notenbank-Finanzierung mache süchtig wie eine Droge, lässt Weidmann einfach mal so verbreiten. Anscheinend hat er schon vergessen, dass die Staatenfinanzierung aktuell genauso funktioniert. Der Unterschied liegt nur darin, dass die privaten Geschäftsbanken den Job gegen eine hübsche Provision erledigen.
Weidmann geht es also nicht um die Ideologie der Geldwertstabilität, denn Inflationsgefahren sieht er ja nach eigener Aussage auch nicht, sondern um handfesten Einfluss, den Berlin und damit seine Chefin Merkel im EZB-Rat nachweislich nicht hat. Deshalb wird sie und er auch nicht müde zu betonen, dass die EZB unabhängig zu bleiben, aber sich dennoch auf ihre vertraglich fixierten Pflichten zu beschränken habe. Allein die EZB könnte mit ihrer Geldpolitik den von Merkel angezettelten und immer noch durchgehaltenen Austeritäts-Wahnsinn durchbrechen, ohne dass sie oder ihr ergebener Diener Weidmann etwas daran ändern könnten.
Innenpolitisch stünde Merkel vor einem Scherbenhaufen, noch machtloser und noch isolierter. Schließlich könnte sie die Kontrolle über den aus strategischen Gründen und mit chauvinistischen Parolen geschürten Volkszorn verlieren. Die Zeit des Aussitzens und des Spielens auf Zeit wäre vorbei. Da hilft dann auch kein mahnender Appell mehr, wonach jeder seine Worte sorgfältig wägen sollte.
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AUG