Merkels Scareware

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CDU und CSU haben sich ein Regierungsprogramm gegeben, das sich, einzelnen Unions-Stimmen zufolge, nach der Wahl von selbst erledigen würde. Die Wähler wüssten das seit 50 Jahren, so Kurt Lauk im ARD-Bericht aus Berlin. Andere behaupten, in dem Programm stecke etwas drin, was den Steuerzahler teuer zu stehen kommen könnte. Täuschung und Angst ergänzt durch Unverbindlichkeit? Das beschlossene Wahlprogramm, Merkels Scareware, ist bloß ein weiterer gescheiterter Versuch, dem Wahlverein der Kanzlerin und ihr selbst ein Profil zu geben.

Parteien, die sich kein Programm geben, nennt man doch regierungsunfähig? Natürlich sind sie auch funktionsunfähig, unberechenbar und auf eine populistische Person zugeschnitten, die dann mit windigen Versprechungen auf Stimmenfang geht. Ein Bündnis mit solchen Parteien gleiche einem politischen Abenteuer. So lautete die Demagogie vor dem letzten Bundestagswahlkampf 2009. Damals ging es gemeinschaftlich gegen die Partei Die Linke, die zu dieser Zeit von einem Wahlerfolg zum nächsten schritt und damit auch zu einer Bedrohung für erklärte Lagerwahlkämpfer wurde, die aber nur des Showeffekts Willen um Positionen stritten.

Schon damals passte der SPD-Spitzenkandidat nicht zum Programm seiner Partei und Mutti Merkel war auf Seiten der CDU mit kleineren Abstrichen Programm genug. Doch es hat sich etwas verändert. Die Linke ist keine Bedrohung mehr, die SPD hat immerhin einen anderen Kandidaten, der aber nach wie vor nicht zum eigenen Programm passt und die Merkel hat keine innerparteilichen Gegner mehr und infolgedessen auch kein Programm mehr nötig. Merkel ist unser Programm, hört man immer öfter. Wer soll da noch widersprechen? Die Beliebtheit der Kanzlerin liegt bei über 60 Prozent.

Gleichzeitig wird ein 127 Seiten starkes Heft mit der Aufschrift Programm auf den Markt geworfen und mit einer durchschaubaren Strategie (erfolgreiche Konsolidierung und Volkspartei für alle) auf allen Kanälen verteidigt. Wahrscheinlich, weil es sich für eine demokratische Partei irgendwie gehört, so etwas zu haben und wenn nicht, dann wenigstens ein Bündel bedrucktes Papier mit gleichlautendem Etikett. Zum Vergleich, vor vier Jahren reichten noch 63 Seiten aus, auf denen unter anderem beschrieben wurde, wie man die kalte Progression beseitigen wolle. Der will man jetzt auch wieder an den Kragen, so als ob man bis heute nicht Teil dieser Regierung ist.

Doch was steht Neues drin in dem Regierungsprogramm von CDU und CSU? Während sich die Medien an Mütterrenten, Mietpreisbremsen und Familiensplitting reiben, obwohl diese Dinge längst und nicht hinter vorgehaltener Hand für obsolet erklärt wurden, ist mir vor allem das hier aufgefallen, was es vor vier Jahren so verschriftlicht noch nicht gab:

  • SPD und Grüne dagegen wollen die Menschen belasten. (Seite 4)
  • Die Vorschläge von SPD und Grünen bedrohen die Wettbewerbsfähigkeit… (Seite 7)
  • SPD und Grüne haben in ihrer Regierungszeit vier Mal den Stabilitäts- und Wachstumspakt gebrochen und seine Regeln aufgeweicht. (Seite 13)
  • Die Steuerpläne von SPD und Grünen sind ein Angriff auf die Substanz der Unternehmen. (Seite 19)
  • SPD und Grüne wollen, dass der Staat weiter am Ausgleich der Inflation verdient. (Seite 27)
  • SPD und Grüne […] streuen den Menschen stattdessen Sand in die Augen. (Seite 27)

Man möchte meinen, das Wahlprogramm der Union beschäftige sich aus Mangel an klaren Aussagen lieber mit einem politischen Gegner, den es in Wahrheit längst nicht mehr gibt. In den zentralen Fragen, bei der Schuldenbremse, beim Umgang mit der Finanzkrise und beim Abbau des Sozialstaates sind sich Merkel und die sie tragenden Parteien im deutschen Bundestag immer noch einig, zuletzt bei der Abstimmung zum Rettungspaket für Zypern im April. Steinmeier sagte da, dass der vorliegende Entwurf der Bundesregierung die Handschrift der SPD trage.

Vor der Sitzung des Bundestages ließ der Fraktionsvorsitzende der Genossen profilneurotisch verlauten, seine Partei überprüfe bei jeder einzelnen Entscheidung zur Euro-Rettung, ob sie tragfähig sei. Das vorliegende Hilfspaket sehe jedenfalls auf den ersten Blick besser aus als beim ersten Versuch: „Aber wir werden es uns noch genau anschauen“, so Steinmeier weiter. Offenbar taten die Sozialdemokraten das nicht. Denn die sprichwörtliche Tragfähigkeit ist wie bei allen vermeintlichen Rettungsaktionen zuvor schon wieder dahin. Nur wenige Wochen nach Verabschiedung des Paketes müssen sich die Euroretter in Brüssel und Berlin erneut mit der Zypern-Frage beschäftigen. Das gerade verabschiedete Wahlprogramm verdeckt das erneute Scheitern der Kanzlerin.

Nichtsdestotrotz prophezeit Merkel für September eine neuerliche Richtungswahl. Es gehe darum, ob die erfolgreichste Bundesregierung seit der Wiedervereinigung den Erfolgskurs fortsetzen dürfe oder ob die Deutschen mit Rot-Rot-Grün lieber bergab gehen möchten. Moment, werden da einige sagen, das gab es 2009 doch auch schon mal. Ja sicher, das ist der Sinn der Übung. Permanente Wiederholung wirkt prägend, disziplinierend und der Wähler freut sich, wenn er was wiedererkennt und verstanden hat. Merkel sagte damals aber auch:

„Wer glaubt, nur gegen etwas Wahlkampf führen zu können, wird scheitern.“

Heute ist klar, Merkel kann so viele Wendungen vollziehen, Entscheidungen hinauszögern und so oft scheitern wie sie will, zum Verlust der Kanzlerschaft wird es wohl nie mehr reichen.

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Kein Widerspruch im Weiter so

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Vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe wird das Vorgehen der EZB in der Eurokrise verhandelt. Einige Klageführer werfen der Zentralbank vor, dass sie mit dem bestehenden Staatsanleihen-Aufkaufprogramm OMT gegen ihr Mandat verstoßen habe. Dies könne zu unkalkulierbaren Risiken für den Bundeshaushalt und damit für die Steuerzahler führen. Der Chef der Deutschen Bundesbank Weidmann bläst ins selbe Horn und warnt mal wieder vor einer Vergemeinschaftung von Risiken, die Deutschland teuer zu stehen kommen könnten.

Auf der anderen Seite verteidigt die Bundesregierung das Vorgehen der EZB. Ein Widerspruch? Nein, denn wie Weidmann lehnt auch die Bundesregierung eine Vergemeinschaftung von Schulden weiterhin ab. Sie kann aber gleichzeitig für das OMT-Programm der EZB sein, weil sie bei dessen Präsident Mario Draghi Bedingungen durchsetzen konnte. Den Aufkauf von Anleihen gibt es nämlich nur, wenn die betroffenen Staaten Auflagen aus den sogenannten Programmen erfüllen und sich einer strikten Haushaltskontrolle unterwerfen.

Darüber spricht aber keiner, sondern nur darüber, ob Gelddrucken für eine Währungsunion nun schädlich ist oder nicht. Dabei sind es die Auflagen und die Verpflichtung zur Austeriät, die ein unkalkulierbares Risiko darstellen und die Eurozone in die bisher längste Rezession ihrer kurzen Geschichte geführt haben. Die Ankündigung Draghis, im Notfall jede Anleihe aufzukaufen, war richtig und hat die Finanzmärkte beruhigt, ohne dass die EZB tatsächlich eingreifen musste. Doch die Kopplung an nicht zu erfüllende Bedingungen war falsch. Das bietet weiterhin ein Einfallstor für Spekulanten, die auf einen Ausfall der Bonds wetten.

Die Risikoaufschläge steigen wieder und das desaströse Euro-Rettungskarussell dreht eine weitere Runde.

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Gesundheit ist kein Geschäft

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Wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen, lautet ein bekannter Spruch. Doch die Halbgötter in weiß machen munter mit, bei dem, was dem Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr politisch lobbyistisch so vorschwebt. Er will die private Krankenversicherung, obwohl bereits klinisch tot, unbedingt erhalten. Womit, das sagt er nicht. Aber es ist klar, dass der ehemalige Beirat der ERGO Versicherungsgruppe AG und des DUK Versorgungswerk e. V. das private Versicherungsmodell attraktiver gestalten muss, um es wiederbeleben zu können. Und das geht nur mit Besserverdienenden, denen es am Ende wurscht ist, wohin ihre Beiträge gehen, solange die Leistung stimmt.

Der Allgemeinheit und insbesondere der gesetzlichen Krankenversicherung, die keinen Profit erwirtschaften muss, können die Beiträge der Besserverdiener allerdings nicht egal sein. Damit eine Sozialversicherung funktioniert, müssen auch alle Einkommen und Vermögen zur Finanzierung herangezogen werden. Das Modell der Bürgerversicherung lehnt Bahr wie auch der Verband der Kittelträger aber kategorisch ab. Sie warnen gar vor dem Tod der heiligen Kuh Wettbewerb und gleichzeitig vor einer Zweiklassenmedizin. Diesen Widerspruch muss man erst einmal verkaufen können. Laut Bahr und den Ärzten gäbe es die private Krankenversicherung, obwohl bereits jetzt schon klinisch tot (s.o.), selbst dann noch, wenn die Bürgerversicherung den Wettbewerb erst richtig zerstört hat.  

Wie sagte Urban Priol in Neues aus der Anstalt: “Ich bin für jeden Autisten dankbar, der nicht in der FDP Karriere macht.”

Wir brauchen keinen Wettbewerb, sondern eine solidarische Absicherung gesundheitlicher Risiken! Die Gesundheit oder Krankheit von Menschen darf nicht Grundlage von Geschäften sein.

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Unerträgliche Begleitmusik

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Gestern noch haben die deutschen Musterschüler selbst nur müde über die Vorschläge aus Brüssel lachen können. Nun regen sich dieselben Fuzzis, die keinen Funken Verstand in der Birne haben, über die Reaktion des französischen Präsidenten auf, der sich eine Einmischung der EU-Kommission in innere Angelegenheiten verbat. Das ganze Theater überschattet den Paris-Besuch von Bundeskanzlerin Angela Merkel, schreiben die Medien. Wohl mit Bedacht, damit es nicht so auffällt, wenn die Bleierne mal wieder mit leeren Händen nach Hause kommt.

Die Reise von Merkel ist ja gestern mit der Schlagzeile “Nächste Schritte bei der Lösung der Eurokrise” verknüpft worden. Das klingt nach Substanz. Doch in Wirklichkeit dient der Arbeitsbesuch nur als Vorbereitung für einen weiteren belanglosen Gipfel, dessen Ergebnis wir ja schon heute kennen. Deshalb rülpsen Merkels Claqueure aus der Fraktion vorsorglich ein paar unflätige Bemerkungen über den Schlagbaum nach Westen. Jeder Fraktionsvizekasperkopf darf mal ran. Michael Fuchs ätzt etwa: „Wenn ein Land in der EU und der Euro-Zone glaubt, sich nicht an Verabredungen halten zu müssen, ist dies besorgniserregend.“

Na klar. Nicht jedes Land ist aber auch so dreist wie Deutschland und ändert mal eben die Regeln zu seinen Gunsten. Wie war denn das noch mit dem “Sixpack”, das der deutsche Finanzminister als sogenannte Verabredung auf EU-Ebene durchsetzte? Demnach sind Handelsbilanzdefizite ab 4 Prozent des BIP strafbar, Überschüsse aber erst ab 6 Prozent des BIP, was Deutschland in unerhörter Weise zugute kommt. Vielmehr muss es doch besorgniserregend stimmen, dass das deutsche Therapierezept einer brutalen Kürzung staatlicher Ausgaben nirgendwo funktioniert. Und weil der Mist  in Serie scheitert und jene Wirtschaften schädigt, von denen die deutsche schmarotzend lebt, steigt nun auch die Arbeitslosigkeit bei uns immer weiter an.

Doch statt Einsicht kommen so Sätze, wie vom zweiten Vizekasperkopf in der Fraktion der CDU, Michael Meister. „Die EU-Kommission hat Nachsicht mit Frankreich beim Haushaltsdefizit gehabt und wird dennoch von Hollande kritisiert. Die EU-Kommission hat die Rolle, über die Einhaltung der Maastricht-Verträge zu wachen. Frankreich hält die Verträge nicht ein.“ Das sagen die Richtigen, die die Eurozone bisher als Selbstbedienungsladen begriffen haben und nun damit zurecht kommen müssen, dass ihr einseitig betriebenes Exportmodell mit allen negativen Folgen einen Totalschaden erlitten hat.  

Hollande soll gefälligst den Schröder machen und Reformen durchsetzen, anstatt Brüssel zu kritisieren, das, wenn man die Reaktionen so liest, offenbar schon zu Berlin gehört. Die Zurückweisung der Brüsseler Empfehlungen an Frankreich nehmen die Deutschen sonderbar persönlich. In Wirklichkeit ist Berlin aber isoliert und steht ohne Lösung für die vertrackte Situation da. Denn klar ist, dass die Reformen nach deutschen Vorbild nicht wirken, solange es keinen Dummen gibt, der die Überschüsse finanzieren will. 

Die politische Debatte läuft längst in eine andere Richtung und an jenen vorbei, die den Wettbewerb als Wettkampf der Nationen missverstehen. Je klarer das Scheitern von Merkel in der Eurokrise wird, desto schriller und chauvinistischer fallen die Reaktionen von deutscher Seite aus. Diese schlechte Tradition haben die Deutschen erneut entdeckt, nachdem sie sich mal wieder zu Opfern erklärten.

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Brüssels Vorschläge in der Krise

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Die Europäische Kommission hat den Mitgliedsstaaten ein Zeugnis ausgestellt. Nach übereinstimmenden Medienberichten komme Deutschland dabei mal wieder besonders gut weg. Während Staaten wie Frankreich und Spanien „Milde“ erfahren und gleichzeitig zu Reformen aufgefordert werden, spricht Brüssel der deutschen Regierung lediglich Empfehlungen aus.

Das Land solle mehr für die Binnennachfrage tun und etwa die Belastung von Geringverdienern durch hohe Steuern und Sozialabgaben ändern. „Deutschland sollte mehr tun, um die auf Niedriglöhne erhobenen hohen Steuern und Sozialabgaben zu verringern“, heißt es im Originaltext der Kommission. Von höheren Löhnen ist aber nicht die Rede, dafür eine Feststellung, die alle Medien bewusst überlesen.

Die Reallöhne liegen zwar nach wie vor unter dem Stand von 2000, was zum strukturellen Rückgang der Arbeitslosenquote von 8 % auf 5,5 % beigetragen hat, doch hat seitdem bei den Reallöhnen ein dynamisches Wachstum eingesetzt, ohne die Wettbewerbsfähigkeit zu beeinträchtigen. Gleichzeitig haben die Lohndisparitäten zugenommen.“

Sinkende oder stagnierende Reallöhne seit mehr als zehn Jahren sind gut, haben dummerweise aber auch Auswirkungen auf die Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen. Deshalb sollen die Preise sinken, damit sich Geringverdiener auch etwas leisten können, meint die Kommission.

„Deutschland sollte stärker an der Öffnung des Dienstleistungssektors arbeiten, indem ungerechtfertigte Beschränkungen und Marktzutrittsschranken abgeschafft werden, was das Preisniveau senken und Dienstleistungen für die unteren Einkommensgruppen bezahlbarer machen wird.“

Hier wird das neoliberale Dogma konsequent zu Ende gedacht. In Deutschland aber wird auch darüber gelacht. Finanzminister Schäuble behauptet einfach steif und fest, dass die Binnennachfrage zuletzt deutlich gestiegen sei und die deutschen Verbraucher kaufen würden, was das Zeug hält, was nachweislich einfach nicht stimmt.

Beim Sparen sei Deutschland aber weiterhin ein Musterschüler. Dieses Lob greifen deutsche Medien nur allzu gern auf, ohne darauf zu verweisen, dass die günstigen Refinanzierungsbedingungen des deutschen Staates eine direkte Folge der Eurokrise und der von Deutschland aus immer wieder angeheizten Spekulation gegen südeuropäische Länder sind.

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Seitenwechsler haben immer Konjunktur

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Die Kanzlerin hat sich schützend vor ihren Kanzleramtsminister von Klaeden gestellt und dessen Entscheidung, als Cheflobbyist zum Daimler-Konzern zu wechseln, demonstrativ verteidigt. Als Staatsministerin Hildegard Müller zum Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft wechselte, 2008 war das, habe der damalige Koalitionspartner SPD auch nichts Anstößiges daran gefunden, so Merkel trotzig in Berlin. „Was damals galt, sollte auch heute gelten.“ Schließlich habe sie ja keinen Lobbyisten eingestellt, sondern einen Politprofi, gell.

Der Verweis auf den Wechsel Müllers ist natürlich taktisch klug von Merkel, um die keifenden Sozialdemokraten und Grünen, deren Ex-Minister und Abgeordnete nach der rot-grünen Ära reihenweise die Drehtür in die Wirtschaft nutzten, vorzuführen. Im Kern zeigt das Theater aber die infantile Arbeitsweise von Kanzlerin, Regierung und politischer Opposition. Natürlich ist der Vorgang anstößig, nur versucht die Kanzlerin das mit einem durchaus berechtigten Gegenvorwurf an die nicht minder korrupten Karrieristen aus der Opposition herunterzuspielen.

Die Begründung von Regierungssprecher und natürlich auch Seitenwechsler Seibert ist allerdings hanebüchen. Er behauptet in naiver Weise, dass der Staatsminister nie in Entscheidungen zur Autoindustrie involviert gewesen sei und für völlig andere Arbeitsschwerpunkte, etwa den Bürokratieabbau sowie die Bund-Länder-Koordinierung zuständig war. Ein klares Ablenkungsmanöver. Denn von Klaeden ist für Daimler nicht wegen seiner Arbeitsschwerpunkte interessant, sondern wegen seines Netzwerkes, das er als Abgeordneter des Bundestages seit 1994 und Mitglied des Bundesvorstandes der CDU aufbauen konnte.

Umgekehrt müsste man ja fragen, warum und durch was von Klaeden für einen hoch dotierten Posten bei einem deutschen Autobauer geeignet ist. Der Mann ist gelernter Parteisoldat mit Ausbildung zum Juristen, aber ohne Berufserfahrung, der seit fast 20 Jahren im Bundestag herum sitzt. In dieser Zeit hat von Klaeden sicher die ein oder anderen Kontakte knüpfen können, von denen Daimler gern profitieren möchte. Herr Seibert aber versucht die Leute für dumm zu verkaufen, während seine Chefin Merkel auf Verharmlosung durch kindische Vergleiche setzt.

Übrigens ist der ehemalige Pressesprecher der rot-grünen und Großen Koalition mit SPD Parteibuch, Thomas Steg, heute Cheflobbyist bei Volkswagen. Bei diesem Herrn habe ich mal versucht zu studieren, es aber nie geschafft, weil er für seine Funktion als Dozent an der Universität Hannover nie Zeit gefunden hat. Alle Seitenwechsler im Überblick finden sie sehr schön chronologisch geordnet bei Lobbypedia.

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Merkels geballte Fotoshow

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Die in den letzten Tagen und Wochen zusammen geknippste Fotoshow der Bundeskanzlerin ist heute Thema auf den NachDenkSeiten und bei Volker Pispers, der sich vor Schreck gleich mal in die Sommerpause verabschiedet.

Wenn man sich den Terminkalender der Kanzlerin so ansieht, meint Wolfgang Lieb, dann fragt man sich, wann die Kümmerin eigentlich noch Zeit hat, ihre Regierungsarbeit zu erledigen – das ginge eigentlich nur noch im Schlaf, so Lieb.

Doch wir wissen ja von den knallhart nachfragenden Brigitte-Redakteurinnen, dass die Kanzlerin kamelartige Fähigkeiten besitzt und schon mal eine Nacht durchmachen kann. Aber, und hier kommt Pispers ins Spiel, die Merkel würde sich niemals mit einem Fan-Schal erwischen lassen, bevor nicht klar ist, wer gewonnen hat. Was zählt, ist die Einschaltquote und natürlich die Beliebigkeit.

„Mal bin ich liberal, mal bin ich konservativ, mal bin ich christlich-sozial. Und das macht die CDU aus.“

Sie kann sich halt nicht entscheiden und trägt lieber die doppelte und dreifache Meinung mit sich herum, fordert von anderen aber, einen klaren Entschluss zu fassen. Die doppelte Staatsbürgerschaft lehnt sie zum Beispiel weiterhin ab, ist aber gleichzeitig für eine geistige Offenheit gegenüber Migranten. Offen müsse man auch mit Blick auf die Bedürfnisse der deutschen Automobilindustrie sein. Denn von großen schweren Fahrzeugen, die erwiesenermaßen die Luft verpesten, hängt die Leistungsfähigkeit der deutschen Wirtschaft ab. Arbeitsplätze stehen auf dem Spiel, jammert VDA-Präsident Matthias Wissmann, immerhin Ex-Bundestagsabgeordneter der CDU und zweifacher Bundesminister, der Kanzlerin in einem Brief vor, falls die geplanten CO2-Grenzwerte der EU Anwendung fänden. 

Und weil das so ist, wechselt nun auch der Staatsminister im Bundeskanzleramt, Eckart von Klaeden, zum Jahresende als Cheflobbyist zu Daimler. Die Entscheidung sei ihm schwergefallen, schluchzt der Niedersachse ebenfalls in einem Brief an seinen Hildesheimer Kreisverband. Dabei setzt von Klaeden nur eine schäbige Tradition des munteren Bäumchen-wechsel-dich-Spiels fort, das freilich nach Korruption stinkt. Aber das wird auf dem nächsten Foto sicher wieder weggelächelt.

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TV-Tipp: Neues aus der Anstalt

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Nach der Bundestagswahl will sich Bundeskanzlerin Angela Merkel für tarifliche Mindestlöhne einsetzen. Sie sagt: „Wir haben ja auch bei der FDP gesehen, dass dort ein verändertes Denken um sich greift.“ Klingt nachvollziehbar, denn zurzeit regiert sie mit denen ja nicht. Wählen sie daher schon jetzt politisch unkorrekt.

Zukunft Durch Fernsehen (ZDF)

Und hier der Wahlwerbespot, der sie überzeugt.

Neues aus der Anstalt läuft wieder am kommenden Dienstag um 22:15 Uhr im ZDF, live und direkt nach dem heute journal. Als kabarettistische Experten der Forschungsgruppe Wahlen sind Christian Ehring, Andreas Rebers und Arnulf Rating zu Gast.

Quelle: ZDF

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Jubel in Leipzig und in Kassel

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Heute feiert die Sozialdemokratie ihren 150. Geburtstag und ein im Mai 2007 geborener Kläger vor dem Bundessozialgericht einen Erfolg, der ohne die SPD nicht denkbar wäre. Dem inzwischen Sechsjährigen steht nämlich ein Jugendbett als Erstausstattung im Rahmen der in Leipzig noch einmal ausdrücklich von allen Seiten gelobten Hartz-IV-Gesetzgebung zu. Allerdings ist noch nicht klar, ob auch die Anschaffungskosten in Höhe von 272 Euro angemessen sind. Denn das muss nun jenes Sozialgericht entscheiden, das dem jungen Kläger zuvor die Bewilligung von Leistungen für ein “Jugendbett” mit Lattenrost auf Grundlage der in Leipzig noch einmal von allen Seiten so gelobten Hartz-IV-Gesetzgebung rechtswidrig versagt hatte.

Beim Festakt im Leipziger Gewandhaus spielen solche in der Sache und Juristerei widersprüchlichen Einzelschicksale freilich keine Rolle. Der 150. Geburtstag der “alten Tante” SPD wurde wie erwartet dafür missbraucht, um ein weiteres Mal die krachend gescheiterte Agenda-Politik als bahnbrechenden Erfolg zu würdigen.

SPD_150_Neu

Hier ziehen der Parteivorsitzende Sigmar Gabriel und dessen heimliche Kanzlerkandidatin, die in Leipzig ganz selbstverständlich neben ihm in der ersten Reihe Platz genommen hatte, an einem Strang. Denn was der ganz links im Bild abgeschnittene Altkanzler Schröder begann, setzt Angela Merkel mit Hilfe von lauter Sozialdemokraten um sie herum in Europa und Deutschland auf brutale Weise weiter um. Sie alle wissen, was angemessen ist für Europa, Deutschland und vor dem Sozialgericht klagende Windelträger, die bis zu einer richterlichen Entscheidung längst aus Betten und knappen Regelsätzen hinaus- und in die von der SPD zu verantwortende Armut dauerhaft hineingewachsen sind.

Es braucht offensichtlich drei Jahre und mehrere Gerichte, um festzustellen:

Der Bedarf nach einem neuen Bett sei lediglich wegen des Wachsens des Klägers entstanden.

In diesem von Richtern formulierten einfachen und für jeden verständlichen Satz drückt sich der unbeschreibliche Erfolg der von allen Seiten so gelobten und einzig noch lebenden Agenda-Reform aus. Dafür hat die SPD 150 Jahre gekämpft. Chapeau.

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Wirtschaft in der Krise

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Die deutsche Wirtschaft steckt in der Krise. So müssten die Schlagzeilen heute eigentlich lauten. Doch nach Veröffentlichung der Quartalszahlen zur Entwicklung des Bruttoinlandsprodukt lauten sie anders. Deutschland entgeht nur knapp der Rezession, Neuer deutscher Optimismus verhindert Rezession usw. Dabei ist die deutsche Wirtschaft nach einem heftigen Einbruch im Schlussquartal 2012 (-0,7 Prozent) in den ersten drei Monaten des neuen Jahres gerade mal um mickrige 0,1 Prozent gewachsen. Schaut man sich die Gesamtentwicklung an, kann man gut und gerne von einer Stagnation sprechen. Seit dem zweiten Quartal 2012 gibt es kaum noch positive Impulse.

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Quelle: Statistisches Bundesamt

Dennoch heißt es im ersten Satz der Meldung vom statistischen Bundesamt: Die deutsche Wirtschaft nimmt nur langsam wieder Fahrt auf. Eine Begründung für die kühne These liefert das Amt nicht. Von Fahrt aufnehmen, kann überhaupt keine Rede sein. Denn wie die Behörde selbst mitteilt, mussten die Daten des vergangenen Jahres nach unten revidiert werden. Am 22. Februar war in der ausführlichen Betrachtung von Q4/2012 noch von einem Rückgang um 0,6 Prozent die Rede (110,73 Indexpunkte). Nach der Neuberechnung liegt der Indexwert bei 110,61 und das erste Quartal 2013 bei 110,68 Indexpunkten. Weil also das letzte Quartal 2012 noch etwas schlechter ausfiel als ursprünglich berechnet, gibt es zum Start in 2013 keinen Rückgang der Wirtschaftsleistung.

Diesem rechnerischen Trick ist es also zu verdanken, dass man nun schon wieder verhalten optimistisch in die Zukunft blickt. Die Verbraucher sollen es angeblich mit ihrer Kauflaune herausgerissen haben. Gut gelaunt waren sie vielleicht, aber gekauft haben sie nicht viel, wie der Rückgang bei den Einzelhandelsumsätzen klar beweist.

Ganz anders sieht die Berichterstattung mit Blick auf den Rest der Eurozone und vor allem Frankreich aus. Das Land hat im zweiten Quartal in Folge einen Rückgang seiner Wirtschaftsleistung um 0,2 Prozent zu verzeichnen. Hier mosern deutsche Medien natürlich über den mangelnden Reformeifer, der für die ebenso klare Rezession verantwortlich gemacht wird. In der Summe beider Quartale dürfte Deutschlands Wirtschaft aber wesentlich stärker geschrumpft sein als die Französische. Doch halten wir uns nicht mit Nebensächlichkeiten auf. Fakt ist, dass sich Deutschland vom Rest Europas nicht einfach abkoppeln kann, sondern ebenso auf eine Depression zusteuert.

Die verspätete Nation will das nur noch nicht wahrhaben und glaubt mit ihrem politischen Spitzenpersonal fest an einen Turnaround. Das ist vor der Wahl auch nicht anders zu erwarten. Doch Belege dafür gibt es keine. Die Nachfrageschwäche aus dem Ausland wird weiter anhalten. Sie schlägt sich bereits jetzt in der für Deutschland so wichtigen Exportstatistik nieder. Bleibt also nur die ‚Binnennachfrage. Doch wie oben bereits erwähnt, klafft eine große Lücke zwischen angeblicher Kauflaune (Anspruch) und tatsächlichem Konsumverhalten (Wirklichkeit). Das sich an diesem Verhältnis auf absehbare Zeit etwas ändert, ist im Land mit dem blühenden Niedriglohnsektor zumindest zweifelhaft.

PS: EU-Kommissionspräsident Barroso hat übrigens die Reformpolitik Frankreichs gerügt und eine Duldung der Verletzung der Defizitgrenze an die Bedingung eines glaubwürdigen Reformprogramms geknüpft. Ganz im Sinne von Merkel und Schäuble fordert nun auch die EU-Spitze, dass die zweitgrößte Wirtschaft der Eurozone jene Medizin einnehmen solle, die Europa dahin geführt hat, wo es jetzt steht. Im Rezessionsschlamassel. Komisch ist nur, dass der gleiche Barroso für die anderen Staaten, die schon nicht mehr können, wegen offensichtlicher Erfolglosigkeit ein Ende des Spardiktates verlangt. Wirklich frech ist aber der Satz von Barroso:

“Die Wahrheit ist, dass Frankreich seine Wettbewerbsfähigkeit in den vergangenen 20 Jahren verloren hat.”

Die Wahrheit ist, dass sich Frankreich als einziges Land der Eurozone an den Stabilitäts- und Wachstumspakt und die Einhaltung des Inflationsziels gehalten hat.

Quelle: Hans Böckler Stiftung

Eigentlich müsste Barroso Deutschland rügen, weil es die Eurozone systematisch ausnutzt und fortwährend die vereinbarten Regeln bricht, um sich auf Kosten der anderen Wettbewerbsvorteile zu sichern.

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