Neoliberale Pfeifen können es nicht lassen

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Der Bundes-Gauck und zahlreiche Medien, wie etwa die Frankfurter Allgemeine bewundern Lettland, das demnächst gegen den Willen seiner eigenen Bevölkerung der Eurozone beitreten wird, für seine wirtschaftliche Entwicklung. Klaus-Dieter Frankenberger schreibt in der FAZ:

Die Nachricht ist deswegen vergleichsweise schön, weil zum Jahresbeginn ein Land den Euro einführen wird, das nach einem scharfen Wirtschaftseinbruch als Folge der Finanzkrise ein erfolgreiches Gesundungsprogramm absolviert hat, das also ein Beispiel dafür ist, dass die Kombination von strenger Haushaltsdisziplin und Wirtschaftsreformen durchaus funktioniert.

Dieses Wachstum stärkt, auch das ist eine nette Begleiterscheinung, die Fraktion derer, die solide Staatsfinanzen nicht für wachstumsfeindlich oder für eine deutsche Obsession halten.

So ähnlich hat sich auch der Bundespräsident auf seiner Reise durchs Baltikum ausgedrückt. Doch was ist dran an der Behauptung, Lettland habe ein erfolgreiches Gesundungsprogramm absolviert und Haushaltsdisziplin mit Reformen kombiniert? Lettland musste mit Ausbruch der Finanzkrise im Jahr 2008 den stärksten Wirtschaftseinbruch aller EU-Staaten hinnehmen (-4,6 Prozent und –18 Prozent im Jahr 2009). Die Arbeitslosenquote stieg auf 21 Prozent. Es folgte ein radikales Kürzungsprogramm, das bei einigen hierzulande offenbar die Freudentränen in die Augen treibt. Rund 30 Prozent der Beschäftigten im öffentlichen Dienst wurden entlassen und dem Rest das Gehalt um 40 Prozent gekürzt.

Ob so ein Gesundungsprogramm Herr Frankenberger von der FAZ auch akzeptieren würde? Er würde wohl auswandern und genau das taten auch rund 340.000 Letten. Das sind etwa 14 Prozent der Gesamtbevölkerung, die der baltische Staat seit dem Jahr 2000 verlor. Die Arbeitslosenrate sank also, weil die Menschen fluchtartig das Land verließen. Wären diese Menschen noch da, es gäbe nichts zu bejubeln für die neoliberalen Pfeifen aus der FAZ und dem Schloss Bellevue. Lettland gehört zwar zu den Staaten der EU, in denen die Wirtschaft am rasantesten wächst. Allerdings nimmt auch die Armut im Vergleich am schnellsten zu. Weit über 20 Prozent der lettischen Bevölkerung leben unterhalb der Armutsgrenze oder müssen erhebliche materielle Einschränkungen in Kauf nehmen.

Die Behauptung, da hätte etwas funktioniert, stimmt auch aus ökonomischer Betrachtung nicht. Fakt ist, dass ein völlig normaler Aufholprozess der lettischen Wirtschaft nach dem Einbruch stattgefunden hat. In Deutschland war das auch zu beobachten. Dennoch ist das Vorkrisenniveau längst nicht erreicht. Preisbereinigt lag das lettische BIP 2012 um etwas mehr als 12 Prozent unter dem Wert von 2007. Die aktuellen Wachstumsraten haben sich wie in den anderen Ländern Europas ebenfalls verlangsamt. Das Niveau bleibt also niedrig und die Leistungsfähigkeit insgesamt ist von der volkswirtschaftlichen Entwicklung der europäischen Partner abhängig, die ihrerseits mit Austeriätsprogrammen geknechtet werden.

Bei näherer Betrachtung fällt weiterhin auf, dass der lettische Staat gänzlich auf eine progressive Einkommenssteuer verzichtet und stattdessen das lineare Modell einer flat tax bevorzugt und vor allem auch Unternehmen und Kapital aus dem Ausland günstige Rahmenbedingungen bietet, die zuletzt im Fall Zyperns noch verteufelt wurden. Das Steueraufkommen und damit die Staatseinnahmen sind mit 27 bis 28 Prozent vom BIP dementsprechend niedrig (EU-Schnitt: 38,4 Prozent). Insgesamt ist die Steuergesetzgebung des Landes äußerst fragwürdig und sollte gerade aus Stabilitätsgesichtspunkten verstärkt unter die Lupe genommen werden. Wie sagte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble mit Blick auf Zypern so schön? Deren Geschäftsmodell sei gescheitert. Nun, Lettland betreibt ein ähnliches Modell, doch hier scheint die Bewunderung mal wieder zu überwiegen.

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Auf leisen Sohlen durchs Sommerloch

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Die Euro-Finanzminister haben am Montag ohne großes Tamtam eine weitere Tranche aus dem Euro-Rettungsschirm für Griechenland beschlossen. Trotz einer Regierungskrise in Athen und Auflagen, die offenkundig noch nicht erfüllt werden konnten, zeigt man sich in Brüssel gnädig. Wo früher wochenlang eine Auszahlung infrage gestellt wurde und landauf landab Politik und Medien die Griechen vor die Wahl stellten, endlich Reformen durchzuziehen oder aus dem Club auszuscheiden, hört man heute gar nichts mehr. Stattdessen beschäftigen sich die Kommentatoren mit dem Papst, der in Lampedusa einen bedeutungslosen Kranz ins Meer geworfen hat.

Statt einer kritischen Betrachtung der Finanzkrise, die durch weitere Zuspitzungen in Griechenland, Zypern, Portugal und Spanien gekennzeichnet ist, wird der deutsche Leser mit dem Papst bei Laune gehalten. Auftrag verfehlt!

Mit seinem Appell an die Nächstenliebe habe der neue Popstar der Katholischen Kirche der EU einen Spiegel vorgehalten, ist scheinkritisch zu lesen. Das beeindruckt die schreibende Zunft. Eher beiläufig wird erwähnt, dass die Griechen bitte, aber doch rasch, 4200 Beschäftigte im öffentlichen Dienst in eine Transfergesellschaft versetzen sollen, um den Auflagen der Troika zu entsprechen. Bundesfinanzminister Schäuble spricht in diesem Zusammenhang von Problemen, die es zu lösen gilt. Deshalb hat er auch auf eine Auszahlung in Raten bestanden, die wie immer auf einem Sperrkonto landen sollen, zu dem der griechische Staat selbst keinen Zugang hat, sondern nur seine Gläubiger, die es, und das ist der Sinn der ganzen Übung, ohne große Schrammen rauszuhauen gilt.

Bluten müssen andere. Was allerdings der Massenrausschmiss von 4200 Mitarbeitern im öffentlichen Dienst, um nichts anderes geht es ja, mit einer nachhaltigen Reform zu tun hat, lassen Schäuble und die ihn nicht fragenden deutschen Medien mal wieder offen. Zu den sogenannten Auflagen gehörte nämlich die Zustimmung Griechenlands, in vier Jahren 150.000 Stellen im Staatsdienst streichen zu müssen. Aber auch davon liest man schon lange nichts mehr, sondern nur von der nachgeplapperten Regierungsansicht, der öffentliche Dienst sei grundsätzlich zu aufgebläht.

Weiterhin ist zu lesen, dass vor allem Österreich und Frankreich auf eine schnelle Einigung gedrungen hätten. Allerdings hat auch die wahlkämpfende Bundeskanzlerin ein Interesse daran, möglichst ohne weiteren Krisengipfel durch den Sommer und zur anstehenden Bundestagswahl zu kommen. Eine kontroverse Debatte im Deutschen Bundestag wird es deshalb nicht geben. Vielmehr soll der Haushaltsausschuss über die Freigabe der sogenannten Hilfen entscheiden.

Dass die Krisenpolitik von Merkel, Schäuble und Co in vier Jahren Schwarz-Gelb krachend gescheitert ist, liest man ebenfalls nicht. Vielleicht helfen Bilder über die volkswirtschaftliche Entwicklung ausgewählter Krisenstaaten, um zu verstehen, was Merkel in ihrer Regierungserklärung vom 27. Juni meinte, als sie sagte:

“Wir haben gezeigt, wir können das!” 

BIP Griechenland (Quelle: Eurostat)

BIP_Griechenland

BIP Spanien

BIP_Spanien

BIP Portugal

BIP_Portugal

BIP Italien

BIP_Italien

BIP Zypern

BIP_Zypern

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Sozialversicherung nach Kassenlage

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Die Bundesagentur für Arbeit sorgt sich um ihre Finanzen, falls die Krise in mittlerer Stärke wieder zuschlagen sollte. Der Zeitpunkt des Aufschreis ist bemerkenswert, zeigt er doch, dass selbst die führenden Köpfe in der BA mit einer neuerlichen Zuspitzung rechnen, obwohl sie nach außen hin Gelassenheit demonstrieren und den Arbeitsmarkt wie auch das wirtschaftliche Umfeld gebetsmühlenartig als robust bezeichnen.

Bis zum Jahresende sollen die Rücklagen auf rund 1,7 Milliarden Euro sinken, heißt es. Damit wäre ein weiteres Programm zur Finanzierung von Kurzarbeit und ergänzender Maßnahmen, das zwischen acht und elf Milliarden kosten würde, nicht machbar, sagt Peter Clever, stellvertretender Verwaltungsratsvorsitzender. Er verlangt daher ein klares Bekenntnis der Bundesregierung zur BA in Krisenzeiten. Doch kaum jemanden interessiert die Frage, warum es noch einmal zu einer Krise kommen sollte. Es interessiert sich von der schreibenden Zunft auch niemand für die Frage, warum die BA beim Bund eigentlich um Zuschüsse betteln muss. Sind etwa die Beiträge, die in den vergangenen Jahren permanent unter dem Vorwand des Überflusses gesenkt wurden, nicht ausreichend, um Krisenszenarien zu überstehen. Und warum ist die Finanzierung von Kurzarbeit das einzige Krisenrezept? Wo bleibt die Forderung nach einem Beschäftigungsprogramm oder einer antizyklischen Intervention des Staates mittels Konjunkturprogramm?

Wir haben keine Krise, sagt die Regierung. Merkel meint, das Land sei stärker aus der Krise herausgekommen als es hineingegangen ist. Der nächste Einbruch der Wirtschaft wird die politisch Handelnden, egal in welcher Farbkonstellation sie auch nach dem Wahltermin im September zusammenarbeiten werden, erneut wie ein Spring-ins-Feld-Teufel überraschen. Die Leugnung einer Rezession vor der Bundestagswahl ist praktische Übung und war nicht anders zu erwarten. Die Eingliederung der Arbeitslosenversicherung in das Bundesfinanzministerium ist allerdings ein Skandal, den die Versicherten, die zu Recht Leistungen im Krisenfall einfordern, nicht hinnehmen sollten. Dass der Ausgleich für die Senkung der Beiträge (160 Milliarden Verlust), von denen nur die Arbeitgeber wirklich profitieren, über Steuern laufen muss, macht die Bundesagentur für Arbeit zu einem bloßen Werkzeug der Bundesregierung. Sie bestimmt über den Haushalt und damit über Maßnahmen, die finanziert werden dürfen. Dass dabei immer mehr Versicherte mit Vermittlungshemmnissen auf der Strecke bleiben, ist politischer Wille, aber nicht mit dem Versicherungsprinzip vereinbar.

Wer darüber hinaus Krisen verhindern will, muss selbst aktiv werden, anstatt sich schmarotzend auf die Konjunkturprogramme anderer Staaten zu verlassen und bis dahin Kurzarbeit endlos zu finanzieren. Deutschland profitierte 2008/2009 weniger von der eigenen Wirtschaftspolitik als von der befreundeter Handelspartner. Wenn sich Ausspähen unter Freunden nicht gehört und inakzeptabel ist, dann aber auch das einseitige Nehmen auf Kosten anderer im volkswirtschaftlichen Sinne. Die Zinsen sind niedrig. Nie war es günstiger Schulden zu machen, um die Konjunktur zu stimulieren. Gerade Deutschland müsste fiskalpolitisch sehr viel mehr tun, um die Krise in Europa zu beenden und einer Verschärfung der Lage auch hierzulande vorzubeugen.

Das Senken von Beiträgen zur Sozialversicherung ist dabei ein Irrweg, da sich die angeblichen Entlastungen immer nur negativ auf den Leistungskatalog auswirken und nicht, wie behauptet, stimulierend auf die Konjunktur. Die Arbeitnehmer sind verunsichert, weil sie nicht wissen, ob sie ausreichend abgesichert sind und halten sich mit Konsum und Forderungen nach mehr Lohn eher zurück. Die Arbeitgeber sind dagegen glücklich über Lohnkosten, die sie nicht zu zahlen brauchen. Investiert wird unter diesen Voraussetzungen allenfalls am Kapitalmarkt, da die Nachfrage aus der realen Wirtschaft fehlt. Das führt am Ende zu jener Krise, die die Bundesagentur offenbar erwartet, auch wenn sie offiziell behauptet, alles sei robust.

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Zeichen stehen weiter auf Rezession

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Ende Juni jubelten die Medien über die gestiegenen Umsätze im Einzelhandel, die scheinbar zu den Weissagungen der GfK passen sollten. Ein Sonderfall, denn meistens bestätigen die Daten aus Wiesbaden die gemessene Kauflaune aus Nürnberg nicht und weisen eher Rückgänge und Stagnation aus. Dann interessieren sich aber auch die Medien nicht dafür. Sie orientieren sich streng an den Schönwetterzahlen des GfK-Konsumklimaindex. Nun gab es aber die Gelegenheit, im Angesicht eines leichten Aufwärtstrends beim privaten Verbrauch voller Inbrunst das Lied über die gute konjunkturelle Lage anzustimmen. Deutschlands Wirtschaft und den konsumierenden Menschen gehe es gut. Deutschland trotze der Krise usw. Dabei ist Deutschland nur dasjenige Land der EU, welches im Moment am wenigsten von der grassierenden Finanz- und Wirtschaftskrise in Europa betroffen ist.

Der sogenannte Musterschüler ist von der Krise keineswegs ausgenommen. Das zeigt, wie heute das Statistische Bundesamt mitteilt, unter anderem ein starker Einbruch der Exporte im Monat Mai um 4,8 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat. Vor allem die Ausfuhren in die Länder der Eurozone gingen weiter zurück. Die volkswirtschaftliche Schwäche Frankreichs, des wichtigsten deutschen Handelspartners, schlägt voll durch und kann nicht mal eben so durch Exporte in Drittländer kompensiert werden. Das einseitig orientierte deutsche Wirtschaftsmodell wankt gewaltig, das belegen auch die weiter rückläufigen Auftragseingänge im Monat Mai, die vergangene Woche vom Bundeswirtschaftsministerium eingeräumt werden mussten.

Politik und Medien wollen das aber nicht als Zeichen einer Rezession verstehen, sondern setzen weiterhin auf positive Stimmungsmache oder konstruieren absurde Kausalzusammenhänge. Rainer Brüderle meinte gar gestern im Sommerinterview der ARD, dass der amtlich gemessene Rückgang der Reallöhne nur deshalb zustande gekommen sei, weil SPD und Grüne die Steuerpolitik der Regierung im Bundesrat verhindert hätten. Dabei nimmt das Wachstumstempo bei den Löhnen seit dem vergangenen Jahr kontinuierlich ab und verhält sich damit analog zur Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts und dem schwächelnden Arbeitsmarkt. Beides sind allerdings Größen, die weiterhin der Schönfärberei unterliegen.

Außerdem sind die Nominallöhne um 1,4 Prozent und die Verbraucherpreise um 1,5 Prozent gestiegen. Würde die Inflation normal, wie in der Eurozone vereinbart, bei zwei Prozent liegen, sehe es noch düsterer an der Lohnfront aus. Betrachtet man die Langzeitentwicklung bei den Löhnen kann von einer Stütze der Konjunktur durch privaten Verbrauch keine Rede sein. Die Indikatoren zeigen also ganz klar in Richtung Rezession, die es freilich vor dem Wahltermin im September nicht geben darf. Die Frage ist nur, ob die Medien endlich ihren Job erledigen und das Scheitern dieser Regierung beim Namen nennen oder ob es ihnen besser gefällt, in Seifenoper-Manier und losgelöst von politischen Inhalten lediglich über Koalitionskonstellationen zu fabulieren.

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Nicht garantieren sondern wieder versprechen

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Vergangene Woche hat die Allianz angekündigt, Lebensversicherungen ohne Garantieverzinsung unter der schönen Bezeichnung „Perspektive“ anzubieten. Dabei setzt der Konzern mit Hilfe der Medien auf eine Mogelpackung, die angeblich mehr Sicherheit durch einen Wegfall von Garantien bietet. In Wahrheit will man wieder mehr Risiko bei Vorsorgeprodukten salonfähig machen, um weniger Eigenkapital für garantierte Verträge vorhalten zu müssen.

Die historische Niedrigzinsphase lastet auf den Versicherungskonzernen, die mit Lebensversicherungen und Riester-Verträgen, gestützt von Politik und Medien, den Menschen eine trügerische Sicherheit im Alter vorgaukeln. Mit der Garantieverzinsung sollte dieser Anspruch der privaten Altersvorsorge untermauert werden. Ein Kostenproblem, wie sich nun zeigt, wenn das allgemeine Zinsniveau unter der des Garantiezinses liegt. Etwas Neues muss also her, um das Geschäft mit der Altersvorsorge zu retten oder neu zu beleben.

Die jüngste Produktoffensive der Allianz ist aber nicht als Satire gekennzeichnet. In der Packungsbeilage heißt es, dass der Versicherte mit der neuen Police sogar besser fahren könnte, als mit herkömmlichen Verträgen. Schließlich wisse heute niemand, wie sich das Zinsniveau in 20 oder 30 Jahren entwickeln werde. Sollte es höher liegen, wovon die Spezialisten in München mit Rückendeckung der BaFin offensichtlich ausgehen, könnte die Allianz ihren Kunden auch eine höhere Monatsrente versprechen, was bei Verträgen mit der üblicherweise geltenden Garantieverzinsung nicht möglich ist. Da muss man schließlich eine Summe X garantieren.

Versprechen sind eben etwas anderes als Garantien. Mit diesem Zaubertrick versucht die Allianz zu beeindrucken oder einfach Scheiße in Gold zu verwandeln. Beim Versicherungskonzern heißt das Nullprozent-Garantie, die nach Auffassung der Finanzgenies mehr Sicherheit biete. Unterm Strich verzichtet der Kunde auf einen Garantiezins, um laut Aussage der Allianz am Ende der Vertragslaufzeit dann doch mehr Rendite einstreichen zu können. Wasserdicht sei das neue Produkt, so das Management.

Wie der Hokuspokus funktioniert, dürfte klar sein. Wenn die Versicherungsmafia keinen Zins mehr garantieren muss, kann sie wieder vollmundig Renditen versprechen, die durch riskantere Anlagen wie Aktien oder Hedgefonds zu Stande kommen sollen. Angesichts der anhaltenden Niedrigzinsphase habe man unter potenziellen Allianz-Kunden dann auch mehr Bereitschaft zum Risiko ausgemacht. Natürlich muss man das in Zeiten der Finanzkrise und der vielleicht noch nicht ganz verblassten Erinnerung an verlorene Anlagen und geplatzte Zukunftspläne auch hierzulande (Stichwort: Lehman Zertifikate) etwas vorsichtig angehen. Die Allianz verspricht aber und garantiert nicht, dass die Mogelpackung von den hauseigenen Beratern so verständlich wie möglich den künftigen Opfern des Konzerns vorgetragen werde.

Die Provisionen bleiben übrigens in dem einen wie dem anderen Fall, für den sich der Kunde entscheidet, gleich, beteuert die Allianz. Ob sie dem Kunden aber auch verrät, dass diese sowie die Vertriebskosten vom Sparbeitrag abgezogen werden, was wiederum das ganze Unterfangen private Altersvorsorge eher unattraktiv macht, darf bezweifelt werden.

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Verbohrte Ideologie

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Peer Steinbrück und sein Schattenkabinett wollen im Falle eines Wahlsieges 80 Milliarden Euro jährlich für Investitionen zur Verfügung stellen. Der kühne Plan soll sowohl vom Staat als auch von der Privatwirtschaft finanziert werden, der Steinbrück ein Beteiligungsmodell über Fonds zu festen Renditen anbietet. Was für ein Quatsch, nur um den Eindruck zu vermeiden, die SPD wolle mehr Schulden machen („Unsere Zukunftsinvestitionen dürfen nicht durch neue Staatsverschuldung erkauft werden“).

Dabei wäre die Aufnahme von neuen Schulden für ein derartiges und dringend benötigtes Konjunkturprogramm im Augenblick, da Deutschland als der sicherste Hafen für Anleger gilt, sehr viel günstiger als weitere öffentlich-private Partnerschaften einzugehen und feste wie teure Renditen zu versprechen. SPD und Grüne sind ebenso Gefangene des von ihnen mitbeschlossenen Schuldenbremsenirrsinns wie eine Öffentlichkeit, die nicht wahrhaben will, das ohne Schulden nun mal nichts läuft in einer Volkswirtschaft.

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Jugend ohne Gegenwart und ohne Zukunft

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Wir brauchen höhere Steuern und höhere Schulden, um der Jugend, die ihrer Gegenwart bereits beraubt wurde, nicht auch noch die Zukunft zu nehmen.

So eine Forderung ist unpopulär und wird mitunter als widersinnig angesehen, da alles und jeder in dieser Gesellschaft wie in der Politik nach ausgeglichenen Haushalten strebt. Eine schwarze Null ist das Pfund, mit dem beispielsweise die amtierende Bundesregierung wirbt. Im nächsten Jahr soll es wieder soweit sein, Krise hin oder her. Sie habe Konsolidierung und Wachstum gleichermaßen zustande gebracht, heißt es aus dem schwarz-gelben Heißluftballon. Im Gegensatz dazu seien höhere Steuern schlecht fürs wirtschaftliche Umfeld und mehr Schulden schlecht für künftige Generationen.

Doch haben auch ausgeglichene Haushalte und das permanente Suchen nach einer Begrenzung staatlicher Ausgaben ihren Preis, den jemand bezahlen muss. Das wird immer verschwiegen, wenn Politiker, die über den Staatshaushalt bestimmen, rein betriebswirtschaftlich denken. Die schwarze Null in Deutschland, wenn sie denn kommt, ist teuer erkauft. Was in der Bilanz nach Stabilität aussieht, bröckelt in der realen Welt als Putz sprichwörtlich von den Wänden. Bund, Länder und Kommunen schieben einen riesigen Investitionsbedarf bei Straßen, Schulen und sozialen Einrichtungen vor sich her. So hübsch die Zahlen auch sein mögen, sie können nicht über die maroden Zustände der öffentlichen Infrastruktur hinwegtäuschen. Auf die ist die Jugend von heute wie auch in der Zukunft aber angewiesen.

Merkels Showgipfel

Die Probleme in Deutschland werden als solche nicht gesehen, weil Selbstbeweihräucherung und Arroganz die Tagespolitik bestimmen. Es gilt beispielsweise als ausgemacht, auch bei der SPD, dass das überaus erfolgreiche deutsche Ausbildungssystem auf andere Staaten übertragen werden müsse, um die neuentdeckte Krise auf dem südeuropäischen Arbeitsmarkt zu bewältigen. Das ist irgendwie das Ergebnis von Merkels Showgipfel zur Jugendarbeitslosigkeit im Kanzleramt, der zwischen Revolution in Ägypten und gesperrten Lufträumen in der freien Welt stattgefunden hat. Man fragt sich nur, wie diese Länder bisher ihre Jugend ausgebildet haben und wie sie jahrelang für deren Beschäftigung sorgen konnten.

Was soll überhaupt der Quatsch, den Süden mit dem deutschen Ausbildungsmodell beglücken zu wollen? Die Menschen, die in Spanien, Griechenland oder Frankreich arbeitslos geworden sind, sind bereits bestens ausgebildet und qualifiziert. Ihr Problem ist doch nicht die Ausbildung oder die Tatsache, dass sie nie mit dem segensreichen deutschen Ausbildungsmodell in Kontakt gekommen sind, sondern die knallharte und sinnlose Kürzungspolitik einer deutschen Kanzlerin, bei der nicht einmal die NSA mit ahnungsloser Unterstützung des Verfassungsschutzes einen Standpunkt erschnüffeln würde.

“Frankreich hat zu viele Akademiker”

In deutschen Medien dominiert aber weiterhin der chauvinistische Irrsinn. Caren Miosga meint in den Tagesthemen über Frankreich. „Das Land hat zu viele Akademiker“. Im folgenden Bericht wird den Franzosen zum Vorwurf gemacht, dass sie fast 85 Prozent ihrer Schüler erst zum Abitur führen und dann zur Uni schicken, wo sie einen Abschluss machen, mit dem sie nichts anfangen können. Stattdessen sollten sie einen ordentlichen Handwerksberuf zum Beispiel in einer Pariser Metzgerei erlernen. Da schwingt wenig Analyse und viel Boshaftigkeit mit, die beim Zuschauer offenbar den Kurzschluss auslösen soll, dass die so oft kritisierte Bildungsselektion im Land der Dichter und Denker doch nicht so schlecht sein könne, wenn halb Europa dem deutschen Vorbild in Sachen Ausbildung folgen soll.

Von einem Monatsgehalt in Höhe von 2500 Euro, die ein Metzger in Paris als Berufseinsteiger verdienen soll (das wirkt beeindruckend, wenn man die Lebenshaltungskosten nicht kennt), können deutsche Azubis aber nur träumen. Hierzulande hat eine Fleischindustrie das Sagen, die sich auf Grundlage bestehender Arbeitsmarktgesetze Lohnsklaven aus Osteuropa halten kann. In anderen Branchen läuft es ähnlich. Der Fachkräftemangel in Deutschland korrespondiert mit einem Mangel an Lohnfairness auf Seiten der Arbeitgeber, für die sich günstige Gesetzeslagen und notleidende Menschen aus dem europäischen Süden betriebswirtschaftlich durchaus rechnen dürften.

Denn, so die Bundesarbeitsministerin, die Jugend des Südens solle im Idealfall in den Genuss eines dualen Ausbildungsmodells kommen, um zu jenen Fachkräften heranzureifen, die die Wirtschaft braucht. Da hat die Fachkraft für Selbstinszenierung in Merkels Horrorkabinett den richtigen Blickwinkel offenbart. Die Wirtschaft soll nicht den Menschen dienen, sondern die Menschen für die Wirtschaft ökonomisch verwertbar sein. Den Rest macht die Kosmetik in der Statistik unsichtbar.

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“In Europa richtet sich alles nach Muttis Zeitplan”

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Am Montag hat Bundeskanzlerin Angela Merkel eine Rede vor der Deutsch-Türkischen Handelskammer in Berlin gehalten und in Sachen EU-Beitritt gemeint, die Türkei sei am Zuge. Das Land müsse sich in entscheidenden Fragen wie dem Zypern-Konflikt bewegen. Nur wohin soll sich die Türkei bewegen? Etwa auf die Beliebtheitsstufe, auf der sich Angela Merkel und Deutschland seit geraumer Zeit befinden? Ende März zogen Schüler und Jugendliche in Nikosia mit einem Plakat durch die Stadt, auf dem stand: “Hitler, Merkel, the same shit”. Dazu wurde die Flagge der EU durchgestrichen.

Im Augenblick sieht es ja wieder so aus, als ob Merkel und die EU das kleine Land Zypern am liebsten über die Klinge springen lassen wollen. Denn wieder funktioniert ein von Angelas Finanzgenie Schäuble ausgehecktes Rettungspaket nicht. Das Drama geht weiter, schreibt Flassbeck. “Die „Rettung“ Zyperns war keine Rettung, sondern ein Untergangsszenario.”

Ich will mal sagen, der türkisch-zypriotische Konflikt um staatliche Anerkennung ist doch ein Witz gegenüber jenes finanzpolitischen Radikalfeldzuges, den Merkels Rettungsregime in Berlin und Brüssel vom Zaun gebrochen hat. Aber darum geht es ja nicht bei Merkel. Sie steckt mitten im Wahlkampf und verzichtet vorsorglich auf jene heiklen Entscheidungen, die sie auch ohne anstehende Bundestagswahl nicht getroffen hätte. Die anderen sollen sich bewegen. Erst dann kann sich Mutti an die Spitze setzen, getreu ihrem Motto: Mir nach, ich folge euch.

Die Bürgerproteste in der Türkei kommen Merkel gerade recht, um ein wenig Solidarität zu heucheln und einen Beitritt des Landes zur EU in Aussicht zu stellen, obwohl sie das laut ihrem “Regierungsprogramm” eigentlich und ziemlich deutlich formuliert gar nicht will.

“Eine Vollmitgliedschaft der Türkei lehnen wir aber ab, weil sie die Voraussetzungen für einen EU Beitritt nicht erfüllt. Angesichts der Größe des Landes und seiner Wirtschaftsstruktur wäre zudem die Europäische Union überfordert.” siehe Seite 119

Gleichzeitig kann die Bundeskanzlerin eine neuerliche Zuspitzung der Eurokrise nicht gebrauchen. Wenn die Türkei schon auf Beitrittsverhandlungen bis nach der Bundestagswahl warten muss, dann auch Zypern und Griechenland auf ein weiteres sogenanntes Rettungsprogramm. Alle haben bitteschön Rücksicht zu nehmen und ihre weniger wichtigen Befindlichkeiten und Existenznöte hintanzustellen. “Im „deutschen Europa“ richtet sich alles nach Muttis Zeitplan. Die große Frage ist nun, ob die EU es sich leisten kann, auf Deutschland zu warten.” (Quelle: Lost in EUrope).

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Ein realistisches Gemälde sieht anders aus

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Deutschlands Verbraucher sind in Kauflaune. Denn der Konsumklima-Index der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) befinde sich auf dem höchsten Niveau seit sechs Jahren. Grund genug für eine Jubelmeldung auf allen Kanälen. Damit, so schreibt beispielsweise der berichtende Deutschlandfunk hier, bleibe der private Verbrauch eine wichtige Stütze der Wirtschaft. Diese Aussage ist falsch, weil die Kauflaune die Laune misst und nicht den tatsächlichen Verbrauch.

Es ist immer wieder erstaunlich, mit welcher konstanten Einfältigkeit und Sturheit Zusammenhänge herbeikonstruiert werden. Die GfK misst nach eigener Aussage eine Neigung, die regelmäßig von der Realität tatsächlich getätigter Einkäufe abweicht. Es wäre schon mal ein Gewinn, wenn es gelänge den Konsumklima-Index und beispielsweise die Umsätze im Einzelhandel, die vom statistischen Bundesamt auch jeden Monat ermittelt und kurz nach der GfK veröffentlicht werden, gegenüberzustellen. Dann würde man leicht feststellen, dass sich die angebliche Begeisterung der Menschen, Anschaffungen zu tätigen, nicht in den Kassen der Geschäfte widerspiegelt.

Sicherlich ist Sparen, wie es weiter unten in der Begründung heißt aufgrund der historisch niedrigen Zinsen nicht sonderlich attraktiv, doch zum Geldausgeben müsste selbiges eben auch vorhanden sein. Und da behaupten die Klimaforscher und weite Teile ihrer unkritischen Anhängerschaft aus Politik und Medien steif und fest, dass es um die Einkommen der Deutschen doch bestens bestellt sei. Dann fallen immer Sätze wie, die guten Tarifabschlüsse der letzten Zeit würden sich im Portemonnaie der Beschäftigten bemerkbar machen. Was aber bei derlei hübsch aussehender Begründung verschwiegen wird, ist die Tatsache, dass die Tarifbindung seit Jahren immer weiter zurückgeht, also immer weniger Beschäftigte von Tarifabschlüssen überhaupt profitieren.

Ein Blick in die Statistik gibt Aufschluss. “Im Jahr 2012 arbeiteten nur noch 58 Prozent der Beschäftigten in Betrieben mit Tarifbindung, im Westen sind es 60, im Osten 48 Prozent. Vor 15 Jahren lag die Tarifbindung in West und Ost jeweils rund 15 Prozentpunkte höher!”

Nach der aktuellsten Lohnstrukturerhebung müssen 22,2 Prozent der Beschäftigten in Deutschland mit einem Niedriglohn auskommen. Damit hat Deutschland hinter den drei baltischen Staaten Lettland, Litauen und Estland sowie den Ländern Rumänien, Polen und Zypern den siebtgrößten Niedriglohnsektor in der EU. Gemessen an dem Rekordwert von 41,79 Millionen Beschäftigten, der im Monat April gemessen und als Ausdruck des Wohlstandes gefeiert wurde, gehören über neun Millionen Menschen in diesem Land diesem Sektor an. Die Forscher des Instituts für Arbeit und Qualifikation der Universität Duisburg-Essen sagen, dass rund acht Millionen einen Stundenlohn von weniger als 9,15 Euro brutto bekommen. Die Zahl der Niedrigverdiener sei demnach zwischen 1995 und 2010 um mehr als 2,3 Millionen gestiegen.

Fast 800.000 Vollzeit-Beschäftigte erhalten sogar weniger als sechs Euro die Stunde und damit einen Monatslohn von unter 1000 Euro brutto. Der Studie zufolge wuchs die Zahl der Niedrigverdiener in 15 Jahren im Westen um 68 Prozent und im Osten um drei Prozent. Hier passt ein Satz von Georg Schramm, der einmal sagte, dass sich die Lebensverhältnisse zwischen Ost und West rapide angleichen würden, aber nicht so, wie man es uns immer erzählt hat. Die Reichen in Ost haben zügig ihr Vermögen dem noch höheren Westniveau anpassen können und in den beiden Armenvierteln lief es genau umgekehrt. Daher sind die Wachstumsraten im Niedriglohnbereich West auch höher als im Osten. “Auf Augenhöhe in der Gosse. Es wächst zusammen, was zusammen gehört. Reich und reich und arm und arm wächst zusammen”, so Schramm schon vor etlichen von Jahren im Scheibenwischer.

Doch die Klimaforscher der GfK, die Politik und zahlreiche Medien faseln weiterhin vom Konsumboom und bemühen das Bild “Einkaufswagen statt Sparstrumpf”. Dabei ergibt das nur dann ein realistisches Gemälde, wenn man sich den Sparstrumpf stinkend, abgetragen und voller Löcher vorstellt, und den Einkaufswagen als Hilfsmittel für Menschen, die viel Leergut sammeln, transportieren und einlösen müssen, um sich ihren Lebensunterhalt zu verdienen.

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TV-Tipp: Neues aus der Anstalt

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Die letzte Ausgabe Neues aus der Anstalt vor der Sommerpause, startet gleich um 22:15 Uhr live und direkt nach dem heute-journal.

Urlaubsstimmung in der Anstalt. Doch bevor es in die Sommerpause geht, begutachten die satirischen Chefanimateure Urban Priol und Erwin Pelzig noch einmal genau die heimische Politlandschaft.

Zusammen mit ihren Gästen Max Uthoff, Jochen Malmsheimer und Alfons analysieren sie, wer die letzte Verschnaufpause vor der Bundestagswahl auf der Sonnenseite des Lebens verbringen kann und wer sich im Sommerloch lieber nicht auf die faule Haut legen sollte.

Quelle: ZDF

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