Angela Merkel ist nicht am, sondern der Zug

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Die SPD-Granden sagen auffallend oft, jetzt ist Angela Merkel am Zug. Damit versuchen die Spezialdemokraten den Spieß umzudrehen und ihre versagenden Führer in eine komfortable Situation zu bekommen. Das Angebot für eine Große Koalition muss von der Union gemacht werden (Steinbrück: „Der Ball liegt im Spielfeld von Frau Merkel. Sie muss sich eine Mehrheit besorgen.“), um den Eindruck zu zerstreuen, die SPD hätte von Anfang an darauf hingearbeitet oder sehenden Auges auf diese Konstellation zugesteuert.

Fakt ist, dass sich das rot-grüne Lager wohl kaum zum Ergebnis von 2009 verändert hat. Was die Grünen verloren haben, gewann die SPD hinzu. Die Kampagne für ein ausschließliches rot-grünes Bündnis ist krachend gescheitert. Jetzt gilt es, Verantwortung für das schlechte Abschneiden zu übernehmen. Das geschieht aber nicht. Die Parteiführung feiert sich für ihren Wahlkampf und für einen mickrigen Zuwachs. Sie lehnen die Übernahme von Verantwortung ab und glauben, erste Ansprechpartner für Frau Merkel  zu sein.

Die wird aber mit ihrer CDU/CSU die absolute Mehrheit schaffen, was auf den NachDenkSeiten übrigens als realistisches Szenario bereits beschrieben wurde. Nun reichen schon knapp 42 Prozent der Stimmen für eine absolute Mehrheit der Sitze im deutschen Bundestag aus. Für die SPD Führung wäre dieses Ergebnis noch komfortabler. Sie müsste nicht gegen das Wahlversprechen verstoßen, keine Große Koalition einzugehen. Die Parteiführung könnte das Ergebnis als historische Ausnahme interpretieren und sich als Fels in der Brandung gegen Alleinherrscherin Angela Merkel positionieren.

Die muss nun die Früchte ihrer verkorksten Hinhaltepolitik selbst ernten. Laut Umfragen haben die Deutschen kein Interesse an Finanz- und Eurokrise, an NSA-Skandal und Energiewende. Doch all das, was auf den 23. September verschoben worden ist, muss trotzdem behandelt werden. Nun hat Angela Merkel aber niemanden mehr, auf den sie etwas abladen könnte, was heißt, dass die Zumutungen für die Deutschen, die so sicher kommen werden, wie das Amen in der Kirche mit dem Namen Merkel verbunden werden müssten.

Es wäre in der Tat ein Kunststück, wenn es der alten und neuen Kanzlerin gelingen sollte, das Desaster ihrer Politik auch weitere vier Jahre zu verschleiern. Sie müsste sich also einen Koalitionspartner wünschen. Die SPD steht als nützliche Idiotin bereit. Die würde lieber einer starken Union zur Zweidrittelmehrheit verhelfen, als einen Politikwechsel mit dem eigenen Programm und auch mit der Linken zu vollziehen. Am Ende gewänne aber wieder nur Angela Merkel.

EDIT_21 Uhr: Nach der Elefantenrunde, zu der die FDP schon gar nicht mehr geladen war, verfestigt sich der Eindruck: Merkel wäre froh, wenn sie keine absolute Mehrheit hätte und die gegenwärtige SPD-Führung wäre froh, wenn Merkel sie doch hätte.

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SPD Führung bringt ihren Sündenbock in Stellung

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Die Wahlniederlage der SPD ist absehbar und daher benötigen Gabriel, Steinmeier und Steinbrück einen Sündenbock, um nach der Wahl ihr Gesicht wahren oder ihr Amt behalten zu können. Heute sind Informationen bekannt geworden, wonach die SPD-Parteilinke in der vergangenen Woche Bedingungen für eine Große Koalition gestellt haben soll. Die Parteispitze ist verärgert ob des Vorgangs, ist aber wohl selbst für die gezielte Indiskretion verantwortlich.

Nach der Wahl werden die Seeheimer und Netzwerker in der SPD, zu denen vor allem Steinmeier und Gabriel gehören, ihre Positionen absichern wollen und dabei die Parteilinke für das schlechte Abschneiden verantwortlich machen. Da die Wahlniederlage bereits feststeht, ist es taktisch klug, die Parteilinken über die ungeliebte Große Koalition öffentlich sprechen zu lassen, während sich die Parteiführung empörend distanziert. Diese glaubt bis zur völligen Verblödung an einen rot-grünen Wahlsieg unter Ausschluss der Linkspartei.

Für die rechten Agenda-Verfechter in der SPD steht mal wieder viel auf dem Spiel. Sie fürchten, wie Gregor Gysi es richtig vermutet, Unruhe im Karton. Dieses Szenario gilt auch für den Fall einer linken Mehrheit, die die SPD-Führung auf keinen Fall nutzen möchte. Selbst in der SPD verstehen viele das Ausgrenzen der Linkspartei nicht. Das Lob der Konservativen für Schröders angebliche Reformpolitik ist zudem vergiftet. Es hilft nicht der SPD, sondern nur der Union und Angela Merkel. Dennoch vergeht kein Tag, an dem sich Leute wie Steinmeier nicht für die segensreichen Reformen öffentlich auf die Schulter klopfen und damit dem vergifteten Lob Merkels voll auf den Leim gehen.

Echte Sozialdemokraten wenden sich angewidert ab. Der kleine Parteitag, der kurz nach der Wahl stattfinden soll, hat daher nie den kolportierten Zweck gehabt, eine Links-Koalition zu legitimieren, wie geistig schwache Journalisten behaupten, sondern die alten Köpfe vor der politischen Enthauptung zu bewahren. Nach einer Wahlniederlage muss schnell gehandelt werden. Das hat Steinmeier vor vier Jahren gezeigt, als er das schlechteste Ergebnis der SPD bei Bundestagswahlen einfuhr. Steinmeier putschte sich umgehend an die Fraktionsspitze und da will er auch nach dem bevorstehenden Debakel am kommenden Sonntag bleiben. Eine Diskussion um seine Person und andere aus der Parteiführung gilt es im Keim zu ersticken.

Die Parteilinke mit einer gezielten Indiskretion als Sündenbock in Stellung zu bringen, gehört deshalb zu einer wohl durchdachten Strategie. Bereits zu Beginn dieser Woche hat Susanne Höll von der Süddeutschen über Planspiele für den Tag danach berichtet und dabei exklusive Informationen ohne genaue Quellenangabe präsentiert.

„Aber namhafte Sozialdemokraten überlegen sehr wohl, wie man sich verhalten soll, wenn der Sonntag alle Pläne von CDU/CSU und FDP für eine Fortsetzung ihrer Koalition zerstört und die SPD wieder als Juniorpartner der Union gebraucht werden könnte. Vergangene Woche wurde publik, dass sich selbst der Kanzlerkandidat Gedanken darüber macht.“

Der Kanzlerkandidat ist jetzt durch die Parteilinke ersetzt worden, um die Diskussion von Steinbrück weg zu lenken. Den Medien gefallen innerparteiliche Auseinandersetzungen sowieso viel lieber. Das wissen auch die Seeheimer und Netzwerker in der SPD.

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Alte Zöpfe sind nicht glaubwürdig

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Professor Korte meint im ZDF sehr richtig, dass der Wähler gerne vorher wüsste, was mit seiner Stimme hinterher passiert. Und weil er das eben nicht weiß, sondern eigentlich nur erklärt bekommt, was nicht mit seiner Stimme geht, bleibt er auch lieber zu Hause. Wenn Gabriel meint, Rot-Grün ohne die Linke sei möglich, wenn nur mehr Leute wählen gehen, so hat er prinzipiell Recht. Dafür müssten diese Leute aber auch vergessen, was Steinbrück, Gabriel und Steinmeier in der Vergangenheit politisch angerichtet haben. Programmatisch müssten die alten noch nicht abgeschnittenen Zöpfe zumindest glaubwürdig sein, was nicht gelingt.

Der Wähler versteht den peinlichen Ausschließeritis-Wahn der SPD nicht, von der die Partei selbst nichts hat. Warum sollte eine SPD mit der Union Gespräche führen und mit der Linken nicht? Die Begründungen sind nicht nachvollziehbar. Wer eine mögliche Mehrheit links von Merkel ausschlägt, will auch keinen Politikwechsel, geschweige denn den Kanzler stellen. Dem Wähler wird außerdem signalisiert, dass er zwar als Souverän etwas bestellen kann, auf eine Lieferung aber nicht zu warten braucht. Was nützt dem Wähler denn die Botschaft, dass Schwarz-Gelb keine Mehrheit mehr hat, wenn daraus keinerlei Konsequenzen für die politische Marschrichtung folgen.

Der Quatsch, die SPD würde bei vorhandener linker Mehrheit der Union Bedingungen diktieren können, ist genauso absurd. Diese verblödete Annahme, die nach dem Ergebnis in Bayern wieder Konjunktur bei den Hauptstadtjournalisten hat, widerspricht auch der Erfahrung. Nach der Wahl 2005 gab es bereits eine solche Konstellation mit linker Mehrheit im Parlament. Trotzdem hielt sich die SPD bis zum bitteren Ende an die Koalitionsdisziplin und ließ sich gar von der Linken beim Thema Mindestlohn, dem scheinbaren Markenkern der SPD, vorführen.

Würde die SPD wieder den Juniorpartner der Union geben, wird die Linke erneut das Wahlprogramm der SPD genüsslich testen. Die Geschichte würde sich wiederholen und wieder wäre Zeit sinnlos vergeudet. Gabriel muss immer noch die Frage beantworten, warum die SPD mit der Union ihr Programm besser umsetzen könne, als mit den Linken, die ähnliche Ziele verfolgen wie die Sozialdemokratie. Selbst wenn der Wähler kein rot-rot-grünes Bündnis will, so sagen es ja die Umfragen, so kann er doch schwerlich gegen die Umsetzung von politischen Inhalten sein, die er sich wünscht.

Kurz vor der Bundestagswahl liegen die Nerven hierzulande mal wieder zwischen Roter-Socken- und Zweitstimmenkampagne blank. Dabei ist eins sicher. Angela Merkel bleibt Kanzlerin, egal welches sogenannte Lager am Ende die Mehrheit hat. Im Ausland hat man das längst erkannt. DIÁRIO DE NOTÍCIAS aus Portugal schreibt: „Erreicht die FDP auch am 22. September kein ausreichendes Ergebnis, könnte Merkel gezwungen sein, unter den anderen Parteien nach einem Bündnispartner für ihre dritte Amtszeit zu suchen.“

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Verzerrte Wahlergebnisse

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Die CSU hat es geschafft, die Protestpartei der vergangenen Landtagswahl zu absorbieren und wieder bei der absoluten Mehrheit zu landen. Die FDP ist auch in Bayern auf das Maß zusammengeschrumpft, dass ihr eigentlich zusteht. Nimmt man das Ergebnis von Niedersachsen und jetzt in Bayern im Vergleich, wird deutlich, dass die FDP eigentlich nur noch dazu da ist, um das Wahlergebnis zu verzerren.

Statt den FDP-Luftpumpen ziehen nun noch mehr Verwandte aus der CSU in den bayerischen Landtag ein. Jeder zweite Bayer/in habe die Christsozialen gewählt, meinte Horst Seehofer überschwänglich. Dabei setzte er die bescheidene Zunahme der Wahlbeteiligung auf immer noch schwache 64 Prozent mit 100 gleich. In Wahrheit hat die CSU nur rund ein Drittel aller Wahlberechtigten hinter sich. Etwas größer ist die Gruppe der Nichtwähler. Von den 9,5 Millionen Wahlberechtigten haben 3,42 Millionen nicht gewählt. Für die CSU stimmten demnach 2,97 Millionen Bayern und damit 31,36 Prozent aller Wahlberechtigten.

Nicht nur in Bayern ticken die Uhren anders, wie Rösler sagte, sondern auch in den Köpfen der Wahlgewinner wie Medien, die nicht begreifen wollen, dass aus Mangel an politischen Alternativen kaum noch jemand mit einem Weckruf zu erreichen ist. Jetzt geht es um Deutschland, hat Rösler seine verbliebenen Anhänger angeschrien. In Wahrheit geht den meisten Deutschland am Arsch vorbei.

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Drohnenalarm über Dresden

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Die Landung einer Drohne hat in Dresden für Heiterkeit gesorgt. Der Vorfall ereignete sich bei einer Wahlkampfveranstaltung der CDU. Mit dabei waren Kanzlerin Merkel und ihr Selbstverteidigungsminister Thomas de Maizière. Während Merkel das Schauspiel amüsiert verfolgte, blickte de Maizière eher konsterniert drein. Er fragte sich wohl, ob er etwas auf den Fluren seines Ministeriums überhört hatte.

Doch schnell wurde klar, dass ein junger mutmaßlicher Geschäftsmann, Bilder von der Kanzlerin aus ungewöhnlicher Perspektive machen und hinterher meistbietend an die Presse verhökern wollte. Welch törichte Idee, da der Markt an Merkel-Bildern geradezu überschwemmt ist. Die Kanzlerin wusste das natürlich und lachte deshalb auch.

Ein Sicherheitsbeamter brachte die Drohne anschließend weg. Wohin, ist nicht überliefert. Die Veranstaltung lief ohne Zwischenfälle bis zur Schließung der bayerischen Wahllokale weiter. Dazu gleich mehr im nächsten Text.

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Taktische Spielchen gehen nach hinten los

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Der Linken wirft man vor, kein verlässlicher Partner in der Außenpolitik zu sein. Daher sei eine Regierungsbeteiligung auf Bundesebene stets abzulehnen. In den letzten Tagen vor der Bundestagswahl bekräftigen vor allem Sozialdemokraten ihre Absage an ein rot-rot-grünes Bündnis.

Hannelore Kraft: „Im Bund brauchen wir insbesondere mit Blick auf die Außenpolitik verlässliche Mehrheiten im Parlament. Ich kann mir das auch rein technisch im Bundestag nicht vorstellen.“

Quelle: Spiegel Online

Wer sich allerdings die Chronologie des G20-Treffens und die anschließende Konferenz der EU-Außenminister vom vergangenen Wochenende anschaut, dazu die Reaktionen von SPD und Grünen, muss sich fragen, worin die verlässliche Außenpolitik Deutschlands eigentlich besteht oder nach dem Willen eines Teils der Opposition bestehen soll.

Taktische Spielchen um Erklärungen, die sich inhaltlich nicht unterscheiden und dennoch offen lassen, was die Bundesregierung eigentlich will, sind das Ergebnis der Verhandlungen. Deutschland wolle sich nicht an einem Militärschlag gegen Syrien beteiligen, heißt es vermeintlich klar. Im nächsten Satz fordert die Bundesregierung aber eine starke internationale Antwort. Wie die aussehen soll, darüber schweigt man sich aus.

Merkel verteidigt ihr Vorgehen, da sie eine gemeinsame europäische Position schmieden wollte. Die Opposition, die im Vorfeld genau das von der Regierungschefin verlangte, jammert nun über den Zickzackkurs der Kanzlerin. Statt in der Sache zu kritisieren, monieren die Sozialdemokraten einmal mehr den Stil der Kanzlerin, die sich düpieren ließ oder besser gesagt, bei taktischen Spielchen den kürzeren zog.

Unterm Strich hat sich aber nichts an der Merkel geändert, die als Oppositionsführerin im Jahr 2003 in einem Gastbeitrag für die Washington Post ihre bedingungslose Solidarität mit den USA bekundete, die zu diesem Zeitpunkt mit einer Lüge als Begründung den Waffengang gegen Saddam Hussein vorbereiteten. Damals hat ihr Bild in der deutschen Öffentlichkeit gelitten. Daran im Wahlkampf 2013 noch einmal erinnert zu werden, will sie vermeiden.

Der Wähler soll nicht merken, wo Angela Merkel als Kanzlerin steht oder besser gesagt, er soll denken, ihre Position sei mit seiner irgendwie vereinbar. Dass den USA die Erklärung von St. Petersburg, die Merkel nachträglich unterschrieb, reichen dürfte, um notfalls allein in den Krieg zu ziehen, ist nebensächlich, solange es dem Ansehen der Kanzlerin nicht schadet. Für alle Seiten geht es wie immer nach solchen Gipfeln nur darum, dass Gesicht vor der eigenen Bevölkerung zu wahren.

Um die Menschen in Syrien geht es deshalb schon lange nicht mehr. Das Versagen der westlichen Außenpolitik spielt zudem Putin in die Hände, der auf Vorlage der Strategen in Washington und Berlin und in Absprache mit Assad nun einen diplomatischen Erfolg präsentieren kann. Das gefällt wiederum den deutschen Medien nicht, die dem lupenreinen Demokraten nur all zu gern böse Absichten und Methoden nicht nur unterstellen, sondern auch beweisen wollen. Auf die Idee zu kommen, dass mit der Außenpolitik der Bundesregierung und von Teilen der Opposition sowie des Westens insgesamt etwas nicht stimmt, kommen die wenigsten.

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Die Strategie des Duetts

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Nun wird die SPD nicht nur nicht von ihrer ehemaligen Klientel geliebt, sondern auch nicht mehr von der ihrer Kanzlerin. Kann es etwas Schlimmeres geben? Angela Merkel wirft der SPD „Unzuverlässigkeit“ vor. Wer die für Tagesschau-Verhältnisse epischen Ausschnitte aus dem von Steinbrück während des Duetts auf vier Kanälen angekündigten „noch nicht veröffentlichten Interview“ gesehen hat, kommt nicht umhin, beiden Scheinwahlkämpfern eine gewisse Strategie zu unterstellen.

Auf welches Ergebnis die SPD dabei abzielt, bleibt wie immer im Dunkeln. Heute sagte Gregor Gysi im Bundestag, dass die Leidensfähigkeit der SPD ziemlich hoch sei. Er hoffe aber, dass es noch eine Grenze gebe, die zu überschreiten die Sozialdemokraten sich dann doch nicht mehr trauen. Weit gefehlt. Um ihre Treue zu Merkel zu beweisen, posaunen die Genossen nun immer lauter hinaus, dass sie all die schrecklichen wie sinnlosen Rettungspakete der Kanzlerin nur deshalb mitgetragen hätten, um sich noch vor der staatspolitischen Verantwortung ihrer Gunst zu versichern.

Diese naive Hoffnung wurde nun bitter enttäuscht und die führenden Genossen kochen vor Wut, weil sie nicht so behandelt werden wollen, wie sie es mit der Linkspartei tun. Schließlich haben die Spezialdemokraten alles unternommen, um dem Establishment, den Lobbyisten und den Bossen zu gefallen. Sie haben alles gemacht, was der neoliberale Mainstream wollte und damit die eigene Wählerschaft vergrault. Zum Schluss haben sie sogar wie gewünscht den Steinbrück nominiert und eine beispiellose Demontage erlebt.

Es ist schon klar, dass nun der Liebesentzug der Kanzlerin besonders schmerzt. Die SPD hat ja sonst niemanden mehr.

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Was den Bundestag attraktiv macht

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Was den Bundestag attraktiv macht, ist die Linke. Denn bevor die Linke einen dummen Antrag stellt, ändern die übrigen vier Fraktionen schon ihre Politik, sagt Gregor Gysi.

Gregor Gysi im Deutschen Bundestag am 3. September 2013

Das stimmt nur bedingt, da diese vermeintlichen Änderungen in der Politik zunächst als hübsche Schachteln ins Schaufenster wandern oder als Etiketten auf leeren Flaschen landen. Wo Steinbrück Recht hat, sollte er auch zitiert werden. Die Wirkung der Linken auf die anderen ist unbestreitbar, allein das Ergebnis dieser Beziehung ist weniger zufriedenstellend. So schnell, wie Gysi erklärt, ändert sich die Politik von Union, SPD, FDP und Grünen eben doch nicht.

Ohne die Linke wäre der Bundestag aber nicht nur um eine Meinung ärmer, es würde gar keine andere mehr geben. Da hat Gysi wiederum Recht. Immerhin hat es sein geflügeltes Wort von der Konsenssoße auch in die Medien geschafft. Geben sie bei Google mal den Begriff ein und es erscheinen seitenweise Printerzeugnisse mit dem Satz:

“Gysi lobt Linke als Alternative zu Konsenssoße”

Von Welt über Stern und Zeit bis hin zu dutzenden regionalen Blättern mit Internetauftritt erscheint die Überschrift einer dpa-Meldung. Damit hat Gysi die vorherrschende Struktur der Konsenssoße in den Medien selbst genutzt, um diese dort und vor allem in der Politik besser kenntlich zu machen. Das ist schon ziemlich genial und um Welten besser als Raabs Kotelett, zu der die fade Konsenssoße aber perfekt passen würde.

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Zahlen zum Einzelhandel mal wieder untergegangen

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Neben der üblichen Schönfärberei der wirtschaftlichen Lage gegen Ende eines jeden Monats, sollte die von den Medien ebenso regelmäßig unterschlagene tatsächliche Entwicklung noch einmal benannt werden. Dass sich die Umsätze im Einzelhandel beispielsweise kontinuierlich nach unten entwickeln, der private Konsum dennoch als tragende Säule der Wirtschaft gefeiert wird, ist keine Neuigkeit. Auf die anhaltende Wahrnehmungsstörung sollte aber wieder und wieder hingewiesen werden.

Umsatz im Einzelhandel bis Juli 2013

Quelle: destatis

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Zum blanken Entsetzen reicht es nicht

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Nach dem TV-Duell müsste eigentlich das blanke Entsetzen herrschen. Doch Medien und Volk trösten sich mit Halskette, PKW-Maut und Stefan Raab als neuen Hoffnungsträger des medialen Polittheaters über eine blamable Vorstellung hinweg. Zwar hatte Raabs Nominierung ein wenig mehr Publikum vor die Flimmerkisten gelockt, doch zu einer Mobilisierung der Unentschlossenen, wie Sigmund Gottlieb anschließend in den Tagesthemen meinte, wird auch das nicht führen. Vieles wurde einfach überhört oder unter der Kategorie “zu schwierig für den Zuschauer” abgelegt.

Gleich das Thema Mindestlohn bot die Möglichkeit, den wandelnden Sprechnblasenautomaten zu überführen.

“Ich bin der Meinung, das diejenigen, die in der sozialen Marktwirtschaft für die Tarifverträge zuständig sind, mehr von den Arbeitsplätzen verstehen, auch bei den unteren Löhnen als wir Politiker.”

[…]

Den Flickenteppich in der Tariflandschaft für alle Branchen kennen wir. Der hat sich in der Bundesrepublik Deutschland bewährt. Das ist nämlich eine angepasste Lohnfindung. Gewerkschaften und Arbeitnehmer haben hier die Möglichkeit ihre Erfahrungen einzubringen.”

Wenn das so ist, wie konnte dann ein Niedriglohnsektor mit Dumpinglöhnen entstehen?

Die Frage fiel niemandem ein. An dieser Stelle hätte bereits klar die Feststellung getroffen werden müssen, dass Merkel überhaupt nichts ändern will. Sie spricht von Lohnuntergrenzen, alle verstehen Mindestlohn, gemeint ist aber ein Weiter so und niemand checkt das, weil alle bereits gedanklich mit der Farbe der Halskette beschäftigt sind.

Bei der PKW-Maut waren sie aber alle wieder voll da und emsig bemüht, zwischen dem “irren” Seehofer und der “besonnenen” Merkel ein wenig Zwietracht zu säen, was ja auch gelang, wie alle Medien heute freudig berichteten. Draußen tobt derweil die größte Wirtschaftskrise seit Jahren, doch die deutsche Journaille interessiert sich lieber für die vermeintlich spannendste Frage in den anstehenden Koalitionsverhandlungen. Sogar der Herausforderer Steinbrück machte mit und demonstrierte damit einmal mehr, dass er keine Regierung bilden wird und eine Wahl aufgrund des vorhersehbaren Ergebnisses eigentlich überflüssig ist.

Demzufolge hatte Merkel auch viel Zeit, die Ergebnisse ihrer Regierungsarbeit abermals und ohne Widerspruch als sensationell zu bezeichnen. Eine Wechselstimmung gäbe es ja nicht, so Anne Will, was nicht stimmt, wenn man endlich die zunehmende Zahl derer betrachten würde, die von der Wahl einer Partei Abstand nehmen und zur Stimmenthaltung wechseln.

Steinbrück und die SPD haben immer mit Merkel gestimmt. Der Stachel sitzt. Da hilft auch nicht das Gejammer über den Vorwurf der europäischen Unzuverlässigkeit. Die SPD müsste halt nur kapieren, dass sie als Opposition eine Alternative zu entwickeln hat, und lieber darauf verzichten sollte, sich als weiterer Flügel in Merkels Einheitspartei einzureihen. Worum es in Europa geht, beschrieb Merkel so.

“Es geht um die schwerste Krise, die Europa je hatte. Aber keiner weiß, wie sich die Dinge in Griechenland weiterentwickeln.”

Die Aufgabe der Bundeskanzlerin sei es aber, dafür zu sorgen, dass der Reformdruck auf Griechenland nicht nachlasse.

Wo steht im Grundgesetz, dass sich die deutsche Bundeskanzlerin um die Innenpolitik Griechenlands zu kümmern hat? Und warum sollte sie es tun, wenn sie gleichzeitig keinen blassen Schimmer hat, wie sich die Dinge dort überhaupt weiterentwickeln?

Im weiteren Verlauf des Interviews sprach Merkel dann verharmlosend davon, die Krisenländer “ermuntern” zu wollen, die segensreichen Reformen deutschen Ursprungs zu übernehmen. Auch hier wäre die Nachfrage erlaubt gewesen, welche Strategie die Regierung nun eigentlich verfolgt oder wovon sie ablenken will. Das wollte aber keiner wissen und so behielt Merkel die Deutungshoheit und durfte nach etwa einer halben Stunde in unverschämter Weise die Dinge nach ihrem Weltbild ordnen.

“Wir sehen doch jetzt die ersten zarten Pflänzchen des Wachstums. Und dem wird auch wieder mehr Beschäftigung folgen. Das sind die ganz normalen Zyklen, wie sich die Dinge entwickeln. Deshalb heißt es, den Kurs fortzusetzen.”

An dieser Stelle bezeichnet Merkel das Ergebnis ihrer Krisenpolitik, eine Rezession mit über 50 Prozent Jugendarbeitslosigkeit in Südeuropa als ganz normalen Zyklus. Geht’s noch?

Die Europäer müssten sich anschließend noch auf der Welt sehen lassen können, verteidigte Merkel ihren Kampf der Nationen um Wettbewerbsanteile und meinte natürlich Deutschland, das auf seine Überschüsse unter keinen Umständen verzichten dürfe. Hätten die Journalisten im Studio und Herr Steinbrück als gelernter Volkswirt etwas von Ökonomie verstanden, sie hätten Merkel stellen und ihre Vorstellung von Wirtschaft als Vodoo-Ökonomie entlarven können.

Doch stattdessen dominieren bescheuerte Fragen wie die von Raab nach dem Schuldenabbau (wenn man jetzt jedes Jahr eine Milliarde zurückzahlen würde, wäre man Zweitauseneinhundertirgendwas schuldenfrei) die Diskussion. Dies verdeutlicht zweierlei. Erstens die ökonomische Borniertheit, mit der die Menschen tagein tagaus auch von den Medien gequält werden – denn warum sollte ein Staat jemals alle Schulden zurückzahlen sollen – und zweitens der völlig absurde Handlungsautomatismus, der sich aus dieser abwegigen Vorstellung scheinbar ergibt, bei dem aber völlig außer acht gelassen wird, dass die Schulden der einen immer auch die Vermögen der anderen sind.

Wer Schulden und Defizite abbauen will, muss gleichzeitig Vermögen und Überschüsse reduzieren. Wer will, dass die Krisenländer wettbewerbsfähiger werden sollen, muss eigene Marktanteile abgeben. Wer will, dass der Kapitalismus funktioniert, muss für den Ausgleich sorgen. Als es den bösen Osten noch gab, wussten das alle im Westen, weil sie zeigen wollten, dass ihr System das überlegenere ist. Nun müssen sie nichts mehr beweisen und können den Laden unter Mitnahme des größtmöglichen Gewinns vor die Wand fahren. Dass eine Ostdeutsche in führender Position dabei behilflich ist, wird künftigen Generationen, sofern sie das dann noch können, ein süffisantes Lächeln entlocken.

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