Kompromisse beim Mindestlohn kann es nicht geben

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Die Geschäftsführung der Süddeutschen Zeitung GmbH soll sich laut Bild mit einem Brief an alle Bundestagsabgeordneten gewandt und darin die Bitte geäußert haben, beim Beschluss über den Mindestlohn Augenmaß walten zu lassen. Gäbe es einen Mindestlohn, gäbe es auch Risiken bei der Zeitungszustellung vor allem im ländlichen Raum, heißt es. Mit anderen Worten: Ein flächendeckender Mindestlohn gefährdet die flächendeckende Zustellung der Süddeutschen Zeitung. Dabei dürfte aber nicht der Mindestlohn Abos kosten, sondern die Haltung des Verlages, Austräger mit Recht schlecht zu bezahlen.

Mit der Meinung, der Mindestlohn stelle eine Gefahr für die flächendeckende Versorgung mit Printprodukten dar, steht der Verlag sicherlich nicht allein da. Dass Zeitungszusteller vom Mindestlohn ausgenommen werden sollen, wird ja offenbar zwischen Union und SPD diskutiert. Inzwischen geistern mehrere Entwürfe des Koalitionsvertrages durch die Redaktionsstuben. In den ersten Entwürfen, die an die Öffentlichkeit lanciert wurden, hieß es noch, dass der Mindestlohn nicht nur nicht für Zeitungszusteller gelten solle, sondern auch nicht für Langzeitarbeitslose, Rentner und Erntehelfer. Auch Schüler und Praktikanten sollen außen vor bleiben, obwohl für letztere noch zu Beginn der Koalitionsverhandlungen ebenfalls eine Mindestlohnreglung verkündet wurde.

Bezeichnende Diskussion

Inzwischen ist der Mindestlohn im Eiltempo von der Maut überholt worden. Dennoch ist die Diskussion bezeichnend für das drohende Bündnis aus Union und SPD. Die Union will eigentlich keinen Mindestlohn, die SPD dagegen schon. Ein Kompromiss zwischen diesen beiden Positionen muss scheitern, weil es ein bisschen Mindestlohn genauso wenig geben kann wie ein bisschen Schwangerschaft. Dennoch werden Union und SPD ein Kunststück vollführen wollen. Gestritten wird nur noch um die richtige Formulierung. Angela Merkel gab zu Protokoll, dass es einen flächendeckenden Mindestlohn geben werde. Die Medien interpretieren diese Äußerung völlig falsch als Kompromissbereitschaft und tappen in die Falle der Spindoktoren.

Die geschäftsführende Bundeskanzlerin sprach nämlich auch von Modalitäten, die es beim Mindestlohn noch zu regeln gebe. Damit hat sich an der Haltung Merkels nichts geändert. Sie betreibt lediglich Umetikettierung. Raider heißt jetzt Twix und sonst ändert sich nix. Damit lässt sich der Urnenpöbel dank der schnarchenden Medien sicherlich begeistern. Ihr Modell der Lohnuntergrenze mit zahlreichen Ausnahmen und einer Kommission aus Arbeitgebern und Arbeitnehmern, die künftig über die Höhe entscheiden sollen, ist weiterhin das Ziel – etwas anderes auch nicht wirklich erkennbar. Der SPD wird also nur gelingen, dass die Lohnuntergrenze der Union künftig als flächendeckender Mindestlohn bezeichnet werden darf.

Angst bestimmt das Handeln

Die Angst vor Arbeitsplatzverlusten, die von der Öffentlichkeit auch ohne empirische Belege geteilt wird, diszipliniert die SPD. Doch warum bestimmte Berufsgruppen in einer Volkswirtschaft durch politische Unterlassung weniger verdienen sollen, bleibt ein Rätsel. Wenn ein Unternehmen der Meinung ist, dass der Vertrieb seiner Produkte zwingend erforderlich ist, muss er diesen auch bezahlen oder die Dienstleistung anders organisieren. Die Tatsache, dass es seit Jahren möglich war, gerade im Bereich der Zustellung an der Lohnkostenschraube immer wieder zu drehen, kann ja keine Begründung sein. Wo die einzelwirtschaftliche Sichtweise vielleicht nachvollziehbar erscheint, bleibt sie volkswirtschaftlich unsinnig.

Denn niedrige Löhne kosten eben auch Geld und zwar das der Allgemeinheit oder kurz der Steuerzahler, die beim Aufstocken aushelfen müssen. Über diese Beträge redet nur keiner. Dabei stehen diese Steuergelder für andere Aufgaben nicht mehr zur Verfügung. Daran sollte man denken, wenn die künftigen Koalitionäre wie auch die Medien mal wieder über angeblich zu hohe Ausgabenwünsche und fehlende Gelder jammern. Außerdem sind die Kosten der einen immer auch die Einnahmen der anderen.

Wenn also die Süddeutsche ihre Zusteller anständig bezahlen würde, könnten die sich etwas mehr leisten, vielleicht einen regelmäßigen Restaurantbesuch. Dessen Besitzer hat höhere Umsätze und kann wiederum seiner Kellnerin mehr Gehalt überweisen. Die ist unter Umständen bereit, ein Abo der Süddeutschen Zeitung abzuschließen, weil sie besser informiert sein will und die Reportagen der Seite 3 sehr schätzt, aber bisher nicht genießen konnte, weil ihr wegen der Zweit- und Drittjobs schlicht die Zeit zum Lesen fehlte.

Die ökonomische Welt ist sicher viel komplexer, aber eins ist sicher. Der Binnenmarkt kann nur dann funktionieren, wenn es verfügbare Einkommen gibt, mit denen Nachfrage hergestellt und Kaufkraft entwickelt werden kann. Nur dann lohnt es sich auch für Unternehmen Kapital zu investieren und Menschen einzustellen, um gemeinsam mit ihnen Waren zu produzieren oder Dienstleistungen anzubieten. Eine Volkswirtschaft ist eben mehr als die Summe aller betrieblichen Einzelinteressen. Leider verlässt sich die Politik auf Letzteres.

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Das Elend des Kommentators

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Detlef Esslinger kommentiert heute in der Süddeutschen das Elend der SPD. Für ihn besteht es im ewigen Hadern der Partei mit sich selbst. Die Sozialdemokraten erzählen nicht, was sie erreicht hätten, sondern jammern darüber, was sie nicht durchsetzen können. Damit reiht sich Esslinger in die Liga derer ein, die bereits vergessen haben, was die SPD ihrer Wählerschaft in der Vergangenheit zugemutet hat und offenbar noch zumuten will. Er verdreht die historische Wahrheit, wonach die SPD mit viel Verve eine ökonomisch unsinnige Politik betrieben und diese mit noch mehr öffentlichem Tamtam nach außen hin vertreten hat. Sie hielt eben nicht hinter dem Berg, sondern brüstete sich mit dem Erreichten, wollte aber die Kampfansage an die eigenen Wähler nicht erkennen.

Wer links blinkt und dann aus angeblichen Sachzwängen oder reiner Alternativlosigkeit heraus rechts abbiegt, macht sich unglaubwürdig. So einfach ist das. Esslingers Gerede über Programme, die nur Wunschzettel seien und sich am Ende in einem Koalitionsvertrag gemessen am Wahlergebnis nur fragmentarisch widerspiegeln können, ist neoliberales Geschwätz, das vor allem jenen nutzt, die auf ein Programm gleich ganz verzichtet haben und stattdessen den Satz platzierten: „Meine Damen und Herren, sie kennen mich.“

Esslinger unterstellt, dass es der Union ja genauso schwer fallen müsste, mit der SPD am Kabinettstisch zu sitzen wie es umgekehrt der SPD schwerfalle Herrn Dobrindt zum Minister zu machen. Das thematisiere nur niemand. Ja weil es vollkommen absurd ist. Die Union kann sehr wohl und sehr gut mit einer SPD am Kabinettstisch leben, auf die man das künftige Versagen der gesamten Regierung wieder abladen kann. Esslinger tut ja gerade so, als wären die Regierungen, die Angela Merkel seit 2005 mit ihrer Richtlinienkompetenz zu verantworten hat, erfolgreich im Amt bestätigt worden. Sind sie aber nicht. Vielleicht sollte sich das Herr Esslinger erst in Erinnerung rufen bevor er das Gedächtnis der anderen aufzufrischen versucht.

Würde Esslinger seine Ausführungen selber ernst nehmen, dass Politiker nämlich nicht um ihrer selbst willen da seien, müsste er für eine Minderheitsregierung der Union eintreten. Nur dann wäre die auch gezwungen, sich um die Menschen zu bemühen, die sie zu vertreten beansprucht. Sie müsste ein politisches Programm entwerfen und für eine Mehrheit im Parlament kämpfen, statt sie bloß zu erwarten. Merkel wäre zum Regieren gezwungen, anstatt über den Dingen zu schweben.

Esslinger hätte sich vielleicht einmal die Frage stellen sollen, warum die Kanzlerin auf einer Gewerkschaftsveranstaltung mehr Applaus erhält als die alte und neugewählte Führung der Arbeitnehmervertreter. Er hätte sich fragen können, warum Merkel, egal wo sie sich auch hinbegibt, als Mainevent gefeiert wird, obwohl ihre rhetorischen Fähigkeiten arg begrenzt und die Inhaltsleere ihre Aussagen weiter zunimmt, während bei der Auswahl von Themen und Überschriften Beliebigkeit vorherrscht. Er hätte sie auch an ihrem Programm oder dem messen können, was sie bisher erreicht zu haben scheint.

Das tut Esslinger aber nicht, sondern fabuliert lieber über ein Treffen auf halben Wege und plappert etwas von jenen nur symbolisch gemeinten 50 Prozent, die die SPD doch angeblich durchsetzen könne, wenn sie sich vom kaum noch erkennbaren Rest einer Haltung verabschieden würde. Dass Journalisten nicht rechnen können, ist allgemein bekannt. Mir geht es da ähnlich. Doch ich möchte schon gern wissen, was sich auch nur symbolisch hinter den 50 Prozent verbirgt. Entweder kann oder will Herr Esslinger nicht richtig hinsehen. Sonst würde auch er erkennen, dass es nur der SPD-Parteiführung um ihrer selbst willen geht, wenn sie für die Große Koalition wirbt und vorgibt, etwas für die Menschen zu tun.

Diesem Grundsatz vertraut offenbar auch die Geschäftsleitung der Süddeutschen Zeitung GmbH, die sich laut Bild mit einem Brief an die Abgeordneten des Bundestags gewandt haben soll. Darin soll die Bitte formuliert sein, bei der möglichen Einführung des Mindestlohns Augenmaß walten zu lassen. Da sind wohl noch ganz andere nur ihrer selbst willen politisch unterwegs. Dazu später mehr.

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Überraschungserfolg ohne Warnhinweis

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Der Arbeitsgruppe Gesundheit ist nach Meinung zahlreicher Medien ein Überraschungserfolg geglückt. So habe es eine Einigung bei der künftigen Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung gegeben. Besonders entlarvend ist dabei das Statement des CDU-Unterhändlers Jens Spahn ausgefallen, der den faulen Kompromiss auf seine Weise schönzureden versuchte.

„Für uns als Union war wichtig, dass es bei der Entkopplung steigender Gesundheitsausgaben von den Arbeitskosten bleibt, also steigende Gesundheitsausgaben nicht den Arbeitgeberanteil erhöhen.“

Er hätte auch sagen können:

„Für uns als Union war wichtig, die solidarische Finanzierung des Gesundheitswesens auch weiterhin zu verhindern und die steigenden Gesundheitsausgaben einseitig und ausschließlich den Arbeitnehmern aufzubürden.“

Dafür verhindert die Union ja standhaft Steuererhöhungen, um die Bürger nicht zusätzlich zu belasten. Dabei gilt für die Krankenversicherung, was für die Rentenversicherung auch gilt. Über beide Systeme werden versicherungsfremde Leistungen abgerechnet, die eigentlich von der Allgemeinheit und damit der Gesamtheit der Steuerzahler zu tragen wären.

Leitungen bei Schwangerschaft, bei Mutterschaft sowie Mutterschaftsgeld, Kuren und Kosten für Haushaltshilfen sind ihrem Sinne nach eigentlich Aufgaben, die die Allgemeinheit und damit der Steuerzahler zu tragen hätte. Insgesamt geht es hierbei um ein Volumen von vier Milliarden Euro jährlich. Warum werden diese Leistungen zur Familienförderung nicht von der gesamten Gesellschaft getragen, anstatt sie der kleinen Gruppe von Beitragszahlern aufzubürden, aus der sich Besserverdienende dank Beitragsbemessungsgrenze verabschieden können?

Karl Lauterbach, das Pendant zu Jens Spahn, sprach hingegen nicht minder peinlich von einem historischen Ende der Kopfpauschale nach jahrzehntelangem Kampf der SPD. Für diese übertriebene Einschätzung musste der Herr Lauterbach aber ein paar Mal an seiner Fliege drehen.

Übrigens: Eine gesetzliche Deckelung der seit Jahren hohen Dispo-Zinsen ist vom Tisch. Dafür soll es beim Übertritt in den Dispositionskredit künftig einen Warnhinweis für die Betroffenen geben. Die Idee ist super. Einen Warnhinweis sollten die Medien auch vorweg schicken, wenn sich das nächste Arbeitsgruppenpärchen anschickt, einen faulen Kompromiss zu verkünden.

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Wirre Trends in Prozent

Geschrieben von:

Die Medien erwecken weiterhin den Eindruck, dass Angela Merkel als präsidiale Kanzlerin gar nichts mit den Koalitionsverhandlungen zu tun hätte. Gestern hieß es, sie mahne SPD und Union zu Kompromissen. Als ob sie über den Dingen schwebe. Damit setzt sich fort, was schon unter Schwarz-Gelb galt. Merkel wird mit dem Regierungshandeln gar nicht in Verbindung gebracht. Hauptsache sie bleibt Kanzlerin, egal welcher Koalition sie vorsteht.

Um diesen Eindruck zu verfestigen, gibt es eine neue manipulative Umfrage von infratest dimap im Auftrag des ARD Morgenmagazins. Darin werden die Menschen gefragt, was gut für Deutschland sei. Alle zur Verfügung stehenden Antwortmöglichkeiten lassen aber nur einen Schluss zu. Gut für Deutschland ist, wenn Merkel Kanzlerin bleibt.

DeutschlandTrend_22.11.2013

Quelle: ARD

Die Große Koalition wünschen sich demnach noch 55 Prozent. Schwarz-Grün 32 Prozent und eine Minderheitsregierung 25 Prozent. Die Option Rot-Rot-Grün oder Minderheitsregierung Rot-Grün wird gar nicht erst abgefragt, da Merkel unter diesen Voraussetzungen nicht Kanzlerin bleiben könne. Interessant ist natürlich die Alternative Neuwahl, die inzwischen von 43 Prozent der Befragten befürwortet wird. Für die Demoskopen die Nachricht des Tages, da offenbar immer mehr Menschen die täglichen Wasserstandsmeldungen aus den Koalitionsverhandlungen nicht mehr ertragen können.

Doch auch bei dieser Variante bleibt Merkel Kanzlerin, zunächst geschäftsführend und, das legt die angeschlossene Sonntagsfrage nahe, auch bei einer Neuwahl. Dass die Zustimmung zu Neuwahlen steigt, liegt aber nicht an den Koalitionsverhandlungen, sondern vornehmlich an dem Versagen der Medien, die zunächst das Bündnis hochgeschrieben haben und nun allmählich merken, dass SPD und Union nur da weitermachen können, wo sie vor vier Jahren aufgehört haben, als allen die Große Koalition zum Halse heraushing.

Interessant ist auch, dass eine Mehrheit der Deutschen weiterhin Steuererhöhung zur Finanzierung politischer Projekte befürworte, diese Mehrheit aber weiterhin jene Parteien auf dem Wahlzettel ankreuzen würde, die ein solches Programm dezidiert ablehnen. Unterm Strich ist klar, auch diese Umfrage ist unbrauchbar. Das einzige was sie belegt, ist der geistige Schaden, den Kampagnenjournalismus bei Demoskopen und Befragten offenbar angerichtet hat.

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Nachtrag zum Beitrag: Die Woche der faulen Kompromisse beginnt

Geschrieben von:

Prof. Dr. Günter Buchholz (GB), Ökonom und emeritierter Professor für Allgemeine BWL und Consulting an der FH Hannover schreibt:

Sehr geehrter Herr Tautenhahn,

ich bin sehr oft, sogar meistens Ihrer Auffassung, aber im Hinblick auf Ihre Anmerkungen zur Frauenquote bin ich es aus m. E. sehr guten Gründen nicht. Und ich kenne die Debatte bis zum letzten, sogar bis zum allerletzten Argument, das kann ich Ihnen versichern. Ich möchte Sie anlässlich der derzeit aktualisierten Frauenquotendebatte auf die Frankfurter Erklärung zur Gleichstellungspolitik hinweisen:

http://www.frankfurter-erklärung.de/

in der SZ ist heute ebenfalls darüber berichtet worden:

http://jetzt.sueddeutsche.de/texte/anzeigen/581146/Die-Qual-der-Quote  (hierzu: meine Anmerkung am Schluss)

Weitere Begründungen einer Kritik der Frauenquotenpolitik finden Sie unter:

http://www.streitbar.eu/qsq.html

http://cuncti.net/haltbar/306-alles-luege-feministisches-rent-seeking-durch-frauenquoten 

http://sciencefiles.org/category/genderismus/

Zur tieferen, u. a. auch juristischen Begründung sei verwiesen auf: Harald Schulze / Torsten Steiger / Alexander Ulfig: Qualifikation statt Quote Norderstedt 2012

Zitat aus der SZ:

“Die CSU-Europaabgeordnete Angelika Niebler sieht das anders. Dass es zu wenige Frauen in Spitzenjobs gebe, in Firmen wie an Unis, ‚ist nicht eine Frage der Qualifikation, sondern der etablierten Strukturen‘; darum begrüßt sie den Vorschlag zur Frauenquote, auch wenn sie findet, dass die EU sich damit Kompetenzen der Mitgliedstaaten aneignet. Und sie warnt davor, das Professorinnen-Programm überzubewerten. Eine Initialzündung sei einfach nötig, um weibliche Talente in Führungspositionen zu bringen. Die Gefahr, dass dadurch das Niveau sinkt, sieht sie nicht: ‚Eine Professorin muss sich ja ständig neu beweisen.’“

GB: Frau Niebler behauptet also ohne Begründung und ohne Nachweis, sogar ohne Plausibilisierung, dass bisher – zumindest in der Tendenz – n i c h t nach Qualifikation eingestellt und berufen worden sei. Also alle Berufungskommissionen aller Hochschulen hätten Frauen diskriminiert (sogenannte „etablierte Strukturen“). Und alle Unternehmensleitungen hätten gleichqualifizierte Frauen aus Führungspositionen ausgeschlossen.

Ist es realistisch anzunehmen, dass die Unternehmen nicht wüssten, was gut für sie ist? Und dass die Hochschulen nicht in der Lage wären, die jeweils qualifizierteste Person auszuwählen? – Und weshalb soll eine “Initialzündung” notwendig sein? Keinerlei Begründung. Immer dieselben Vorurteile. Und “eine Professorin müsse sich ständig neu beweisen?” Stimmt das? Ich bezweifle es ernsthaft. In der Gender Studies jedenfalls gilt das gewiss nicht, weil das ein völlig geschlossener Kreis ist.

Mit freundlichen Grüßen Prof. Dr. Günter Buchholz

Sehr geehrter Herr Buchholz,

vielen Dank für Ihre Mail und Ihre Kritik. Offensichtlich habe ich mich in meinem heutigen Kommentar missverständlich ausgedrückt. Mir ging es nicht um die Frauenquote, sondern um die faulen Kompromisse, zu denen die SPD nach dem Parteitag bereit ist. Also um den Prozess. Die Frauenquote nimmt im Wahlprogramm der SPD nur einen kurzen Absatz ein. 40 Prozent Frauen in Aufsichtsräten und Vorständen war das Ziel in börsennotierten Unternehmen. Herausgekommen ist verbindlich 30 Prozent in Aufsichtsräten und verbindlich 0 Prozent in Vorständen mit dem Zusatz freiwillig. Dazu die Jubelmeldung.

Viel größeren Raum nimmt die richtige Forderung nach gleicher Bezahlung für gleiche und gleichwertige Arbeit ein. Dazu hört man von Frau Schwesig aber nichts. Trotzdem verkündet sie den großen Wurf dort, wo es überhaupt nicht um die Interessen der SPD-Wähler geht. Welchen Wert solch ein Kompromiss aber hat, wird von den Medien und auch von mir, da haben Sie recht, nicht hinreichend aufgeklärt.

Eine Frauenquote in Führungspositionen ist meiner Ansicht nach von geringerer Bedeutung. Die Masse der Frauen leidet eben nicht unter einer fehlenden Quote für Aufsichtsräte und Vorstände, sondern unter einer Lohnbenachteiligung, wie es die SPD richtig in ihrem Wahlprogramm schreibt.

Im übrigen ist der Eliteninzest bei der Besetzung von Aufsichtsräten und Vorständen das größere Problem. Da sitzen immer dieselben Nasen und ihre Abkömmlinge, oftmals auch gelernte Politiker. Die Frage einer Frauenquote hat mit Frauenpolitik jedenfalls nichts zu tun.

Mit freundlichem Gruß

André Tautenhahn

Viel größeren Raum nimmt die richtige Forderung nach gleicher Bezahlung für gleiche und gleichwertige Arbeit ein.

GB: Niemand, wirklich niemand hat etwas gegen gleiche Bezahlung, w e n n Vergleichbarkeit tatsächlich gegeben ist und nicht bloß behauptet wird!

Aber es wimmelt in der Presse von Falschmeldungen, z. B. den angeblichen 23%.

Siehe: feministische Mythen auf Manndat.


Eine Frauenquote in Führungspositionen ist meiner Ansicht nach von geringerer Bedeutung. Die Masse der Frauen leidet eben nicht unter einer fehlenden Quote für Aufsichtsräte und Vorstände, sondern unter einer Lohnbenachteiligung, wie es die SPD richtig in ihrem Wahlprogramm schreibt.

GB: das stimmt, das ist eine Sache für ambitionierte Mittelschichtfrauen, die sich einen Karrriere-Turbo wünschen. Und bekommen. Wieso sich Linke dafür einsetzen, das ist mir völlig schleierhaft. Das ist eine rechte Politik (vgl. meine Beiträge auf cuncti und le-bohemien).


Im übrigen ist der Eliteninzest bei der Besetzung von Aufsichtsräten und Vorständen das größere Problem. Da sitzen immer dieselben Nasen und ihre Abkömmlinge, oftmals auch gelernte Politiker. Die Frage einer Frauenquote hat mit Frauenpolitik jedenfalls nichts zu tun.

GB: Millionen lohnabhängiger Frauen haben g a n z andere Sorgen. Aber die SPD kümmert sich nicht um Lohnabhängige. D a s ist der Skandal.

Mit freundlichen Grüßen Prof. Dr. Günter Buchholz

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Die Woche der faulen Kompromisse beginnt

Geschrieben von:

Bei den Koalitionsverhandlungen in Berlin steht die Entscheidungswoche an. Bis zum 27. November soll der Vertrag zwischen Union und SPD stehen. Eigentlich sind es aber traurige Tage, an denen ein fauler Kompromiss nach dem anderen geschlossen werden wird wie zum Beispiel die feste aber unverbindliche Frauenquote. Manuela Schwesig, die vor dem Parteitag der SPD noch medienwirksam mit dem Abbruch der Verhandlungen drohte, spricht nun von einem wichtigen Signal für die Frauen und von einem großen Fortschritt in Sachen Gleichstellung. Brauchbare Ergebnisse sind das aber nicht.

Die Durchbrüche, die der Öffentlichkeit jetzt wahrscheinlich jeden Morgen aufs Butterbrot geträufelt werden, taugen vielleicht etwas für die ARD-Themenwoche Zum Glück, nicht aber für die Mitglieder der SPD, die über das Bündnis mit der Union abschließend entscheiden sollen. Beim ganz wichtigen Thema Mindestlohn droht die Union ebenfalls mit einem Kompromiss. Dabei ist allein schon die Vorstellung eines Vergleichs beim Mindestlohn abwegig. Entweder man ist dafür oder dagegen. Wenn eine Seite das Etikett für eine Schachtel liefert, in der die Überzeugung des anderen enthalten ist, nennt man das Etikettenschwindel. Und genau daran arbeiten Union und SPD.

Das großzügige Entgegenkommen der Union besteht nämlich darin, der SPD eine Lohnuntergrenze anzubieten, die erst 2016 kommen, von einer Kommission aus Arbeitgebern und Arbeitnehmern überwacht werden und nicht für alle Branchen und Regionen gelten soll, dafür aber offiziell gesetzlicher Mindestlohn genannt werden darf. Die Union will Übergangsfristen durchsetzen, um einen nach ihrer Auffassung drohenden Anstieg der Arbeitslosigkeit vor allem im Osten zu vermeiden. Damit räumt die Union beiläufig und dennoch ganz konkret ein, dass das angebliche Jobwunder auf einer Scheinbeschäftigung beruht, die ohne staatlich subventioniertes Lohndumping nicht funktionieren würde.

Nicht Flexibilität, sondern Teilhabe

Beide Verhandlungspartner verstehen Löhne nur als Kosten, die sich dem Dogma der Arbeitsmarktflexibilität unterzuordnen haben. Daher werden Union und SPD auch einen Kompromiss finden, wo eigentlich nur eine klare Entscheidung für den Mindestlohn angemessen ist. Würden die großen Koalitionäre, die sich wechselseitig finanz- und wirtschaftspolitische Kompetenz ins Stammbuch schreiben, endlich begreifen, dass nicht möglichst flexible Arbeitsmärkte, sondern die Teilhabe der Arbeitnehmer die Wachstumsentwicklung stabilisiert, wäre schon viel erreicht.

Wenn dann noch klar würde, dass die Arbeitslosigkeit gestiegen ist, obwohl die Zunahme der Reallöhne hinter der Produktivitätsentwicklung zurückgeblieben ist und im Süden Europas sogar das radikale Kürzen der Löhne zu einem massiven Anstieg der Arbeitslosigkeit geführt hat, wäre vielleicht auch mal Schluss mit dem Verbreiten des irrigen Glaubensbekenntnisses, wonach eine Lohnanpassung nach oben unweigerlich zu mehr Arbeitslosigkeit führe. Das Gegenteil ist richtig, wie jeder sehen kann, der Augen im Kopf hat.

Eine Phalanx deutscher Autobauer hält das aber nicht davon ab, vor dem Mindestlohn und überhaupt vor weitreichenden Zugeständnissen an die Arbeitnehmer zu warnen. So dürfe beispielsweise an den Regeln für die Leiharbeit nicht gerüttelt werden. Das sei hochgefährlich, meint etwa Daimler-Chef Zetsche. Die Flexibilität am Arbeitsmarkt müsse erhalten und Energie bezahlbar bleiben. Andernfalls, drohen die Manager, müsse die Produktion ins Ausland verlagert werden. Das zieht immer. Die CDU will die Bedenken der hohen Herren umgehend mit der SPD besprechen und beweist damit einmal mehr die eigene Erpressbarkeit.

Gerade bei der Leiharbeit werden die vier Automanager Dieter Zetsche (Daimler), Norbert Reithofer (BMW), Martin Winterkorn (VW) und Opel-Chef Karl-Thomas Neumann deutlich. Ohne die Leiharbeit sei ein wirtschaftliches Arbeiten kaum möglich, erklärt Reithofer. Zetsche meint sogar, dass man ohne Leih- und Zeitarbeit gar nicht mehr produzieren könnte. Richtiger wäre wohl, dass ohne Leiharbeiter und Werkverträgler Gehälter wie 14,5 Millionen Euro (Winterkorn), 8,2 Millionen Euro (Zetsche) und 6,6 Millionen Euro (Reithofer) nicht drin wären oder kostspielige Zukäufe und Fusionen, die hinterher mit hohen Verlusten wieder rückgängig gemacht werden müssen (siehe DaimlerChrysler Desaster).

Auch die unanständig hoch bezahlten Manager liefern nicht mehr ab als das Ergebnis einer Scheinbeschäftigung. Wenn der eine mit goldenem Handschlag geht, korrigiert sein Nachfolger dessen Unternehmenspolitik umgehend und zwar auf die immer gleiche Weise. Entlassungen und Lohnkürzungen. Vielleicht sollte an dieser Stelle über eine Beschneidung des Sozialstaates nachgedacht werden und eine Diskussion über die Begrenzung von Gehältern und Boni nach oben sowie höhere Steuern stattfinden. Das wäre tatsächlich mal eine Meldung, die man auch als Erfolg verkaufen könnte.

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Er steht da nur und kann nicht anders

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Da steht er nun und kann nicht anders. Sigmar Gabriel empfiehlt seiner Partei die Große Koalition. Er würde einen ausgeben, wenn in Prozent umgerechnet nur so viele Mitglieder den Koalitionsvertrag ablehnen würden wie ihn als Parteivorsitzenden. Gleichzeitig kann er seiner Basis aber nichts anbieten, denn die Verhandlungen mit der Union sind bisher ergebnislos verlaufen. Gabriels Dialektik besteht nun darin, einen Koalitionsvertrag mit SPD-Handschrift in Aussicht zu stellen und dafür bereits um Zustimmung zu werben. Gleichzeitig würde er einen Vertrag aber gar nicht erst vorlegen, wenn dieser nicht den Kriterien seiner Partei entspricht.

Das heißt, am Ende geht es bloß um hübsche aber inhaltsleere Schaufensterschachteln, wie Peer Steinbrück vor der Wahl und zugegebenermaßen treffend formulierte, als er das Programm der Union kritisierte. Natürlich wird es eine Schachtel mit der Aufschrift Mindestlohn geben und natürlich wird es auch eine Schachtel mit der Aufschrift doppelte Staatsbürgerschaft geben. Das wird die Union schon liefern, aber konkret geht es doch dann um Formulierungen, mit denen sowohl Union als auch SPD vor ihre Anhänger treten und sich das Bündnis absegnen lassen können.

Daher können beide Seiten, obwohl sie ihre Zustimmung zu einem Koalitionsvertrag gerade wieder öffentlich infrage stellen, auch von Verhandlungen sprechen, die sich auf der Zielgerade befänden und Ende November zu einem Abschluss gebracht werden sollen. Wer hier wen gemeinschaftlich für dumm verkauft, das sollte inzwischen klar sein. Machen Sie sich auf ein Feuerwerk der Durchbrüche gefasst, die weder zum Wohle der einen noch der anderen Partei vermeldet, sondern einzig und allein in Ihrem Sinne ausfallen werden. Merken Sie sich die Worte Volker Kauders: “Die großen Streitpunkte werden in den letzten zwei Verhandlungstagen entschieden.”

Das alles wäre viel einfacher, wenn es keine Mehrheit links von Frau Merkel gäbe. Diese aber sei nur eine Scheinmehrheit, die nach kurzer Zeit schon wieder zerbrechen würde, meinte Gabriel auf dem Parteitag, weshalb sie auch frühestens ab 2017 wahrgenommen werden dürfe. Es handelt sich also quasi um eine Mehrheit auf Zeit. Doch was unterscheidet diese Mehrheit auf Zeit von einem offen propagierten Bündnis auf Zeit mit der Union? Nun, für das Bündnis auf Zeit mit der Union spricht offenbar die Verlässlichkeit eines Vertrages mit den oben bereits erwähnten Schaufensterschachteln. Ein vorzeitiger Ausstieg wäre aus- und die Ablehnung des eigenen Wahlprogramms im Bundestag mit eingeschlossen.

Ein Bündnis mit Grünen und Linken scheitere zwar nicht an der Kanzlerwahl, so Gabriel, dafür aber an dem Hass einiger Linker gegenüber der SPD. Wenn überhaupt beruht das Verhältnis auf Gegenseitigkeit. Das nur zur Klarstellung. Im Kern spielt Gabriel mit seinen Spitzengenossen immer noch die gleiche Leier. Weil es auf der persönlichen Ebene nicht klappt, könne eine Zusammenarbeit nicht funktionieren. Doch wie passt dieses infantile Gehabe zum Pathos der Inhalte, um die sich bei den Sozialdemokraten doch alles drehe?

“Die Deutschen wollen, dass wir nicht im Interesse von Parteien handeln, sondern im Interesse der Menschen in unserem Land”, sagte Gabriel im Interview mit der ARD. Das trifft aber nur für Verhandlungen mit der Union zu, mit denen man sich im Interesse der Menschen offenbar viel besser versteht als mit den Linken, die zufällig das gleiche inhaltlich wollen, wie die SPD. Was wäre da wohl besser für die Menschen? Eine Große Koalition, die im Grunde nur eine Fortsetzung dessen ist, was seit ein paar Wochen Koalitionsverhandlungen genannt wird, nämlich über die Medien zum gegenseitigen Einlenken aufzurufen, um sich dann im Koalitionsausschuss auf einen windelweichen Kompromiss zu einigen? 

Oder sollte eine Regierung tatsächlich daran interessiert sein, möglichst schnell jenes Programm umzusetzen, dass man für absolut notwendig erachtet, auch wenn man sich persönlich nicht leiden kann? Sogar die Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat wären zur Zeit so, dass man eine Politik im Interesse der Mehrheit der Menschen in diesem Land wagen könnte.

Quelle: Bundesrat

Doch Sigmar Gabriel steht da nur und kann nicht anders. Weil er es einfach nicht will.

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Die SPD und die 100 Prozent

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„Viele Wähler haben eben nicht für die SPD gestimmt. Da kann am Ende eines solchen Prozesses auch nicht 100 Prozent SPD rauskommen“, sagte Hannelore Kraft heute auf dem Parteitag der SPD in Leipzig und Gabriel so etwas Ähnliches. Aber mehr als Nichts sollte es doch schon sein. Nach derzeitigem Stand könnte die SPD allerdings mehr von ihrem Programm umsetzen, wenn sie in der Opposition bliebe. Ob die Delegierten aber auch wissen, dass eine SPD-Bundestagsfraktion in der Großen Koalition ihr eigenes Programm, ihre eigenen Inhalte, für die Frau Kraft und der heuchelnde Rest der Parteispitze angeblich so sehr kämpfen, offen ablehnen müssten, wenn die Linkspartei oder die Grünen es ihr servieren?

Neben all der leisen und selbstkritischen Töne bleibt doch immer noch die simple Arithmetik, die der Traumrealität entgegensteht. Was könnte die SPD schon mit der Union umsetzen, das sie nicht viel besser in einer Koalition unter eigener Führung verwirklichen könnte? Aber die ist für den Moment noch ausgeschlossen, obwohl es, wie wir seit heute wissen, nie an der SPD lag. Geredet habe man mit den Linken. Für die Zukunft gelten Bedingungen, und zwar eine stabile und verlässliche parlamentarische Mehrheit, ein finanzierbarer Koalitionsvertrag und eine „verantwortungsvolle Europa- und Außenpolitik im Rahmen unserer internationalen Verpflichtungen“.

Demnach reicht eine einfache Mehrheit nicht aus, und die Linke müsste, wie die SPD heute, im Rahmen verantwortungsvoller Außenpolitik, dem Kauf und Einsatz von weiteren Kampfdrohnen zustimmen, egal ob sie nun fliegen dürfen oder nicht oder wenn sie denn doch in der Luft sind nacheinander abstürzen. Aber das sind ja nur Kompromisse, die der staatspolitisch Verantwortliche eingehen müsse. Ziel der SPD sei es aber wirklich, versichert Frau Kraft, Verbesserungen für die Menschen zu erreichen. „Die Inhalte sind wichtig. Messt uns am Ende an den Inhalten“, rief sie mit gebrochener Stimme. Doch welche Inhalte sind noch übrig oder nicht bereits verwässert?

Die SPD dürfe nicht vergessen, dass 75 Prozent der Wähler nicht für die Sozialdemokraten gestimmt haben. Man könne deshalb auch nicht erwarten, dass in einem Koalitionsvertrag mit der Union zu 100 Prozent SPD-Forderungen erfüllt werden, sagte Kraft, wie oben bereits erwähnt. Richtig, die SPD ist von einer überwältigenden Mehrheit nicht gewählt worden. Keiner erwartet deshalb 100 Prozent SPD, aber doch in jedem Fall den Rücktritt der Personen, die das zweitschlechteste Ergebnis der Geschichte zu verantworten haben.

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Jobabbau, weil Milliarde bei Milliardengewinn fehlt

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VoRWEg gehen heißt beim Energiekonzern RWE vor allem übliche Strategien konsequent anzuwenden und bei Gewinneinbrüchen Stellen zu streichen sowie Gehälter zu beschneiden. Worum geht es: Der Konzern erwartet “nur” noch einen Gewinn von 7,6 bis 8,1 Milliarden Euro vor Steuern, rund eine Milliarde weniger als 2012. Bis September hat das Unternehmen “gerade so” 6,71 Milliarden Euro Betriebsgewinn erwirtschaftet und damit das Vorjahresniveau noch einmal halten können, erwartet wurden 6,8 Milliarden. 

Aus Sicht der Manager und vor allem der Anteilseigner ist das offenbar eine Katastrophe, auf die mit dem üblichen in der Summe radikalen Personalabbau reagiert werden müsse. Wohlgemerkt, nicht die Kosten sind zu hoch, sondern die Gewinne und Gewinnerwartungen zu niedrig. RWE streicht seit Jahren Stellen und liegt damit an der Spitze in der oligopolistisch organisierten Energiebranche. Diese leide vor allem unter dem stark gesunkenen Börsenstrompreis. Das ist allerdings komisch, da die niedrigen Strompreise an der Börse überhaupt nicht an die Kunden weitergebeben werden.

Die Wiedereinführung einer staatlichen Preisaufsicht, die es bis 2007 einmal gab, hatte es vor der Wahl als Versprechen gegeben. In den Koalitionsverhandlungen ist davon allerdings keine Rede mehr. Das Fehlen einer solchen Instanz hat die Strompreise für Verbraucher in sechs Jahren um fast 40 Prozent steigen lassen. Die Folge: Milliardengewinne auf Seiten der Energieversorger, die nun herumjammern, dass von den vielen erwarteten Milliarden eine fehlen wird. Fakt ist, dass die Konzerne seit Jahren den Strompreis und damit ihre Einnahmen beinahe nach Belieben regulieren dürfen.

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