Ein wenig komisch ist die Rolle rückwärts von Frau Dr. Merkel dann doch. Was werden die Zeitungen wohl schreiben über ihr einstiges Idol, die eiserne Kanzlerin? Als es um die Rettung Griechenlands ging und überhaupt um die Rettung des Euro mit Mrd. desselben aus Deutschland, hatte das die Kanzlerin an die Bedingung geknüpft, dass nunmehr ein harter Strafenkatalog für Defizitsünder eingeführt werden müsse, mit sofortigen Sanktionen, Entzug des Stimmrechts oder sogar der Möglichkeit einer geordneten Insolvenz.
Europa stünde am Scheideweg, sagte die Bundeskanzlerin damals im Mai. Es müsse eine neue Stabilitätskultur in der EU geben, so Merkel weiter. Bis diese Woche waren sich dann auch alle einig, dass die geforderten Sanktionsmaßnahmen umgesetzt würden. Die Finanzminister der Eurogruppe haben eifrig beraten. Doch nun kam heraus, dass die eiserne Kanzlerin mit dem abgebrochenen Sarkozy am Strand spazieren ging und einen Kompromiss aushandelte. Die Sache mit den automatischen Sanktionen für Defizitsünder war plötzlich vom Tisch. Diese soll es nämlich künftig nur dann geben, wenn eine Mehrheit der EU-Staaten dafür stimmt. Also alles wie gehabt. Viel Lärm um nichts. Frau Merkel hat nur ihre bisherige alternativlose Meinung geändert. Warum?
Dem eitlen Gockel aus der FDP gefiel das dann überhaupt nicht, weil seine kritische Haltung zu der Merkel-Sarkozy-Vereinbarung durch den Seibert nicht entsprechend verkündet worden war. Aber das ist schlechte Seifenoper und nicht weiter interessant.
Viel spannender finde ich ja die Frage, welche Zugeständnisse die Franzosen gemacht haben. Klar ist, dass die beabsichtigte Sanktionsregelung vor allem jene Staaten betroffen hätte, die auf Grund der exzessiv betriebenen deutschen Exportausrichtung Außenhandelsdefizite anhäufen mussten und in Zukunft auch wieder anhäufen werden, wenn sich an der deutschen Haltung nichts ändert. Frankreich wäre also auch betroffen. Die französische Finanzministerin Lagarde hatte ja darauf hingewiesen, dass Deutschland mit seiner einseitigen Exportorientierung und mit der einheitlichen Währung im Rücken die Wirtschaftsunion gefährde. Die Deutschen müssten vielmehr ihren Binnenmarkt stärken und mehr Waren importieren, damit die Defizite der anderen verringert werden können. Das hat die Bundesregierung natürlich vehement zurückgewiesen.
Möglicherweise besteht der Kompromiss ja nun darin, dass Frankreich keine Kritik mehr an der einseitigen Wirtschaftspolitik Deutschlands übt oder sich sogar dafür einsetzt, dass Deutschland seine Lohndumpingpolitik auf Kosten der anderen Staaten weiter fortsetzen darf. Denn unbemerkt von der medialen Öffentlichkeit hatte die Bundesregierung auf EU-Ebene bereits zugestanden, bei der Lohnentwicklung im Vergleich zu den anderen Euroländern einen Rückstand zu haben und entsprechend handeln zu wollen. Das könnte nun vom Tisch sein.
Aber was weiß ich schon, über welchen Quatsch Frau Merkel und Herr Sarkozy am Strand geredet haben, während die gewählten Volksvertreter noch über den Unsinn beraten, den Frau Bundeskanzlerin bis zu diesem Zeitpunkt noch mit Nachdruck vertreten hat.
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Quelle: Berliner Morgenpost
OKT