Heute habe ich das Journal am Vormittag im Deutschlandfunk und die Sendung Kontrovers mit dem Titel Zwischen Euro-Krise, Reform-Druck und Dauer-Wahlkampf, Was bringt das Jahr 2011? verfolgt.
Im Studio saßen zum Diskutieren die großen Leuchten des Fachjournalismus. D.h. Gabor Steingart, der Runnig Gag des neoliberalen Dünnpfiffs, vom Handelsblatt (ehem. Spiegel) war zugeschaltet. So ein eingebildeter „Geisterguru“ geht nicht mehr aus seinem Büro, er sondert seinen Schwachsinn in Konferenzschaltungen ab. Aber Birgit Marshall, Hauptstadtkorrespondentin von der Rheinischen Post, saß da und redete einen Scheiß, dass man wirklich das Radio aus dem Fenster hätte schmeißen können.
Diese geistige Tieffliegerin behauptete in einer Tour, dass das Jahr 2011 das Jahr der Lohnerhöhungen sein werde, allein deshalb, weil Arbeitnehmer eine bessere Verhandlungsposition hätten. Man bräuchte nur zum Arbeitgeber hingehen und mit Verweis auf die tollen Arbeitsmarktzahlen sagen, dass es kaum noch qualifizierte Menschen ohne Job gäbe und der Chef nicht nach Belieben jemanden finden könne, der den Job zu einem niedrigeren Lohn machen würde. Genau diesen Müll antwortete Frau Marshall auf die Frage eines Hörers, der in der Wach- und Sicherheitsbranche als Schichtleiter für einen Stundenlohn von acht Euro arbeiten müsse und schon seit Jahren keine Lohnerhöhung mehr gesehen hätte. Er stellte die Frage an Frau Marshall, ob sie das denn in Ordnung oder gerecht fände.
Frau Marshall meinte, dass sie natürlich nicht entscheiden könne, was ein gerechter Lohn sei und fügte dann noch mit einem Lachen an, dass sie selbst auch seit längerem keine Lohnerhöhung mehr gesehen hätte. Ich kann mir gar nicht vorstellen, dass man für so eine arrogante wie ignorante Arbeitsweise überhaupt Gehalt verlangen darf. Aber so ist das bei den noch gut verdienenden Berliner Journalisten, die es sich im Enddarm der Politik- und Lobbykaste bequem gemacht haben. Statt zu kritisieren, wie es eigentlich ihr Job wäre, springen sie permanent ihren wahren Geldgebern zur Seite und verteidigen die Regierung und die Quacksalber, die seit Jahren mit ihren Rezepten regelmäßig daneben gelegen haben.
Die ganze Sendung stand ja ein wenig unter der aktuellen Statistiker-Meldung, dass im Jahr 2010 die Zahl der Erwerbstätigen auf ein neues Rekordhoch gestiegen sei. Unterschlagen wird dabei wieder, dass die Qualität der Beschäftigung dramatisch abgenommen hat und der Abbau von Vollzeistellen einem deutlichen Aufbau von geringfügiger Beschäftigung, Teilzeit- sowie Leih- und Zeitarbeit gegenübersteht. Deutschland hat den größten Niedriglohnsektor Europas und den Anstieg der quantitativen Beschäftigung mit einer Prekarisierung der Arbeitnehmerschaft bezahlt, die sich auch auf die Entwicklung der Einkommen durchschlug. Immerhin leugnete die versammelte Journaille die unterdurchschnittliche Lohnentwicklung nicht.
Wer nun aber behauptet, dass sich die Verhandlungsposition der abhängig Beschäftigten schlagartig verbessert habe, weil die Bundesregierung die Arbeitsmarktstatistiken schönt und Quantität feiert, anstatt die Qualität der entstandenen Arbeitsplätze zu hinterfragen, ist nicht nur dumm im Kopf, sondern glaubt auch noch, dass Zuhörer wie Leser völlig verblödet seien.
Wer so daherquatscht, wie Marshall und Steingart hat es dann natürlich auch schwer die hohe Staatsverschuldung und das gewaltig gestiegene Defizit in den kommunalen Kassen zum Jahresende zu erklären. Steingart bemühte einmal mehr sein volksverhetzendes Bild vom produktiven und unproduktiven Teil der Bevölkerung sowie die absurde Rechnung, dass der reichere Teil der Bevölkerung, ob produktiv oder unproduktiv, ist ihm dabei egal, die meisten Steuern zahlen würde. Es wird auch so getan, als sei die Euro-Krise etwas, dass nichts mit der Bankenkrise und den wirtschaftlichen Ungleichgewichten zu tun hätte, sondern nur etwas mit schlechter Haushaltspolitik in den Schwachländern.
Als ein Hörer zurecht darauf hinwies, dass in Deutschland die niedrigen Lohnstückkosten erst den Exportüberschuss ermöglicht haben und dieser Überhang genau zu den entsprechenden Defiziten in den Abnehmerstaaten führen musste, hörte man nur albernes Zeug als Reaktion. Man könne ja niemanden zwingen, jetzt Autos aus Moskau zu kaufen, meinte Steingart herablassend. Zu den niedrigen Kosten komme eben auch die hohe deutsche Qualität, die in Europa nun einmal gefragt sei. Nur ist der Blödsinn mit der Made, die aus Germany kommt, keine Erklärung und schon gar keine Lösung, um die bestehenden Handelsungleichgewichte abzubauen.
Aber in Steingarts und Marhalls Welt scheint so etwas wie Handel oder volkswirtschaftliche Logik gar nicht stattzufinden. Sie sind offenbar der Auffassung, dass Deutschland der Welt alles liefern und von den Forderungen, die wir dabei anhäufen, denn nichts anderes sind Bilanzüberschüsse, leben könnten. So stellten sich Steingart und Marhall am Ende dann auch dumm, als der Moderator fragte, ob es überhaupt realistisch sei, dass die Schwachländer wie Griechenland und demnächst wohl auch Spanien und Portugal ihre enormen Schulden werden zurückzahlen können.
Zunächst einmal behaupteten auch die beiden, dass der Euro-Rettungsschirm über knapp eine Billion Euro nur Garantien seien, die die deutschen Steuerzahler nix kosten würden. Ganz im Gegenteil schwärmt sogar Steingart. Deutschland mache ein Geschäft, weil es billiger Geld am Kapitalmarkt aufnehmen könne und für höhere Zinsen an Länder wie Griechenland weiterverleihe. Für Steingart ist es also ganz toll wenn mit der Not anderer noch Profite gemacht werden. So macht die scheinbar überwundene Krise Spaß. Dieses Zinshebelspiel kritisierte er übrigens wieder bei Banken und Spekulanten, die im Euroraum auf die Pleite von Staaten wetten und mit Risikoaufschlägen beim Verleihen und günstigen Kapitalbeschaffungskosten über die Zentralbank ebenfalls satte Profite realisieren.
Mit solchen Top-Journalisten an der Seite kann sich Frau Bundeskanzlerin gemütlich zurücklehnen und über das Volk lachen, dass sie trotzdem wählt.
JAN