Sachverständige: Konjunkturpaket kommt zu spät

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Quelle: Deutscher Bundestag

Professor Peter Bofinger (Universität Würzburg) erklärte, es sei nicht nachvollziehbar, warum die steuerlichen Maßnahmen des Pakets erst in der zweiten Jahreshälfte 2009 wirksam werden sollten. Das passe nicht zum Verlauf der Krise und sei ein Fehler. Der private Verbrauch sei rückläufig. „Die ganze Story mit dem guten Weihnachtsgeschäft war falsch“, erklärte Bofinger.

Nur zur Kenntnis. Die Märchenstory über das tolle Weihnachtsgeschäft war nicht nur falsch, sondern eine Erfindung der PR-Agenturen. Und die Medien haben alle mitgemacht. Ich habe das im Hinblick auf die Berichterstattung in der Neuen Presse Hannover anschaulich beschrieben.

Ich habe auch hier dargelegt, wie mit Peter Bofingers Analysen in der Neuen Presse umgegangen wurde. Christoph Slangen, der ihn für das Blatt im letzten Monat interviewte, hat nichts begreifen und immer nur auf die Schuldenbremse abheben wollen, von der Bofinger ganz klar sagte, dass sie totaler Blödsinn ist. Alles andere, was Bofinger zur Wirtschaftspolitik zu sagen hatte, prallte in stoischer Weise an Slangen, der fleischgewordenen Borniertheit, ab.

Steuerentlastungen an sich sind kein geeignetes Mittel, um für konjunkturelle Belebung zu sorgen. Da gibt es weitaus wirksamere Instrumente. Nur wenn man davon überzeugt ist, dass Steuerentlastungen das Richtige seien, um in der Krise einen Impuls zu setzen, so wie es die Bundesregierung verlautbart, wieso lässt man sich dann so viel Zeit bei der Umsetzung dieser Maßnahme? Da hat Peter Bofinger völlig Recht. Das ist widersinnig, vor allem wenn man sich vor Augen führt, welchen Verlauf der gerade jetzt so wichtige private Konsum seit Jahren genommen hat.

Das Märchen über den „Weihnachtskaufrausch“ sollte also nur dazu dienen, der Bundesregierung den Rücken frei zu halten. Es sollte der Eindruck erweckt werden, die Regierung hätte genügend Zeit zu handeln. Und es standen schließlich einige Politiker vor den Mikrofonen, die angesichts des Weihnachtsmärchens verkündeten, dass nunmehr keine unmittelbare Notwendigkeit für ein großzügiges Konjunkturpaket bestünde.

An diesem Beispiel kann man wunderschön studieren, wie PR-Kampagnen gezielt in der Tagespresse lanciert wurden, um politische wie auch wirtschaftliche Interessen durchzusetzen. Von unabhängiger Berichterstattung keine Spur. Im Gegenteil. Manchmal hat man den Eindruck, solche Journalisten bekommen extra Geld dafür. So lässt sich in Zeiten der andauernden Zeitungskrise, die mit dem Finanzdesaster im übrigen rein gar nichts zu tun hat, auch Geld verdienen.

Witzig und erschreckend zugleich ist dabei nur, dass sich der Chefredakteur der Neuen Presse Hannover auch noch künstlich aufspielte, als bekannt wurde, dass Ministerien vorgefertigte Beiträge an Redaktionen verkauften. Angesichts der Kampagnen, die die Neue Presse Hannover in der letzten Zeit fährt, ist das echt der Hammer und eine bodenlose Unverschämtheit.

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Gibt’s noch Pressefreiheit?

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Letzte Woche hat in der deutschen Presselandschaft ein weiterer großer Deal für Aufregung gesorgt. Und zwar übernimmt das Verlagshaus Madsack, zu dem unter anderem auch die Neue Presse Hannover gehört, Anteile an mehreren Tageszeitungen, die zuvor vom Springer-Konzern gehalten wurden. Für rund 300 Millionen haben die Hannoveraner Anteile an der Ostsee-Zeitung, den Lübecker- sowie den Kieler-Nachrichten und die Leipziger Volkszeitung komplett übernommen.

Die Berichterstattung darüber fällt dementsprechend wohlwollend aus. In der Samstagsausgabe der Neuen Presse Hannover findet sich ein großer Beitrag auf Seite 8. Darin schwärmt Udo Harms vom Expansionskurs der Verlagsgesellschaft, zu der sein Arbeitgeber gehört. Die Beschreibung dessen, was man objektiv betrachtet als schlichte Medienkonzentration erkennen muss, bleibt weit hinter dieser Erkenntnis zurück.

„Der Deal passt in die mediale Landschaft.“[…]
„Traditionell ist die deutsche Zeitungslandschaft eher zersplittert: Es gibt immer noch viele Zeitungen im Familienbesitz, die in ihrem regionalen Verbreitungsgebiet eine Art Monopol besitzen. Doch auch sie spüren längst die Krise – und die Konkurrenz von Fernsehen und Internet, die es immer schwerer macht, junge Leser zu gewinnen, während treue Abonnenten schlicht wegsterben. Um gegenzusteuern, sind große Investitionen nötig – für kleine Verlage oft ein schwer überschaubares Risiko.“

Der Austausch von Monopolen im Kleinen durch große Monopole wird als notwendige Lösung verkauft. Die Krise ist wie zu erwarten Schuld an der schlechten Lage der Presse. Außerdem sterben die Alten weg und die Jungen interessieren sich nicht für das „qualitativ hochwertige Produkt“ Zeitung. Also sind mal wieder alle anderen Schuld. Wo bleibt die Selbstkritik? Wenn eine Zeitung es nicht schafft, Leser zu gewinnen, dann muss man sich doch fragen, was man selber falsch macht. Stattdessen sucht man nach Ausreden und konzentriert sich auf Monopolisierung, um gesteuerte PR-Kampagnen breit in die Republik tragen zu können.

Harms schreibt richtigerweise von einem Umbruch im Zeitungsmarkt. Er nennt aber gar nicht das dramatische Ausmaß, sondern leitet daraus lediglich den Anspruch ab, gegenzuhalten. So als ob der Kampf um Marktanteile wichtiger ist, als die journalistische Arbeit selbst. Und da wundert sich die Presse auch noch darüber, dass junge Menschen keine Lust mehr haben, sich so etwas anzutun.

Der weitaus größte Teil der deutschen Presse liegt heute in der Hand von nicht mehr als zehn Konzernen (Bauer, Bertelsmann, Burda, DuMont, Holtzbrinck, Ippen, Madsack, Springer, Stuttgarter Zeitungsverlag und WAZ). Dazu die Verflechtungen in andere Medienbereiche, auf die man zusehends Einfluss zu gewinnen versucht. Nicht zuletzt durch die neueste Novelle des Rundfunkstaatsvertrages, der es den öffentlich rechtlichen Anstalten verbietet, Fernsehbeiträge länger als sieben Tage online zu stellen. Ein klares Zugeständnis an die kommerziellen Anbieter.

Es geht schon lange nicht mehr um Qualität, die sich unter den Bedingungen des Marktes zu behaupten hat, sondern um die lückenlose Kontrolle der angeblich objektiven Berichterstattung. Die Konzentration im Medienbereich ist ein alarmierendes Beispiel. Madsack bildet da keine Ausnahme. Wer den Ableger Neue Presse Hannover kennt, weiß auf welch armseliges Maß die journalistische Qualität zurückgestutzt wurde. Bezeichnend ist daher auch der letzte Absatz von Harms über den wirtschaftlichen Gesundheitszustand des Konzerns.

„Wirtschaftlich steht die Madsack-Gruppe heute gut da: Der Umsatz stieg zuletzt auf weit über 500 Millionen Euro, bis Ende 2007 kletterte der Konzern-Überschuss auf 53,9 Millionen Euro. Die Mitarbeiterzahl lag 2007 im Jahresdurchschnitt bei 2857.“

Bei der Leipziger Volkszeitung ist man indes nicht sehr begeistert über den neuen Eigentümer. Steht doch zu befürchten, dass Arbeitsplätze abgebaut werden müssen, um das gute Ergebnis des Gesamtkonzerns nicht zu gefährden. Es ist doch auch logisch. Wenn keiner mehr den Dreck, wie die Neue Presse Hannover zum Beispiel kauft oder abonniert, also Auflage und Anzeigenerlöse auch unter der Bedingung von Boulevardisierung sinken, muss man einfach andere Zeitungen dazukaufen, um ein Niveau halten zu können. Das Ganze rechnet sich aber nur, wenn man gleichzeitig die Redaktionen der aufgekauften Blätter ausdünnt und auf das Personal setzt, das bereits in Zeitungen wie der Neuen Presse Hannover seine Unfähigkeit unter Beweis stellen durfte.

Leuchtendes Beispiel ist und bleibt die Neue Presse Hannover. Derzeit fährt das Blatt eine PR-Kampagne für die Schuldenbremse. Das muss man sich mal vorstellen. Erst hieß es „Weihnachtskaufrausch“ und nun „Schuldenbremse“. Vom Chefredakteur Harald John bis hin zu den treu ergebenen Angestellten und freien Mitarbeitern wird diese Kampagne im Blatt getragen. Ich will jetzt gar nicht auf die hirnlosen Kommentare von Christoph Slangen eingehen, der sich wieder an der unter ihm abgebildeten Schuldenuhr des Bundes der Steuerzahler aufgeilt und es wohl nimmer lernen wird, sondern mal aus dem Interview mit Otto Graf Lambsdorff vom Samstag zitieren. Der fordert auch eine Schuldenbremse und beklagt sich dann über die Enteignungspläne des Bundes im Fall Hypo Real Estate. Am Ende darf er unwidersprochen folgendes sagen:

„Wer Enteignungen durch den Staat das Wort redet, handelt gegen alle Grundsätze der sozialen Marktwirtschaft. So wird das Investitionsklima nachhaltig beschädigt. Glaubt denn wirklich jemand, der Staat sei der bessere Banker?“

Hier hätte man nämlich deutlich aber bestimmt zurück fragen können, in welcher Phase die privaten Banker der Hypo Real Estate denn bessere Arbeit abgeliefert haben. Schließlich stützt der Staat diese private Bank gegenwärtig mit weit über 90 Mrd. Euro. Der Kurs der Bank steht bei 1 Euro schlagmichtot. Lambsdorffs irrsinnige Perspektive lässt sich nur aus seiner speziellen Klientelpolitik heraus erklären, die vorsieht, dass reiche „Leistungsträger“ dieser Gesellschaft besonders schutzbedürftig sind.

Doch die Neue Presse Hannover kümmert das nicht weiter. Die Schuldenuhr des Bundes der Steuerzahler, die einen Stand von skandalösen 1,5 Billionen Euro anzeigt wird gerne abgebildet. Wo bleibt dann aber eigentlich die Vermögensuhr? Sie weist einen Stand von 4 Billionen Euro beim obersten Zehntel der deutschen Bevölkerung aus. Damit verfügt diese relativ kleine Gruppe von Deutschen, die Lambsdorff für äußerst schützenswert hält, über rund 60 Prozent des Gesamtvermögens von 6,6 Billionen Euro, während ein immer größer werdender Teil der Bevölkerung über nichts und noch weniger verfügt.

Und in dieser Situation fordern alle eine Schuldenbremse, die nur dann versuchsweise einzuhalten wäre, wenn gleichzeitig bei denen noch mehr gespart würde, die ohnehin nichts mehr haben. Denn von einer Besteuerung der Reichen will ja keiner etwas wissen. Die flüchten ja dann, heißt es immer. Oder wie Georg Schramm treffend sagt.

„Nichts ist so ängstlich wie das scheue Reh des Kapitals.“ […]
„Man könnte es schlachten. Das scheue Reh.“

Aber Menschen wie Frau Schaeffler zum Beispiel werden nicht an ihrem patriotischen Kragen gepackt, sondern auch noch empfangen, wenn sie ihren Dauerurlaub in Österreich einmal unterbrechen, um beim deutschen Staat betteln zu kommen. Dabei spielt sich die FDP doch immer als Hüterin bürgerlicher Glaubenssätze auf und wünscht sich hie und da mehr deutsche Fahnen im Fenster zu sehen. Doch bei den Liberalen ticken eben die gleichen merkwürdigen Uhren, wie in den Redaktionen der Zeitungen. Kein Wunder also, dass Herr Schönenborn von der ARD im Deutschlandtrend feststellt, dass die FDP immer stärker wird. Richtige Populisten profitieren nämlich davon, dass man ihre Märchen überall gleichlautend verbreitet und so dafür sorgt, dass aus einer Lüge Wahrheit wird.

Lambsdorff spricht im NP-Interview von politischen Sündenfällen, dabei schickt sich die deutsche Medienöffentlichkeit an, einen schwerwiegenden Sündenfall zu wiederholen. Ich überlasse es dem Leser, wie er die weiter fortschreitende Konzentration von Medien nennt. Ich halte es mit dieser von Wolfgang Lieb getroffenen Analyse:

„Was wir derzeit publizistisch erleben, ist eine „schöne neue Medienwelt“, die sich offenbar schon freiwillig an Orwells imaginäre totalitäre Herrschaftsform angepasst hat.“

Quelle: NachDenkSeiten

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Einzelhandelsumsatz 2008 real um 0,4% gesunken

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Im Vergleich zum miesen Jahr 2007 sank der Einzelhandelsumsatz auch in 2008 noch einmal um real 0,4 Prozent. Der „Kaufrausch-Monat“ Dezember 2008 ist besonders interessant. Die Statistiker vermelden auch hier einen realen Rückgang um 0,3 Prozent zum Dezember 2007.

Quelle: destatis

Aus den Fakten, die das statistische Bundesamt heute schwarz auf weiß liefert, werden zwei Dinge ganz klar.

  1. Es gab keinen „Kaufrausch“ im Dezember 2008!
  2. Der private Konsum ist auch weiterhin keine nennenswerte Stütze der Konjunktur!

Kopfschüttelnd kann man in diesem Zusammenhang nur zur Kenntnis nehmen, dass gestern die GfK noch stolz vermeldete, der private Konsum würde in 2009 stabilisierend auf die wirtschaftliche Entwicklung wirken. Die dubiosen Ergebnisse der GfK werden jedesmal durch die realen Daten widerlegt. Dennoch dürfen die Klimaforscher weiter Wahrsagerei betreiben und unsere Medien tun so, als hätte das irgendeine Aussagekraft.

Ich erinnere noch einmal an die unsägliche Weihnachtskaufrauschkampagne der Neuen Presse Hannover.

Eine Chronologie:

  • Heute, Kinder, solls was geben … (08.12.2008)
  • Krise? City von Käufern gestürmt (09.12.2008)
  • Kaufen gegen die Krise (von Udo Harms) (09.12.2008)
  • Hannover im Kaufrausch (22.12.2008)
  • Kaufrausch auch nach dem Fest (27.12.2008)

Aber die NP hatte sich ja vorsorglich abgesichert, falls es doch keinen Kaufrausch geben sollte. Am 17.12.2008 hieß es von Dirk Busche „Hört auf mit dem Hokuspokus!“, gemeint waren die Institute mit ihren Prognosen zur konjunkturellen Entwicklung und Hubertus Pellengahr durfte im Interview sagen „Größte Gefahr für den Konsum sind die Horrormeldungen“. Dumm nur, dass die positiven Meldungen der Vergangenheit nie zu einem Anstieg des privaten Konsums beigetragen haben.

Die Geschäftsführung der Neuen Presse Hannover sollte sich bei ihren Lesern endlich für dieses miese manipulative Kampagnenspiel entschuldigen.

Aber auch andere lagen am 22.12.2008 ziemlich weit daneben als Schlagzeilen auftauchten, wie…

„Laut GfK-Chef lassen Bürger sich von Rezession nicht schrecken“ (Focus-Online)

„Die Deutschen sind immun gegen Rezessionsangst“ (Welt-Online)

„Deutsche lassen sich Weihnachtsstimmung nicht verderben“ (FAZ-Online)

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Die Neue Presse zum Fall Schaeffler-Conti

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In der Neuen Presse Hannover wird der möglichen Milliardenbeihilfe des Staates für Schaeffler-Conti ziemlich gelassen entgegen gesehen oder sagen wir mal, ohnmächtig. Schließlich kommt man an der Tatsache nicht vorbei, dass Jobs auf dem Spiel stehen. Das kennt man noch von der Autobahn. Eine Geschwindigkeitsbegrenzung würde zwar Leben retten, aber eben auch Jobs in der Automobilbranche gefährden. So heißt es dann eben freie Fahrt für freie Bürger und einen schönen Unfalltod allen Unbeteiligten, die zu Opfern von Raserei und PS-Wahn werden. Das alte Totschlagargument, im wahrsten Sinne des Wortes, kommt auch in dem heutigen Leitartikel von Claudia Brebach wieder zur Geltung. Keine Kritik an der Selbstbedienungsmentalität der Familie Schaeffler und auch keine Kritik an der dubiosen Vorgeschichte zur Übernahme, bei der Banken – und da kennt sich die Frau Brebach doch eigentlich aus – eine wesentliche Rolle gespielt haben. Stichwort „Cash-Settled Equity Swaps“ oder zu deutsch, eine auf Spekulation basierende Hebelvariante, bei der

  1. der Aktienkurs des zu übernehmenden Unternehmens in gewissem Maße festgeschrieben werden kann,
  2. de facto Unternehmensanteile des zu übernehmenden Unternehmens vorab erworben werden können, ohne dass diese gemeldet werden müssen,
  3. durch den Erwerb von Cash-Settled Equity Swaps vor Ankündigung eines Übernahmeinteresses, die dadurch ausgelöste Kurssteigerung des zu übernehmenden Unternehmens und der dadurch entstehenden Spekulationsgewinne einen Teil der Übernahmekosten direkt finanziert werden können.

Das Problem bei diesem für den Laien komplizierten Geschäft liegt nun darin, dass die Banken enormes Kapital aufbringen müssen, was sie sich bis vor kurzem am Kreditmarkt besorgt haben, um Aktienpakete an dem Übernahmekandidaten als Sicherheit zu erwerben, wenn der Angreifer seine Cash-Settled Equity Swaps einlösen will. Solange der Kurs der Aktie steigt, gewinnt der Angreifer bares Geld aus der Differenz der Kurssteigerung zu dem vorher bei den Banken gezeichneten Basiswert. Die Aktienpakete der Banken gewinnen dann natürlich ebenfalls an Wert und können somit mit Gewinn veräußert werden. Denn Ziel bleibt weiterhin die Übernahme des Konzerns.

Nun hat aber die Finanzkrise diesem Treiben einen Strich durch die Rechnung gemacht und wer sich den Kurs der Conti-Aktie anschaut wird verstehen, warum Schaeffler nun dringend Staatsgeld braucht. Das Ganze wird zum Minusgeschäft. Und die ausgelutschte Jobgeschichte wird erneut hervorgekramt, um zu verdecken, welch mieses Spiel da hinter den Kulissen abgelaufen ist.

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Anhaltende Reallohnverluste

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Seit 2004 sinken in Deutschland die Reallöhne. Das geht aus einer aktuellen Bilanz des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) in der Hans-Böckler-Stiftung hervor (siehe hier).

Reallohnentwicklung

Und das Ganze trotz der bejubelten Aufschwungsjahre. Das ist einmalig in der Geschichte der Bundesrepublik. Die Reformen wurden fälschlicherweise für das Wirtschaftswachstum verantwortlich gemacht. Richtig ist, dass sie die abfallende Lohnentwicklung verursacht und beschleunigt haben. Denn nur durch den massiven Ausbau des Niedriglohnsektors, verknüpft mit der Förderung von Leiharbeit und prekärer Beschäftigung, der Einführung von Hartz IV und den damit verbundenen Druck auf die Tarifverträge sowie das jahrelange Gerede von der Lohnzurückhaltung, ist diese Entwicklung zu erklären.

In den Jahren 2000 – 2007 sind die Löhne in Deutschland nach Angaben der Europäischen Kommission inflationsbereinigt gerade einmal um 1,4 Prozent gestiegen. Damit belegt Deutschland in dieser Statistik den vorletzten Platz. Im Durchschnitt aller 27 EU-Länder stiegen die Löhne im selben Zeitraum um 7,5 Prozent. In den 15 alten EU-Staaten stiegen sie um 6,4 Prozent – also über viermal so viel, wie in Deutschland. Das Volkseinkommen wuchs dagegen zwischen 2000 und 2007 um 20 Prozent oder 300 Milliarden Euro an. Davon haben die Beschäftigten aber nur 80 Milliarden Euro abbekommen – der Rest landete im Geldbeutel einiger weniger.

Das gutbetuchte obere Zehntel der Bevölkerung verfügt derzeit über mehr als 60 Prozent des Gesamtvermögens von 6,6 Billionen Euro – das sind also rund 4 Billionen Euro. Die unteren 70 Prozent besitzen dagegen nur neun Prozent des Gesamtvermögens. Über ein Viertel aller Erwachsenen haben nach FR-Informationen gar nix oder sind verschuldet. Und dennoch wird bei den beginnenden Tarifverhandlungen im Öffentlichen Dienst, bei der Bahn sowie bei der Telekom schon wieder gemauert und gedroht. Diesmal wird die Wirtschaftskrise vorgeschoben, um abermals auf die Lohnbremse drücken zu können.

Die Bundesregierung spricht in ihrem Wirtschaftsbericht davon, dass der konjunkturelle Einbruch nur vorübergehend sein werde und fordert in ihrer Erklärung optimistisches Denken ein. Christoph Slangen quasselt in der Neuen Presse Hannover mit „Zweckoptimismus im Superwahljahr“ mal wieder völlig am Thema vorbei. Bis zum Jahreswechsel war in diesem Blatt eine Kaufrausch-Geschichte nach der anderen zu lesen, und nun heißt es auf einmal, dass die Konsumlust doch nicht so rasch um sich greifen werde, obwohl den Menschen „wegen niedrigerer Rohstoffpreise“ angeblich mehr Geld zur Verfügung stünde (Zitat: Christoph Slangen).

Über die katastrophale Lohnentwicklung und dem damit einhergehenden anhaltenden Kaufkraftverlust sowie die realen Vermögensverhältnisse verliert der Berliner Honorarschmierfink mal wieder kein Wort. Die Binnennachfrage wird also auch in diesem Jahr nichts zur wirtschaftlichen Entwicklung beitragen können, dabei wäre sie ein wirksames Instrument gegen die Rezession.

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Nachtrag zur Hessen-Wahl

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Gestern habe ich nichts über den Leitartikel der Neuen Presse zum Thema Hessen-Wahl geschrieben. Es gab auch nichts über den Kommentar von Claus Lingenauber zu sagen. Seine Meinung können sie in nahezu allen Medien nachlesen und sich selbst ein Urteil bilden. :DD

  1. FDP macht Koch zum Wahlsieger! (Die Schlagzeile finden sie in der Bild und zahlreichen anderen Puplikationen)
  2. Ypsilanti-Bashing! – Wortbruch (Finden sie auch überall)
  3. Schäfer-Gümbel – Der Nobody mit dem „Doppelnamen“ (Der Kandidat der SPD wird auf seine Beziehung zu Ypsilanti reduziert, auch nach der Wahl)
  4. Die klare bürgerliche Mehrheit! – Ein deutliches Signal gegen rot-rote Gedankenspiele! (Die Experten haben zugeschlagen. Sie wissen genau, was der Wähler will, man muss nur oft genug abstimmen lassen)
  5. Die SPD startet denkbar schlecht ins Superwahljahr! (Der obligatorische Schulterklopfer, nach getaner Arbeit – Das Ergebnis war wunschgemäß, darauf haben die Redakteuere schließlich hingearbeitet.)

Das sind die Botschaften, die sie überall nachlesen können. Die NP bildet im Konzert derer, die alle das gleiche Intrument und den gleichen Ton spielen, keine Ausnahme.

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Die panische Angst vor Schulden

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Da hat sich die Bundesregierung nun endlich dazu durchgerungen, ein Konjunkturpaket zu beschließen (Keine Angst, es ist noch lange nicht in Kraft, erst im Sommer soll es soweit sein!) und alles was man darüber hört, ist die panische Angst der Medien vor der hohen Neuverschuldung. Hilfe, wer soll das alles bezahlen? Na ja, die Leiharbeiter werden künftig weniger beisteuern können, hat doch die Bundesregierung gerade beschlossen, das betriebene Lohndumping auf niedrigem Niveau festzuschreiben. Aber relativ gesehen, dürfen die Menschen, die von Leiharbeit betroffen sind, mehr von ihrem kärglichen Lohn zur Finanzierung der abzusehenden Haushaltslöcher beisteuern. Denn wenn beim Staat über direkte Steuern nix mehr reinkommt, kürzt er wie bisher vor allem bei den Sozialtransfers oder erhöht vielleicht noch mal die nicht nach der Größe des Einkommens gestaltete Konsumsteuer, um so doch noch an die Kröten von zum Beispiel Geringverdienern zu kommen, die ihren Lohn fast vollständig verkonsumieren müssen. Dazu braucht man keine Glaskugel.

Aber ich schweife ab. Es geht ja mal wieder um die Schulden. Die Rekordneuverschuldung wird nun zum Anlass genommen, eine schizophrene Debatte loszutreten, die überhaupt nichts mit dem eigentlichen Thema zu tun hat. Es geht doch nun wahrlich nicht darum, ob Schulden gemacht werden dürfen oder nicht. Diese Krise trifft die Volkswirtschaft so hart, dass die Defizite in den öffentlichen Haushalten so oder so massiv ansteigen werden. Das hat ja auch die Kanzlerin nach langen Überlegungen scheinbar richtig begriffen. Sie sagte selber, wenn sie nichts tun würde, wäre das Haushaltsdefizit am Ende viel höher und die Krise von längerer Dauer. Man fragt sich an der Stelle nur, warum einzelne Maßnahmen, wie die Steuer- und Beitragssatzsenkungen erst zum 1. Juli in Kraft treten sollen.

Ein Konjunkturpaket, das im Kern auf die wirtschaftliche Belebung abzielt, gerade weil es viel Geld in den Kreislauf pumpt und somit die für die Wirtschaft so wichtige Nachfrage generiert, hilft die Krise im Ergebnis zu verkürzen. Manchmal fragt man sich deshalb, welche Gehirnamputierten da in den Redaktionen rumhocken bzw. im Dunstkreis der Politiker ihr üppiges Dasein fristen und anscheinend überhaupt nicht Willens sind, einmal über volkswirtschaftliche Wirkungszusammenhänge nachzudenken. Besonders Christoph Slangen, der in Berlin unter anderem für die Neue Presse schreibt, fällt erneut mit dusseligen Fragestellungen auf.

Heute erscheint in der Neuen Presse ein Interview von ihm mit Peter Bofinger, der Mitglied des Sachverständigenrates ist. Slangens erste Frage an den Wirtschaftsweisen ist natürlich nicht jene, die nach der Wirkung des beschlossenen Konjunkturpakets auf die Wirtschaftsleistung und die Dauer der Krise abzielt, sondern einfach nur dümmlich darauf, ob am Ende höhere Schulden übrig bleiben würden. Diesen Möchtegern-Journalisten interessiert dann auch nicht Bofingers Antwort, dass die Verschuldung sich erstens nicht umgehen lässt und zweitens ein Nichtstun während einer wirtschaftlichen Krise, nicht nur noch höhere Schulden zur Folge hätte, sondern auch historisch bereits einmal bitter bestraft wurde.

Doch am Ende fragt Slangen noch einmal nach der Schuldenbremse, die 2015 greifen soll und ob bis dahin das konjunkturelle Tal durchschritten sei und nicht, ob diese Maßnahme angesichts der volkswirtschaftlichen Bedeutung von Schulden, die Bofinger in seiner ersten Antwort erläutert hat, überhaupt sinnvoll sei. Deshalb muss Bofinger auch hier die offensichtliche Dummheit und Lernunfähigkeit des Fragestellers mit seiner Antwort kompensieren. Kein anderes großes Industrieland nutze ein solches Instrument. Und in der Schweiz, dem einzigen Land, das eine Schuldenbremse kennt, wurde diese 2003 außer Kraft gesetzt, weil sie schlicht bedeutet, dass sich die Politik ihrer Gestaltungsspielräume beraubt und den Staat somit handlungsunfähig macht.

Heiner Flassbeck sagt heute im manager-magazin über solche Leute, die auf eine Verschuldungsbremse pochen, sie hätten den Ernst der Lage nicht begriffen und machten sich schlichtweg lächerlich. Dem möchte ich mich anschließen und hinzufügen, dass das auch für Journalisten gilt. Christoph Slangen ist eine Lachnummer, dass habe ich schon mehrfach hier belegen können, aber nicht nur er. Gestern auf der Bundespressekonferenz stellte doch tatsächlich jemand die Frage, ob die Einführung einer Lohnuntergrenze bei der Leiharbeit in der Krise nicht kontraproduktiv sei. Da ich nicht so schön formulieren kann, wie die akkreditierten Kollegen vor Ort, hier die hirnverbrannte Fragestellung, die den unterirdischen Geisteszustand unserer Journalisten sehr schön beschreibt: (nachzulessen in der Mitschrift der Pressekonferenz auf regierung-online)

FRAGE: „Frau Bundeskanzlerin, Sie sagen, Sie wollen Arbeitsplätze sichern. Wie verträgt sich dieses Ziel denn mit der Tatsache, dass Sie sich auf Lohnuntergrenzen bei der Zeitarbeit geeinigt haben, also ein neues Hemmnis auf dem Arbeitsmarkt schaffen, gerade vor dem Hintergrund, dass die Zeitarbeit in Krisenzeiten besonders wichtig ist?“

Wo soll man sich da noch hinfassen? :|

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Hessen statt Zumwinkel

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Über die Neue Presse muss ich mich heute schon wieder wundern. Anja Schmiedeke kommentiert die bevorstehende Wahl zum Hessischen Landtag. Überschrift: „Eine Wahl ohne Alternative“. Auf der nächsten Seite wird groß über den kommenden Sonntag berichtet. Unter der Schlagzeile „Die ungleichen Hessen-Wahlkämpfer“ liest man bezeichnenderweise weiter: „Schäfer-Gümbel stemmt sich gegen die Niederlage“ (wohlgemerkt, es ist nicht von einer „drohenden Niederlage“ die Rede) und „Stehaufmänchen Roland Koch peilt Wiederwahl an“ (so als ob es kein Wahldebakel gegeben hätte, aus dem heraus auch Roland Koch keine tragfähige Regierung hat basteln können).

Frau Schmiedeke zeigt sich dann in ihrem Kommentar erleichtert über künftige „stabile Verhältnisse“, die durch eine schwarz-gelbe Mehrheit per se hergestellt würden und beklagt gleichzeitig die fehlende Alternative. Und jetzt lesen sie mal, wie sie das begründet.

„Statt ihrer umstrittenen Landesfürstin Ypsilanti schickt die SPD einen Unbekannten ins Rennen, der schon froh sein kann, wenn die Zeitungen seinen Namen richtig schreiben.

Wieder mal sehr sachlich ausformuliert. Aber ich glaube der Frau Schmiedeke das. Über eine Alternative zum „in Krisenzeiten verlässlichen Bürokraten Koch“, wie sie ein paar Zeilen weiter schleimt, bestimmt ja nicht die SPD oder der Wähler, sondern die Zeitungen, die entscheiden, ob sie über eine Sache oder eine Person richtig schreiben oder eben falsch. Das ist der Journalismus von heute, quod erat demonstrandum. B)

Deshalb wundert es mich nach diesem Gedankengang eigentlich auch nicht mehr, dass man das Zumwinkel-Thema einfach mal weiter hinten im Innenteil als Meldung platziert, ohne Kommentar. Dennoch hätte es mich interessiert, was Frau Schmiedeke zum Beispiel über die Neuigkeit geschrieben hätte, dass der wegen Steuerbetrugs angeklagte Ex-Post-Chef Zumwinkel voraussichtlich gar nicht ins Gefängnis muss, weil die Staatsanwaltschaft unter Umständen bereit wäre, nur eine Bewährungsstrafe zu fordern.

In Analogie zur Ernennung Kochs zum „verlässlichen Krisen-Bürokraten“, unter Ausblendung seiner in der Vergangenheit liegenden Schandtaten, müsste der NP-Redakteurin zur Person Zumwinkel doch auch etwas Tolles einfallen. Der Mann wird doch sicherlich noch in einer Führungsposition gebraucht, nachdem er jetzt zeitnah wieder auf freien Fuß gesetzt wird? Er könnte sich ja, wie Peter Hartz nach seinem Verfahren, wieder als Reformer und Macher betätigen.

Ach ja, die Demokratie wird in Hessen buchstäblich zu Grabe getragen und vor Gericht der Rechtsstaat beerdigt. Aber gut, dass wir so fähige Leute, wie Frau Schmiedeke aus der NP-Redaktion haben, die immer noch hellwach und vorurteilsfrei, ihre Meinung publizistisch vertreten können… :wave:

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"Nichts ist vereinbart, bevor nicht alles vereinbart ist."

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So spricht Steinmeier im jüngsten Interview mit der NP, das sicherlich nicht nur in der NP, sondern auch in anderen regionalen Zeitungen, wie der Passauer NP z.B. abgedruckt sein dürfte. Darin mal wieder Christoph Slangen als einer der Fragensteller.

Es wird erneut der Eindruck erweckt, als bewege sich etwas in Sachen Krisenbekämpfung. Dabei bringt Steinmeier selbst, die Untätigkeit auf den Punkt.

„Nichts ist vereinbart, bevor nicht alles vereinbart ist.“

So tönt es aus dem Mund des Vizekanzlers und die Journalisten lässt das kalt. Auf Seite 1 bemüht sich nun auch der Chefredakteur Harald John um einen Leitkommentar. Man hat lange nichts von ihm gelesen. Offenbar war er auch sonst geistig ziemlich abwesend. Denn er schreibt Erstaunliches.

„Was noch gestern tabu war, ist heute erlaubt und morgen viel zu wenig. Nur vor diesem Hintergrund ist zu erklären, warum sich SPD und CDU sehr schnell über das zweite Konjunkturpaket verständigen konnten.“

Sehr schnelle Einigung? Worüber wurde sich verständigt? Was beschlossen? Und warum sagt Steinmeier im „eigenen“ Interview, dass noch nichts vereinbart sei? Und wie nennt Harald John eigentlich die rasante Einigung über den Bankenschirm im letzten Oktober?

Und warum hetzt John am Ende gegen den Osten?

„Bei aller europäischen Wettbewerbsfreiheit kann es nicht sein, dass vor allem Kleinstbetriebe aus dem Osten gewinnen. Nur wenn das Geld hier in der Region investiert wird, kann verhindert werden, dass der Mittelstand als Wachstumsmotor oder wenigstens als Rezessionsbremse ausfällt. Es nutzt keinem, wenn die Krise ein Land gebiert, in dem die Arbeitsverhältnisse marode und die Straßen frisch geteert sind.

Wettbewerb ist das, was die NP im Einklang mit der Politik im Reformeifer seit Jahren unterstützt. Der Wettbewerbsförderalismus ist das Ergebnis einer von der NP immer für gut befundenen falschen Politik. Und nun hat der Wessi John Angst vor denen, die günstiger am Markt ihre Dienstleistung anbieten können. Ist da wer plötzlich für Protektionismus, dessen Gefahr man ansonsten beim bisherigen Kurs der Bundesregierung in bezug auf die große Weltwirtschaft gar nicht sonderlich ernst nehmen wollte? :DD

So recht werde ich aus diesem Chefredakteur, seiner Zeitung und seinen Mitarbeitern nicht schlau. Ein dämlicher Bock nach dem anderen…

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Die Crux mit der ideologischen Verblendung…

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…diese konsequent durchzuhalten fällt zunehmend schwerer. Nachdem Udo Harms schon gestern einen ziemlichen Bock zum Thema Konjunkturpaket II geschossen hat, meldet er sich heute wieder auf Seite 1 mit einem Leitkommentar zu Wort. Diesmal zu den Arbeitsmarktdaten.

„In den vergangenen Monaten hat sich der Arbeitsmarkt sehr robust gezeigt, […] Der Job-Boom ist vorbei. Beunruhigend ist nicht nur der aktuelle Anstieg der Arbeitslosenzahlen. Auch die Kurzarbeiter-Zahlen sind drastisch hochgeschnellt. Viele Firmen haben ihre Mitarbeiter zudem in Zwangsurlaub geschickt. Und zehntausende Leiharbeiter mussten Ende des vergangenen Jahres gehen. Inzwischen geraten auch Zeitarbeitsfirmen in Not.“

Wie kann man eigentlich schreiben, der Arbeitsmarkt sei robust gewesen, wenn man gleichzeitig zur Kenntnis nehmen muss, dass nun vor allem zehntausende Leiharbeiter auf die Straße gesetzt werden und damit auch Zeitarbeitsfirmen in Not geraten? Schöner kann man eigentlich nicht das Scheitern der sog. „Reformen“ beschreiben. Denn die entlassenen Leiharbeiter kriegen ja nicht mal das verlängerte Kurzarbeitergeld, sondern die sichere Gewissheit, zeitnah in Hartz IV zu landen. Wie kann man also von einem vorausgegangenen Job-Boom sprechen, wenn Harms weiter unten über die Verlängerung des Kurzarbeitergelds schreibt, dass diese Maßnahme im Grunde nur Arbeitslosigkeit verdecke? Hat denn dann Leiharbeit keine Arbeitslosigkeit verdeckt und die Statistik geschönt?

Aber Harms vergisst natürlich auch wieder bewusst eine Menge wichtiger Fakten. Die NachDenkSeiten haben dankenswerterweise mal aus dem aktuellen Arbeitsmarktbericht aufgelistet, worin dieser angebliche „Job-Boom“ eigentlich bestand.

Sozialversicherungspflichtige Beschäftigung

  • Im Juni waren 27,46 Mio. Arbeitnehmer sozialversicherungspflichtig beschäftigt, 603.000 oder 2,2 Prozent mehr als vor einem Jahr.
  • Dabei nahm die Vollzeitbeschäftigung um 373.000 oder 1,7 Prozent auf 22,44 Mio. zu, während die Teilzeitbeschäftigung um 230.000 oder 4,8 Prozent auf 5,00 Mio. zulegte.
  • In Westdeutschland hat die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung in den letzten drei Jahren um 1,03 Mio oder 4,9 Prozent zugenommen. Damit wurde der letzte Höchststand des Jahres 2001 allerdings immer noch knapp um 28.000 oder 0,1 Prozent verfehlt.
  • Vor allem bei unternehmensnahen Dienstleistungen gab es einen kräftigen Anstieg. Von Juni 2007 bis Juni 2008 um 6,2 Prozent oder 225.000 auf 3,85 Mio erhöht. Zum Teil beruht dieser Zuwachs auf Arbeitnehmerüberlassung, die um 61.000 oder 9,6 Prozent zugenommen hat; ihr Anteil an allen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten belief sich auf 2,6 Prozent.
  • Die sozialversicherungspflichtig Beschäftigten stellen mit 68,0 Prozent zwar den größten Teil der Erwerbstätigen; ihre Bedeutung hat aber im Trend über die Jahre abgenommen: 2000 lag der Anteil noch bei 71,1 Prozent und 1994 bei 75,3 Prozent. Über die Jahre an Gewicht gewonnen haben vor allem Selbständigkeit und geringfügig entlohnte Beschäftigung.
  • Bei den Minijobs gab es 2008 ein weiteres deutliches Plus. Ihre Zahl ist um 160.000 oder 7,8 Prozent auf 2,20 Mio. gestiegen. Beinahe jeder 12. oder 8,0 Prozent der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten hat einen solchen Nebenjob.
  • Die Zahl der ausschließlich geringfügig entlohnt Beschäftigten blieb im Vorjahresvergleich praktisch unverändert bei 4,88 Mio. Ihr Anteil an allen Erwerbstätigen beläuft sich auf 12,1 Prozent.
  • Die Arbeitsgelegenheiten in der Mehraufwandsvariante, die als Rechtsverhältnisse eigener Art in die Erwerbstätigenrechnung eingehen, lagen etwas unter dem Vorjahresniveau. Ihre Zahl hat sich um 10.000 auf 291.000 verringert.

Quelle: NachDenkSeiten

Was Harms also als „Job-Boom“ bezeichnet ist vor allem eine Ausweitung prekärer Beschäftigung, die alles andere als „robust“ ist. Herr Harms will seine Leser somit täuschen bzw. bewusst in die Irre führen. Ganz zum Schluss schreibt er, dass die Reserven der Agentur in der Rezession nicht reichen würden. Er sucht aber nicht wirklich nach Gründen und fragt schon gar nicht, warum die Bundesregierung trotz dieser bekannten Lage, dennoch die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung senkt. Die Entlassenen haben nämlich davon überhaupt nichts und mehr Arbeitsplätze entstehen dadurch auch nicht, obwohl man das immer noch behauptet. Kurzum: Herr Harms entzieht sich mal wieder der kritischen Aufarbeitung und gibt sich stattdessen einer sehr bedenklichen Manipulationstechnik hin.

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