"Embedded" journalism

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Die Staatsanwaltschaft Hannover ermittelt gegen den ehemaligen Bundestagsabgeordneten Sebastian Edathy. Zu diesem Zweck ist unter anderem eine Privatwohnung des Politikers im niedersächsischen Rehburg von der Polizei durchsucht worden. Mit dabei auch ein Redakteur der in Nienburg erscheinenden Zeitung „Die Harke“. In der Dienstagsausgabe veröffentlichte das Blatt Fotos von der Durchsuchung, die nicht nur aus Sicht des Betroffenen Edathy, sondern auch aus Sicht anderer Medienvertreter und des Journalistenverbandes als mindestens problematisch eingestuft werden. Zu Recht, wie ich finde.

Zunächst einmal erschließt sich mir der Informationsgehalt der geschossenen Fotos nicht. Eines der Bilder zeigt in Nahaufnahme die Wohnung des Verdächtigen. Kaffeemaschine auf der Küchenzeile und Bilder an der Wand sind deutlich zu erkennen. Die eigentliche Durchsuchung spielt sich unscheinbar im Hintergrund ab. Der verantwortliche Redakteur behauptet, die Wohnung des Politikers gar nicht betreten zu haben. Im Interview mit dem NDR gibt er an, das Foto von einem öffentlichen Zugang aus gemacht zu haben, welcher zu den einzelnen Wohnungen und an deren Fenstern vorbeiführe. Ob dieser Zugang öffentlich war, kann ich nicht beurteilen. Wenn er es nicht war, hätte der Redakteur vor dem Drücken des Auslösers die Erlaubnis des Eigentümers einholen müssen.

Unabhängig von der juristischen Frage, bleibt aber auch noch die Verletzung journalistischer Regeln. Hätte der Redakteur nur eine Außenaufnahme von dem Haus gemacht und eventuell von Ermittlungsbeamten, die hineingehen oder Kisten mit gesicherten Beweismaterial heraus tragen, niemand würde ihn dafür kritisieren. Er hätte seine journalistische Sorgfaltspflicht erfüllt und sachlich den Vorgang in Wort und Bild geschildert, der natürlich von öffentlichem Interesse ist. Die vorliegenden Fotos legen aber eher den Schluss nahe, dass der Journalist mehr oder weniger „embedded“ war und einigen mal zeigen wollte, was eine „Harke“ ist.

Inhaltlich erfährt der Leser nicht viel, da die Behörden auch nichts bestätigen, was die Journalisten ihnen als vagen Verdacht hinwerfen. Dennoch gilt Edathy schon jetzt als vorverurteilt. Irgendetwas muss ja dran sein an der Geschichte, wenn so viele darüber berichten. Dabei wird die Andeutung der niedersächsischen Zeitung derart aufgeblasen, das sie am Ende wie eine Tatsache erscheint. Der Redakteur, der sich auf eine anonyme Quelle aus Parteikreisen beruft, was sein gutes Recht ist, musste aber um die zerstörerische Wirkung seiner Berichterstattung wissen. Bei so einer dünnen Faktenlage hatte er eine Entscheidung zu treffen. Und zwar zwischen einer sachlichen Berichterstattung einerseits und dem publizistischen Voyeurismus andererseits.

So gesehen muss sich der Journalist, der glaubt, die Vorwürfe hätten sich inzwischen „bekräftigt“, auch die Frage gefallen lassen, vor welchen Karren er sich hat spannen lassen oder in welche Kampagne er womöglich eingebettet war.


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Keine Nachspielzeit für politische Versager

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Wie bereits kurz nach dem Start der ersten Großen Koalition unter Angela Merkel beginnt auch jetzt wieder eine Diskussion um die Verlängerung der Wahlperiode von derzeit vier auf fünf Jahre. Viele finden den Vorschlag erneut charmant, weil sie denken, dass sich die Politiker, die ja nur von einem Wahlkampf zum nächsten spurten würden, dann endlich wieder auf die Belange der Wähler konzentrieren könnten. Alles Humbug.

Das Hauptargument für eine Verlängerung der Legislaturperiode ist zu schwach. Es stimmt einfach nicht, dass vier Jahre zu kurz seien, um sinnvolle Politik zu betreiben und Gesetze zu verabschieden. Einen 480 Milliarden Euro großen Rettungsschirm für die Banken setzten die Volksvertreter innerhalb von nur einer Woche per Eilgesetz durch. Und das, obwohl deutlich kleinere Beträge für Dinge wie Bildung, Infrastruktur oder Sozialleistungen zu diesem Zeitpunkt äußerst schwer im Haushalt zu finden waren und längere Debatten und Streitereien darum zur Normalität gehörten.

Wenn die gewählten Abgeordneten meinen, ihnen seien die Hände gebunden, weil sie sich erst einarbeiten und dann schon wieder ein Jahr lang Wahlkampf machen müssten, dann ist das doch nicht das Problem des Souveräns. Was ist, wenn sich die Politik entschlösse, zwei Jahre Wahlkampf zu betreiben, diskutieren wir dann über eine Verlängerung der Wahlperiode auf sechs Jahre? In diesem Fall sollte der Souverän mit seiner Stimme nach vier Jahren jenen die Legitimität einfach entziehen, die sich, statt zu regieren, nur um ihre Wiederwahl kümmern.

Eine Verlängerung der Legislaturperiode hat also einen viel simpleren Grund. Die sich selbst erwählenden Minister und Mitarbeiter würden noch ein Jahr länger im Amt verbleiben. Wahlverlierer, wie Steinmeier, Nahles oder Gabriel fordern ja wie selbstverständlich ihre Pöstchen ein. Andere, wie Dirk Niebel verwandeln ihr Ministerium gar in eine Parteizweigstelle. Will man wirklich diese unverschämte Selbstbedienungsmentalität weiter ausbauen und die staatliche Alimentierung von Politversagern unnötig verlängern?

Die ganze Diskussion lenkt eigentlich nur von der Regierungsunfähigkeit der Regierungen ab, die zwar mit dem Anspruch antreten, gestalten zu wollen, in Wahrheit aber damit zufrieden sind, ein Plätzchen am Tisch der Herrschenden ergattert zu haben. Die Diskussion zeigt aber auch, dass die Große Koalition eben nicht groß darin ist, Probleme zu lösen. Vielmehr blockieren sich die Partner gegenseitig und auf Dauer, wie man bereits ein paar Wochen nach der Unterzeichnung des Koalitionsvertrages deutlich erkennen kann. Einig sind sie sich nur, wenn die wirklich Mächtigen in diesem Land in die Bredouille geraten und vom Staat gerettet werden müssen.

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Es gilt das Versteinerungsprinzip

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Der Bundeswirtschaftsminister teilt mit Blick auf den Mindestlohn die Sorgen der deutschen Wirtschaft. Was er damit diese Woche wirklich meinte, war, dass er die Sorgen der deutschen Arbeitgeber teilt. Schon längst herrscht im Bundeswirtschaftsministerium keine ökonomische Kompetenz mehr vor. Die Verwandlung zum reinen Arbeitgeberministerium ist auch hier schon abgeschlossen. Der einstige Bettvorleger der Pharmalobby, Rösler, ist nach seinem Wechsel vom Pharmaministerium zum Arbeitgeberministerium Bettvorleger geblieben. Über seine weiteren beruflichen Ambitionen schweigt sich der gelernte Mediziner mit abgebrochener Fachausbildung zum Augenarzt aus.

Die Frage stellt sich auch gar nicht, da zurzeit das sogenannte Versteinerungsprinzip gilt. Das heißt, die schwarz-gelbe Chaostruppe bleibt geschäftsführend solange im Amt, bis eine neue Koalition die versteinerten Ansichten übernimmt. Deshalb macht es auch nichts aus, wenn die Bundesminister Pofalla und Friedrich der Lüge überführt werden. Zurücktreten, geht ja aus Gründen der Versteinerung nicht, es sei denn, die Regierungschefin stellt Amtsunfähigkeit fest. Daran gibt es objektiv gesehen zwar keinen Zweifel, doch wer will schon objektiv sein, wenn zunächst noch geklärt werden muss, welche subjektiven Wünsche auf Ministerposten in einer künftigen Regierung erfüllt werden können.

Das braucht Zeit. Die Große Koalition hat diese Woche schon bewiesen, wie sie bei der Zusammensetzung des Bundestagspräsidiums zusammenarbeiten kann. Dabei wollten die potenziellen Partner ja erst über inhaltliche Fragen diskutieren bevor man über Köpfe entscheidet. Eine der wichtigsten Fragen, nämlich die nach dem Mindestlohn, hat man vorsorglich ganz nach hinten verschoben, um nicht den Rest der Koalitionsgespräche damit verbringen zu müssen, der Öffentlichkeit zu erklären, warum der eine gegen sein und der andere gegen sein Wahlversprechen verstoßen hat.

Ziel der schrittweisen Wählertäuschung ist natürlich die Herstellung stabiler Verhältnisse. Eine Regierung, auch wenn sie wie die letzten vier Jahre nichts tut, muss stabil zusammenhalten und bei Bedarf auch gegen die eigenen Programme stimmen. Das ist die Überzeugung der Auserwählten, die sich fälschlicherweise Abgeordnete nennen, in Wirklichkeit aber nur wie kastrierte Wackeldackel im Parlament herumhocken und an der kurzen Leine ihres Listenplatzes gehalten werden, während Herrchen und Frauchen im Hinterzimmer den geliebten Konsens auskungeln (höre Pispers).

Das Verhältnis zwischen Exekutive, also der Regierung, und dem Parlament hat sich längst umgedreht. Nicht das Parlament zwingt die Regierung zum Handeln, sondern die Regierung lässt abnicken, was zuvor in kleiner Runde oder auf irgendeinem Gipfel beschlossen wurde. Schon die vergangene Legislaturperiode hat gezeigt, dass es keiner formal in einem Vertrag fixierten stabilen Mehrheit bedarf. Im Zweifel konnte die Regierung Merkel auf eine noch breitere Zustimmung bauen, als ihr nach der Koalitionsvereinbarung eigentlich zustand. Frei nach dem SPD-Motto: Die Kanzlerin macht alles falsch, aber wir unterstützen sie dabei – aus Sorge um Deutschland (siehe Pelzig).

In einer Parlamentarischen Demokratie geht es um Mehrheiten und nicht um Regierungen. Eine spannendere Politik wäre möglich, wenn sich die Abgeordneten darauf besännen und künftig so beschlössen, wie sie vor dem Wähler heucheln. Das geht natürlich nicht, weil das Land unter diesen Umständen unregierbar wäre. Dennoch hat man die Zeit, bis Weihnachten in aller Ruhe (O-Ton Nahles) Koalitionsgespräche zu führen, um krampfhaft an jenen Formulierungen zu feilen, die dabei helfen sollen, das hässliche Gesicht zu wahren, von dem man glaubt, es wirke immer noch anziehend.

Dann lieber die Unregierbarkeit, die im Grunde nur verlangt, sich der vorherrschenden Versteinerung zu entledigen. Eine an Inhalten orientierte Politik wäre tatsächlich möglich und nicht nur hohles Geschwätz, das sich ausredend einer verabredeten Mehrheit von nunmehr 80 Prozent zu beugen hat. Das Schlimme ist aber, dass wir uns diesen Scheiß von Verantwortung und stabilen Verhältnissen ab Sonntag auch noch eine Stunde länger anhören können.

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Die Messer umsonst gewetzt

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Zum Bedauern zahlreicher Medien ist die Besetzung der Fraktionsspitzen bei Grünen und Linkspartei ohne Zwischenfälle vonstatten gegangen. Bevor es in die entscheidenden Sitzungen ging, war hingegen von Streitereien und Kampfabstimmungen die Rede. Bei den Grünen verlief die Wahl allerdings ohne großen Kampf und ziemlich klar im Ergebnis. Eine Horde Journalisten, die vor dem Fraktionssaal im Reichstag Stellung bezogen hatte, musste mehr oder weniger enttäuscht von dannen ziehen.

Nicht so bei den Linken. Hier gingen die Edelfedern von einem handfesten Krach aus. Von Doppelspitzen und Ultimaten war die Rede. Sahra Wagenknecht wollte einen Posten neben Gregor Gysi, der wiederum will die Fraktion auch die nächsten Jahre allein führen. Für beide Auffassungen gibt es Gründe. Es roch nicht nur nach Streit, die Journalisten hatten ihn bereits reißerisch niedergeschrieben und von einer explosiven Stimmung berichtet. Zur Begründung verwiesen alle auf ein Kurzzitat von Stefan Liebig, der als sogenannter Reformlinker aus dem Osten gilt.

“Ich kämpfe dafür, dass Gregor Gysi allein die Fraktion führt.”

Dann gab es einen Kompromiss noch bevor es zur eigentlichen und offenbar ersehnten Kampfabstimmung gekommen ist. Die Medien schäumten vor Wut und wollten nicht wahrhaben, dass zwischen den Flügeln der Linkspartei keine Fetzen flogen. Deshalb machten sie auf Grundlage von Gerüchten und Stimmungen einfach weiter.

Ultimatum

Jetzt lauteten die Schlagzeilen, “Gysi siegt im Machtkampf”. Dabei hatte es noch immer keine Abstimmung gegeben. Wenn man genau liest, ging dem Sieg offenbar eine Kriegserklärung an die Konkurrentin Wagenknecht voraus. Heute liegt nun das Ergebnis einer Wahl vor. Mit rund 81 Prozent ist Gysi im Amt bestätigt worden und Wagenknecht erhielt als alleinige Erste Stellvertretende Vorsitzende rund 66 Prozent. Gespaltenheit, Kampf und Streit sieht irgendwie anders aus. Nicht einmal den Ossi-Wessi oder Realo-Fundi Proporz haben die Mitglieder der Fraktion bei der Wahl der Fraktionsspitze eingehalten. Beide Seiten sollen ja gleich stark vertreten sein.

Eigentlich müssten die auf Krawall gebürsteten Medien, die sich immer darüber beklagt haben, dass die Linke nur Zoff könne und sonst nichts, Applaus spenden. Fraktion respektive Partei haben sich vorher verständigt und anschließend eine Lösung präsentiert, die mehrheitsfähig war. Die Medien haben umsonst ihre Messer gewetzt, bleiben aber dabei, dass es auch weiterhin einen Führungs- und Richtungsstreit geben müsse. Andernfalls wäre die Partei ja womöglich noch koalitionsfähig.

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In den Kleiderschrank geschaut

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Bereits einen Tag nach der Wahl, betonen alle Parteien, wie sehr es ihnen doch jetzt um Inhalte geht. Wie ein Schutzschild tragen sie den Begriff vor sich her, der nicht mit dem gefüllt zu sein scheint, was er verspricht. Bei dem sich wiederholenden Geplapper geht es offenbar mehr um eine Sprachregelung zwischen den Parteien, die miteinander koalieren müssen, weil sie eine Mehrheit von Inhalten kategorisch ausschließen.

Klar ist, dass der Wähler weder von der SPD noch von den Grünen über den Tisch gezogen werden will. Dieses Privileg fällt allein Angela Merkel zu. Mutti Blamage darf alles. Sie ist auch die Königin der Umetikettierung. Sie hat nur keine Mehrheit, wie auch die Medien inzwischen festgestellt haben. Sie braucht einen Partner. Zwei, die eigentlich nicht wollen, stehen zur Wahl. Sowohl SPD als auch Grüne befürchten aber, teils aus Erfahrung, dass sie in einer Koalition mit der Union nur verlieren. Denn unangenehme Entscheidungen würden nicht der beliebten Kanzlerin, sondern dem Koalitionspartner angelastet.

Zu welchen politischen Entscheidungen es aber kommen wird, ist allerdings nicht klar, denn hinter Merkel steht kein Programm, dass sie abarbeiten könnte. Merkel ist das Programm. Sie selbst sagte in der Berliner Runde, sie könne nicht absehen, was in der Eurokrise noch alles passiere und auf uns zukomme. Aus dem Wahlkampf wissen wir, dass sie sich für viele Dinge, wie den NSA-Skandal etwa, gar nicht zuständig fühle. Allein bei der dringenden Frage nach einer PKW-Maut gab es so etwas ähnliches wie eine Haltung bei der Kanzlerin.

Die Union ist stark wie nie, doch fehlt der politische Inhalt. In ihre Beliebigkeit lassen sich dann wohl auch die berühmten Schnittmengen finden, die es für eine Koalition braucht. Die Medien werden in diesem Punkt sicher ganz kritisch nachfragen, um ihre Wunschkoalition auf den Weg zu bringen. Vielleicht hat ja Sigmar Gabriel auch vor seinem Kleiderschrank gestanden und sich gefragt, was er am Tag nach der Wahl anzieht. Dann hätte man ja schon eine Gemeinsamkeit gefunden.

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Angela Merkel ist nicht am, sondern der Zug

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Die SPD-Granden sagen auffallend oft, jetzt ist Angela Merkel am Zug. Damit versuchen die Spezialdemokraten den Spieß umzudrehen und ihre versagenden Führer in eine komfortable Situation zu bekommen. Das Angebot für eine Große Koalition muss von der Union gemacht werden (Steinbrück: „Der Ball liegt im Spielfeld von Frau Merkel. Sie muss sich eine Mehrheit besorgen.“), um den Eindruck zu zerstreuen, die SPD hätte von Anfang an darauf hingearbeitet oder sehenden Auges auf diese Konstellation zugesteuert.

Fakt ist, dass sich das rot-grüne Lager wohl kaum zum Ergebnis von 2009 verändert hat. Was die Grünen verloren haben, gewann die SPD hinzu. Die Kampagne für ein ausschließliches rot-grünes Bündnis ist krachend gescheitert. Jetzt gilt es, Verantwortung für das schlechte Abschneiden zu übernehmen. Das geschieht aber nicht. Die Parteiführung feiert sich für ihren Wahlkampf und für einen mickrigen Zuwachs. Sie lehnen die Übernahme von Verantwortung ab und glauben, erste Ansprechpartner für Frau Merkel  zu sein.

Die wird aber mit ihrer CDU/CSU die absolute Mehrheit schaffen, was auf den NachDenkSeiten übrigens als realistisches Szenario bereits beschrieben wurde. Nun reichen schon knapp 42 Prozent der Stimmen für eine absolute Mehrheit der Sitze im deutschen Bundestag aus. Für die SPD Führung wäre dieses Ergebnis noch komfortabler. Sie müsste nicht gegen das Wahlversprechen verstoßen, keine Große Koalition einzugehen. Die Parteiführung könnte das Ergebnis als historische Ausnahme interpretieren und sich als Fels in der Brandung gegen Alleinherrscherin Angela Merkel positionieren.

Die muss nun die Früchte ihrer verkorksten Hinhaltepolitik selbst ernten. Laut Umfragen haben die Deutschen kein Interesse an Finanz- und Eurokrise, an NSA-Skandal und Energiewende. Doch all das, was auf den 23. September verschoben worden ist, muss trotzdem behandelt werden. Nun hat Angela Merkel aber niemanden mehr, auf den sie etwas abladen könnte, was heißt, dass die Zumutungen für die Deutschen, die so sicher kommen werden, wie das Amen in der Kirche mit dem Namen Merkel verbunden werden müssten.

Es wäre in der Tat ein Kunststück, wenn es der alten und neuen Kanzlerin gelingen sollte, das Desaster ihrer Politik auch weitere vier Jahre zu verschleiern. Sie müsste sich also einen Koalitionspartner wünschen. Die SPD steht als nützliche Idiotin bereit. Die würde lieber einer starken Union zur Zweidrittelmehrheit verhelfen, als einen Politikwechsel mit dem eigenen Programm und auch mit der Linken zu vollziehen. Am Ende gewänne aber wieder nur Angela Merkel.

EDIT_21 Uhr: Nach der Elefantenrunde, zu der die FDP schon gar nicht mehr geladen war, verfestigt sich der Eindruck: Merkel wäre froh, wenn sie keine absolute Mehrheit hätte und die gegenwärtige SPD-Führung wäre froh, wenn Merkel sie doch hätte.

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SPD Führung bringt ihren Sündenbock in Stellung

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Die Wahlniederlage der SPD ist absehbar und daher benötigen Gabriel, Steinmeier und Steinbrück einen Sündenbock, um nach der Wahl ihr Gesicht wahren oder ihr Amt behalten zu können. Heute sind Informationen bekannt geworden, wonach die SPD-Parteilinke in der vergangenen Woche Bedingungen für eine Große Koalition gestellt haben soll. Die Parteispitze ist verärgert ob des Vorgangs, ist aber wohl selbst für die gezielte Indiskretion verantwortlich.

Nach der Wahl werden die Seeheimer und Netzwerker in der SPD, zu denen vor allem Steinmeier und Gabriel gehören, ihre Positionen absichern wollen und dabei die Parteilinke für das schlechte Abschneiden verantwortlich machen. Da die Wahlniederlage bereits feststeht, ist es taktisch klug, die Parteilinken über die ungeliebte Große Koalition öffentlich sprechen zu lassen, während sich die Parteiführung empörend distanziert. Diese glaubt bis zur völligen Verblödung an einen rot-grünen Wahlsieg unter Ausschluss der Linkspartei.

Für die rechten Agenda-Verfechter in der SPD steht mal wieder viel auf dem Spiel. Sie fürchten, wie Gregor Gysi es richtig vermutet, Unruhe im Karton. Dieses Szenario gilt auch für den Fall einer linken Mehrheit, die die SPD-Führung auf keinen Fall nutzen möchte. Selbst in der SPD verstehen viele das Ausgrenzen der Linkspartei nicht. Das Lob der Konservativen für Schröders angebliche Reformpolitik ist zudem vergiftet. Es hilft nicht der SPD, sondern nur der Union und Angela Merkel. Dennoch vergeht kein Tag, an dem sich Leute wie Steinmeier nicht für die segensreichen Reformen öffentlich auf die Schulter klopfen und damit dem vergifteten Lob Merkels voll auf den Leim gehen.

Echte Sozialdemokraten wenden sich angewidert ab. Der kleine Parteitag, der kurz nach der Wahl stattfinden soll, hat daher nie den kolportierten Zweck gehabt, eine Links-Koalition zu legitimieren, wie geistig schwache Journalisten behaupten, sondern die alten Köpfe vor der politischen Enthauptung zu bewahren. Nach einer Wahlniederlage muss schnell gehandelt werden. Das hat Steinmeier vor vier Jahren gezeigt, als er das schlechteste Ergebnis der SPD bei Bundestagswahlen einfuhr. Steinmeier putschte sich umgehend an die Fraktionsspitze und da will er auch nach dem bevorstehenden Debakel am kommenden Sonntag bleiben. Eine Diskussion um seine Person und andere aus der Parteiführung gilt es im Keim zu ersticken.

Die Parteilinke mit einer gezielten Indiskretion als Sündenbock in Stellung zu bringen, gehört deshalb zu einer wohl durchdachten Strategie. Bereits zu Beginn dieser Woche hat Susanne Höll von der Süddeutschen über Planspiele für den Tag danach berichtet und dabei exklusive Informationen ohne genaue Quellenangabe präsentiert.

„Aber namhafte Sozialdemokraten überlegen sehr wohl, wie man sich verhalten soll, wenn der Sonntag alle Pläne von CDU/CSU und FDP für eine Fortsetzung ihrer Koalition zerstört und die SPD wieder als Juniorpartner der Union gebraucht werden könnte. Vergangene Woche wurde publik, dass sich selbst der Kanzlerkandidat Gedanken darüber macht.“

Der Kanzlerkandidat ist jetzt durch die Parteilinke ersetzt worden, um die Diskussion von Steinbrück weg zu lenken. Den Medien gefallen innerparteiliche Auseinandersetzungen sowieso viel lieber. Das wissen auch die Seeheimer und Netzwerker in der SPD.

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Alte Zöpfe sind nicht glaubwürdig

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Professor Korte meint im ZDF sehr richtig, dass der Wähler gerne vorher wüsste, was mit seiner Stimme hinterher passiert. Und weil er das eben nicht weiß, sondern eigentlich nur erklärt bekommt, was nicht mit seiner Stimme geht, bleibt er auch lieber zu Hause. Wenn Gabriel meint, Rot-Grün ohne die Linke sei möglich, wenn nur mehr Leute wählen gehen, so hat er prinzipiell Recht. Dafür müssten diese Leute aber auch vergessen, was Steinbrück, Gabriel und Steinmeier in der Vergangenheit politisch angerichtet haben. Programmatisch müssten die alten noch nicht abgeschnittenen Zöpfe zumindest glaubwürdig sein, was nicht gelingt.

Der Wähler versteht den peinlichen Ausschließeritis-Wahn der SPD nicht, von der die Partei selbst nichts hat. Warum sollte eine SPD mit der Union Gespräche führen und mit der Linken nicht? Die Begründungen sind nicht nachvollziehbar. Wer eine mögliche Mehrheit links von Merkel ausschlägt, will auch keinen Politikwechsel, geschweige denn den Kanzler stellen. Dem Wähler wird außerdem signalisiert, dass er zwar als Souverän etwas bestellen kann, auf eine Lieferung aber nicht zu warten braucht. Was nützt dem Wähler denn die Botschaft, dass Schwarz-Gelb keine Mehrheit mehr hat, wenn daraus keinerlei Konsequenzen für die politische Marschrichtung folgen.

Der Quatsch, die SPD würde bei vorhandener linker Mehrheit der Union Bedingungen diktieren können, ist genauso absurd. Diese verblödete Annahme, die nach dem Ergebnis in Bayern wieder Konjunktur bei den Hauptstadtjournalisten hat, widerspricht auch der Erfahrung. Nach der Wahl 2005 gab es bereits eine solche Konstellation mit linker Mehrheit im Parlament. Trotzdem hielt sich die SPD bis zum bitteren Ende an die Koalitionsdisziplin und ließ sich gar von der Linken beim Thema Mindestlohn, dem scheinbaren Markenkern der SPD, vorführen.

Würde die SPD wieder den Juniorpartner der Union geben, wird die Linke erneut das Wahlprogramm der SPD genüsslich testen. Die Geschichte würde sich wiederholen und wieder wäre Zeit sinnlos vergeudet. Gabriel muss immer noch die Frage beantworten, warum die SPD mit der Union ihr Programm besser umsetzen könne, als mit den Linken, die ähnliche Ziele verfolgen wie die Sozialdemokratie. Selbst wenn der Wähler kein rot-rot-grünes Bündnis will, so sagen es ja die Umfragen, so kann er doch schwerlich gegen die Umsetzung von politischen Inhalten sein, die er sich wünscht.

Kurz vor der Bundestagswahl liegen die Nerven hierzulande mal wieder zwischen Roter-Socken- und Zweitstimmenkampagne blank. Dabei ist eins sicher. Angela Merkel bleibt Kanzlerin, egal welches sogenannte Lager am Ende die Mehrheit hat. Im Ausland hat man das längst erkannt. DIÁRIO DE NOTÍCIAS aus Portugal schreibt: „Erreicht die FDP auch am 22. September kein ausreichendes Ergebnis, könnte Merkel gezwungen sein, unter den anderen Parteien nach einem Bündnispartner für ihre dritte Amtszeit zu suchen.“

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Verzerrte Wahlergebnisse

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Die CSU hat es geschafft, die Protestpartei der vergangenen Landtagswahl zu absorbieren und wieder bei der absoluten Mehrheit zu landen. Die FDP ist auch in Bayern auf das Maß zusammengeschrumpft, dass ihr eigentlich zusteht. Nimmt man das Ergebnis von Niedersachsen und jetzt in Bayern im Vergleich, wird deutlich, dass die FDP eigentlich nur noch dazu da ist, um das Wahlergebnis zu verzerren.

Statt den FDP-Luftpumpen ziehen nun noch mehr Verwandte aus der CSU in den bayerischen Landtag ein. Jeder zweite Bayer/in habe die Christsozialen gewählt, meinte Horst Seehofer überschwänglich. Dabei setzte er die bescheidene Zunahme der Wahlbeteiligung auf immer noch schwache 64 Prozent mit 100 gleich. In Wahrheit hat die CSU nur rund ein Drittel aller Wahlberechtigten hinter sich. Etwas größer ist die Gruppe der Nichtwähler. Von den 9,5 Millionen Wahlberechtigten haben 3,42 Millionen nicht gewählt. Für die CSU stimmten demnach 2,97 Millionen Bayern und damit 31,36 Prozent aller Wahlberechtigten.

Nicht nur in Bayern ticken die Uhren anders, wie Rösler sagte, sondern auch in den Köpfen der Wahlgewinner wie Medien, die nicht begreifen wollen, dass aus Mangel an politischen Alternativen kaum noch jemand mit einem Weckruf zu erreichen ist. Jetzt geht es um Deutschland, hat Rösler seine verbliebenen Anhänger angeschrien. In Wahrheit geht den meisten Deutschland am Arsch vorbei.

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Die Strategie des Duetts

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Nun wird die SPD nicht nur nicht von ihrer ehemaligen Klientel geliebt, sondern auch nicht mehr von der ihrer Kanzlerin. Kann es etwas Schlimmeres geben? Angela Merkel wirft der SPD „Unzuverlässigkeit“ vor. Wer die für Tagesschau-Verhältnisse epischen Ausschnitte aus dem von Steinbrück während des Duetts auf vier Kanälen angekündigten „noch nicht veröffentlichten Interview“ gesehen hat, kommt nicht umhin, beiden Scheinwahlkämpfern eine gewisse Strategie zu unterstellen.

Auf welches Ergebnis die SPD dabei abzielt, bleibt wie immer im Dunkeln. Heute sagte Gregor Gysi im Bundestag, dass die Leidensfähigkeit der SPD ziemlich hoch sei. Er hoffe aber, dass es noch eine Grenze gebe, die zu überschreiten die Sozialdemokraten sich dann doch nicht mehr trauen. Weit gefehlt. Um ihre Treue zu Merkel zu beweisen, posaunen die Genossen nun immer lauter hinaus, dass sie all die schrecklichen wie sinnlosen Rettungspakete der Kanzlerin nur deshalb mitgetragen hätten, um sich noch vor der staatspolitischen Verantwortung ihrer Gunst zu versichern.

Diese naive Hoffnung wurde nun bitter enttäuscht und die führenden Genossen kochen vor Wut, weil sie nicht so behandelt werden wollen, wie sie es mit der Linkspartei tun. Schließlich haben die Spezialdemokraten alles unternommen, um dem Establishment, den Lobbyisten und den Bossen zu gefallen. Sie haben alles gemacht, was der neoliberale Mainstream wollte und damit die eigene Wählerschaft vergrault. Zum Schluss haben sie sogar wie gewünscht den Steinbrück nominiert und eine beispiellose Demontage erlebt.

Es ist schon klar, dass nun der Liebesentzug der Kanzlerin besonders schmerzt. Die SPD hat ja sonst niemanden mehr.

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