Viele Wirtschaftswissenschaftler sprechen mit Blick auf Griechenland von einer Wiederholung Brüningscher Sparpolitik. Eine Redakteurin von NDR-Info hat nun mal recherchiert, ob sich die Situation in Griechenland mit der Politik Brünings vergleichen lässt. So in etwa wurde dieser Beitrag heute Morgen angekündigt. Was dann aber kam, war einfach nur lächerlich.
Denn statt sich mit der volkswirtschaftlichen Wirkung einer mit brutaler Gewalt betriebenen Austeritätspolitik zu beschäftigen oder mit den Argumenten von Ökonomen wie Peter Bofinger, ließ sich die Wirtschafts-Journalistin von Historiker Manfred Harnisch erklären, dass die Griechen gar nicht so zu leiden hätten. Im Unterschied zu den Deutschen in den 30er Jahren müssten die Griechen gar nicht hungern, seien nicht obdachlos und würden sich auch nicht in sogenannten Aufwärmstuben auf Stühlen sitzend aufhalten, wo sie sich von dem damaligen sozialen Netz Leinen, die vor die Bänke gespannt waren – auffangen lassen, falls sie einnicken.
In Griechenland herrsche noch ein echtes soziales Netz, das den Deutschen in den 1930er Jahren völlig fremd gewesen sei, so der Historiker. Aus dieser kruden Argumentation heraus, fällt es dann auch nicht schwer, den Bogen zu notwendigen Reformen zu schlagen, deren Sinnhaftigkeit natürlich außer Zweifel steht.
Reichskanzler Brüning kürzte Gehälter und Tariflöhne, führte neue Steuern ein, erhöhte die Beiträge für die Arbeitslosenversicherung, senkte aber die Leistungen. Davon ist Griechenland nach Meinung von Historiker Manfred Harnisch weit entfernt. Das viele der griechischen Reformen notwendig sind, ist für ihn unbestritten.
Nur zur Erinnerung: Die griechische Regierung kürzt ebenfalls Gehälter in erheblichem Maße, zuletzt die Mindestlöhne um 22 Prozent. Den Tarifpartnern hat man per Gesetz sogar untersagt, die Löhne in der Privatwirtschaft steigen zu lassen. Die Leistungen der Sozialversicherung stehen ebenfalls unter dem Spardiktat. Massive Einschnitte im Gesundheitsbereich, 3,2 Mrd. Euro, mussten im März vorgelegt werden, um die Voraussetzungen des zweiten Hilfspaketes zu erfüllen. Die Arbeitslosenquote liegt bei über 20 Prozent, bei den unter 25-Jährigen ist fast jeder Zweite ohne Job. Viele Griechen sind bereits obdachlos, weil sie ihre Miete nicht mehr zahlen können und suchen Hilfe in sozialen Einrichtungen.
Was der Historiker Harnisch also behauptet, ist schlichtweg falsch. Dass sich aber eine Wirtschaftsredakteurin vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk so einen Bären aufbinden lässt und diesen Blödsinn auch noch als Recherche verkauft, spottet jeder Beschreibung. So jedenfalls hätten der Experte und die Berichterstatterin den Unterschied zwischen Griechenland und Weimar auch anhand der Zahl mobiler Telefonanschlüsse in beiden Zeitperioden erklären können.
APR