Politik will Luft anhalten bis es besser wird

Geschrieben von: am 30. Okt 2014 um 8:54

Die Bundesregierung plant zur Abwendung der sich verschärfenden Krise nichts und glaubt mit einer Mischung aus Kürzungen, Neuverschuldungsverbot und Sanktionen die Wende zum Guten schaffen zu können. Eine verrückte Einstellung.

Die verschärften Sanktionen haben deutsche Exporte nach Russland einbrechen lassen. Wie das Statistische Bundesamt mitteilt, sanken die Ausfuhren im August im Vergleich zum Vorjahresmonat um mehr als 26 Prozent. Auch die EU rechnet mit einer dämpfenden Wirkung, allerdings seien die Auswirkungen auf die russische Wirtschaft immer noch stärker. Deshalb, so die Überzeugung der Brüsseler Kommission, machen die Sanktionen auch weiterhin ökonomisch Sinn. Eine verrückte Einstellung.

Sanktionen schaden der Wirtschaft hüben wie drüben. Das steht fest. Wie aus einem Prozedere, das alle Beteiligten in einen Abwärtsstrudel reist, ein positives Ergebnis entstehen soll, ist nicht nur unklar, sondern auch unlogisch. Vor allem die vom Export abhängige deutsche Wirtschaft leidet. Nach Auffassung der Bundesregierung muss sie das aber in Kauf nehmen, damit Russland seine Haltung ändert. Mit anderen Worten: Wir halten solange die Luft an, bis Putin einlenkt.

Keine Impulse mehr

Dieses infantile Gehabe funktioniert schon im Sandkasten nicht. Auf großer politischer Bühne ist es sogar gefährlich. Denn Europa inklusive Deutschland taumelt in die nächste Rezession. Wer neben verordneter Kürzungspolitik und Neuverschuldungsverbot auch noch den Handel mit verbliebenen Partnern aussetzt, darf sich über konjunkturelle Einbrüche nicht wundern. Die deutsche Wirtschaft braucht bisher 200 Milliarden Euro Auslandsverschuldung, um nur ein bisschen zu wachsen.

Das allein hat mit solider Wirtschaftspolitik schon nichts zu tun. Aber bricht auch dieser Impuls weg, bleibt in Deutschland nichts mehr übrig, das für Impulse sorgen könnte. Die ständig gefeierte Binnennachfrage? Ein Witz, in Wirklichkeit stagniert sie seit Jahren. Da würde nicht mal das bevorstehende Weihnachtsgeschäft helfen, das uns von den Medien auch in dieser Adventszeit wieder als Zugpferd mit Bildern voller Einkaufspassagen präsentiert werden wird.

Nach allen vorliegenden Prognosen ist es vielmehr so, dass private Haushalte auch im kommenden Jahr versuchen wollen, 150 Milliarden Euro neu zu sparen. Das kann man ihnen nicht vorwerfen, werden sie ja permanent damit traktiert fürs Alter vorzusorgen. Zuletzt auch wieder vom Sparkassenverband, der sich darüber wunderte, dass vor allem Menschen mit geringen Einkommen die Vorsorge vergessen.

Fehlschlag und fehlende Einsicht

Nur werden auch diese Sparversuche nichts bringen, wenn auf der anderen Seite die Schuldner fehlen. Das wird auch der Bundesfinanzminister erkennen müssen, der noch immer an den Erfolg einer Strategie glaubt, die sich „wachstumsfreundliche Konsolidierung“ nennt. Kurz: Schwarze Null. Was in der theoretischen Vorstellung schon unvernünftig ist, wird ohne Wachstum auch in der Praxis wieder zu einem Fehlschlag werden.

Die angebliche Wachstumslokomotive stockt. Neben dem Handelskrieg mit Russland, bleibt auch die Investitionstätigkeit in Deutschland weiterhin schwach, trotz der hohen Gewinne, die in den vergangenen Jahren auf der Kapitalseite entstanden sind. Unternehmen schwimmen förmlich im Geld und investieren trotzdem nicht, weil es eben keine Nachfrage gibt. Auch das ist eine Wahrheit, die bei politischen Entscheidungsträgern zu keinerlei Erkenntnis führt.

Sie halten weiterhin an dem Dogma fest, die Investitionsbedingungen nur verbessern zu müssen, etwa durch Steuererleichterungen oder ganz neu, durch das Versprechen, höhere Renditen für privates Kapital zu zahlen, falls dessen Besitzer das Geld zur Verbesserung der maroden Infrastruktur zur Verfügung stellen. Schäuble hat mal gesagt, er wolle ein guter Kaufmann sein. Da er öffentliche Schulden billiger haben kann als einen privaten Fonds, wird er nicht mal diesem falschen Anspruch gerecht.

Die Bundesregierung braucht keine echten und keine falschen Kaufleute, sondern Menschen mit volkswirtschaftlichem Sachverstand. Die würden erkennen, das die bisherige Politik einen enormen Schaden anrichtet, statt diesen zu vermeiden, wie es eigentlich in der Verfassung steht und mit Amtseiden geschworen wird.


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Über den Autor:

André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.
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Kommentare

  1. Arnold  Oktober 31, 2014

    Interessant ist in diesem Zusammenhang auch der aktuelle Einzelhandelsumsatz von September. Es schien in den ersten acht Monaten des Jahres als sei der langjährige Abwärtstrend der Einzelhandelsumsätze (zumindest Zeitweise)unterbrochen. Die neue Zahl landete jedoch punktgenau auf meiner alten Vorhersagekurve. Entweder ist der letzte Wert einfach nur ein herber Ausreißer nach unten oder die Verbraucher lebten die ersten Monate des Jahres vermehrt auf Pump bzw. von Ersparnissen. Ich würde Gefühlsmäßig auf eine Kombination von beidem tippen. Zum Einen sind die Lohnabschlüsse eine Spur besser ausgefallen als in den Vorjahren, zum anderen sind „wir“ Weltmeister geworden; was den Umsatz der Monate Juni, Juli und August spürbar beflügelt haben dürfte. Sollte meine Einschätzung stimmen, erwartet uns, sollte es keine Änderung der Politik geben, eine Depression aus der wir erst 2019 wieder herauskommen und erst 2020 mit September 2014 vergleichbare Einzelhandelsumsätze erwarten können (alles Preisbereinigt gerechnet) Ich hoffe, ich täusche mich.

    • adtstar  Oktober 31, 2014

      Querschüsse schreibt treffend zu den Einzelhandelsumsätzen:

      „Der Langfristchart zu den realen Einzelhandelsumsätzen zeichnet weiter ein absolutes Dilemma, über zwei Jahrzehnte reale Stagnation!“

      http://www.querschuesse.de/deutschland-reale-einzelhandelsumsaetze-september/

      Beim privaten Konsum bewegt sich im Grunde nichts. Querschüsse analysiert richtig weiter:

      „Die schwarze Null im Staatshaushalt ist primär ein Nullnummer, denn Investoren und Konsumenten scheinen das angeblich höhere Vertrauen in den soliden wirtschafteten Staat nicht in Investitionen und Konsum umzusetzen und damit nicht zu honorieren.“