Das Konklave ist in Berlin zusammengetreten. Im Unterschied zum Wahlmodell des Vatikan wird allerdings in der Hauptstadt hinter verschlossenen Türen sehr offen ein Nachfolger gewählt. Es ist schon bemerkenswert, wie gut vernetzt die sog. Regierungskreise mit den Medien sind. Wieso setzen die sich nicht gleich auf den Platz der Republik und Günter Jauch übernimmt die Moderation? Dann braucht man sich die Termine seiner Sendungen freitags, sonntags usw. nicht extra aufzuschreiben.
Auch kann mehrmals weißer Rauch aufsteigen. Im Gegensatz zum Vatikan haben die Erwählten in Berlin nämlich das unverschämte Recht, der GröTaZ (Größten Taktikerin aller Zeiten) einfach abzusagen. So gewinnt am Ende nicht derjenige, der die meisten Stimmen auf sich vereint, sondern die Person, die am Ende übrig bleibt. Wobei eine Die sowohl im Vatikan wie auch in der Bundesrepublik vom höchsten Staatsamt ausgeschlossen bleibt.
Einen originellen Vorschlag fand ich auf Twitter:
In Sachen
#Wulff-Nachfolge bin ich ja für#Westerwelle! 1. Ist das Amt eh schon beschädigt, 2. Hat der wenigstens keine Freunde.
Quelle: Twitter
Guido Westerwelle als Bundespräsident hat natürlich auch seinen Reiz. Er könnte quasi als oberster Oppositionslautsprecher seine Stärken wieder ausspielen und relativ gefahrlos ein einfacheres, niedrigeres und gerechtes Steuersystem fordern. Dafür müsste er allerdings seinen Posten im Maschinenraum der FDP aufgeben und als Leichenfänger an der neuen Gorch Fuck befestigt werden.
Bei den vielen Absagen, die Angela Merkel nach 24 Stunden schon kassiert hat, muss man wohl davon ausgehen, dass die möglichen Kandidaten alle ihre Leichen sowie einen Bildreporter im Keller haben. Auch der inzwischen zum Top-Favoriten (zit. nach Regierungskreise) auserkorene Wolfgang Huber hält einer Überprüfung kaum stand. Wenigstens wäre die Kontinuität mit ihm gewahrt.
Der deutsche Michel stöhnt bereits. Ihm ist mal wieder alles egal, Hauptsache die da oben sind sich einig und halten ihre Reihen geschlossen. Ich bin überrascht, dass dabei noch niemand auf eine Doppelspitze, die Urmutter aller schlechten deutschen Kompromisse, gekommen ist. Dabei könnte sich Merkel an der Deutschen Bank orientieren, die es nach der Ära Ackermann auch mit einer solchen versucht. Oder wer erinnert sich noch an die berühmte Doppelspitze beim DFB zwischen Gerhard Mayer-Vorfelder (lebt übrigens noch und wäre verfügbar) und Theo Zwanziger?
Aber mal ehrlich, ist das überhaupt wichtig?
Zur Strecke gebracht
Andere führen Krieg und rotten ganze Völker aus. Deutschland hingegen leistet sich den Luxus, sich über der Harmlosigkeit seines Staatsoberhauptes wochenlang selbst zu lähmen. Während draussen in der Welt Millionen um ihr Überleben kämpfen, ihr soziales Gefüge zerbrechen sehen und Seuchen, Wirbelstürme und Schlächtereien zu erdulden haben, ergehen sich die politische Klasse und die Medien in unserem Nachbarland in eitlen Balzritualen und Empörungsexerzitien in einem Fall, der an Trivialität und Biederkeit fast nicht mehr zu überbieten ist.
Quelle: NZZ
FEB
Über den Autor:
André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.