Die heftigen Reaktionen der britischen Regierung nach der Erstürmung der Botschaft in Teheran wird auch hierzulande begrüßt und breit diskutiert. Die Kappung der Beziehungen zwischen Iran und dem Westen wirkt dabei wie ein unkoordiniertes Vorgehen. Sogar der Westerwelle hatte mal wieder Gelegenheit, vom Misthaufen der Berliner Politik bedeutungsvoll herunterzugackern. Alle schimpfen sie über die inneren Verhältnisse des Iran und fordern wieder Sanktionen.
Philipp Mißfelder, das außenpolitische Hüftgelenk der Union, plädiert in seinem jugendlichen Eifer sogar dafür, eine militärische Option nicht auszuschließen. Diese Wortmeldung dürfen sie selbst verurteilen. Ich behalte meine durchaus beleidigenden Gedanken lieber für mich.
Doch kaum einer nimmt Notiz von den inneren Verhältnissen in Großbritannien, auch nicht der Abgeordnete Mißfelder. Die nehmen nämlich dramatische Züge an. Wo die scheinbürgerlichen Medien und zweifelhafte Politgestalten einmal mehr versagen und sich lieber in durchschaubaren Manövern verheddern, leisten die Linken bürgerliche Aufklärungsarbeit. In der Jungen Welt steht:
Der größte Streik in der Geschichte
Gewerkschaften legen öffentlichen Dienst Großbritanniens lahm
Ein historischer Tag für die britische Gewerkschaftsbewegung begann in Manchester am Mittwoch morgen mit: Stille. Dort, wo normalerweise ab 7 Uhr in der Frühe auf allen Straßen Dauerstau herrscht, machte sich gähnende Leere breit. Rund 30 Gewerkschaften hatten für den gesamten öffentlichen Sektor Großbritanniens zum Streik gegen eine von der Regierung geplante Rentenreform aufgerufen. Dieser zufolge sollen Beschäftigte länger arbeiten und mehr Geld in die Rentenfonds einzahlen, dafür am Ende des Berufslebens jedoch eine geringere Rente erhalten. Damit sollen die milliardenschweren Bankenrettungspakete finanziert werden.
Wer sich nicht völlig blind durch die Geschichte bewegt, müsste wissen, dass gerade in Großbritannien innenpolitische Verwerfungen durch eine aggressive Außenpolitik immer wieder kanalisiert wurden. Das war zu Zeiten als Kolonialmacht so und zu Zeiten Maggie Thatchers, die den Falklandkrieg 1982 um die relativ unbedeutende Inselgruppe im südlichen Atlantik nur deshalb führte, weil er einen Gewinn an Popularität versprach. In der Folge fiel es ihr leichter, die konservative Wende im Königreich durchzusetzen, die Privatisierung vieler Staatsunternehmen voranzutreiben und die Position der Arbeitnehmerschaft nachhaltig zu schwächen.
Jetzt sind die Briten wieder in einer Situation, in der die innenpolitischen Spannungen auf ihrer kleinen Insel derart zugenommen haben, dass ein Befreiungsschlag nach außen hin nötig und logisch erscheint. Was böte sich da besser als Projektionsfläche an, als eine Verletzung britischer Hoheitsrechte im Schurkenstaat Iran?
DEZ
Über den Autor:
André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.