blogintern: Statistik 11/10 und ein Ausblick

Geschrieben von: am 01. Dez 2010 um 14:49

Im November haben die Besucherzahlen dieses Blogs wieder zugenommen. Die 5000er Marke konnte übersprungen werden. Der Trend zeigt nach oben. Oben bleiben! lautet wohl auch das Stichwort. Viele neue Besucher kamen nämlich von den Parkschützern aus Stuttgart.

Wie immer möchte ich mich bei allen Leserinnen und Lesern dieses Blogs sowie den Mitdiskutanten bedanken, die im abgelaufenen Monat fleißig gelesen und kommentiert haben. Falls ihnen der Blog gefällt, empfehlen sie ihn ruhig weiter. :D

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Ausblick

Pünktlich zu Beginn des Dezembers ist es bitter kalt geworden und ein eisiger Wind bläst durch das Land, das noch immer eine Aufschwungparty feiert. Hinter dem ersten Türchen des Adventskalenders erscheint heute die Botschaft, dass das Getriebe der Wirtschaft noch nicht festgefroren sei, das das Wachstum weiter stabil wachse, mit vermindertem Tempo zwar, aber mit Freude. Denn der Bundeswirtschaftsminister hat gestern das „Fest der Freude am Arbeitsmarkt“ ausgerufen, weil nun knapp 41 Millionen Menschen in diesem Land einer Beschäftigung nachgingen. Welche Tätigkeiten das sind und ob man sich davon soviel Alkohol kaufen kann, um, wie beim Minister Brüderle, die eigene Wahrnehmungsschwelle außer Kraft zu setzen, ist nicht weiter von belang.

Es ist Aufschwung, basta, auch wenn keiner hingeht. Dabei steigen die Privatinsolvenzen und auch in Zukunft sei nicht mit einer Entspannung bei der Verbraucherüberschuldung zu rechnen:

In den kommenden zwei Jahren ist nicht mit einem Rückgang der Verbraucherüberschuldung zu rechnen. Jeder zehnte Deutsche (9,8 Prozent) fühlt sich bereits jetzt durch seine finanziellen Verbindlichkeiten überfordert, ein weiteres Drittel (32,0 Prozent) hat wenigstens manchmal „Schuldenstress“. Die von der Bundesregierung geplanten Sparmaßnahmen sowie weitere Faktoren – wie zunehmende Wohnkosten und der Anstieg prekär Beschäftigter – drohen Auslöser für eine neuerliche Überschuldungsentwicklung zu sein.

Quelle: Creditreform SchuldnerAtlas Deutschland 2010 (4.11.2010)

Es steigen also prekäre Beschäftigung und gleichzeitig die örtlichen Kosten für den Erhalt der Ware Arbeitskraft. Genau genommen leben wir nicht mehr in Zeiten von Brutto und Netto, wo es um die Frage nach mehr Netto vom Brutto geht, sondern in Zeiten von Bretto und Nutto, wo es um die Frage geht, wie viel vom Netto eigentlich noch übrig bleibt, wenn sämtliche gestiegenen privat zu tragenden Fixkosten wie Miete, Strom, Gas, Gesundheit, Kinderbetreuung, Eintritte für Kultureinrichtungen, die private Altersvorsorge immer weiter steigen. Denn inzwischen haben die Bundesregierungen der letzten Jahre mit ihrer Politik des staatlichen Ausstiegs aus dem Staat dafür gesorgt, dass immer mehr Kosten und Risiken privatisiert wurden.

Der Gebührenstaat feiert fröhliche Urständ. Doch während die Lohnabhängigen so langsam begreifen, dass ihnen zu mehr Netto einfach das entsprechende Brutto fehlt, sprudeln am anderen Ende die Gewinne wie nie. Allein die Dax-Konzerne streichen in diesem Jahr 63 Milliarden Euro mehr Netto ein. Im Frühjahr 2011 soll es dann 25 Milliarden Euro an Dividenden geben. Das sind natürlich glänzende Zahlen, die allemal zu einem Boom passen, von dem die „Experten“ aber lieber nicht sprechen.

Aber auch die Vermögenden kaufen keine Güter, wie es scheint. Der private Verbrauch soll ja laut den akademischen Kaffesatzlesern, die man auch unter den Bezeichnungen Wirtschaftsexperte oder Konsumforscher kennt, zu einer Stütze des Wachstums werden. Nun dämpft aber gerade heute wieder das statistische Bundesamt mit aktuellen Zahlen zum Einzelhandelsumsatz die vorweihnachtlichen Konsumerwartungen.

Nach vorläufigen Ergebnissen des Statistischen Bundesamtes (Destatis) lag der Umsatz im Einzelhandel in Deutschland im Oktober 2010 nominal um 0,4% höher und real um 0,7% niedriger als im Oktober 2009.

Vor allem bei den Lebensmitteln wird weiter gespart.

Der Einzelhandel mit Lebensmitteln, Getränken und Tabakwaren setzte im Oktober 2010 nominal 0,5% und real 2,4% weniger um als im Oktober 2009. Dabei lag der Umsatz bei den Supermärkten, SB-Warenhäusern und Verbrauchermärkten nominal um 0,5% und real um 2,4% niedriger als im Vorjahresmonat. Im Facheinzelhandel mit Lebensmitteln wurde nominal 1,1% und real 2,4% weniger als im Oktober 2009 umgesetzt.

Insgesamt legen die Umsätze im Einzelhandel von Januar bis Oktober 2010 um gerade einmal real 1,0 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum zu. Folgt man der Euphorie des Einzelhandelsverbandes sollen es am Jahresende zwischen 1,5 und 2,0 Prozent mehr sein als im Jahr davor. Mal abgesehen davon, dass die Umsätze in 2009 um knapp 2 Prozent eingebrochen waren, wird der vorausgesagte Kaufrausch auch in diesem Jahr wieder ausbleiben.

Dennoch verbreitet der Einzelhandelsverband Partystimmung. Nur stützt er sich dabei ebenfalls auf Trendumfragen, die lediglich einen Zusammenhang zwischen der geschätzten Menschenmenge in der Fußgängerzone und der Höhe der Umsätze in der Ladenkasse herzustellen versuchen. Verlässlich ist so etwas aber nicht, wie wir aus der Vergangenheit wissen.

Spiegel Online titelt Steigende Konsumlust: Einzelhandel bejubelt Umsatz-Boom. Dafür heißt es weiter unten im Text:

Das Konsumklima hellt sich damit deutlich auf. Im Vormonat waren die Einzelhandelsumsätze noch um 1,8 Prozent gefallen. Allerdings: Im Jahresvergleich sieht die Zahl etwas weniger toll aus. Demnach gingen die Einzelhandelsumsätze real um 0,7 Prozent zurück.

Eine Erklärung, warum die Umsätze noch unter denen des gleichen Monats im Krisenjahr 2009 liegen, wäre wünschenswert gewesen.

Und woanders heißt es „Goldener Oktober“ für Einzelhandel. Im Text steht dann:

Nur der Lebensmitteleinzelhandel schwächelt

Da fragt man sich doch, ob der „Traumstart“ ins Weihnachtsgeschäft mit weiterem Verzicht beim Essen und Trinken erkauft wird. Aber so negativ will ja keiner denken, um nicht die gute Laune zu verderben. Spätestens im Februar wird man aber wissen, wie toll das Weihnachtsgeschäft tatsächlich lief. Nur interessieren wird es wieder keinen.

Aber was reden wir auch vom Weihnachtsgeschäft in Deutschland? Das Schicksal Deutschlands entscheidet sich doch nicht unter Brüderles Weihnachtsbaum, sondern ganz woanders. Der Grund für die Stimmungsmache ist doch immer dergleiche. Es soll verdeckt werden, dass die deutsche Binnennachfrage keinen wirklichen Beitrag zum Wirtschaftswachstum in Deutschland, aber auch nicht zum Weltwirtschaftswachstum leistet. Dabei ist es aus volkswirtschaftlicher Sicht gerade zu zwingend, dass Deutschland als Überschussland endlich zur Vernunft kommt und es zulässt, auch mal ein paar Jahre Defizite zu machen. Denn auf Dauer werden es sich die Defizitländer dieser Erde nicht mehr gefallen lassen, dass die Deutschen mit Hilfe ihres Euro gestützten Lohndumpings die Welt mit Billigprodukten weiter überfluten.

Der Druck in Brüssel und bei den G20 wächst doch bereits. Es wird nur nicht zum Thema gemacht. Da kann der Minister für Wirtschaft Brüderle, der auch schon mal von wider seine Natur von Lohnerhöhungen spricht, noch so sehr vom Rückfall in die Planwirtschaft fabulieren, am Ende zieht er dennoch den Kürzeren. Nämlich dann, wenn der Protektionismus wiederkehrt und deutsche Waren auf anderen Märkten keinen Zutritt mehr haben. Von den Forderungen, die ein Überschussland wie Deutschland dauerhaft anhäuft, kann sich nämlich auch ein Herr Brüderle nichts kaufen. Im Gegenteil, als Gläubiger sitzt er nämlich immer mit am Tisch, wenn andere Staaten den Offenbarungseid leisten und ihre Schulden gegenüber dem Ausland nicht mehr bedienen können.

Im Moment rettet Deutschland über die Hilfen an Irland schon wieder die eigenen Banken. Im Moment betreibt Frau Merkel ein perverses Spiel im sog. Währungskrieg. Sie säht absichtlich Misstrauen in den Euro, damit er gegenüber dem Dollar wieder fällt, um die deutsche Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten, koste es was es wolle. Gleichzeitig geißelt sie die Maßnahmen der Amerikaner, die mit einer weiteren Lockerung der Fianzpolitik ihre Währung ebenfalls schwächen wollten, um Wettbewerbsanteile zurückzugewinnen. Man fragt sich verwundert, was die deutsche Bundesregierung eigentlich will. Wenn sie will, dass Defizitländer ihre Schulden abbauen, muss sie bei sich selbst welche zulassen. Eine andere Logik funktioniert einfach nicht. Wenn sie sich aber weiterhin weigert, werden nicht nur Spanien und Portugal von deutschen Steuerzahlern gerettet werden müssen, sondern auch wieder die Griechen und weitere Länder der Eurozone. Als Gläubiger sitzen Merkel, Schäuble und Brüderle immer wieder mit am Tisch, Planwirtschaft hin oder her.

Es stellt sich also die Frage, wie lange das Währungsspiel zwischen den Deutschen und den Amerikanern noch weitergeht, ob Frau Merkel ein Scheitern der Eurozone tatsächlich riskiert, nur um der deutschen Exportindustrie Vorteile zu sichern. Wenn die deutsche Bundesregierung weiter so denkt wie ein Unternehmen, das andere Marktteilnehmer am liebsten verdrängen möchte, wird die Sache scheitern, Aufschwung hin oder her. Nur die Amerikaner haben im Prinzip erkannt, dass der Welt eine Jahrzehnte lange Stagnation vom Muster der japanischen droht. Aber es sind wieder nur die Amerikaner bereit, wie in der Asienkrise vor zehn Jahren, etwas dagegen zu unternehmen. Nur allein werden sie es dieses Mal nicht schaffen.

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Über den Autor:

André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.
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