Blamage abgewendet? Jubelmeldung beim Kita-Ausbau

Geschrieben von: am 11. Jul 2013 um 7:57

Kurz vor dem Stichtag am 1. August soll es nun plötzlich 20.000 Kita-Plätze mehr für unter Dreijährige geben, als benötigt werden. Laut Informationen von NDR-Info hätten die Bundesländer 800.000 Plätze an das Bundesfamilienministerium gemeldet. Von einem bemerkenswerten Endspurt ist nun die Rede und die Bundesregierung kann vor der Wahl mit einer weiteren vermeintlichen Jubelmeldung auftrumpfen. Deutscher Städtetag und Deutscher Städte- und Gemeindebund hatten gestern noch mit einem Defizit von 100.000 Plätzen gerechnet. Ein Widerspruch? Nein, bloß ein Rechentrick.

Um zu verstehen, wie es zu einem solchen Aufholprozess, der jetzt alle Beteiligten gut dastehen lässt, kommen konnte, muss man wissen, was Betreuungsplätze sind. Damit sind keineswegs nur Plätze in Kindertageseinrichtungen gemeint, sondern vor allem auch Plätze bei Tagesmüttern. Der Rechtsanspruch gilt als erfüllt, wenn ein Kind entweder in einer Einrichtung oder bei einer Tagesmutter untergebracht werden kann. Man sollte also davon ausgehen, dass die Kommunen, um den Rechtsanspruch zu erfüllen, das Angebot in der Tagespflege massiv ausgeweitet haben und das Erreichen der erforderlichen Quote also nicht unbedingt etwas mit einem Endspurt beim Ausbau von Krippenplätzen in Einrichtungen zu tun hat.

Viele Gemeinden werden auch pragmatische Lösungen anbieten und vorhandene Plätze aufteilen. Denn im Gesetz steht nicht, wie lange die Betreuung gewährleistet sein muss. Die Kommunen müssen sich da auf eigene Regelungen verständigen. So kann es durchaus sein, dass sich zwei Kinder einen Platz in der Tagespflege teilen, wenn die Betreuung nur für wenige Stunden und Tage durch die Eltern gewünscht wird. In beiden Fällen wäre der Rechtsanspruch erfüllt.

Beim Krippenausbau hörte man zuletzt immer dieselben Nachrichten. Kommunen, Land und Bund finanzieren den Ausbau zu je einem Drittel. Vor allem zwischen den beiden ersteren kam und kommt es immer wieder zu Reibereien über die Verteilung und den Einsatz der Mittel. Hinzu kommt, dass es aufgrund der grottenschlechten Bezahlung an qualifiziertem Personal fehlt, was die Einrichtung neuer Gruppen in bereits bestehenden Kitas oftmals verhindert.

Eine weitere Frage wirft die Jubelmeldung allerdings auch auf. Was wird mit dem unsinnigen Betreuungsgeld, über dessen Finanzierung die Bundesregierung einen Mantel des Schweigens gelegt hat. Eine Milliarde Euro will der Bund für das Wahlkampfgeschenk der CSU im kommenden Jahr bereitstellen, die durch Einsparungen im Haushalt – wo bleibt unklar – aufgebracht werden sollen.

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Über den Autor:

André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.
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Kommentare

  1. der Alte  Juli 11, 2013

    …Jubelmeldung… diese Art Jubenmeldungen sind aus der Vergangenheit noch bestens bekannt- die DDR „Volkseigenen Betriebe“ meldeten Quartalsmäßig 105% Planübererfüllung!!!!! Bei derart Jubenmeldungen sträuben sich bei mir immer die Nackenhaare.

  2. jenny  Juli 11, 2013

    was sollen eigentlich nachher die ganzen mütter auf dem arbeitsmarkt arbeiten? Im landkreis meiner Eltern landen davon die Hälfte nur in Minijobs — eine berechtigte Frage!

    ich seh keinen Mangel an fachkräften – echt nicht. Nirgends

    bei uns hier schon mal gar nicht.

  3. Torsten  Juli 11, 2013

    Der Trick mit den Tagesmüttern und Vätern

    Läuft schon seit geraumer Zeit. Die Jugendämter werben für Schulungen zur Tagespflegeperson und nach bestandener Kurzausbildung sind diese dann offiziell als Tagesplätze für Kleinkinder in der Statistik, was jedoch kaum etwas darüber aussagt, ob tatsächlich die entsprechende Zahl von Kindern aufgenommen werden kann und wird. Viele Tagesmütter wollen nur ein oder zwei Kinder betreuen um nicht in die Sozialkassen einzahlen zu müssen und unter der Verdienstgrenze bleiben, denn wenn nur etwas darüber dann lohnt es sich kaum noch, da die Abgaben zur Sozial und Rentenversicherung fast alles wieder auffressen und letztendlich bleibt kaum mehr als bei einem Ein Euro Job hängen. Dies wird ja auch so gewollt, um die Verantwortung des Staates auf den Schultern der Engagierten abzuladen. Der Hammer ist dann die Bezahlung von einigen Jugendämtern und der Umgang mit den Pflegepersonen. Viele schmeißen hin ,um sich nicht ständig verars…n zu lassen und nur als Deppen für die Statistik mißbraucht zu werden. Zumal die Jugendämter erst mal die örtlichen Kitas voll machen wollen und auch noch gegen die Tagesmuttis im Hintergrund arbeiten, hauptsache die betriebswirtschaftlichen Daten kommunaler und kirchlicher Einrichtungen stimmen.Letztendlich ist dies doch Alles ein riesengroßer Beschiss und die Menschen glauben den auch noch.