Ich könnte mich totlachen. Nein, nicht über die heute stattfindende Bundespräsidentenwahl, die ist ja total belanglos, sondern über die schlafwandelnde Medienmeute. Auf allen Kanälen dieselben Fragen und dieselben noch dämlicheren Antworten in quälerischer Endlosschleife. Der dümmste Dialog entwickelte sich gerade in der ARD zwischen einer Fieldreporterin und ihrer Gesprächspartnerin Brigitte Zypries (SPD). Mit Blick auf einen möglichen dritten Wahlgang, bei dem bekanntlich die einfache Mehrheit für einen Kandidaten oder eine Kandidatin reichen würde, meinte Brigitte Zypries, dass sich innerhalb der Linken wohl die Altkommunisten durchgesetzt hätten. Daraufhin die Gegenfrage der Reporterin:
„Aber die Stimmen der Altkommunisten würden sie doch nehmen?“
Da schlief der Ex-Justizministerin aber gehörig das Gesicht ein. Nun gab der Ober-Deppendorf der ARD zur Tagesschau ab und meinte, dass es ja schließlich noch andere Nachrichten gäbe. Und was kommt dann als erstes? Die Wahl und zugeschaltet ist, sie wissen es sicherlich schon, richtig, Uli Deppendorf. Und er berichtet noch einmal genau dasselbe wie in der halben Stunde davor. Aber so ist das halt in der Aktuellen Kamera. Da wird nur so getan als ob. Die zweite Meldung ist übrigens vom tollen Arbeitsmarkt. Der sei noch immer robust und der Aufschwung setze sich fort. Hier wird also der vegiftete Wein für den morgigen Schlussauftritt von Rainer Brüderle im Bundestag geliefert.
Aber zurück zur Wahlveranstaltung. Ich stelle erneut fest, dass die Kandidatin der Linken Luc Jochimsen zwei Stimmen mehr erhalten hat, als rechnerisch möglich. Im letzten Jahr hatte Peter Sodann ja ebenfalls mehr Stimmen bekommen. Offensichtlich befinden sich in den Reihen von SPD, CDU, CSU, FDP, Grünen oder Freien Wählern auch noch Altkommunisten. Da hätte die Fieldreporterin bei Frau Zypries aber weiter nachhaken können. Egal. Ich halte die Veranstaltung für unbedeutend und die Linken hätten gut daran getan, überhaupt keinen Kandidaten oder Kandidatin zu benennen, sondern es ihren Delegierten tatsächlich freizustellen, wie sie votieren. Man kann sich ja auch enthalten.
Ich gebe jetzt trotzdem mal einen mutigen Tipp ab. Die anderen „Experten“ lagen ja auch total daneben. Ich tippe, dass die Linken im zweiten Wahlgang geschlossen für Gauck stimmen werden, obwohl Luc Jochimsen noch einmal antritt. Rechnerisch hätte es ja im ersten schon für Gauck reichen können (499 + 126 -2 = 623). Jetzt müssen die Idioten von Schwarz/Geld ihre Intelligenz noch einmal unter Beweis stellen und genauso abstimmen wie im ersten Wahlgang, weil sie davon ausgehen im dritten Wahlgang alles klarmachen zu können. Dann wäre rasch ein Ende da und alle könnten an den Wannsee fahren. Der Regisseur Lammert hatte ja eingangs darauf hingewiesen. So richtig Lust scheint der Lammert auch nicht zu haben.
Und die Medien? Im Augenblick läuft die nächste Doku über die drei Kandidaten. Hätte man da nicht die ausgefallene Folge der Lindenstrße senden können, die am Sonntag dem Sieg der deutschen Nationalmannschaft und den Berichten über die Glückwünsche der Kanzlerin vom G-20-Gipfel in Toronto weichen musste? Man hätte auch das Elfmeterschießen aus dem WM-Finale von 1994 zwischen Italien und Brasilien zeigen können. Die Leiden des Roberto Baggio würden doch hier gut passen. Als er den letzten Elfmeter für Italien über die Querlatte schoss und Brasilien damit zum Weltmeister machte. Unvergesslich das Drama von Los Angelas! Genau das würde zum Ergebnis des ersten Wahlgangs heute sehr gut passen. :>>
PS: Oskar Lafontaine hat übrigens für ein wenig Aufklärung gesorgt, als er dem notorisch dumm agierenden Phoenix-Reporter auf dessen Frage nach der Chance für seine Partei, sich endlich von der DDR-Vergangenheit lösen zu können, antwortete, dass es in der Parteiführung nun erstmals mehr ehemalige SPDler gäbe als EX-PDSler. Es fiele nur keinem auf. Absichtlich nicht! Insofern sei es auch unwahrscheinlich, dass die Kampagne gegen die Linke just in dem Moment aufhören werde, wenn sie Herrn Gauck wähle.
JUN
Über den Autor:
André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.