Peer Steinbrück hat nun auch ein Buch vorgelegt. Und wie beim Parteikollegen Thilo Sarrazin sind es fast 500 Seiten geworden. Und wie beim Parteikollegen Thilo Sarrazin schreibt Steinbrück über ein Thema, von dem er keine Ahnung hat. Steinbrücks Buch heißt „Unterm Strich“. Es müsste aber „Unter der Gürtellinie – Eine Beleidigung der Intelligenz der Bürger“ lauten. Steinbrück will etwas über die Finanzkrise, über die Ursachen und über seine glorreiche Rolle als Finanzminister und Krisenmanager erzählen. Herausgekommen ist aber ein Buch, in dem der Autor das Thema völlig verfehlt. Genauso wie er als Ministerpräsident und Bundesminister versagte, scheitert er auch als Autor. Lesen sie mal die Buch-Kritik vom Stern-Kolumnisten Hans Peter Schütz, vor allem seine Kritik an den Dingen, die Steinbrück auf fast 500 Seiten einfach weggelassen hat:
„Steinbrück, der sich momentan das Format eines SPD-Kanzlerkandidaten für die nächste Bundestagswahl zuschreiben lässt, war ein ahnungsloser Abwiegler.
Er war nie ein Wirtschaftsfachmann, immer ein Kassierer, der außer seiner Nullverschuldung ab 2009 nichts im Blick gehabt habe, werfen ihm seine Kritiker bis heute vor. Zu Recht. Wäre die Republik damals seinen Ideen gefolgt, wäre die Wirtschaftslage heute schlimmer und die Arbeitslosigkeit höher.
Steinbrück steht nicht mehr in vorderster politischer Linie. Aber er hat den Rückzug genutzt, um sein Wirken in der Finanzkrise schön zu schreiben.“
Was für ein Theater da in Brüssel. Der französische Staatspräsident Nicolas Sarkozy behauptet einfach mal so, dass die Bundekanzlerin ihm gegenüber zugesagt hätte, auch in Deutschland mit der Räumung von Lagern der Sinti und Roma beginnen zu wollen. Die deutsche Bundesregierung dementierte natürlich umgehend und der Vizekanz-Nicht Westerwelle sprach gar von einem Missverständnis. In Deutschland werde es keine Räumung von Sinti und Roma Lagern geben, so der „Ihr kauft mir den Schneid nicht ab!“ Teilzeit-Außenminister. Da habe ich kurz überlegt und mich gefragt, was es denn da zu missverstehen gegeben haben könnte. Ich meine, Herr Westerwelle hätte ja auch klipp und klar sagen können, dass der Sarkozy spinnt und sich etwas zusammenfantasiert, weil er unbedingt zum Bonsai-Duce aus Italien aufschließen will. Das wäre ja ein durchaus nachvollziehbares Motiv wenn man seine politische Bilanz so betrachtet. Aber ein Missverständnis heißt ja, dass irgendwie über die Sache geredet wurde.
Doch wie kommt der Sarkozy auf Räumung. Vielleich hat er Übersetzer genuschelt und der Präsident claire verstanden, obwohl construire gemeint gewesen war. Die Kanzlerin hätte also nicht davon gesprochen, Lager in Deutschland zu räumen, sondern erst aufbauen zu müssen. Das würde doch auch eher zum moderierenden und ausgleichenden Duktus des deutschen Sprechblasenautomaten passen, als eine klare Ansage wie, „Soetwas machen wir nicht!“. Schließlich würde es laut dem Zentralrat deutscher Sinti und Roma in Deutschland auch überhaupt keine illegalen Lager wie in Frankreich geben, die man auflösen könnte.
Vielleicht hat die Kanzlerin auch nur vom neuzeitlichen Entdecker der Rassengene Thilo Sarrazin berichtet und dabei lobend angeführt, dass sie die Räumung dessen Büros nur 1000 Euro mehr als ursprünglich geplant im Monat kosten würde. Es könnte aber auch sein, dass Frau Merkel gegenüber Sarkozy in einer flotten Bemerkung einfach nur angedeutet hat, dass sie es sich wünschen würde, wenn jemand im Kopf von Parteikollegin Erika Steinbach einmal richtig aufräumen würde. Oder sie hat von der Räumung des Bahnhofvorplatzes in Stuttgart gesprochen, damit dort wie geplant ein großes Mrd. Euro verschlingendes schwarzes Loch entstehen kann. Seit Wochen protestieren Zehntausende von Menschen gegen das Vorzeigeprojekt der Bundesregierung Stuttgart 21, das die Kanzlerin kürzlich erst zum Symbol für die Zukunftsfähigkeit des Landes erklärt hat.
Jetzt verstehe ich, man hätte da viel missverstehen können, aber das größte Missverständnis scheint wohl darin zu bestehen, dass es in der Europäischen Union einfach völlig unmöglich ist, eine gemeinsame Sprache zu sprechen und zu verstehen. Nicht nur der Bundesregierung ist es inzwischen völlig egal, was sie innenpolitisch mit ihrer ganz offen zur Schau getragenen Klientelpolitik anrichtet, es ist ferner den europäischen Regierungschefs völlig egal, was aus der Europäischen Union wird.
Zu Beginn der Haushaltswoche und nach dem Auftritt von Wolfgang Schäuble, der zur neuerlichen 40 Mrd. Euro Garantie an die HRE recht wenig zu sagen hatte, fragte ich mich, wann wohl die nächste alternativlose Garantie durch den Finanzmarktstabilisierungsfonds SoFFin am Parlament vorbei ausgesprochen werden würde. Über die Kriterien, wie und wann über Hilfen entschieden wird, erfahren die Parlamentarier und der Bürger nichts. Wie wir wissen unterliegen diese Dinge der Geheimhaltung. Insgesamt 480 Mrd. Euro stehen dem SoFFin zur Verteilung zur Verfügung. Das wurde im Jahr 2008 binnen einer Woche im deutschen Bundestag durch eine breite Mehrheit aus CDU/CSU, SPD, FDP und Grüne so beschlossen. Gleichwohl mitbeschlossen wurde dabei die faktische Ausschaltung der Volksvertretung. Früher nannte man soetwas Ermächtigungsgesetz.
Inzwischen ist rund die Hälfte der Mittel in Form von direkten Kapitalhilfen, wie bei der Commerzbank (18 Mrd.) und Garantien wie bei der HRE (142 Mrd.) schon weg. Dabei sollte man sich nicht von dem Wort Garantie täuschen lassen. Auch da fließt Geld wenn man sich vor Augen führt, weshalb Garantien gegeben werden müssen. Im Fall der HRE ist es z.B. so, dass das Institut diese Garantien benötigt, um zahlungsfähig gegenüber seinen Gläubigern zu bleiben. Einer der Hauptgläubiger ist dabei die Deutsche Bank. Herr Ackermann macht also Profit, weil ihm die Allgemeinheit die Zahlungen seiner Schuldner garantiert. Und da sage noch jemand, der Ackermann würde sich schämen, wenn er Steuergelder annehmen müsste. In Wirklichkeit ist ihm das schnurzpiepegal. Genaugenommen zahlt die Allgemeinheit ja auch direkt an Gläubiger wie die Deutsche Bank, denn die HRE ist inzwischen in Volkseigentum übergegangen und lässt als Krönung des Ganzen die Führung der eigenen Bank gleich durch Ackermanns Leute besetzen.
Aber ich war ja noch beim glasklaren Verfassungsbruch SoFFin. Dieser komischen Einrichtung soll nun nach dem Willen des schwarz-gelben Pannenkabinetts erlaubt werden, noch ein weiteres Jahr Geld verteilen zu dürfen. Es gibt ja auch noch viel zu verteilen, wenn erst die Hälfte der 480 Mrd. abgerufen wurde. Es wäre ja auch blöd, wenn der Bundessparminister Schäuble erklären müsste, warum er in den Einzeletats radikale Kürzungen vornimmt, wenn gleichzeitig rund 240 Mrd. Euro im Bankenrettungsfonds noch gar nicht verteilt worden sind. So verlängert man einfach den SoFFin, die HRE kann noch ein paar Mal alternativlos zuschlagen und der Bürger kauft sich derweil weiterer Gürtel, die er sich dann enger schnallen kann. Ist doch prima durchdacht.
Meine gestrige Kritik an Gregor Gysis Forderung nach einer Lohnangleichung der ostdeutschen Löhne unter der Parole gleicher Lohn für gleiche Arbeit hat zu ebenfalls kritischen Reaktionen geführt. Zum Kommentar von Ormuz möchte ich mich näher äußern:
Die Ausplünderung der DDR ist mittlerweile 20 Jahre her und von Produktivitätsunterschieden kann meines Erachtens nach keine Rede mehr sein.
Aber selbst wenn, die Leute im Osten müßen genau so viel arbeiten, müßen die selben Mieten bezahlen und auch das selbe für Lebensmittel, Strom etc.
Es ist also nicht zu rechtfertigen, daß im Osten noch immer deutlich weniger Lohn gezahlt wird, denn die Lebenshaltungskosten sind ja auch keineswegs deutlich niedriger.
Das ist verständlich, Ormuz.
Nur ändert das eben nichts an der Tatsache, dass die Währungsunion von 1990 mit der Umstellung von schwacher Ost-Mark auf die starke D-Mark sowie die schnelle Angleichung der Ost-Löhne richtig vergeigt worden war. Dieser ökonomische Irrsinn hatte fatale Folgen. Die Ost-Betriebe verloren ihre Wettbewerbsfähigkeit reihenweise und die Menschen im Osten ihre Jobs sowie eine Perspektive. Die gutausgebildeten migrierten in den Westen (meine Familie gehörte dazu) und die zumeist weniger gut ausgebildeten Menschen blieben als Chancenlose zurück.
Während dieses Ausblutens ganzer Regionen, erhöhten sich entsprechend die Marktanteile der West-Betriebe innerhalb einer gemeinsamen Volkswirtschaft, da ja die gleiche Währung galt. Es wurde einfach versäumt, den notwendigen Aufholprozess der ostdeutschen Wirtschaft fachlich zu begleiten.
Der Oberhammer war aber, dass die selben Idioten, die das Ausmaß ihres Tuns spätestens 1994 erkennen konnten, da die Arbeitslosigkeit im Osten einerseits weiter zunahm und andererseits die Migrationsbewegung von Ost nach West neue Höhen erreichte, dass diese Leute derweil die nächste Währungsreform (Euro) nach dem selben fatalen Muster planten und, wie wir heute wissen, ebenfalls gehörig in den Sand setzten.
Die politische Lösung in beiden Fällen, um die Auswirkungen falscher Wirtschaftspolitik einzudämmen, heißt Solidarität. Ohne Transferleistungen geht es innerhalb Deutschlands nicht, aber auch nicht innerhalb Europas. Doch das Gegenteil ist der Fall. In Deutschland klagt man lauthals über die Belastungen durch den Solidaritätszuschlag und mit Blick auf Europa klagt man, der Zahlmeister für Defizitsünder wie Griechenland sein zu müssen. Dabei ist die Rolle des Zahlmeisters die logische Konsequenz aus dem Verhalten einer starken Volkswirtschaft, die sich auf Kosten der im Aufholprozess befindlichen Ökonomien bereichert hat.
Mit Blick auf die Wirtschaftsleistung innerhalb Deutschlands lässt sich jedenfalls festhalten, dass die ostdeutschen Betriebe noch immer aufholen müssen. Die Wirtschaftsleistung Ostdeutschlands liegt erst bei 70 Prozent der westdeutschen. Um diese Lücke schließen zu können, bedarf es einer höheren Produktivitätsentwicklung als im Westen, die aber nur mit zusätzlichen staatlichen Hilfen angeschoben werden könnte. Erst dann ist es möglich, dass auch die Löhne im Osten stärker steigen als die im Westen. Ohne Subventionen geht es aber nicht und vor allem geht es nicht ohne einen Flächentarifvertrag, der den Lohnzuwachs für alle gleich regelt, also für Unternehmen mit hoher Produktivität und für die mit weniger Produktivität.
Wer hingegen das Lied von der Flexibilisierung der Tarife und Löhne fröhlich vor sich hin trällert, kapiert nicht, dass er die Marktwirtschaft außer Kraft setzt. Wenn jeder Betrieb nur noch dafür aufkommt, was er sich selber wirtschaftlich leisten kann, gibt es keine Nachfrage mehr, weil es permanent darum geht, die Lohnkosten zu drücken, um sich Marktanteile zu sichern. Daher sind steigende Löhne und vor allem ein gesetzlicher Mindestlohn als Nachfragegröße enorm wichtig, damit die Wirtschaft überhaupt gesund funktionieren kann. Die Parole „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit!“ ist hingegen falsch, weil es eben darauf ankommt, an welchem Ort der Lohn gezahlt wird. Es gilt daher der Satz „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort!“
Ich weise vorsorglich auf den Start der neuen Staffel „Neues aus der Anstalt“ im ZDF hin. Am Dienstag, den 19. Oktober, zur gewohnten Sendezeit um 22:15 Uhr und wie immer live und direkt nach dem heute-journal, werden erstmals Urban Priol und Frank-Markus Barwasser alias Erwin Pelzig gemeinsam durch die Sendung führen. Erwin Pelzig wird dabei den Posten für Öffentlichkeitsarbeit und Interne Kommunikation in der Anstalt übernehmen. Als Gäste begrüßen die beiden die Kabarettisten Helmut Schleich, Andereas Rebers und Jürgen Becker.
Quelle: MZ
Okay, die Rede Gregor Gysis von heute über die Lobby-Kanzlerin sollte man gehört haben, zumal in den Medien, die ich jetzt noch zur Kenntnis nehmen konnte, wie üblich kaum etwas über den Inhalt mitgeteilt wird. In einem Punkt würde ich Gysi sogar widersprechen und zwar darin, dass die Löhne und Gehälter in Ostdeutschland an die im Westen endlich angeglichen werden müssten. Bei aller ökonomischen Kompetenz, die immer wieder in den Reden Gysis mitschwingt, in diesem Punkt siegt wohl die rhetorische Versuchung über den ansonsten scharfen Verstand. Denn es geht doch nicht um die Anpassung von Lohnniveaus, damit hatten sich doch schon die Gewerkschaften während des Vereinigungsprozesses unter der Parole „Lohnangleichung-Ost“ ordentlich verhoben. Es geht doch in erster Linie um einen funktionierenden Flächentarifvertrag, der unter Berücksichtigung des Produktivitätsfortschritts für eine gerechte Lohnfindung sorgt.
Oskar Lafontaine könnte das vielleicht als großer Skeptiker der deutschen Einheit bestätigen. Denn es ist nunmal auch ein volkswirtschaftlicher Unterschied zwischen Deutschland-West und Deutschland-Ost zu machen, bei dem gerade die Lohnentwicklung nicht für sich allein betrachtet werden darf. Gerade im Osten muss es doch auch um das Produktivkapital gehen, welches nach der Wende nahezu vollständig an die Treuhandanstalt des Bundes übertragen wurde. Diese Vermögensverhältnisse waren doch keineswegs vergleichbar mit denen im Westen. Die Leistungskraft des eingesetzten Kapitals unterschied sich doch deutlich. Wer nun ausschließlich auf eine reine Lohnanpassungsstrategie setzt, verkennt, dass ein zu stark ansteigender Lohn im Verhältnis zur Leistungskraft des eingesetzten Kapitals, die Wettbewerbsfähigkeit der Betriebe gefährdet, die sich gerade von Plan- auf Marktwirtschaft umzustellen hatten.
Diesen Zusammenhang hatte in der Vergangenheit – mit Ausnahme westdeutscher Arbeitgeber, die die Situation für sich zu nutzen wussten und Konkurrenz aus dem Osten ausschalten konnten – kaum einer begriffen und schon gar nicht die damalige Bundesregierung samt Opposition, die einzig und allein die Privatisierung und Verscherbelung ostdeutscher Vermögenswerte im Blick hatten. Der wirtschaftspolitische Sachverstand beschränkte sich bloß auf die Floskel von den blühenden Landschaften und einer populistisch betriebenen, schnellen Angleichung der Einkommen. Die reale Performance der ostdeutschen Wirtschaft wurde dabei kaum zur Kenntnis genommen, vor allem nicht die Unterlegenheit gegenüber Deutschland-West, das in der Folge zum bis heute andauernden Transferproblem führte. Das kann man auch ganz aktuell innerhalb Europas zwischen Nord und Süd und unter der Bedingung einer gemeinsamen Währung wiederfinden.
Die Frage nach der Lohnangleichung ist also gar nicht so einfach zu beantworten. Aber dafür war wahrscheinlich die Redezeit zu kurz.
Viel interessanter fand ich hingegen die Rede von Gesine Lötzsch vom Dienstag und ihre Bemerkung über das Informationsbedürfnis der im Bundestag vertretenen Parteien zur Causa HRE. Auch das ist in der Berichterstattung irgendwie untergegangen…
Am Wochenende wurde bekannt, dass die Hypo Real Estate zusätzliche Bürgschaften in Höhe von 40 Milliarden Euro braucht. Wir als LINKE können diese Geheimhaltungspolitik überhaupt nicht akzeptieren. Der Bundestag ist nicht informiert worden. Ich war schon sehr erstaunt, als ich am Wochenende die Stellungnahmen der Vertreter der anderen Parteien hörte, die sich darüber erregten, sie wären nicht informiert worden, denn der Vertreter unserer Fraktion, Roland Claus, hat in der Sommerpause immer wieder Sitzungen des Gremiums eingefordert am 26. Juli, am 16. und 30. August. Die Sitzungen wurden stets mit der Begründung abgelehnt, dass die erforderliche Mehrheit von drei Mitgliedern, die eine Sitzung wünschen, nicht erreicht worden sei. Also ich sage nochmal: Der Skandal ist, dass die Abgeordneten aller anderen Fraktionen, einschließlich SPD und Grüne, offensichtlich gar nicht informiert werden wollten.
Ich habe heute keine Nachrichten gehört oder gelesen und schon gar nicht die Generaldebatte im Deutschen Bundestag verfolgt. Der gestrige Auftakt zur Sitzungswoche hat mir gereicht. Ich habe heute nach der Arbeit Rasen gemäht, weil endlich einmal wieder die Sonne schien. Da lasse ich mir die lange aufgeschobene Gartenarbeit doch nicht von einer langweilig daherschwafelnden Bundeskanzlerin verderben. Sie soll ja in ihrer Verzweiflung allen ernstes das bereits heute schon zum Milliardengrab mutierte und von den Bürgern heftig zurückgewiesene Bahnprojekt Stuttgart 21 als Beispiel für die Zukunftsfähigkeit der Regierung angeführt haben. Da beschleicht nicht nur Volker Pispers das Gefühl, dass in diesem Land nach dem Motto regiert würde, jetzt sei eh alles egal…
Im letzten Jahr saß Frau Merkel bei Anne Will und beschrieb sich und ihre Amtsführung mit folgendem Satz:
„Ich bin mal liberal, mal christlich-sozial, mal konservativ.“
Man könnte das für ein schönes Beispiel Merkelscher Beliebigkeit halten, und ich habe das anfangs auch gedacht, in Wirklichkeit aber folgt ihre Politik nur einem ganz konkreten Muster. Und zwar den Lobbyismus zum Staatsprinzip zu erklären. Quasi unter Ausschaltung des deutschen Bundestages dürfen Banken und Finanzwirtschaft darüber bestimmen, was sie zu zahlen haben und was sie vom Staat bekommen. Ferner dürfen Pharmaunternehmen und private Krankenkassen bestimmen, was sie zu bezahlen haben und was sie vom Staat bekommen. Und nun ist auch klar, dass die Atomwirtschaft bestimmt, was sie zu bezahlen hat und was sie vom Staat bekommt.
Geheimabkommen machen es möglich. Das ist nicht neu. Wahrscheinlich erinnert sich noch jemand an den tollen Deal der SPD-Gesundheitministerin for ever Ulla Schmidt mit den Apothekern. Dafür, dass nämlich die Menschen dank Praxisgebühr und Medikamentenzuzahlung weniger Pillen konsumierten und damit für Einsparungen bei den Arzneimittelkosten sorgten, mussten die Apotheker natürlich aus den nunmehr entstandenen Einsparungen/Gewinnen entschädigt werden, weil die ja auf dem ganzen Pillendreck sitzen geblieben waren. Dieser Vertrag mit der rot-grünen Bundesregierung trug auch die Unterschriften von Union und FDP und regelte die Existenzsicherung der Apotheken auf deren Umsatzbasis aus dem Jahre 2002. Toll oder? Da hätte man die Pillen auch gleich weiterfressen können, meinte Georg Schramm in seinem damaligen Kabarettprogramm Thomas Bernhard hätte geschossen und fügt sehr scharf hinzu, dass das selbe Argument für Hartz IV-Empfänger freilich und bewusst nicht gegolten habe, weil die Existenzsicherung des Einzelnen in Zeiten der Globalisierung angeblich nicht mehr möglich sei.
Das wiederum gilt auch heute in Zeiten der scheinbaren Merkelschen Beliebigkeit. Wenn es um Kürzungen im Sozialetat geht, wird die Debatte sehr offen im Parlament und in der Bild-Zeitung geführt. Da gibt es keine geheimen Deals und Absprachen. Der Pöbel soll sich schließlich aufregen und seine Wut gegen jene richten, die noch weniger haben, als man selbst. Klassenkampf im Armenhaus lautet da das Motto. Mit dummen Argumenten und absurden Zusammenhängen wird demenstprechend die aktuelle Haushaltsdebatte geführt. Allein schon der Auftritt – es müsste viel eher das Aufrollen heißen – von Dr. Wolfgang Schubladen-Schäuble ist albern durch und durch. Gerade mal einen oder zwei Tage nach der erneuten 40-Mrd. Garantie an die HRE schwafelt der Finanzminister von der dringenden Notwendigkeit der Haushaltskonsolidierung.
Es gäbe halt keine Alternative, um die HRE langfristig zu sanieren. Das ist schon klar, wenn man sich vor Augen hält, dass die HRE bis dato jedesmal mit der Pleite drohte, um weitere Garantien vom Staat zu erpressen. Wer garantiert denn, dass die Banker in Staatsdiensten nicht noch einmal 40 Mrd. oder vielleicht ein bissel mehr fordern? Wonach richten sich überhaupt die Zusagen für weitere Staatsgarantien, die immer sehr zügig am Parlament vorbei gewährt werden? Dazu schweigt Schäuble bzw. heuchelt Verständnis für die vielleicht etwas verstörte Bevölkerung. Aber der Mann für Finanzen hat ja den Sozialbereich, der sich prima zum Vorführen öffentlicher Kürzungsorgien eignet. Da ist jeder mit dabei, kann mitreden und glaubt wahrscheinlich auch, gar nicht zu jenen zu gehören, die am Ende beim Tritt in die Wichteile betroffen sein werden.
Besonders widerwärtig war dann auch Schäubles Behauptung, mit dem Sparpaket der Bundesregierung würde sich die Politik vertärkt darauf konzentrieren, dass die Menschen wieder Arbeit aufnähmen. Konkret steht in dem Kürzungsprogramm aber drin, dass gerade die Eingliederungshilfen der Arbeitsagentur, die, wie der Name es schon sagt, für die Eingliederung Arbeitsloser/-suchender in den Arbeitsmarkt als Versicherungsleistung bisher vorgesehen waren, einfach ersatzlos gestrichen werden sollen. Was ist das nun?
Liberal? Christlich-Sozial? oder konservativ?
Oder einfach nur dummes Geschwätz? Es muss wohl an den Genen liegen, dass so viel Unsinn vor einer breiten Öffentlichkeit vorgetragen wird. Herr Sarrazin hat sich übrigens ebenfalls mit einem Deal von seinem Bundesbanker-Posten verabschiedet. Die aktive Rolle der Bundesregierung, wird dabei natürlich wieder dreist geleugnet. Rund 1000 Euro mehr Rente und der Rückzug war perfekt. Da fragt man sich, wie viele Dosen Ravioli und warme Pullover sich ein Herr Sarrazin eigentlich zulegen möchte, um über die Runden zu kommen. Das wird den Stammtisch aber wieder nicht interessieren. Was sind schon 1000 Euro mehr für einen Banker. Peanuts! Aber ein auf Steuerzahlerkosten finanzierter Rollkragenpullover für einen Hartz IV-Empfänger, das geht nicht. Auf diesem Niveau in etwa bewegen sich die Denk- und Hasshorizonte der von Sarrazin und auch Schäuble verseuchten Massenhirne.
Der Bundesumweltminister Röttgen muss wohl zum Optiker, scheint er doch seine eigenen Gesetzesvorlagen nicht zu kennen. Dabei müsste man nicht einmal gut sehen können, um zu begreifen, dass ein Staatsekretär (Gerald Hennenhöfer), der vor seiner öffentlichen Berufung als Atomlobbyist unterwegs war, wohl kaum einen Nouvellierungsvorschlag zu Stande bringt, der seinen aktuellen ehemaligen Brötchengeber schadet. Dringende Maßnahmen zur Sicherung der älteren Atommeiler werden laut einer Bund-Länder-Liste auf die lange Bank geschoben bzw. mit einer Erledigungsfrist über den jetzt ausgehandelten Abschalttermin hinaus belegt.
Ich habe keine Ahnung. Vielleicht bedeutet „Basel III“ mehr Geld für die Pleite-im Quadrat-Bank HRE? Wie heute zu hören ist, muss der Steuerzahler noch einmal 40 Milliarden Euro an Garantien zur Verfügung stellen. Bürgschaften in Höhe von 102 Mrd. Euro sind schon hinterlegt worden und acht Milliarden Euro Cash bei der umstrittenen Verstaatlichung bereits an die Altaktionäre geflossen. Man könnte so etwas auch ein Fass ohne Boden nennen. Aber diese bösen Zuschreibungen werden heute lieber für Langzeitarbeitslose und Zuwanderer verwendet, die dem Steuerzahler angeblich noch viel mehr auf der Tasche liegen würden.
Mit „Basel III“, also nicht „Hartz IV“, wird nun den Banken vorgeschrieben oder empfohlen, ich weiß es nicht so genau, bestimmte Eigenkapitalregeln einzuhalten. Für die deutschen Institute heißt das ganz konkret Geld beschaffen. Denn die sind chronisch unterkapitalisiert. Das sagt zumindest der EZB-Vorstand Jürgen Stark, der nebenberuflich kein Experte in Rassefragen ist. Laut seiner Aussage müssten die zehn größten deutschen Banken etwa 105 Mrd. Euro zusätzliches Kapital aufnehmen, um den strengeren Eigenkapitalvorschriften zu genügen. Die deutsche Bank hat schon reagiert und nimmt eine Kapitalerhöhung um rund 10 Mrd. Euro vor. Bei einem Börsenwert von 30 Mrd. Euro ist das schon eine ordentliche Hausnummer. Da fragt man sich einmal mehr, was mit dem Stresstest vor einiger Zeit eigentlich getestet werden sollte.
Aber egal, so schlimm wird es schon nicht werden für die Institute. Anders als bei „Hartz IV“ gilt für „Basel III“ eine scheinbar variable Übergangsfrist zwischen fünf und zehn Jahren. So genau wollte man sich da nicht festlegen. Man will ja niemanden überfordern oder gar zum „Hartz IV“ Fall machen müssen. Ich habe gehört, dass schon Wetten laufen, ob die nächste Finanzkrise vor oder nach Ablauf der Frist zur Erhöhung der Eigenkapitalquote stattfinden wird. Banker und Politiker scheinen sich ja sehr sicher zu sein, dass bis 2020 erstmal Ruhe ist. Deren Glaskugel scheint diesbezüglich prächtig zu funktionieren.
Man könnte sich nämlich einmal die Frage stellen, was eigentlich passieren muss, wenn Josef Ackermann trotz Verdreifachung des Eigenkapitals weiterhin 25 Prozent Eigenkapitalrendite pro Jahr erzielen will. Wird er vielleicht das Risiko erhöhen? Wer will ihn denn daran hindern?