Eine Begründung bleibt die Universität im Prinzip aber schuldig bzw. verweist darauf, dass die Arbeit inhaltlich noch ausgiebig geprüft werden müsse. Wenn ich es richtig verstanden habe, erfolgt die Aberkennung, weil die verwendete Literatur nicht vollständig angegeben wurde.
Hm. Damit kann sich zu Guttenberg auch in seiner irrigen Auffassung, dass er nämlich nur Fehler bei der Erstellung seiner Doktorarbeit gemacht habe, bestätigt fühlen. Alles andere bleibt aus Sicht der Universität erst einmal offen. D.h auch, dass zu Guttenberg weiter herumeiern und lügen darf, um seinen Job zu retten, der seit Beginn der Affäre immer wieder als positives Gegenargument in Stellung gebracht wurde.
Er sei ja nicht als wissenschaftlicher Mitarbeiter eingestellt worden, sondern weil er so gut Ministern könne. Ich schließe daraus, dass in Spitzenpositionen ein Qualifizierungsnachweis in Form eines Abschlusses nicht mehr vonnöten ist. Alles in diesem Zusammenhang stehende, könne man demnach also getrost ignorieren.
Falls es noch ehemalige Stasi-Mitarbeiter im öffentlichen Dienst geben sollte, die stündlich mit einer Enttarnung und damit auch mit ihrer automatischen Entlassung rechnen müssen, sei die Argumentation der Kanzlerin wärmstens ans Herz gelegt. Die Frage nach der politischen Hygiene stellt sich für die konservativen Geschäftemacher eben immer nur dann, wenn es gerade passt und günstig ist. Wie begründete Wolfgang Bosbach doch gleich:
Es muss vor allem geklärt werden, ob die Angaben der Bewerber bei der Übernahme in den öffentlichen Dienst wahrheitsgemäß und vollständig gewesen sind. Denn damals war nur ein geringer Teil der Stasi-Akten ausgewertet.
Jetzt könnten die Betroffenen einfach das Guttenberg-Muster anwenden und behaupten, dass sie nicht vorsätzlich ihre Mitmenschen in der DDR bespitzelt hätten und von daher auch nicht für etwas verurteilt werden könnten, was sie nach bestem Wissen und Gewissen erledigt haben. Fehler passieren halt und seien menschlich. Schließlich seien sie auch nicht als Spitzel eingestellt worden, sondern als Mitarbeiter im öffentlichen Dienst. Es gibt doch auch Wichtigeres oder nicht?
Das Guttenberg-Virus hat fatale Folgen. Es verfälscht die Wahrnehmung, lähmt analytische Fähigkeiten, lässt die Grenzen zwischen richtig und falsch verschwimmen, zwischen Schein und Sein, zwischen Dichtung und Wahrheit. Das Virus hat nicht nur den Verteidigungsminister infiziert, sondern wurde von der Kanzlerin auch der Union verordnet, als Anti-Körper zur Immunisierung gegen schmerzhafte Wahrheiten.
Die Kanzlerin wird Guttenberg nicht entlassen, und freiwillig gehen wird er auch nicht.
Nun, Urban Priol meinte gestern in der Anstalt, dass Leute wie zu Guttenberg, wenn sie denn früher bei einer Straftat ertappt wurden, einfach die Schublade ihres Schreibtischs aufgemacht und die eigenen Bediensteten darum gebeten hätten, den Raum zu verlassen. Gut, das ist eine Möglichkeit. Priol meinte an anderer Stelle auch einmal, dass es in diesem Land so viele Laternen gebe. Aber das möge bitte jeder für sich entscheiden…
Nach der aktuellen Fragestunde ging es im Bundestag noch weiter. Nachdem zu Guttenberg in einer seiner Antworten den Spieß umzudrehen versuchte und andeutete, dass die Beschuldigungen auch den Tatbestand der üblen Nachrede erfüllen könnten, wollte die Opposition es noch einmal wissen.
Zunächst einmal ist die üble Nachrede, und das sollte der Jurist zu Guttenberg eigentlich wissen, kein Vergehen, wenn die im Raum stehenden Behauptungen begründet und belegt werden können. Im Fall zu Guttenberg wird nach Kenntnis der Faktenlage jeder Richter zu dem Ergebnis kommen, dass es sich bei den Anschuldigungen, die gegen den Verteidigungsminister vorgebracht werden, um keine üble Nachrede handelt. Er ist ein Täuscher und ein Lügner! Da ist nichts Übles dran, sondern viel Richtiges. Schauen sie dazu auch einmal beim geschätzten Kollegen Hartmut Finkeldey vorbei.
Doch nun zur aufgeheizten Debatte. Auf Stern.de lese ich amüsiert einen Ereignisbericht. Darin redet sich die Union um Kopf und Kragen.
+++16:36 Uhr: „Sex mit Minderjährigen“+++
CDU-Mann Andreas Schockenhoff ist in Rage, weil SPD-Chef Sigmar Gabriel Guttenberg mit Italiens Premier Silvio Berlusconi verglichen hatte, mit diesem „alten Mann, der Sex mit Minderjährigen hatte.“ „Sex mit Minderjährigen“ ruft Schockenhoff mehrmals. Nach der Eröffnung dieses Nebenkriegsschauplatzes geht es jetzt richtig hoch her im hohen Hause. Es wird eifrig gefeixt und gejohlt. Ob der Kanzlerin die Verunglimpfung des Partners Italien gefallen hat?
Das ist echt zum Totlachen, aber mit Sicherheit keine Belastung für die deutsch-italienischen Beziehungen. Ich könnte mir vorstellen, dass die Union dem italienischen Ministerpräsidenten bei Bedarf sogar einen Platz in einem deutschen Sanatorium anbieten würde, falls ein Urteil vor Gericht das Ende seiner Regentschaft in Italien besiegelte.
In meinem letzten Beitrag schrieb ich am Ende: Sogar den Anhängern des Ölprinzen zu Guttenberg müsste auffallen, dass hier etwas nicht stimmt. Nur von denen zieht keiner mehr die Notbremse. Daran möchte ich anknüpfen und Urban Priols Schlusssatz von gestern anfügen: „Es ist ‚Schuh-spät'“.
Die Tage des Zorns mögen in der arabischen Welt ausgebrochen sein, aber hierzulande regt sich keine Maus, nicht einmal die Frauen, für deren Quote in Dax-Vorständen aufopferungsvoll gestritten werde, für die gleiche Bezahlung bei gleicher Arbeit hingegen nicht.
In Deutschland würden die Menschen wahrscheinlich erst dann zornig auf die Straße gehen und die Schuhläden plündern, wenn ihnen jemand ihren Karl-Theodor zu Guttenberg wegnehmen oder er selber zurücktreten würde. Die Masse liebt eben ihren Lügen-Karl, summa cum laude sozusagen. Deshalb wollte Pelzig das auch probieren und kupferte kurzerhand den zuvor von Priol gehaltenen Redebeitrag ab. Dafür setzte ihm Dr. Priol, der freilich nicht mehr so genannt werden will, einen Doktorhut auf.
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Kurzer Einschub, weil überall im Fernsehen das Programm auch unterbrochen wurde:
Ich habe auch der Fragestunde im Bundestag gelauscht und mich doch arg über die parlamentarischen Frager und Fragerinnen gewundert. Was gibt es eigentlich zu fragen, die Täuschungsabsicht des Ministers ist doch erwiesen? Nein, zu Guttenberg durfte immer wieder betonen, nur unabsichtliche Fehler gemacht und seine Konsequenzen daraus gezogen zu haben. Sie werden das bestimmt noch ein paar Mal in den Hauptnachrichten unter der Schlagzeile „Guttenberg steht Rede und Antwort“ hören.
Dass er aber erstens eine Konsequenz gezogen hat, die er gar nicht selber ziehen kann, weil das nur die Universität, die er beschissen hat, tun darf und zweitens eine Erklärung unterschrieben hat, die man auch nicht mit dem Eingeständnis, lediglich unbewusst eine Verletzung der Zitierregeln begangen zu haben, aushebeln kann, verschwand im Schatten des einstudierten Auftritts.
Die einzig mögliche Konsequenz, zurückzutreten, mochte er freilich nicht ziehen, weil er weiterhin ein Vorbild sein möchte (Gelächter im Saal). Ein Vorbild, das sich eben gerade dadurch auszeichne, Fehler einzugestehen.
Das hätte ich dann aber doch etwas genauer gewusst. Bisher hat zu Guttenberg nur das zugegeben, was ohnehin schon bekannt war. Bisher seien ihm zum Beispiel nur die bereits entdeckten Ausarbeitungen des wissenschaftlichen Dienstes bei seiner eigenen Nachprüfung aufgefallen, auch aufgefallen, müsste es richtig heißen. Ob noch mehr Fremdwerke aus dieser Quelle in seiner Dissertation enthalten seien, könne er zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht sagen. Ich schätze, dass muss die Internetgemeinde für ihn erst noch herausfinden.
Keiner hat die Frage gestellt, was denn eigentlich gewesen wäre, wenn die Arbeit nicht zufällig redigiert worden und im Internet Stück für Stück auseinandergenommen wäre. Die Antwort darauf hätte ich zu gerne gehört. Na ja, nix halt, wo kein Ankläger auch kein Plagiat. Wahrscheinlich hätte er aber gesagt, dass er nicht zu etwas Stellung nehmen könne, das gar nicht eingetreten sei. Und dann hätte man sehr schön fragen können, ob er das immer so handhabt, also erst etwas sagen, wenn die Beweislast erdrückend ist.
An diesem Vorgang kann man sehr eindrucksvoll sehen, wie die demokratischen Sanktionsmechanismen ausgehebelt und beiseite gelabert werden. Am Ende kommt zu Guttenberg damit durch, weil, wie er es so schön sagte, die Menschen sich selber ein Urteil bilden. Und das Ergebnis ist eben aus seiner Position heraus und mit den Mitteln, die ihm zur Verfügung stehen, plan- und vor allem beeinflussbar.
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Aber zurück zur Anstalt. Priol war ja noch nicht fertig mit den Programmheuchlern und Heuchlerinnen, die nicht nur einem Blender wie zu Guttenberg auf den Leim gehen, sondern auch einem Ex-Diktator wie Mubarak. Erst jubeln sie dem jahrelang zu, um dann, als er plötzlich verschwunden war, von einem großen Tag für die Demokratie zu schwadronieren. Was sagt Merkel eigentlich wenn zu Guttenberg doch noch zurücktritt? Ein großer Tag für die Wissenschaft?
Angela Merkel und Hillary Clinton, von der Bunten mit dem Titel „Zwillingspaar der Macht“ versehen, machten mit Blick auf Ägypten wahrlich keine gute Figur. Die eine, nämlich unsere Ommma äh Tante, mahnte die Ägypter kurz vor dem Sturz des Machthabers zur Zurückhaltung und die andere blieb gänzlich stumm. Zwei feige Trullas nannte Priol diese Damen dann auch zurecht.
Mit Blick auf zu Guttenberg fügte Pelzig noch an, wer in Deutschland etwas werden will und vor allem bleiben möchte, der sollte immer daran denken, Friede sei mit dir. Wenn man die beiden mächtigsten Frauen in diesem Land, Friede Springer und Liz Mohn betrachte, stimme das Sprichwort, hinter jedem Mann stehe eine starke Frau, nicht mehr. Vielmehr müsste es heißen: Hinter jeder erfolgreichen Frau liege häufig auch ein toter Mann.
Bei zu Guttenberg müsste es heißen, hinter einem schummelnden, angebenden und geltungssüchtigen Adelssproß liegt meistens noch ein Vorfahre, der auch was sagen durfte und posthum einen Witz auf Kosten seiner lebenden Nachfahren machen kann. Und tatsächlich, Karl-Theodors Großvater, Karl-Theodor, hatte ein Buch geschrieben, mit dem Titel „Fußnoten“. Na wenn das keine lustige Pointe ist.
Einen Satz aus dem Buch habe sich der Enkel wohl zu seinem Lebensmotto erklärt, wie Priol und Pelzig fanden:
„Sie (gemeint ist Adenauer, Anm. von Pelzig) sind so glaubwürdig, dass die Leute Ihnen manchmal sogar gestatten, zu lügen.“
Was war noch? Ach ja, wir haben immer noch Aufschwung. Ein Aufschwung auf „Pump(s)“ sozusagen. Im Zuge der Diskussion um die Frauenquote hat Hausmeister Malmsheimer als Frau verkleidet versucht, das Thema kurz zu gendern…
Falls sie nicht vom Aufschwung überzeugt sind oder vielleicht kein Geld haben, um ihre von der Gesellschaft für Konsumforschung im Auftrag der Bundesregierung gemessene Kauflaune richtig ausleben zu können, dann sollten sie einfach mal schlampig einkaufen gehen. Denn wenn „schlampiges Zitieren“, also das Stehlen von fremdem geistigen Eigentum, laut Bild-Zeitung keine große Sache sei, dann Ladendiebstahl doch wohl auch nicht oder?
Aber der Aufschwung ist natürlich partiell schon zu beobachten. Nur der einzige Erfolg, den die Bundesregierung beim Angeben nicht angebe, so Pelzig, ist das ungebrochen gute Geschäft der deutschen Rüstungsindustrie. Deutschland sei da immer noch auf Platz 3 in der Welt, hinter den USA und Russland. Trotz Krise habe sich der Umsatz im letzten Jahr durch den Verkauf von Waffen und Munition verdoppelt. Das scheint der Bundesregierung ein wenig peinlich zu sein, wie Pelzig spitzfindig anmerkte. Wenigstens versteht man nun, was die Koalition unter einem „verantwortungsbewussten“ statt „restriktiven“ Umgang mit Waffenexporten gemeint hat.
Es bleibt bei der verantwortungsbewussten Genehmigungspolitik für die Ausfuhr von Rüstungsgütern.
Die Tage des Zorns seien deshalb so unerträglich, weil sie von einer penetranten Scheinheiligkeit begleitet werden. Dazu Priol im original…
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Die Sendung finden sie wie immer in der ZDF-Mediathek:
http://www.zdf.de/ZDFmediathek/hauptnavigation/startseite/#/beitrag/video/1265990/Neues-aus-der-Anstalt-vom-22022011
Gestern hatte ich über die Meldung des statistischen Bundesamts berichtet, wonach die öffentliche Verschuldung im letzten Jahr um 18 Prozent auf rund 2 Billionen Euro zugenommen habe. Dabei schlage vor allem die Bankenrettung zu buche. Von den 304,4 Mrd. Euro entfallen allein 232,2 Milliarden Euro, also über 76 Prozent der Neuverschuldung, auf Maßnahmen zur Stabilisierung maroder Finanzinstitute.
Das ist natürlich ein Pfund, weil über diese unglaublichen Summen, die die Staatsverschuldung nach oben getrieben haben, bei weitem nicht so lange gestritten und verhandelt wurde, wie über die läppische Hartz-IV-Erhöhung im Umfang von ein paar Hundert Millionen Euro pro Jahr.
Aber das ist jetzt gar nicht so interessant, vielmehr stellt sich doch die Frage, wie die Rekordneuverschuldung mit dem Anpreisen der deutschen Schuldenbremse in Europa in Einklang zu bringen ist. Die soll doch nach dem Willen Merkels und des abgebrochenen Franzosen-Duce Sarkozy überall in der EU per Zwang eingeführt werden, nach dem Motto, am deutschen Wesen sollen auch die anderen genesen. Oder untergehen, denn wie will Frau Bundeskanzlerin die Schuldenbremse den europäischen Partnern schmackhaft machen? Was kann sie denn anbieten, auf was verweisen?
Okay die Schuldenbremse greift ja erst in diesem Jahr, dennoch ist überhaupt nicht klar, wie das funktionieren soll. Ein Abbau der Neuverschuldung ist nicht in Sicht, weil keiner genau sagen kann, wie viel Geld noch bereit gestellt werden muss, um Banken und inzwischen ja auch ganze Staaten vor dem Untergang zu retten. Kürzlich ist bekannt geworden, dass die Bundesbank klammheimlich Milliardenhilfen an Mitglieder der Eurozone gewährt hat. Sollten diese Forderungen aber nicht mehr bedient werden können, hafte natürlich der deutsche Steuerzahler.
Allein die Forderungen an nationale Notenbanken in Euro-Ländern belaufen sich auf 326 Milliarden Euro. 2006, also vor Ausbruch der Finanz- und folgender Euro-Schuldenkrise, lagen die Forderungen insgesamt bei nur 18 Milliarden Euro.
Dieser ungebremste Anstieg der Schulden des Euro-Raums gegenüber der Bundesbank macht Fachleute fassungslos, sagt ifo-Präsident Hans-Werner Sinn. Wenn Länder, deren Banken die Kredite gegeben wurden, zahlungsunfähig werden, haftet Deutschland. Diese Haftung wurde aber weder demokratisch legitimiert etwa durch den Bundestag noch von der Bundesregierung beschlossen.
Da hat der Professor (Un)Sinn einmal recht. Für die unterstellte Funktion der Schuldenbremse bedeutet das aber ein ziemlich hohes Ausfallrisiko. Denn in Artikel 115 GG, in dem die Schuldenbremse festgeschrieben wurde, fällt die Rettung von Banken und Staaten unter den Passus „außergewöhnliche Notsituationen“, „die sich der Kontrolle des Staates entziehen und die staatliche Finanzlage erheblich beeinträchtigen“.
D.h., sollte die Bundesbank auf den dreistelligen Mrd. Forderungen sitzen bleiben, weil zum Beispiel die Schuldnerstaaten nach deutschem Vorbild sparen müssen, dann fällt dieses finanzielle Desaster in die gleiche Kategorie wie eine Naturkatastrophe und die Schuldenbremse somit spiegelbildlich ins Wasser.
Bleiben also nur die regulären Ausgaben im Staatshaushalt und da betrifft es vornehmlich jene Posten, die im Sozial-, Bildungs- oder Kulturetat angesiedelt sind. Eine sparsame Haushaltsführung definiert sich also immer über die Kürzungsbereitschaft in Bereichen, von denen Millionen Staatsbürger unmittelbar betroffen sind, sofern diese keine Großaktionäre oder Großgläubiger von Banken, AKW oder Hotelbesitzer sind, die auf der anderen Seite auch weiterhin großzügig beschenkt werden.
Unterm Strich soll von dieser Form der Schuldenbremse und einer Reihe weiterer Maßnahmen, wie die Erhöhung des Renteneintrittalters auf einheitlich 67 Jahre oder dem Kürzen von Löhnen ein Wachstumsschub ausgehen, von dem dann alle innerhalb der EU profitieren. Deutschland macht es gegenwärtig schließlich vor, so Merkel verheißungsvoll. Aber genau in der Frage, woher das Wachstum eigentlich kommen soll wenn alle gleichermaßen sparen und nur die Bedienung von Schulden erlaubt und erwartet wird, stellen sich Merkel und Sarkozy, also die neue Wirtschaftsregierung, einfach dumm.
Diesen Unsinn müssen sie eben glauben. Damit es für sie einfacher wird, darf beispielsweise der oben zitierte Professor Unsinn seinen ifo-Geschäftsklimaindex weiter präsentieren und der Öffentlichkeit irgend welche bedeutungslosen Rekorde vermelden sowie die Gesellschaft für Konsumforschung im Auftrag der Bundesregierung, die nun wirklich schon abgehangene und bereits übel stinkende Botschaft verbreiten, die Deutschen befänden sich in irgend einer Art von Kauflaune.
Sogar den Anhängern des Ölprinzen zu Guttenberg müsste auffallen, dass hier etwas nicht stimmt. Nur von denen zieht keiner mehr die Notbremse.
Über welche Frage diskutiert Deutschland derzeit am meisten? Natürlich darüber, ob die Beliebtheit des Verteidigungsministers Karl-Theodor zu Guttenberg durch die Plagiatsvorwürfe Schaden genommen hätte. Zu Guttenberg selbst kokettiert mit seiner Beliebtheit und im Verbund mit der Bild-Zeitung unternimmt er alles, sich als Opfer einer Kampagne zu positionieren. Zu diesem Zweck ändert er mal wieder seine Meinung. Zuerst waren die Vorwürfe gegen ihn „abstrus“, jetzt, nach dem eigenhändigen Durchblättern seiner Doktorarbeit am Wochenende sei diese plötzlich geschriebener „Blödsinn“ mit gravierenden Fehlern. Auf einer Wahlkampfveranstaltung im hessischen Kelkheim hielt er die Öffentlichkeit, nicht die Anwesenden, erneut zum Narren, als er verkündete, dauerhaft auf den akademischen Grad verzichten zu wollen.
Um seine für den Boulevard so kostbare Haut zu retten, instrumentalisiert zu Guttenberg nun auch die in Afghanistan getöteten Bundeswehrsoldaten. Er kritisierte die Medien für deren Berichterstattung. Statt über die gefallenen Soldaten zu schreiben, hätten diese das Thema wegen falscher Fußnoten in seiner Doktorarbeit nahezu vollständig ausgeblendet. Es gebe eben Wichtigeres als seine Doktorarbeit, meinte der Minister bagatellisierend. Richtig, zum Beispiel für den Führer zu Guttenberg im sinnlosesten aller Kriege sein Leben zu verlieren.
Dabei war es doch zu Guttenberg selber, der sich kurzerhand nach Afghanistan absetzte, als die Vorwürfe gegen ihn publik wurden und eine Stellungnahme des Ministers angebracht gewesen wäre. Die Schießerei, bei der letztlich drei Bundeswehrsoldaten getötet wurden, ereignete sich unmittelbar nach der Abreise zu Guttenbergs und auf dem Stützpunkt, den der Minister besucht hatte.
Man könnte auch sagen, immer wenn der deutsche Verteidigungsminister zu eigenen PR-Zwecken, für Fotos etwa, ins Kriegsgebiet reist, steigt das Risiko, dass Soldaten ihr Leben verlieren oder verletzt werden.
Zu Guttenberg ist etwas mehr als ein Jahr Verteidigungsminister und schon neun Mal nach Afghanistan gereist. Im April 2010 starben vier Soldaten bei einem Raketenangriff im Raum Baghlan etwa 100 Kilometer südlich von Kunduz. Einige Tage zuvor hatte zu Guttenberg die deutschen Truppen in Afghanistan besucht. Während seiner Amtszeit als Verteidigungsminster stieg die Rate im Kampf getöteter deutscher Soldaten sowie im Kampf verwundeter Kammeraden deutlich an. In den Jahren 2002 bis 2008 starben insgesamt 19 Soldaten bei Kampfhandlungen. Seit 2009 sind es bereits 15. Zwischen 2002 und 2008 wurden insgesamt 103 Soldaten im Kampf verwundet, seit 2009 sind es auch schon 103. (Siehe Wikipedia: Zwischenfälle der Bundeswehr in Afghanistan)
Ich frage hier ganz bewusst und zornig:
Welchen Erfolg hat dieser aufgeblasene Minister Hochstapler denn nun vorzuweisen?
Für sein Image verkauft zu Guttenberg eben nicht nur seine Frau und seine Kinder, sondern auch die Soldaten, die bis heute gar nicht wissen können, für wen oder was sie in Afghanistan Krieg spielen müssen. Und alles nur, weil der Sprachwahrer so toll reden kann, charismatisch ist und so ansehnlich aus der Masse der farblosen Politiker herausragt.
Das gefällt der Masse, deshalb schreibt die Bild den „Plagiator“ auch nicht mehr nach unten, sondern in die andere Richtung wieder nach oben. Kurzerhand wird die latente Theoriefeindlichkeit der Deutschen benutzt, um den Volkszorn ein weiteres Mal gegen etwas zu mobilisieren. Ja gegen was eigentlich? Gegen die Wegnahme eines Messias, einer Lichtgestalt, eines Gottes, eines Führers, auf den man so lange gewartet hat?
Doch wer ist zu Guttenberg? Mit wem hat man es zu tun? Ich fand eine schöne Stelle in einem Artikel auf stern.de:
Als Wirtschaftsminister hat er bei der Debatte um die Opel-Subventionen seinen Rücktritt angeboten und danach einfach weitergemacht. Den Luftangriff von Kundus nannte er erst angemessen, dann unangemessen. Den Kapitän der Gorch Fock nahm er in Schutz, dann feuerte er ihn. Die Wehrpflicht erklärte er für heilig, dann schaffte er sie ab. Sparen wollte er bei der Bundeswehr, jetzt heißt es, das sei unmöglich. Forsch voran, und forsch zurück. Hin und her. Doktor gehabt, Doktor weg.
Zu Guttenberg ist nur eins. Vor allem ein gutes Geschäft. Sogar wenn Menschen dafür sterben müssen und das Stehlen geistigen Eigentums zum Kavaliersdelikt verkommt.
Via NachDenkSeiten erfahre ich, dass die vom deutschen Steuerzahler gleich sechsmal gekaufte Commerzbank wieder Boni zahlen will, obwohl sie ihrer Verpflichtung, Zinsen auf die Einlagen der Steuerzahler zu zahlen, nicht nachkommen kann.
Die vom Bund gestützte Commerzbank will Mitarbeitern Boni für das Geschäftsjahr 2010 zahlen. Mit Blick auf «außergewöhnliche Leistungen» sei das Institut als Arbeitgeber verpflichtet, Mitarbeiter «leistungsbezogen und fair zu vergüten». […] Der Gesamtwert der Boni liege im unteren dreistelligen Millionenbereich, berichtet das Blatt unter Berufung auf Insider, die Summe sei nach Angaben aus Regierungskreisen mit der Bundesregierung abgesprochen. Ein Sprecher der Commerzbank sagte der dpa am Samstag: «Das neue Vergütungsmodell, das seit Anfang 2010 gilt, ist mit dem Soffin abgestimmt.» Der Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung (Soffin) in Frankfurt organisiert die staatliche Bankenhilfe.
Und es wundert mich wieder nicht. Ich zitiere erneut einen meiner zahlreichen Beiträge zu diesem Thema.
Bereits im letzten Jahr (2009, Anm. at) zahlte die Commerzbank, die über eine stille Einlage des Steuerzahlers in Höhe von 18,2 Milliarden Euro verfügen darf, keine Zinsen an den Staat zurück. Wen wundert das? Es müsste z.B. die Finanz- und Wirtschaftsredaktuerin der Neuen Presse Hannover, Claudia Brebach, wundern. Schrieb sie doch am 10.11.2008, also zu dem Zeitpunkt, als der Deal mit der Commerzbank über die Bühne ging:
„Der Fall Commerzbank hat Bankern aber wohl auch klar gemacht, dass es kaum weh tut, zum Staat zu gehen. Die Konditionen des Bundes bei der Not-Kreditvergabe sind moderat, er mischt sich nicht einmal ins Kerngeschäft ein, sondern begnügt sich mit einem guten, von den Banken bezahlbaren Zinsertrag. Eigentlich müsste es geradezu einen Run auf Staatskredite geben.“
In der Auseinandersetzung mit der Neuen Presse Hannover hatte ich besonders diese Stelle immer wieder hier im Blog erwähnt (siehe hier, hier und hier) und darauf hingewiesen, dass Frau Brebach auch auf direkte Nachfragen von mir per Mail keine Einsicht zeigte und den Standpunkt vertrat, dass nichts darauf hindeuten würde, dass der Steuerzahler bei diesem Geschäft etwas finanzieren würde und nichts mehr zurückbekäme. Die ganze Sache würde in etwa so laufen, wie bei der Bankenkrise in Schweden in den 90er Jahren, bei der dem Staat durch Tilgungen und Zinsrückläufe „erhebliche“ Einnahmen zugeflossen waren.
Nun stelle ich ein weiteres Mal fest, dass diese Ansichten von Frau Brebach in Bezug auf die Commerzbank-Rettung reichlich naiv und kurzsichtig waren. Nach gegenwärtigem Stand fließt nichts zurück und der Staat als defacto Eigentümer der Bank – er hat sie ja immerhin gleich sechsmal gekauft – hält sich weiter aus der Geschäftspolitik heraus. Das müssen sie sich mal vorstellen. In der schwarz-gelben Chaos-Regierung empören sich die Wirtschaftsexperten der Fraktionen kabarettreif, weil die Commerzbank nichts zahlen will. Dabei müssten sie nur von ihrem Recht Gebrauch machen und in die Geschäftspolitik der Bank eingreifen.
Jedenfalls nehme ich für mich in Anspruch, einen besseren Job erledigt zu haben als Frau Brebach, die als ausgewiesene Expertin einer regionalen Zeitung ihre Leser mangelhaft informiert und bei der Formulierung ihrer persönlichen Meinung falsche Schlussfolgerungen gezogen hat.
Und ich stelle weiterhin fest, dass der Steuerzahler, der die stille Einlage von über 18 Mrd. geleistet hat, keinen Anspruch auf Zinsen oder Rückzahlung besitzt, den er irgendwie geltend machen könnte. Die von journalistischen Experten vorausgesagten erheblichen Einnahmen, die durch Tilgungen und Zinsrückläufe hätten entstehen sollen, existieren bis heute nicht, wohl aber ein auf Steuergeld abgesichertes neues Boni-Programm, weil sich Leistung schließlich lohnen müsse.
Ich kann nur hoffen, dass sich Frau Brebach als Wirtschaftsfachfrau der Neuen Presse Hannover vielleicht ein wenig für ihre Berichterstattung der Vergangenheit schämt, zumal sie es damals einfach auch besser hätte wissen können, wenn sie die Abläufe um die Mrd.-Rettung der IKB in ihre Überlegungen miteinbezogen hätte.
Bezeichnend für dieses ganze Desaster ist auch die aktuelle Meldung des statistischen Bundesamts zur Höhe der öffentlichen Verschuldung:
Öffentliche Schulden 2010 um 18% auf fast 2 Billionen Euro gestiegen
Die öffentlichen Haushalte waren nach ersten vorläufigen Ergebnissen des Statistischen Bundesamtes (Destatis) am 31. Dezember 2010 mit insgesamt 1 998,8 Milliarden Euro verschuldet.
Gegenüber dem 31. Dezember 2009 hat sich der Schuldenstand um 18,0% beziehungsweise 304,4 Milliarden Euro erhöht. Dies war der höchste absolute Zuwachs des Schuldenstandes in einem Jahr seit Bestehen der Statistik.
Wesentlich zum Anstieg beigetragen haben die im Jahr 2010 neu gegründeten (beziehungsweise in Geschäftsbetrieb gegangenen) Bad Banks. Die Übertragung von Risikopapieren der Hypo Real Estate in die FMS Wertmanagement sowie die Stützungsmaßnahmen der Ersten Abwicklungsanstalt für die WestLB erhöhten den Schuldenstand zum Jahresende um 232,2 Milliarden Euro.
Beim Bund erhöhten sich die Schulden am 31. Dezember 2010 gegenüber dem 31. Dezember 2009 um 21,9% (+ 230,3 Milliarden Euro) auf rund 1 284,1 Milliarden Euro. Hierin sind unter anderem die Schulden der FMS Wertmanagement (189,6 Milliarden Euro), des Sondervermögens Finanzmarktstabilisierungsfonds (28,6 Milliarden Euro) sowie des Investitions- und Tilgungsfonds (14,0 Milliarden Euro) enthalten, die zur Bewältigung der Finanzmarktkrise gegründet wurden.
Ein wirklich bombenmäßiges Geschäft für den Steuerzahler. Da versteht man auch, warum Frau Merkel den Steuerzahler, mit einer in ihren Augen unnötigen Erhöhung des Hartz-IV-Regelsatzes über die bereits beschlossenen Fünf Euro hinaus, nicht weiter belasten will.
Gestern habe ich zufällig bei Anne Will reingeschaltet und Herrn Jörges vom Stern gegen Ende der Sendung schimpfen hören. Er beklagte sich über die Guttenberg-Kritiker, die bisher keine Argumente gegen ihn gehabt hätten, dagegen aber glaubten, dass das gegelte Haar des Ministers als Beweis gegen die Person zu Guttenberg taugen würde. Jörges behauptete, dass die Guttenberg-Gegner ein Vorurteil pflegten und zwar wenn jemand gegeltes Haar hätte, sei er unglaubwürdig, ein Schleimer und so weiter.
Man muss wissen, dass Jörges von Anfang an vom „Baron der Herzen“ begeistert war. In seinem Internet Video-Blog vom 4. Juni 2009 können sie das nachhören und sehen. Ich habe mich darüber damals schon gewundert und mich gefragt, ob Jörges einen an der Waffel hat, sich vor eine Kamera zu setzen und mit kleinen Pappfigürchen von zu Guttenberg und Merkel herumzuspielen und dabei die Frage zu erörtern, ob zu Guttenberg Kanzler werden könne.
Wenn sie die Web-TV-Kolumne über zu Guttenberg genau verfolgen, werden sie festsstellen, dass es nur Herr Jörges ist, der mit den gegelten Haaren Scheinargumente konstruiert. So behauptete er zum Beispiel, dass den Wahlkampfstrategen der SPD ein gegelter adeliger Schopf mit feinen Manieren prima passen würde. Wortwörtlich sagte er dann über zu Guttenberg:
„Ein Mann mit Rückgrat. Das suchen die Leute. Aufrecht und authentisch. Und es zeigt sich eben, auch unter einem gegelten Haarschopf kann ein kluges Hirn und ein klarer Charakter stecken.“
Warum sagt er das? Weil er selber unter einem gegelten Haarschopf einen unglaubwürdigen Schleimer vermuten würde?
Anfang 2010 ist auch die ZDF Satire Sendung „heute-show“ auf Jörges seltsamen Online-Zwischenruf aufmerksam geworden und hatte das Mitglied der Stern-Chefredaktion wegen des Hypes um zu Guttenberg eingeladen. Hier der Ausschnitt.
Bei Hans-Ulrich Jörges wundere ich mich immer wieder über die Starrheit, mit der er zum Teil vollkommen idiotische Meinungen verteidigt, bis ihn – ganz plötzlich – die Erfahrung der Wirklichkeit als überraschende Offenbarung ereilt. Dann rudert er zurück und tut so, als hätte man die Missstände nicht schon vorher erkennen können. Das war zum Beispiel bei der Geschichte mit dem Skandal um die Berliner S-Bahn so. Auch darüber habe ich im Blog berichtet:
Rote Kelle für den Börsengang der Bahn, sagt stern-Redakteur Hans-Ulrich Jörges in seiner WebTV-Kolumne
Hans-Ulrich Jörges macht die Erfahrung einer Erfahrung und tut endlich mal das, was Journalisten eigentlich immer tun sollten. Reflektieren, sogar selbstkritisch. Seine aktuelle WebTV-Kolumne vom Berliner S-Bahnhof Hackescher Markt finden sie hier.
Darin fällt folgendes beachtliches Statement:
„Ich war bisher, muss ich gestehen, ein Anhänger des Börsengangs, weil ich geglaubt habe, nur dadurch kann die Bahn modern bleiben und sich Kapital verschaffen. Ich bin inzwischen dagegen, wegen dieser Berliner Erfahrung. Ich muss einsehen, die Gegner hatten immer recht. Hier wird gespart auf Kosten der Menschen.“
Hans-Ulrich Jörges ist ein toller Unterhalter, für Talkshows ideal, aber ein mieser Journalist, dem einfach die Fähigkeit zur Reflexion fehlt, obwohl er immer vorgibt, ganz nah am politischen Geschehen dran zu sein.
In seinem Video-Beitrag von 2009 und auch gestern meinte er, dass zu Guttenberg eine große Zustimmung in der Bevölkerung hätte, die man nicht einfach ignorieren könne. Im Jahr 2009 sei diese erst entstanden, weil zu Guttenbetg bei der Opelrettung mit Rücktritt gedroht habe. Das hätte den Menschen imponiert. Wenn das wirklich stimmen sollte, müsste man sich doch fragen, warum der feine Herr jetzt so an seinem Stuhl klebt. Er könnte doch einfach gehen.
Aber wie ich höre und lese, kommt der PR-Quatsch mit einem in Erwägung gezogenen Rücktritt gerade wieder in die Medien. Jetzt können sich endlich alle hinter ihrem Liebling versammeln und ihm demonstrativ den Rücken stärken. Einfach widerlich…
Hamburg hat gewählt, das Ergebnis ist eindeutig und nun schlägt die Stunde der Wahlforscher. Da könnte man sich noch töter lachen, als man nach diesem Ergebnis ohnehin schon ist. Auf NDR2 hörte ich gerade einen Mitarbeiter von infratest dimap sagen, dass es doch sehr einzigartig sei, dass ein Herausforderer im direkten Vergleich mit dem Amtsinhaber höhere Zustimmungswerte aufweise. Er zielte dabei wohl auf den obligatorisch gemessenen Amtsbonus ab, vergaß aber wohl, dass Christoph Ahlhaus nie gewählt wurde und erst seit dem August letzten Jahres erster Bürgermeister der freien und Hansestadt Hamburg war.
Was mir nur gerade wieder durch den Kopf schoss war doch der Medienhype, der seinerzeit – vor drei Jahren – um ein mögliches schwarz-grünes Projekt gemacht wurde, nur um eine linke Mehrheit, die es dann ja rechnerisch auch gab, zu verhindern. Bei dieser Wahl musste man die linke Gefahr nicht fürchten. Dafür waren die Umfragen zu eindeutig und solange die SPD vorne liegt und dann noch mit Olaf Scholz einen echten Schröderianer an der Spitze hat, sind die Koalitionsoptionen, Naturgesetzen gleichend, vorgegeben.
Obwohl, dass mit den eindeutigen Umfragen stimmt natürlich wieder nicht. Wenn ich die Prognose mit den zuletzt gemeldeten Umfragen vergleiche, liegt die Trefferquote aller Institute, zumindest bei den ersten drei Parteien, doch wieder ziemlich deutlich daneben. Vielleicht erklärt mal einer von infratest dimap selbstkritisch, warum man nicht mehr genau vorhersagen kann, wie sich der Wähler am Wahltag nun entscheidet.
Eigentlich hatte ich nicht vor, den Vorschlag der drei alten Ministerpräsidenten Beck, Böhmer und Seehofer weiter zu kommentieren. Allein schon der Gedanke an eine stufenweise Anhebung der Regelsätze um zunächst fünf und ab Mitte des Jahres um weitere drei Euro ist so albern, dass man sich fragt, ob die das wirklich ernst meinen. Aber jetzt kommt zu Tick, Trick und Track auch noch Fuck Merkel mit folgender Bemerkung hinzu:
Kanzlerin Angela Merkel (CDU) warnte vor einer überhasteten Einigung im Streit um höhere Hartz-IV-Sätze. Wenn die Union einer stärkeren Anhebung des Regelsatzes zustimmen würde, wären dadurch alle Steuerzahler zusätzlich belastet: „Hartz IV ist nicht dafür gedacht, dass man mit einer Kombination von Arbeitslosengeld II und ein bisschen Schwarzarbeit eigentlich für das ganze Leben drauf verzichten kann, wieder einen richtigen Job zu machen“, sagte die CDU-Vorsitzende.
Ach ja, die Steuerzahler werden zusätzlich belastet. Das stimmt. Wo kämen wir hin, wenn der Deutsche neben der Bankenrettung, die den Bankern erneut Spitzenboni verschafft hat, auch noch schwarz arbeitende Sozialschmarotzer finanzieren müsste.
Aber was ist eigentlich mit der Kombination aus ALG II und ein bisschen Schwarzarbeit gemeint? Die Ein-Euro-Jobs? Schließlich müssen etwa 224.000 Menschen so überleben. Will Mutti Merkel diesen Betroffenen mit einem Mindestlohnvorstoß oder einem regulären Jobangebot im öffentlichen Dienst aus der gesetzlich angeordneten Schwarzarbeit helfen? Man weiß so wenig.
Das neue Wahlrecht in Hamburg ist auf den ersten Blick kompliziert. Aber nicht, weil es neuerdings viele Stimmen zu verteilen gibt, sondern weil immer nur von zehn Stimmen gesprochen wird, obwohl es zwanzig sind. Bei der Wahl zur Bürgerschaft, also zum Landesparlament, hat der Wähler zehn Stimmen zur Verfügung. Jeweils fünf für die Landes- und Wahlkreisliste. So weit so gut. In Hamburg werden heute aber auch die Bezirksversammlungen, also die kommunalen Vertretungen, gewählt. D.h. dem Wähler werden nicht nur zwei Listen für die Bürgerschaftswahl ausgehändigt, sondern auch zwei Listen für seinen Bezirk. Und da hat er auch wieder zehn Stimmen zu vergeben, jeweils fünf für die Bezirks- und Wahlkreisliste.
Alles klar?
Es wäre schön, wenn Medien und Blogger das auch so genau wiedergeben würden.
Für die Bürgerschaftswahl können Sie 10 Stimmen abgeben: 5 auf dem gelben Landeslisten-Stimmzettel und 5 auf dem roten Wahlkreis-Stimmzettel. Für die Bezirksversammlungswahlen können Sie ebenfalls 10 Stimmen abgeben: Auch dort haben Sie jeweils 5 Stimmen auf dem grünen Bezirkslisten-Stimmzettel und dem blauen (Bezirks-)Wahlkreis-Stimmzettel.