Ein absurder Zinsschritt

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Die europäische Zentralbank (EZB) hat den Leitzins für die Eurozone auf 1,25 Prozent angehoben. Begründung: Inflationsgefahr.

Das ist natürlich armselig und falsch zugleich, weil die EZB einmal mehr die streng monetäre einer real wirtschaftlichen Betrachtung vorzieht. Wegen einer gemessenen Inflationsrate von 2,6 Prozent innerhalb der Eurozone wird einfach darauf geschlossen, dass es eine konjunkturelle Überhitzung geben müsse, die zu einer sog. Lohn-Preis-Spirale führe, der man mit restriktiver Finanzpolitik entgegentreten müsse. Denn Ziel der Zentralbank ist nach wie vor die Preisstabilität.

Zahlreiche Analysten und Experten hätten diesen Zinsschritt, den man inzwischen schon als „Wende“ bezeichnet, vorausgesehen und erwartet. Die Inflation sei schuld. Doch was ist in der realen Wirtschaft eigentlich los? In Deutschland herrscht Aufschwung. Wer’s glaubt. Die steigenden Preise hierzulande sind aber keinesfalls nachfrageinduziert. Die Einzelhandelsumsätze stagnieren bereits wieder, nachdem sie sich im letzten Jahr aus dem Krisenkeller etwas nach oben entwickelt hatten.

Im Rest der Eurozone herrscht Krisenstimmung. Griechenland, Irland und seit gestern auch Portugal hängen am Topf des europäischen Rettungsfonds. In den Volkswirtschaften bricht sich die Rezession abermals bahn. Dort wird man sich bei der EZB bedanken, weil Kredite für Investitionen, die dringend gebraucht werden wieder teurer und damit unattraktiv werden. Dazu kommen die harten Sparbedingungen des Rettungsfonds. Die Wirtschaft hat also keine Chance, sich zu erholen.

Mit dem Zinsschritt schadet die EZB der realen Wirtschaft zusätzlich. Zwar gibt die Zentralbank vor, besonders Spekulanten im Blick zu haben, die bisher mit billigem Geld weiter zocken gehen, doch die schreckt man doch nicht mit geringfügig höheren Zinsen ab, wenn sie ihr Geld für deutlich mehr Rendite weiterreichen und dabei immer noch einen guten Schnitt machen können. Fragen sie die Deutsche Bank, eine der schlimmsten Zockerbuden weit und breit.

Wer der Spekulation und der Zockerei Einhalt gebieten will, muss dafür sorgen, dass das Kasino geschlossen wird! 

Die steigenden Preise sind aber nicht nur eine Folge der Spekulation, sondern vielmehr Ausdruck eines Herdentriebs an den Finanzmärkten, der sich eben nicht nach wirtschaftlichen Indikatoren ausrichtet und auch nichts mit Angebot und Nachfrage zu tun hat, sondern damit, ob alle ins Risiko gehen oder nicht. Seit März 2009 gehen alle wieder rein. Die Kurse stiegen und das mitten im Abschwung. Es gab und gibt also keine Verbindung zur realen wirtschaftlichen Entwicklung. Dafür herrscht aber erneut der Glaube vor, dass eine Blase schon nicht platzen wird, obwohl die recht junge Erfahrung etwas anderes lehrt.

Es liegt eben an der Politik, dem unverantwortlichen Treiben an den Börsen und in den Banken ein Ende zu setzen. Doch die bleibt tatenlos.

Früher galten für Analysten und Volkswirte die Zahlen der Bundesbank zur Geldmenge als verlässliches Zeichen, ob eine Inflation bevorstehe oder nicht. Die Anhänger der Geldmengenlehre (Monetarismus), zu denen auch die EZB-Banker gehören, haben von ihrem geistigen Übervater und Chicago Boy Milton Friedman gelernt, dass Inflationsgefahr bestehe, wenn die für die Wirtschaft relevante Geldmenge M3 zunimmt. Doch heute schaut keiner mehr auf diesen Chart der Bundesbank, der ziemlich eindeutig in die andere Richtung weist.     

 

Quelle: Bundesbank

Im Prinzip müssten die Chicago Boys und Girls Deflationsalarm geben, wenn sie denn ihrer Dogmenlehre streng folgen. Es ist halt schwer zu glauben, dass bei Ausweitung von Staatsdefiziten und Rettungsgeldern in Milliardenhöhe, also einer vordergründigen Geldschwemme, keine Inflation entsteht.

Das Problem ist eben, dass das viele Geld niemals im wirtschaftlichen Kreislauf angekommen ist, sondern innerhalb der Banken- und Finanzwelt zirkuliert, quasi die Blase immer weiter aufbläht.

Wir retten eben keine Staaten und Volkswirtschaften, sondern immer noch Banken! 

Die Verluste der Banken muss aber nach wie vor die Volkswirtschaft begleichen. Deshalb sollen alle sparen und ihr Tafelsilber verkaufen. Nicht damit sie ihre Haushalte konsolidieren, sondern damit sie die Zinsen zahlen.

Der einzige Wirtschaftsweise mit Hirn, Peter Bofinger, fordert daher zurecht eine Art Marshall-Plan für europäische Krisenländer. Die Finanzgenies der europäischen Union, gemeint ist natürlich die deutsche Bundesregierung, scheinen nach Auffassung Bofingers eben nicht zu begreifen, dass man mit rigorosen Sparprogrammen nichts konsolidiert, sondern die Konjunktur abwürgt und das Problem der Haushaltdefizite nur verschärft.

Die EZB tut ihr übriges hinzu. Höhere Zinsen sind gegenwärtig Gift für die Konjunktur. Nicht die Gefahr einer Inflation, sondern die einer monetär nicht zu beherrschenden Deflation verschärft sich weiter. Denn offenbar gibt es weder Nachfrage nach Investitionskrediten noch die Bereitschaft der Banken, solche an private Investoren zu vergeben, damit diese wiederum in die Realwirtschaft investieren oder reale Waren und Dienstleistungen konsumieren.

Die Krise kommt nicht zurück, sie ist immer noch da. 

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Kurz zur FDP-Regierungsbilanz

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Ich lese, dass Guido Westerwelle der Vorwurf gemacht wird, er habe in der Regierung die liberalen Positionen seiner Partei nicht ausreichend vertreten und sei deshalb durch den Wähler abgestraft worden. Hans Peter Schütz vom Stern schreibt das zum Beispiel etwas flapsig in seinem gestrigen Kommentar:

„Was soll man nur von dieser FDP halten? Sie will einen politischen Neuanfang. Also feuert sie ihren Parteivorsitzenden, der die FDP von fast 15 Prozent auf unter 5 Prozent hat abstürzen lassen; der unfähig war, liberale Positionen in der schwarz-gelben Koalition zu markieren; der sein Amt als Außenminister glück- und mutlos ausübte: Und dann endet dieser gewollte Befreiungsschlag in einem kleinen Ämtertausch. Ein Politikwechsel? Nicht zu erkennen.“

Quelle: Stern

Westerwelle war keinesfalls unfähig oder untätig im Sinne seiner Auftraggeber. Ganz im Gegenteil. Er und seine Partei wurden gerade deshalb abgestraft, weil sie unverhohlen Klientelpolitik betrieben haben.

Das Wachstumsbeschleunigungsgesetz trägt ganz klar die Handschrift der Liberalen. Die darin enthaltene Mehrwertsteuersenkung für Hoteliers ist lang und breit diskutiert worden. Die Menschen haben dann plötzlich gemerkt, dass sie ja gar keine Hotels besitzen. Aber auch die Ungleichbehandlung durch die Erhöhung von Kindergeld und Kinderfreibetrag gehört dazu, die vor allem den Besserverdienenden zu Gute kommt, während bedürftigen Familien das höhere Kindergeld als zusätzliches Einkommen vom Regelsatz wieder abgezogen wird. Ich verweise nur auf meinen Blogbeitrag vom 9. Oktober 2009:

Was bedeutet denn die Erhöhung des Kinderfreibetrags von von 6024 auf 8004 Euro, die mit drei Milliarden Euro zu Buche schlagen wird, da bereits fest vereinbart? Von dieser Maßnahme profitieren rund ein Fünftel der Familien, die über ein entsprechend hohes Haushaltseinkommen verfügen.

Also drei Milliarden fix für ein Fünftel!

Die Erhöhung des Kindergeldes, die laut den Koalitionären, abhängig von der Haushaltslage des Bundes, die Herr Solms von der FDP übrigens „überraschend“ als entsetzlich beschrieb, höchstens sieben Milliarden Euro kosten soll, beträfe aber die restlichen vier Fünftel der Familien, die nicht über ein für den Kinderfreibetrag relevantes hohes Einkommen verfügen.

Also unsichere sieben Milliarden für vier Fünftel!

Ist das gerecht? Sozial? Sozial gerecht? Nach Dreisatzrechnung müsste die Entlastung für Normal- und Geringverdiener mindestens 12 Milliarden Euro betragen und nicht maximal sieben. Warum wird die Gruppe der Besser- und Spitzenverdiener im Vergleich deutlich stärker entlastet als die große Mehrheit der Menschen in diesem Land? Sind die Besserverdienenden besonders bedürftig und haben deshalb Anspruch auf Sozialleistungen?

Bei der Verfolgung von Steuerhinterziehern setzte sich die FDP ebenfalls für ihre Klientel ein und erreichte, dass keine Strafzuschläge für Steuersünder fällig werden, die sich selbst anzeigen und deren Steuerschuld unter einem Betrag von 50.000 Euro liege.

In der Gesundheitspolitik setzte sich Rösler mit seiner Kopfpauschale gegen Seehofer durch, der dem jungen liberalen Emporkömmling und künftigen FDP-Parteichef in bester Oppositionsmanier vorrechnete, wie teuer ein Sozialausgleich über Steuern werden würde. Über zwanzig Milliarden Euro, da hat sogar die richtige Opposition gestaunt.

Darüber hinaus erwies sich Rösler als williger Bettvorleger der Pharmalobby. Im Februar 2010 machte der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI) einen Vorschlag zur Eindämmung der steigenden Arzneimittelpreise und im März 2010 verkaufte Rösler das als eigenen Vorschlag.

Der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI) schlug dagegen Einzelverhandlungen mit den Kassen vor. Wenn 30 Prozent der Arznei derart ausgehandelt sei, könne der vereinbarte Betrag für alle Kassen gelten. Der Chef des Ersatzkassenverbands VdEK, Thomas Ballast, wies dies gegenüber dieser Zeitung sogleich als „Versuch, sich für kleine Münze freizukaufen“, zurück.

Quelle: Tagesspiegel

„In Deutschland sind viele Medikamente zu teuer. Deshalb werden wir die Pharmafirmen in Vertragsverhandlungen mit den Krankenkassen zwingen.“

Quelle: Tautenhahn

Und nicht zuletzt das liberale Mantra der Steuersenkungen. Permanent zwang die FDP die Union zu unsinnigen Zugeständnissen in der Steuerpolitik. Auf drängen der Liberalen wurde jüngst das Steuervereinfachungsgesetz auf den Weg gebracht. Dabei handelt es sich für die Bürger um ein messbares Nichts, wohingegen die Unternehmen mit Milliarden erneut entlastet werden.  Ursprünglich wollte Schäuble die ganze Geschichte auf 2012 verschieben, die Liberalen durften sich aber am Ende durchsetzen. Ein Geschenk der Union an die im Sturzflug befindliche FDP.

Aber zu diesem Zeitpunkt hatten die Menschen die Klientelpolitik der FDP wohl längst durchschaut und ließen sich auch nicht mehr durch die wahltaktischen Manöver des schwarz-gelben Pannenkabinetts beeindrucken.

Wenn also Kabarettisten und Blogger vom Vizekanz-Nicht oder der Unfähigkeit der Liberalen reden, meinen sie keinesfalls, dass diese Partei nicht in der Lage wäre, die Klientelinteressen zu bedienen. Das hat die FDP ja eindrucksvoll gezeigt, in dem sie erhaltene Spenden in Form von Steuergeldern schnurstracks zurücküberwies. Die FDP wurde als „Gurkentruppe“ eben immer unterschätzt.

Westerwelle hat sehr wohl seine liberalen Positionen markiert und auch umgesetzt. Als Nur-Außenminister kann er jetzt ein wenig abklingen, bevor ihn die edlen Spender auf Ehrenpöstchen berufen werden. Und nach Westerwelle dürfen jetzt wahrscheinlich die Grünen ran.

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Philipp Rösler, der neue Vizekanz-Nicht

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Philipp Rösler übernimmt das Amt des Parteivorsitzenden der FDP. Hier die Begründung:

„Wenn es mir nicht gelingt, ein vernünftiges Gesundheitssystem auf den Weg zu bringen, dann will mich keiner mehr als Gesundheitsminister haben.“

Ach, falsches Jahr, falsches Zitat. Aber als Gesundheitsminister will ihn trotzdem keiner mehr haben, deshalb übernimmt er auch gleich den Posten des „Bundesfurzenden„. Hören sie mal genau hin.

Der sogenannte Bundesfurzende sei immer auch Vizekanzler und bestimme den Kurs der liberalen Minister. Auf die Blähungen dürfen sie also gespannt sein. Wahrscheinlich wird aber nicht mehr viel kommen.

Gesundheitsminister muss er aber trotzdem bleiben, weil Brüderle seinen Stuhl nicht freiwillig räumen will. Wie soll das also in Zukunft aussehen? Rösler und Lindner bringen Westerwelle und Brüderle auf Kurs? Da lachen ja die Hühner.

Nun wundern sich viele darüber, dass Herr Rösler keine inhaltlichen Angaben zu seinem künftigen Kurs gemacht hat. Eigentlich hat er nur gesagt, dass ihm alles viel Freude bereitet.

Es geht ja auch gar nicht um Führung oder eine programmatische Erneuerung, sondern einfach nur um Zeichensetzung.

„Der FDP fehlen nicht kluge Konzepte in den verschiedenen Politikfeldern. Daran herrscht kein Mangel. Wir glauben aber nicht daran, dass eine Partei nur wegen sinnvoller Maßnahmevorschläge gewählt wird.

Sie erhält vielmehr Zustimmung, wenn sie mit einer positiven politischen Erzählung verbunden wird, die das Lebensgefühl der Menschen trifft und ihnen Hoffnung auf eine bessere Zukunft macht.“

Quelle: Freiheit: gefühlt – gedacht – gelebt

Diese Botschaft haben Rösler, Lindner und noch eine paar andere junge liberale Wirrköpfe 2009 in einem Sammelband zusammengefasst. Sie hätten das Machwerk auch „täuschen, tricksen, tarnen“ nennen können. Das wäre ehrlich gewesen. Die FDP möchte gern eine Geschichte erzählen und die Massen unterhalten. Man kann es auch ablenken nennen, damit die erkannten klugen Konzepte der Liberalen, an denen kein Mangel herrscht, aber deswegen sie ja nicht gewählt werden, trotzdem weiter umgesetzt werden können.

In diesem Buch finden sie zahlreiche Vorschläge. Ich zitiere mich mal selber:

Der mit der Versicherungswirtschaft eng verbundene Daniel Bahr zum Beispiel (erst 32 Jahre alt und schon Mitglied im Beirat der ERGO Versicherungsgruppe sowie des privaten Versorungsunternehmens DUK.e.V.), darf in seinem Beitrag über die Gesundheitspolitik das Ende des Solidaritätsprinzips beschreiben und fordern, dass nur noch „die medizinisch unbedingt notwendigen Leistungen“ im Leistungskatalog enthalten sein sollten. Porschefahrer Christian Lindner selbst will Erbschaften und Vermögen „unangestastet“ lassen mit der tollen Begründung, dass die Besteuerung des Todes inhuman sei. Kritik an dieser ungerechten Verteilungspolitik bügelt der Jungschnösel mit der in diesen Kreisen so beliebten Bemerkung „Neid“ einfach ab.

Quelle: Tautenhahn

Mit Rösler soll also nur eine neue Imagekampagne gestartet werden – die Bildzeitung half ja bereits bei der Beseitigung von Westerwelle – die wiederum davon ablenken soll, dass sich inhaltlich gar nichts ändern wird. Was soll sich bei einer Klientelpartei auch ändern? Es bleibt ja nur die Verpackung.

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Volker Pispers und die FDP am Dienstach

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Noch tagt der Krisenrat der FDP. Die Frage, wer denn nun auf Westerwelle folgen könnte, ist noch nicht geklärt. „Bambi“ oder „Pharmazäpfchen“. Wen hätten sie denn gern?

Nach achtzehn Monaten in der Regierung ist für Mister Achtzehn-Prozent Schluss. Volker Pispers sieht im Rücktritt Westerwelles auch das Scheitern der Bundesregierung, die in den vergangenen achtzehn Monaten zwar nicht umsonst, dafür aber vergeblich gearbeitet hat, weil sie nunmehr vorgibt, ihre zentralen Projekte, (Hotel)Steuersenkungen und Laufzeitverlängerung wieder rückgängig machen zu wollen.

Für die FDP geht es angeblich um eine Neuorientierung und einen Generationswechsel, damit das verlorene Vertrauen der Wähler wieder zurückgewonnen werden kann. Nach Pispers wird das aber nicht gelingen. Denn um als Zünglein an der Waage mal hier und mal da wieder lecken zu können, reichen sechs bis sieben Prozent Zustimmung einfach nicht mehr aus, sofern solche Ergebnisse für die Liberalen überhaupt noch realistisch sind.

Am Besten bringt es flatter von Feynsinn auf den Punkt.

Was soll sich denn bessern, wenn an der Spitze der liberalen Raubbänker statt einer arroganten Miss Liberty künftig ein aalglatter Zahnarzt mit Perlweiss-Spastik die Parolen vorgibt?

Macht die FDP zur Zweigstelle der INSM, zur Filiale der Deutschen Bank oder zur Tochtergesellschaft des Hotel-und Gaststättenverbandes. Oder noch besser: Gründet einen Dachverband deutscher Lobbyisten und überlasst deren Vorstand gleich die Leitung der ‚Partei‘.

Ein Stock mit Hut tut’s genau so gut.

Quelle: Feynsinn

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Spätrömische Problembeseitigung

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Nun geht er, jedoch nicht sofort, sondern erst im Mai, wenn ein Nachfolger für das Amt des FDP-Parteivorsitzenden gefunden ist. Als Außenminister will er uns aber noch erhalten bleiben. Für Guido Westerwelle, dem ersten und einzigen Kanzlerkandidaten der FDP, kommt es derzeit knüppeldick. Er wird von seiner eigenen Turboleisterbrut vom Sockel gestoßen. Denn auch für Rösler, Lindner und Co. zählt nur die Überholspur ganz im Sinne des von Westerwelle immer wieder gepredigten liberalen Leistungsgedankens.

Einst tönte die selbsternannte Freiheitsstatue, da war sie noch in der Opposition und als Wahlkämpferin unterwegs, die Treffsicherheit des Sozialstaates müsse größer werden, ein Recht auf staatlich bezahlte Faulheit dürfe es nicht geben.

So wie es aussieht, ist Westerwelle endlich ins Visier geraten, allerdings nicht durch den Sozialstaat, dem er schon sein ganzes Berufsleben lang auf der Tasche liegt, sondern von den Sozialschmarotzern seiner eigenen Partei.

Quelle: Klaus Stuttmann

Die fürchten sich selbst um ihre Karrieren im politischen Geschäft. Die geistige, aber sicher nicht moralische, Wende des Generalsekrets der FDP, Christian „Bambi“ Lindner, der plötzlich Atomkraftwerke stilllegen möchte, beweist das nur all zu sehr.

Es müsse rasch Rechtssicherheit geschaffen werden, forderte Lindner. Eine Übertragung von Reststrommengen auf jüngere Meiler solle es nicht geben. Vorbild der Gespräche mit den Atom-Konzernen sollen die von Rot-Grün geführten Konsensgespräche des Jahres 2000 sein, wie Lindner sagte. Sie sollen möglichst bald stattfinden.

Quelle: FR

Rot-Grün als Vorbild! Die Not der Liberalen muss wirklich groß sein, wenn das erklärte Feindbild zum Maßstab eigener Ansprüche wird. Im Kampf gegen die nun auch durch den Wähler bestätigte Überflüssigkeit, ist offenbar jedes Mittel recht. Besonders deutlich wird das an der Frage, wer für den Rest der Legislaturperiode, die spätestens im Herbst 2013 endet, den „Vizekanzler“ spielen darf, ein Amt, dass es gar nicht gibt, sondern offensichtlich nur erfunden wurde, damit die FDP etwas hat, um angeben zu können.

Franz Walter schreibt zum Rückzug Westerwelles:

„Westerwelle fühlte sich als Avantgardist einer neuen Generation – das beflügelte ihn. Doch zugleich war er im wirklichen Leben in seiner eigenen Kohorte ein fast isolierter Minderheitenvertreter – das stärkte seinen Behauptungswillen.“

Quelle: Spiegel Online

Er hätte auch einfach „Wichtigtuer“ schreiben können. Das Ende einer Ära, wie Walter schreibt, ist es auch nicht, sondern eher das Finale eines unkontrollierten Niedergangs.

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blogintern: Statistik 03/11

Geschrieben von:

Die Zeit der Aprilscherze dürfte hinter uns liegen. Ich melde mich auch nur kurz mit der Blogstatistik. Da ich gerade meine komplette Hardware umstelle, habe ich nur wenig Zeit und eine Menge Stress mit der Technik.

Die Zahlen sehen wieder gut aus.

Stats_0311

Wie immer möchte ich mich bei allen Leserinnen und Lesern dieses Blogs sowie den Mitdiskutanten bedanken, die im abgelaufenen Monat fleißig gelesen und kommentiert haben. Falls ihnen der Blog gefällt, empfehlen sie ihn ruhig weiter. :D

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Wie es gerade passt – Zu den Einzelhandelsumsätzen

Geschrieben von:

Das statistische Bundesamt betreibt mal wieder Irreführung. Heute gab es die Meldung, dass die Einzelhandelsumsätze im Monat Februar um 1,1 Prozent gestiegen seien. Schaut man in der Pressemitteilung etwas genauer nach, wird deutlich, dass der Vergleich nicht etwa zum Vormonat, wie sonst üblich, sondern zum Vorjahresmonat gezogen wird. Der Grund liegt auf der Hand. Im Vergleich zum Vorjahr steigen die Umsätze, im Vergleich zum Januar sinken sie.

Die deutschen Einzelhandelsunternehmen setzten im Februar 2011 nach vorläufigen Ergebnissen des Statistischen Bundesamtes (Destatis) nominal 3,0% und real 1,1% mehr um als im Februar 2010. Beide Monate hatten jeweils 24 Verkaufstage. Im Vergleich zum Januar 2011 ist der Umsatz im Februar 2011 unter Berücksichtigung von Saison- und Kalendereffekten (Verfahren Zensus X-12-ARIMA) nominal um 0,8% gestiegen und real um 0,3% gesunken.

Quelle: destatis

Die jeweils positiveren Zahlen bestimmen dann auch die Überschrift. Allerdings setzt sich das Verwirrspiel in den Schlagzeilen der Medien fort.

„Umsatz im Einzelhandel steigt“

Der deutsche Einzelhandel setzt seinen Aufwärtstrend fort, das Tempo hat aber nachgelassen.

Quelle: Handelsblatt

„Umsatz im Einzelhandel überraschend gesunken“

Der deutsche Einzelhandel setzt seinen Aufwärtstrend fort, das Tempo hat aber nachgelassen.

Quelle: Rhein-Neckar-Zeitung

Was ist nun richtig? Wie immer hilft ein Blick auf die grafische Umsetzung der statistischen Daten. Über einen längeren Zeitraum betrachtet, erkennt man eine stetige Abnahme der Umsätze im Einzelhandel. Selbst die leichte Erholungsphase im Jahr 2010, die nach dem tiefen Einbruch in 2009 stattfand, ist bereits einer Stagnation gewichen. Ein Konsumboom oder eine Kaufrauschorgie sehen anders aus.

Einzelhandel bis Februar 2011

Das scheint inszwischen auch die Propaganda-Abteilung der Bundesregierung für den privaten Konsum, die GfK (Gesellschaft für Konsumforschung) begriffen zu haben.

Die Stimmung der deutschen Verbraucher kann ihr überaus hohes Niveau im März dieses Jahres nicht weiter verbessern. Sowohl Konjunktur- und Einkommenserwartung wie auch die Anschaffungsneigung müssen Einbußen hinnehmen. Der Gesamtindikator prognostiziert nach 6 Punkten im März für April einen Wert von 5,9 Punkten.

Quelle: GfK

Allerdings scheinen die Gründe für den überrschenden Pessimismus der GfK sehr weit hergeholt zu sein.

Ein zuletzt unsicherer gewordenes internationales Umfeld sowie wachsende Inflationsängste haben im März dafür gesorgt, dass die Verbraucherstimmung leicht an Wert verloren hat. Diese Faktoren haben damit die nach wie vor günstigen Rahmenbedingungen für die Verbraucher, wie steigende Beschäftigung und Einkommen, überlagert. Dennoch bleibt das Niveau der Konsumstimmung weiterhin recht hoch. Mögliche Effekte der Natur- und Umweltkatastrophe in Japan können noch nicht berücksichtigt werden, da zum Zeitpunkt des verheerenden Erdbebens und seiner Folgen die Befragung bereits abgeschlossen war.

Warum sollten Gaddafi oder Fukushima Auswirkungen auf die Kaufneigung der Deutschen haben? Liegt es nicht viel näher, die nach wie vor schlechte Einkommenssituation der Arbeitnehmer sowie die zunehmend prekären Beschäftigungsverhältnisse als Begründung für die Kaufzurückhaltung heranzuziehen? Was ist mit der Altersarmut, der Jugend- und Langzeitarbeitslosigkeit? Stattdessen Inflationsängste. Nein, es geht doch vielmehr um Existenzängste.

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TV-Tipp: Mitternachtsspitzen

Geschrieben von:

Direkt aus dem Alten Wartesaal unter dem Kölner Hauptbahnhof präsentiert Jürgen Becker am Samstag, 2.4.2011 um 21.45 Uhr, eine weitere Ausgabe der Mitternachtsspitzen.

Becker zur Seite stehen wie immer der scharfzüngige, hintersinnige Leverkusener Werkskabarettist Wilfried Schmickler sowie die bebrillte Pointenschleuder aus dem Ruhrgebiet: Herbert Knebel alias Uwe Lyko. Erneut wieder dabei ist die in der letzten Sendung überaus erfolgreich gestartete Rubrik „Überschätzte Paare der Weltgeschichte“.

Quelle: WDR

Dazu kommen wie immer Gäste. Diesmal sind dabei: Frank Lüdecke, Matthias Egersdörfer und Nessi Tausendschön.

1

Eine Abdeckplane für Fukushima I

Geschrieben von:

Die Meldungen aus Japan werden immer skurriler. Nachdem bekannt wurde, dass giftiges Plutonium in die Umwelt gelangt ist und die radioaktive Belastung im Meerwasser und der Umgebung erheblich zugenommen hat, wird durch den Betreiber Tepco und die japanische Regierung weiter Desinformation betrieben. Am Nachmittag war im Radio sogar zu hören, dass sich die Lage nach Angaben von Tepco leicht verbessert habe, die Reaktoren 1-4 aber weiterhin außer Kontrolle seien.

Nun erwägt der Kraftwerksbetreiber offenbar, die zerstörten Blöcke mit speziellen Abdeckplanen zu überspannen, um den Austritt weiterer Radioaktivität zu unterbinden. Wahrscheinlich ist damit nur ein Mantel des Schweigens gemeint oder aber eine hübsche Verhüllung, damit die kaputten Gebäude unsichtbar werden. Man wird sie wohl auf unabsehbare Zeit weder reparieren noch abreißen können. Dennoch will Tepco nicht auf die noch intakten Reaktoren fünf und sechs verzichten und verhandelt ungeachtet eines erneuten Zwischenfalls im Atomkraftwerk Fukushima II mit der japanischen Regierung um den Weiterbetrieb der noch „operationsfähigen Reaktoren“.

Im Prinzip sei ja die ausgetretene Strahlung nur dann gefährlich, wenn unter Zwang arbeitende Mitarbeiter ohne Stiefel im kontaminierten Wasser herum waten oder die heimlich nach oben geänderten Grenzwerte überschritten werden. Ansonsten setzt das Management vor Ort auf Beruhigungspillen und Daten, die mal richtig und mal falsch abgelesen werden bzw. gar nicht zur Verfügung stehen. Allerdings rät die internationale Atomenergiebehörde (IAEA) zu weiteren Evakuierungen infolge erhöhter Strahlungswerte.

Im Tagesspiegel mahnt Alexander Kekulé, Direktor des Instituts für Medizinische Mikrobiologie des Universitätsklinikums Halle (Saale) und Mitglied der Schutzkommission beim Bundesministerium des Innern, einmal mehr dazu, zur Sachlichkeit zurückzufinden.

Gesunder Menschenverstand hilft, die Gefahr richtig einzuschätzen.

Mein Ratschlag ist: Genau nachlesen, wer seine Argumente sauber begründet. Dazu braucht man zum Glück kein Diplom in Kernphysik, sondern nur einen gesunden Menschenverstand – dem kann man auch bei wissenschaftlichen Fragen durchaus vertrauen. In diesem Sinne versuche ich weiter, einen sachlichen Blick auf die Ereignisse in Fukushima zu bewahren.

So so, gesunder Menschenverstand. Und zu was führt diese Besinnlichkeit bei Kekulé? Zum Optimismus, weil das gefundene Plutonium nicht aus einer Kernschmelze stammen kann, da es bereits unmittelbar nach den Explosionen vor gut zehn Tagen gemessen wurde. Nach Auffassung Kekulés könne man anhand der Daten nicht auf eine Kernschmelze schließen bzw. auch nicht darauf, dass es noch zu einer finalen Katastrophe kommen könnte, wie einige immer wieder behaupten würden, die sich der allgemeinen Hysterie hingeben.

Dabei geht es überhaupt nicht um eine finale Katastrophe – als ob die nicht schon eingetreten wäre – oder um eine weitere Einstufung auf der sog. INES-Skala oder um die Frage Super-GAU oder nicht, sondern schlicht um die Tatsache, dass mehrere Reaktoren eines Kernkraftwerks außer Kontrolle geraten sind, es Explosionen, Brände und einen Austritt von Radioaktivität gegeben hat. Welchem Optimismus soll man da eigentlich folgen? Dass die Umwelt vielleicht nicht ganz so stark verseucht wird, wie befürchtet?

Welchem Zweck soll die neue Sachlichkeit eigentlich dienen?

Die Gefahr durch Plutonium ist, das muss allen anders lautenden berichten zum Trotz wiederholt werden, derzeit nicht das größte Problem. Die hier relevanten Plutoniumisotope Pu-238, Pu-239 und Pu-240 sind Alphastrahler, das heißt ihre radioaktive Strahlung führt nur bei Aufnahme in den Körper (Inhalation oder mit Lebensmitteln) zu schweren Schäden. 

Na dann ist ja alles okay. Kein Grund zur Aufregung. Falls sie Plutonium rechtzeitig schmecken, riechen oder mit ihrem persönlichen Messgerät zu Hause erkennen, schlucken sie es nicht runter und schmeißen sie es auch nicht in den Hausmüll, sondern verständigen bitte sofort ihren zuständigen Mikrobiologen.     

3

Nach der Wahl folgt der Tag der Gremien

Geschrieben von:

Es ist immer dasselbe. Nach einem Urnengang heißt es am Wahlabend immer, es sei zu früh, das Ergebnis zu analysieren. Da müsse man in Ruhe drauf schauen und seine Schlüsse ziehen. Das passiert freilich nie. Da Wahlen in der Regel am Sonntag stattfinden, treffen sich am Montag die sogenannten Gremien in den Parteizentralen, um über das weitere Vorgehen zu beraten. Heute war wieder so ein Montag und unterm Strich muss man sagen, dass durchaus Konsequenzen an den Stellen gezogen wurden, wo es keinem wehtut.

So ist zum Beispiel Rainer Brüderle als Landesvorsitzender der FDP in Rheinland-Pfalz zurückgetreten, pardon, hat angekündigt, nicht mehr für den Vorsitz kandidieren zu wollen. Auch Stefan Mappus gab an, nicht mehr als Landesvorsitzender seiner Partei antreten zu wollen. Dafür steht jetzt Mappus-Klon Tanja Gönner in den Startlöchern.

Ansonsten war nix. Die FDP hat personelle und inhaltliche Veränderungen durch ihr Generalsekret Lindner ankündigen lassen, aber aus Mangel an beidem, also Personal und Inhalt, hat sich Parteichef Westerwelle vorerst für eine Vertagung der basisdemokratischen Debatte entschieden. Dennoch habe er die Botschaft der Wähler verstanden. Nur warum löst er seinen Laden dann nicht auf? Die FDP wird nicht mehr gebraucht.

In der CDU hat sich derweil die Chefin zu Wort gemeldet und mit einem klaren „Weiter So“ geantwortet. Die Wahlen änderten nichts an den Beschlüssen der Union zum Moratorium. Das werde jetzt durchgezogen und drei Monate intensiv darüber nachgedacht, wie schnell man aus der Atomenergie aussteigen könne. Basta!

„Wir werden die Zeit des Moratoriums nutzen, um eine Energiewende mit Augenmaß hinzubekommen.“

Ich frage mich an dieser Stelle immer wieder, warum man noch darüber reden muss. Es hat doch einen Vertrag zwischen dem Gesetzgeber und den Energieversorgern gegeben, den Schwarz-gelb ohne Not aufkündigen ließ, der aber den Ausstieg aus der Atomenergie ganz klar geregelt hat. Im Prinzip hätte der Umstieg auf erneuerbare Energien längst gelaufen sein können, samt Investitionen in die nötige Infrastruktur, deren Fehlen gegenwärtig beklagt wird, wenn die Versorger den Ausstieg nur ernstgenommen hätten.

Das haben sie aber von Anfang an nicht, weil sie immer darauf hofften, eine schwarz-gelbe Regierung würde den Atomkompromiss schon wieder rückgängig machen. Was ja auch genau so geschehen ist. Schließlich wurden die tatsächlichen Restlaufzeiten einzelner Kernkraftwerke ganz bewusst an eine Gesamtreststrommenge geknüpft, die beliebig zwischen den AKWs hin und her verteilt werden durfte. So konnten Kernkraftwerke länger am Netz bleiben, weil andere wegen Pannen still standen und somit Reststrommengen einsparten, die dann einfach übertragen oder solange zurückgehalten wurden, bis endlich die ersehnte Regierung im Amt war.

„Ein Atomausstieg in Deutschland, um anschließend Atomenergie aus anderen Ländern zu importieren, den halte ich nicht für ehrlich.“ 

Quelle: Tagesschau

Zu dieser abstrusen Begründung der Bundeskanzlerin vielleicht der konservative Herausgeber der FAZ Frank Schirrmacher, der sich heute über die Rhetorik der Atomfreunde seine Gedanken gemacht hat:

5. Auch wenn wir aussteigen, sind wir von Atomkraftwerken umgeben

Das ist vielleicht das erbärmlichste aller Argumente, denn es bezeichnet die Selbstaufgabe von Politik. Man kann die Argumentation versuchsweise auf die Atomwaffenproliferation oder den Atomwaffensperrvertrag übertragen. Selbst wenn wir keine Atomwaffen haben, werden die anderen welche haben. Das war in der Vergangenheit kein Grund, sich selbst welche zuzulegen, sondern andere davon abzuhalten, sie zu bauen.

Quelle: FAZ

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Karikatur: Klaus Stuttmann

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