Krisengipfel: Immer dieselben dämlichen Fragen

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Vor dem neuerlichen EU-Sondergipfeltreffen in Brüssel hat Bundesfinanzminister Schäuble noch einmal betont, an den Spardiktaten festhalten und gemeinsamen Staatsanleihen eine Absage erteilen zu wollen. Die griechische Wirtschaft sei nicht wettbewerbsfähig und müsse daher tiefgreifende Einschnitte und Reformen akzeptieren, so Schäuble. Ich wundere mich immer wieder, dass Moderatoren und Journalisten nicht einmal die Frage stellen, wo denn die Erfolge der seit Jahren andauernden Reform- und Sparpolitik in Griechenland zu beobachten seien. Es ist doch das Gegenteil von dem eingetreten, was Schäuble permanent predigt.

Trotz aller Bemühungen und des Verzichts hat sich die Krise verschlimmert und der Schuldenstand erhöht. Als objektiver Berichterstatter muss man doch zu dem Ergebnis kommen, dass die Rettungspolitik der Troika krachend gescheitert ist, zumindest mit Blick auf Griechenland. Der Finanzsektor kann sich ja nach wie vor über eine Absicherung seiner Risiken freuen.

Gleichzeitig streut die Bundesregierung mit ihrer Haltung der deutschen Öffentlichkeit Sand in die Augen. Wachstum durch Strukturreformen ist ein hanebüchener Unsinn und trotzdem fallen reihenweise Redakteure darauf herein. Strukturreformen heißen doch übersetzt Kürzungen bei den Löhnen und Sozialleistungen. Wie soll das aber, zumal die Kanzlerin ja auch kein Geld für Konjunkturprogramme ausgeben will, zu Wachstum führen. Werden die Menschen in Griechenland, Spanien, Portugal oder Italien mit weniger Geld in der Tasche etwa mehr konsumieren?

Ich begreife einfach nicht, warum Volkswirte und Journalisten immer denselben dämlichen Fragen nachgehen wie die, ob Eurobonds der richtige oder falsche Weg aus der Krise sind. Viel wichtiger ist doch die Frage, warum die Bundesregierung mit der Bemerkung, ein Austritt Griechenlands aus der Eurozone wäre verkraftbar, die Spekulationen gegen das Land fahrlässig wieder anheizt und die Krise damit insgesamt verschärft.

Könnte man nicht auch einfach kriminelles Kalkül unterstellen, wenn Schäuble am Wochenende mit seinem Statement über den Verbleib Griechenlands in der Eurozone den Grundstein dafür gelegt hat, um heute eine Bundesanleihe von über vier Milliarden am Kapitalmarkt zu platzieren, für die der deutsche Finanzminister keine Zinsen mehr zahlen muss?  

Deutschland profitiert von der Krise. Kann es deshalb ein Interesse an einer schnellen Lösung haben? Die Diskussion um eine Pleite Griechenlands macht deutsche Staatsanleihen immer beliebter, so dass Anleger sogar noch Geld drauflegen, damit sie ihr Kapital an den deutschen Finanzminister verleihen dürfen. Gleichzeitig hat die deutsche Wirtschaft nach einer Meldung des statistischen Bundesamtes im Jahr 2011 den bestehenden Exportüberschuss noch einmal auf 158,1 Mrd. Euro steigern können.

Doch was heißt das? Die richtigen Strukturreformen müsste eigentlich Deutschland vornehmen, das mit seinen wieder zunehmenden hohen Bilanzüberschüssen die Stabilität der gesamten Eurozone gefährdet. Doch über die Überschüsse redet man auf dem Sondergipfel nicht, sie gehören schließlich zum Qualitätsnachweis des selbsternannten Musterschülers, der solange wie möglich von der Krise profitieren will. Die nächste Bundestagswahl rückt schließlich auch immer näher.

Apropos Wahlen. Die Griechen dürfen bald wieder ran, weil der letzte Urnengang keine “stabilen Verhältnisse” zu Stande brachte. Unter “stabilen Verhältnissen” versteht Herr Schäuble zum Beispiel eine Regierung aus jenen Parteien, die der griechischen Bevölkerung über Jahre hinweg den Schlamassel erst eingebrockt haben.   

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Bundesregierung glaubt an weniger Nebenkosten

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Die Bundesregierung verweist bei ihrem neuesten Machwerk zum Geburtstag des Grundgesetzes, nämlich der Änderung des Mietrechts zugunsten der Vermieter, darauf, dass Mieter nach einer energetischen Sanierung ihrer Wohnräume, die sie bis zu drei Monate lang in jeder Form und ohne Anspruch auf Mietminderung zu ertragen haben, doch anschließend von einer Einsparung bei den Nebenkosten profitieren würden.

Gernot Hassknecht aus der heute show würde an dieser Stelle wohl laut brüllen.

Weniger Nebenkosten? Am Arsch! 

Solange die Energiemafia in Deutschland das Sagen hat und gerade jene mit Rabatten und Vergünstigungen beglückt, die viel Energie verbrauchen, während auf der anderen Seite die Leute permanent geschröpft werden, die sparsam mit Strom und Heizung im Alltag umgehen, ist jede Gebäudesanierung zwar nicht für den Arsch, aber in jedem Fall teurer für die Mieter als die Bundesregierung mal ebenso behauptet.

Bei der Liberalisierung des Energiemarktes hat man den Leuten auch erzählt, durch Privatisierungen und Wettbewerb würden die Preise langfristig sinken. Da kannte man halt noch nicht die ominösen Beschaffungskosten, die für Energieunternehmen eine Lizenz zum Gelddrucken darstellen.

Eine ökologisch nachhaltige Politik wäre nur dann gegeben, wenn die Versorger streng reguliert würden und die Begünstigung von großen Strom- und Wärmeverschwendern endlich ein Ende hat. Dazu gehört auch die Rücknahme der Befreiung energieintensiver Betriebe von den Netzentgelten, die wiederum alle anderen Verbraucher ausgleichend mitzufinanzieren haben.

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Der Kunstfurzer hat wieder zugeschlagen oder wie Medien es schaffen, dass auch der Unausstehlichste unausweichlich wird

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Diesen Satz hat Volker Pispers gesprochen, als Thilo Sarrazin seinen ersten Furz abgelassen hat. Früher hätte das, was Sarrazin damals und was er heute zu sagen hat, niemanden interessiert, weil sich wohl nur die wenigsten neben den Furzer auf eine Bank gesessen hätten, um das Ganze einmal anzuriechen. Doch die Freiheit des Ignorierens hat uns die Diktatur des Boulevards genommen, so Pispers. Heutzutage werde von dem Furz erst einmal ein mehrteiliger Vorabdruck veröffentlicht und die Leute denken, es muss wichtig sein, weil es in der Zeitung steht. Dabei ist es genau umgekehrt. Es wird erst dadurch wichtig, weil es in der blöden Zeitung steht.

Denn dann stürzen sich auch alle anderen Medien in Ermangelung an sonstigen Themen oder Intelligenz darauf und das Ergebnis ist eine riesige Öffentlichkeit. Nun haben die Leute sogar den Eindruck, dass es sich um einen Kunstfurzer handeln muss, weil alle darüber reden. Deshalb muss der natürlich ins Fernsehen zu Beckmann, Jauch und all den anderen Furzsachverständigen.   

Eine Demokratie mit den Massenmedien, die wir haben, ist inzwischen nicht mehr herstellbar, weil kurzsichtige, auf Quote und Auflage fixierte Geschäftemacher die Schlagzeilen bestimmen.

Die NachDenkSeiten haben sich mit dem Auftritt Sarrazins bei Jauch im Ersten beschäftigt und das Ganze zurecht als billige Werbeshow für den Ex-Bundesbanker entlarvt.

Nur fehlt der Hinweis darauf, dass das neue Buch von Sarrazin erneut im DVA Verlag erschienen ist. Dieser gehört zur Verlagsgruppe Random House, die sich wiederum im Besitz der Bertelsmann AG befindet, und die gehört der Bertelsmann Stiftung und damit Liz Mohn. Die Firmenpatriarchin wurde vor anderthalb Jahren, als das erste Sarrazin Buch in der Öffentlichkeit unangenehme Gerüche verbreitete, mit dem Integrationspreis Goldene Victoria ausgezeichnet und hat bei der Verleihung folgendes gesagt:

„Wir müssen verstehen, die Menschen mitzunehmen und zu vermischen. Es gibt wenige Themen, die so bedeutsam sind, wie Integration. Dieser Preis ist für mich ein großer Ansporn, er bedeutet mir sehr viel.“

Sie betonte: „Jeder von uns ist gefragt. Ob eine Gesellschaft von Toleranz oder Intoleranz geprägt ist, hängt von unserem Handeln ab.“

Quelle: Bild

Ob sie mit unserem Handeln auch sich gemeint hat? Wahrscheinlich nicht. Denn das Schüren von Ängsten und Fremdenhass gehört offenbar zum Geschäftsmodell des Bertelsmann Imperiums und seiner Ableger. Beim neuen Sarrazin-Buch klingelt erneut die Kasse. Freundin Friede Springer spielt ebenfalls wieder mit und lässt ihre Tintenknechte von Bild das Thema Sarrazin rauf und runter schreiben. Die Einladung bei Jauch und die kontroverse Diskussion darüber ist natürlich ein Thema in Springers Bild („TV-Krach“) und damit strategisch auch von allen Beteiligten so gewollt.

Es ist eine Fortsetzungsgeschichte und wahrscheinlich wird es im nächsten Jahr noch einen dritten Teil geben, solange es sich für alle lohnt und der dumme Michel den Schrott wieder und wieder kauft, Verzeihung, anriecht. Und der Kunstfurzer muss schließlich auch von irgendwas leben, nachdem man ihn aus der Bundesbank entfernt hat. Eine klassische Win-Win-Situation.

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Über Zumutungen

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Die Neue Osnabrücker Zeitung (NOZ) kommentiert die Ergebnisse des Nato Gipfels und spricht von einer französischen Zumutung:

Bravo, wie François Hollande mit wehenden Fahnen mutig ins Feld zieht. Der einzige Schönheitsfehler besteht nur darin, dass sich Frankreichs neuer Präsident nicht mit Gebrüll auf die Taliban stürzt, sondern auf die eigenen NATO-Partner.

Na klar. Ein sozialistischer Präsident kann oder muss durch ein politisches Gebrüll auffallen. So ist eben das Weltbild konservativer Hohlköpfe, die schon wieder vergessen haben, wer sich ein paar Tage zuvor auf dem G8-Gipfel in Camp David von der Presse dabei ablichten ließ, wie man einem Fußballspiel im fernen Deutschland folgte. Da saß Hollande übrigens still am Tisch und wartete anscheinend darauf, dass sich die Führungselite der Welt endlich mit irgendeinem Sachthema beschäftige.

Stattdessen prangert die NOZ bei Hollande fehlende Bündnistreue und Verlässlichkeit an, weil er seine Truppen nicht wie versprochen (der Nato versprochen) erst Ende 2014, sondern schon in ein paar Monaten (weil er es dem Souverän versprach) aus Afghanistan abziehen will. “Kein Wunder, dass Angela Merkel sauer ist”, stellt die NOZ trotzig fest. Ja, es ist schade, dass die marktkonforme Demokratie, die sich dadurch kennzeichnet, Wählervoten als Belastung zu betrachten, in Frankreich nicht zur Entfaltung kommt.  

Richtig ist sicherlich, dass Hollande im Wahlkampf den schnellen Truppenrückzug versprochen hat. Doch eine Zumutung wird nicht dadurch gemildert, dass man sie ankündigt. 

Diese Logik findet man auch in anderen Presseauswürfen des Tages. Darin ist durchgängig der Vorwurf zu lesen, dass der Präsident doch nicht ein Versprechen einlösen könne, welches er im Wahlkampf abgegeben hat. Hier geht es um die Verkürzung eines von Anfang an gescheiterten militärischen Einsatzes, den als Krieg zu bezeichnen sich niemand zu trauen wagt. Doch jeder Tag länger dort ist und bleibt eine Zumutung wie auch Teile der deutschen Presselandschaft, die nun darauf hoffen, dass ihre Bundeskanzlerin nach der Parlamentswahl in Frankreich auf einen in ihrem Sinne zugänglicheren Hollande treffen wird.

Hoffentlich nicht. Denn auch das wäre für Europa eine weitere Zumutung.

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Lohnabstandsgebot gilt auch für Bundesminister

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Nach zwölf Jahren gönnen sich die Regierungsmitglieder eine Aufstockung ihrer Bezüge. Mit der ersten Stufe von 3,3 Prozent, die rückwirkend zum 1. März 2012 zünden soll, bekommen Bundeskanzlerin und Bundesminister um die 500 Euro mehr im Monat. Grund für die Erhöhung ist das berühmte Lohnabstandsgebot. Denn die Entwicklung der Bezüge führender Beamter in den Ministerien befindet sich auf der Überholspur. Und das darf natürlich nicht sein und ist wahrscheinlich auch

“jenseits jeder realistischen Vorstellung”

Auf diese Formulierung griff Bundesinnenminister Friedrich zurück, als er die Gehaltsforderungen der Beschäftigten im öffentlichen Dienst als Verhandlungsführer der Arbeitgeber kommentierte. Ich will nicht falsch verstanden werden. Gerne dürfen sich die paar Regierungsmitglieder einen sicherlich unverdienten Schluck aus der Lohnpulle nehmen. Das bringt uns nicht um. Ich frage nur, warum den Beschäftigten im öffentlichen Dienst mit niedrigem Einkommen eine Anpassung ihrer Gehälter um mindestens 200 Euro mit aller Macht verwehrt wurde?

Dieser Personenkreis, der unter 2000 Euro brutto im Monat verdient, hat relativ wenig von einer prozentualen Erhöhung der Gehälter um 3,5 Prozent, ebenfalls rückwirkend zum 1. März.   

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Ein vermeintliches Klartextinterview im Zweiten

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Horst Seehofer gibt dem ZDF heute journal ein vermeintliches „Klartextinterview“, heißt es. Dabei zeigt dieser Vorgang eigentlich nur, dass beim heute journal selten Klartext geredet wird. Stattdessen werden Politiker von Journalisten mit öffentlich rechtlichem Dienstauftrag höflich um Erlaubnis gefragt, was sie senden dürfen und was nicht. Deshalb zeichnet man inzwischen jedes Interview vor einer Nachrichtensendung auf. Nur ist das überhaupt nicht der Auftrag der öffentlich rechtlichen Bedürfnisanstalten, wie Kabarettist Georg Schramm immer wieder vorträgt. Die werden doch eigentlich dafür bezahlt, damit sie ihrem Verfassungsauftrag nach staatsferner politischer Bildung und Aufklärung nachkommen. Aber außer dem Austauschen der Klofrauen bei den politischen Talksendungen – inzwischen sind wir bezeichnenderweise bei Jauch angekommen – ändere sich seit Jahren nichts.

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Nichtwähler holen diesmal wirklich über 40 Prozent

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Mit 41,4 Prozent haben die Nichtwähler die Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen klar für sich entschieden. Damit hat das Desinteresse an dem Urnengang im Vergleich zum letzten Mal um 0,3 Prozentpunkte abgenommen. Dennoch lag die Wahlbeteiligung mit 59,6 Prozent auf demselben katastrophalen Niveau wie 2009 (59,3 Prozent). Trotz der deutlichen Wahlenthaltung von rund 5,3 Millionen Wahlberechtigten – und die waren nicht alle in Dortmund auf der Straße unterwegs – sahen sich wieder viele Gewählte als Gewinner und mit einem Auftrag ausgestattet, für die Menschen in Nordrhein-Westfalen zu sprechen und sie zu vertreten.

Dass in diesem Wahlkampf irgendwelche Themen “gezündet” hätten, ist beileibe nicht erkennbar. Jede Form von Wahlanalyse muss angesichts des Fernbleibens so vieler Wähler zur Farce geraten. Einzig die Aussage ist richtig, wonach es auch in Nordrhein-Westfalen kaum eine sichtbare Alternative zur herrschenden Agenda gegeben hat. Klar haben die einen versucht, mit dem Thema Verschuldung zu punkten, ohne auch nur im Ansatz erklären zu können, wo sie denn zu sparen gedenken.

„Das Hirn ist tot, aber die Ausscheidungsorgane funktionieren noch“, sagt Kabarettist Christoph Sieber über die FDP. Dieser Satz trifft aber auch auf alle anderen Parteien im neoliberalen Einheitsbrei zu. Die SPD war bekanntlich Currywurst und konnte mit diesem von den Wahlbeobachtern hinterher als besondere Volksnähe interpretierten Schwachsinn rund drei Millionen von maximal möglichen 13,3 Millionen Stimmen einheimsen. Das ist natürlich ein Erfolg, den SPD und Grüne im Schlepptau erst einmal an der nächsten Imbissbude ordentlich abfeiern müssen.

Wenn das erledigt und die symbolische Currywurst verdaut ist, geht die Arbeit an der Zerstörung des Sozialstaats weiter, weil niemand mehr da ist, der sie im Parlament daran hindern könnte. Die SPD habe vor allem mit ihrer sozialen Kompetenz überzeugt und wolle eine Politik betreiben, die viel Geld in Bildung und Soziales investiere, so das Bild in der Öffentlichkeit. Das klingt schön, auf dem Fahrplan für Koalitionsverhandlungen steht aber gleich als erstes die weitere Abwicklung der WestLB. Sie erinnern sich, da hatte es im vergangenen Jahr schon eine turbulente Abstimmungsrunde in Düsseldorf gegeben. Am Ende hat die ganz große Koalition den Plänen zugestimmt.

Die Auswirkungen auf den Landeshaushalt, den das WestLB Desaster verursachen wird, bleiben weiterhin im Dunkeln. Klar ist jedenfalls, dass Friedrich Merz (CDU) für seine Beratertätigkeit in dieser Angelegenheit rund 5000 Euro pro Tag kassierte. Zuletzt machte die erste Abwicklungsanstalt (EAA) der WestLB (eine Bad Bank, die zu fast 50 Prozent im Besitz von NRW ist) einen Verlust von 878 Millionen Euro, weil der Schuldenschnitt in Griechenland zu Abschreibungen führte. Hier belasten die griechischen Rettungspakete, die klar die Handschrift Merkels tragen, den nordrhein-westfälischen Landeshaushalt.

Trotzdem durften CDU und vor allem die FDP einen Wahlkampf führen, in dem sie die Schuldenpolitik des Landes anprangerten. Für Christian Lindner lief das Ganze dann unter Prinzipientreue, der sich seine NRW-FDP angeblich verschrieben habe und die vom Wähler honoriert worden sei. Dabei scheint in Vergessenheit geraten zu sein, dass nicht Prinzipientreue, sondern schiere Unkenntnis das Verhalten der FDP bei der Abstimmung zum Landeshaushalt bestimmte. Die Liberalen wollten dem rot-grünen Gesetzentwurf ja so zustimmen wie er dalag, es aber nicht so aussehen lassen, als würde man die Minderheitsregierung allzu leicht bei ihrem Vorhaben unterstützen.

Dafür hat man nicht die verdiente Quittung kassiert, sondern nunmehr  einen Lindner an der Backe, der den Landesverband mit Hilfe der Medien und schöner Geschichten zwar gerettet, aber auch viel persönliche Erfahrung mit dem sinnlosen Versenken von öffentlichen Geldern gemacht hat. Daran wird man sich früher oder später wieder erinnern und die Enthüllung vielleicht als investigative Leistung verkaufen wollen. Im Augenblick gilt er jedenfalls als heißer Kandidat für eine Ablöse von Rösler, der als Frosch im immer heißer werdenden Wasser sitzt. Auf dieses Happy End mit Brechreizcharakter läuft der wohldurchdachte Handlungsstrang der Medien nun hinaus.

Eins scheint das Wahlergebnis auch zu bestätigen. Ein Teil der Wähler lässt sich vom Herdenverhalten der Medien willfährig anstecken. Mit Erstaunen stelle ich nämlich fest, dass die Besitzer von Hotels auch in Nordrhein-Westfalen noch einmal zugenommen haben.

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Gekaufte Wahlentscheidung?

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Die NachDenkSeiten drehen sich im Kreis. An dem Beitrag von Wolfgang Lieb “Die totale Lindner-Show” ist das Verhalten der Medien mit Blick auf die FDP sehr gut analysiert.

Allerdings ist der obligatorische Verweis auf wohlgesonnene Verleger und wohlhabende Mittelständler am Ende, die sich als kleine Interessengruppe zusammengetan hätten, um eine Wahlentscheidung in ihrem Sinne zu kaufen aus meiner Sicht nicht so recht nachvollziehbar. Welche Wahlentscheidung hätten die Herren denn gern? Egal ob die FDP in Düsseldorf knapp rein kommt oder nicht, spielt für die Regierungsbildung nach derzeitigem Stand und für die politische Richtung insgesamt keine Rolle. Weil es egal ist, wer mit wem koaliert. Selbst die Bundes-CDU hat die Wahl schon abgeschrieben, wie Lieb richtig feststellt.

Es ist doch wohl eher so, dass die FDP im Spiel gehalten wird, weil man Lindner aus Mediensicht eben schön aufblasen kann und er Seifenoper tauglich ist. Und die Seifenoper ist nun mal das Geschäft dieser Medien und nicht die seriöse Berichterstattung. Ich würde das unter die Kategorie zu Guttenberg einordnen, auch wenn dessen Ballon vor dem Platzen weitaus größer war. Wenn die Zeit reif ist, geht es im Fahrstuhl wieder nach unten. Es geht halt um Geschichtchen und Geschichten und um Klicks und Auflage. Darin besteht meiner Meinung nach das Interesse der Medien und ihrer Besitzer.

Dass mit dem Kaufen von Wahlentscheidungen aus politischem Interesse macht auch deshalb keinen Sinn, weil es nicht erklärt, warum dieselben Gönner dabei zugesehen haben, wie die FDP von denselben Medien vor kurzem noch beerdigt wurde. Unterm Strich wäre der betriebene Aufwand schlicht rausgeschmissenes Geld, nur um einer Partei über die Fünf-Prozent-Hürde zu helfen, die im Parlament aber dennoch ohne Einfluss bliebe. Es stellt sich doch die Frage, ob die FDP auch hochgeschrieben würde, wenn es keinen Lindner und keinen Kubicki gegeben hätte, sondern eine ähnlich farblose und rhetorisch untalentierte Gestalt wie den Rösler. Wahrscheinlich nicht. Auch das spricht gegen gekaufte Entscheidungen aus politischem Interesse.

Auch die NachDenkSeiten müssen doch einsehen, dass es völlig egal ist, welche Regierungskonstellation 2013 ihren Dienst antritt. An der politischen Richtung ändern weder schwarz-gelb, schwarz-rot, schwarz-grün noch rot-grün etwas. Allenfalls eine starke Linke könnte den etablierten Parteien in die Suppe spucken. Aber die scheint bereits erledigt zu sein. Von dort droht also auch keine Gefahr für eine bestimmte Klientel mit Partikularinteressen.

Auf der anderen Seite wird das viele Gerede um Koalitionsoptionen, politische Lager und neue Ampelformen (siehe Dänenampel oder schwarze Ampel) nur deshalb so inflationär betrieben, weil es in Wirklichkeit doch keine Auswahl an Alternativen mehr gibt. Alle sind für die Schuldenbremse, für Kriege um Handelsrouten und Ressourcen wie auch für Strukturreformen mit denen nichts anderes als die Zerstörung des Sozialstaates gemeint ist. Mit dieser Einheitlichkeit in ganz wesentlichen Punkten soll der Wähler nur nicht so stark konfrontiert werden, weil man dann unangenehme Fragen zum Zustand der Demokratie beantworten müsste. Deshalb moniert die jeweilige Opposition auch immer nur handwerkliche Fehler bei politischen Entscheidungen, die sie dann selbst immer mitträgt.

Reiche Verleger und bestimmte Interessengruppen müssen sich also keine Wahl mehr kaufen, weil das Angebot bereits voll ihren eigenen Ansprüchen genügt und der Wähler nichts mehr zu entscheiden hat, außer die Farbkombination der Verpackung, in der sich der immer gleiche Inhalt befindet. Der FDP-Hype dient zur Belustigung der Massen und verschafft den Medien selbst die Aufmerksamkeit, die sie brauchen, um ihre eigenen Anzeigen zu verkaufen. Es geht um banale Geschäftsinteressen auf einem Markt, der einfach immer weniger abwirft. Und charismatische Köpfe sind in allen Bereichen gefragt, unabhängig von ihrer Kompetenz und geistigen Zurechnungsfähigkeit.

Wenn sich die NachDenkSeiten von dem Vorwurf befreien wollen, Verschwörungstheoretikern immer neues Futter zu liefern, wäre eine Rückkehr zu mehr Sachlichkeit empfehlenswert. Dass es Kampagnen und Meinungsmache gibt und Frau Mohn, Frau Springer und Frau Merkel gemeinsam Kaffee im Kanzleramt trinken bestreitet ja niemand, doch sollte die Kritik an den herrschenden Verhältnissen auf die Verhältnisse gemünzt und begrenzt werden und damit auch auf die sich widersprechenden Aussagen derer, die diese Verhältnisse bloß konservieren wollen, aus welchen Gründen auch immer.  

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Journalistisches Herdenverhalten

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Jens Berger schreibt in seinem Artikel, Die Angst der Eliten vor dem Volk, über die Furcht der deutschen Presselandschaft, die eine Berichterstattung ganz im Sinne der von Merkel propagierten “marktkonformen Demokratie” betreibe.

Jede Art von Politik, die „die Märkte verunsichern“ könnte, wird verteufelt, Kritik an der neoliberalen Agenda ist unerwünscht. […]

Kann es jedoch auch sein, dass der Terminus „Finanzmärkte“ in diesem Kontext nur ein Synonym für die Meinung der „200 reichen Leute“, die „Eliten“, ist, die Sethe anführt?

Das mag schon stimmen, allerdings ist die Meinungsmache doch wohl eher einem Herdenverhalten von Journalisten geschuldet und weniger einem aktiv zum Ausdruck gebrachten Verleger-Willen. Ich glaube, die “200 reichen Verleger-Leute” müssen ihre Tintenknechte gar nicht mehr instruieren und auf Linie bringen. Denn wie an der Börse folgt die Herde inzwischen einem Trend und jeder noch verbliebene statt marktkonform verblichene Journalist schreibt vom anderen ab.

Es geht ja auch gar nicht mehr anders, wenn man bedenkt, dass Kosteneinsparungen und das Ausdünnen von Redaktionen auch zum betriebswirtschaftlichen Optimierungskonzept der Meinungsmacher zählen.

Wie an der Börse kommt es bei den Schreibenden nur darauf an, eine Geschichte glaubhaft zu machen und schon springt der Rest auf den fahrenden Zug mit auf. An der Börse bestimmen Gerüchte den Kursverlauf und die volkswirtschaftliche Realität tritt eher in den Hintergrund. In der Presse läuft es ähnlich. Wenn alle schreiben, dass eine Zunahme der Verschuldung nur eine Staatsschuldenkrise sein kann, die ihren Ursprung in einer zu lasch betriebenen Haushaltspolitik habe, trifft das ja auch spontan auf die Zustimmung der Kundschaft, die schon immer fest daran glaubte, dass der Staat viel zu viel Geld ausgebe und zu wenig spare.

Eine differenzierte Betrachtungsweise über die Unterschiede und die Notwendigkeit von Verschuldung findet nicht statt. Stattdessen macht sich die Politik die Haltung der Presse wiederum im Wahlkampf zunutze, um eine absurde Zuspitzung der Lage und der Lager zu erzielen. So möchte Norbert Röttgen in NRW zum Beispiel die anstehende Landtagswahl zu einer Abstimmung über Merkels Europakurs umfunktionieren, der nach der Wahl in Frankreich in Gefahr geraten sei. Merkel brauche für ihre Politik die Rückendeckung aus dem bevölkerungsreichsten Bundesland – statt einer fortgesetzten rot-grünen Schuldenpolitik, heißt es.

Selbst die FDP, die ohne Schulden im eigenen Parteihaushalt gar nicht mehr auskommt (8,5 Millionen allein bei der Bundespartei), beklagt eine Schuldenabhängigkeit des Staates, die von rot-grün weiter vorangetrieben würde und propagiert gebetsmühlenartig eine Konsolidierungspolitik, die ab einem bestimmten Zeitpunkt gänzlich auf die Aufnahme neuer Schulden verzichten soll. Das ist durchaus revolutionär, weil es Banken überflüssig machen würde. Die Forderungen nach einer Schuldenbremse, Schuldenfreiheit und einem ausgeglichenen Haushalt ohne neue Schulden sind aber mit dem Wirtschaftssystem, dass die freiheitsliebenden Parteien für alternativlos halten, einfach nicht vereinbar.

Das müsste eigentlich jeder normale Mensch spüren und wissen, dem der Begriff und die Bedeutung einer Investition geläufig ist. Die kann nämlich nur getätigt werden, wenn ein anderes Wirtschaftssubjekt spart, was nichts anderes als den Verleih von Geld bedeutet, für den es logischerweise auch Zinsen gibt. Ohne Staatsschulden oder mit einer Begrenzung derselben, wäre auch die von den gleichen politischen Kräften immer wieder propagierte private Altersvorsorge hinfällig. Es gebe ja dann keine Anlagemöglichkeit mehr, um Erspartes theoretisch in die Zukunft zu transferieren, was praktisch ohnehin nicht möglich ist. Aber das steht ja nicht zur Debatte, sondern die Widersprüchlichkeit in der neoliberalen Politik, die gerade den Medienschaffenden auffallen müsste.

Journalistisches Herdenverhalten ist daher kein Beleg für eine gezielt abgesprochene Meinungsmache, sondern viel eher ein Beweis für mangelnde Qualität. Zum Glück, und das stellt Berger richtig fest, interessiert unseren “Qualitätsjournalismus” trotz leichten Zugangs im Ausland niemanden.    

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Der Tag nach dem Tag danach

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Nach der ersten Aufregung über das politische Erdbeben, das Europa am Sonntag heimsuchte, brechen nun die vermeintlich sachlich geführten Diskussionen vom Zaun. Dabei setzt sich die Behauptung der düpierten Sparer durch, dass in ihren Fiskalpakten schon immer auch ein Wachstumsprogramm gesteckt habe, so zumindest der Schäuble. Doch welche Strategie er wirklich verfolgt, konnte man bei einem unfreiwilligen Mitschnitt eines Gesprächs zwischen ihm und einem Vertreter Portugals studieren. 

Die öffentliche Meinung in Deutschland müsse glauben, dass wir es ernst meinen. Und natürlich muss sie das, weil etwas anderes ja bedeuten würde, dass die Deutschen ihren Gürtel all die Jahre umsonst enger geschnallt hätten. Sollte sich nämlich Hollandes Neustart für Europa durchsetzen, wären die deutschen Exportüberschüsse, die die deutschen Arbeitnehmer durch Lohnverzicht und Verlängerung von Arbeitszeit und Arbeitsintensität über mehr als ein Jahrzehnt bezahlt haben, vergebens gewesen.

Lustig ist in diesem Zusammenhang Schäubles Bemerkung, dass Europa gut damit gefahren sei, nicht nach jeder Wahl bereits geschlossene Verträge neu zu verhandeln. Das sagt einer, dessen Chefin innen- wie außenpolitisch von einer Kehrtwende zur anderen stolpert, wenn es ihr nur opportun erscheint.

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