Zwischen Hammelsprung und Karlsruhe

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In diesem Blog habe ich schon mehrfach darauf hingewiesen, dass der Parlamentarismus in Deutschland nicht mehr als eine Posse ist. Der jämmerliche Zustand der Nationalversammlung, wahlweise auch Volksvertretung genannt, ist aber nicht erst seit dem Amtsantritt Angela Merkels virulent, sondern bereits zu jener Zeit offen zu Tage getreten, als Bundeskanzler a.D. Gerhard Schröder das Parlament mit der Begründung auflösen ließ, keine eigenen Mehrheiten für die begonnene Reformpolitik mehr organisieren zu können.

Nachdem Bundespräsident a.D. Horst Köhler den deutschen Bundestag am 21. Juli 2005 auflöste und Neuwahlen anordnete, folgten aber noch Parlamentsdebatten, in denen die rot-grüne Bundesregierung ohne große Auseinandersetzung Beschlüsse fassen konnte, unter anderem die Ausweitung des Afghanistan-Mandates am 28. September 2005 – also rund zehn Tage nach der vorgezogenen Bundestagswahl. Die Sondersitzung des Parlamentes in alter Zusammensetzung war notwendig geworden, weil das Mandat für den Einsatz am Hindukusch am 13. Oktober 2005 – also eine Woche vor der konstituierenden Sitzung des neugewählten Parlaments – ausgelaufen wäre.  

Die fortwährende Präsenz der Bundeswehr wurde damals noch mit der Lüge begründet, keinen Kriegseinsatz, sondern eine Friedensmission durchzuführen. Gleichzeitig setzen sowohl die bereits abgewählte Schröder-Regierung wie auch die damalige Opposition aus Union und FDP auf ein beschleunigtes Verfahren ohne Bundestagsdebatte, um größere Verwirrungen in der Öffentlichkeit zu vermeiden. 

Warum erzähle ich das? Weil es in einem Parlament um Mehrheiten geht und um die Aufgabe der Regierung, diese nach einem Verfahren, das man Debatte nennt, zu organisieren. Damals im Jahre 2005 zeichnete sich schon ab, welche Funktion die jeweils amtierende Exekutive dem Parlament künftig zugestehen wollte. Die ganz große Koalition, die sich bereits im Vermittlungsausschuss zum Thema Agenda 2010 hinter mehr oder weniger verschlossenen Türen freundschaftlich und einig zusammenfand, sollte nun auch im deutschen Bundestag beim sturen Abnicken der Regierungsvorlagen ihre Fortsetzung finden.

Die neben der großen Koalition ebenfalls vorhandene Mehrheit im 16. deutschen Bundestag für eine Politik, die die SPD in ihren Wahl- und Parteiprogrammen immer wieder ankündigte, blieb jedoch ungenutzt. Die SPD stand lieber treu als Juniorpartner an der Seite der Union und erteilte beispielsweise eigenen Vorlagen zum Mindestlohn eine Abfuhr, nur weil sie die Linkspartei taktisch geschickt ins Plenum einbrachte. Gleichzeitig warf die SPD als Partei mit einem Programm jener sich im Gründungsprozess befindlichen Linken vor, keines zu haben. Doch was nützt auch ein Programm, wenn man es gar nicht ernst nimmt, sondern in Wirklichkeit mit dem konform geht, was sich gegen die Mehrheit der Bevölkerung richtet.

Unter Angela Merkel ist das Parlament dann mit dem Vermerk “alternativlos” und der konsequenten Einführung der marktkonformen Demokratie an den Rand des Geschehens gedrängt worden. Doch auch hier hatte die SPD, mit ihrem Finanzminister Steinbrück – auch bekannt als best Krisenmanager ever – ihren Anteil, indem sie ein Ermächtigungsgesetz nach dem anderen für die schwächelnde Finanzindustrie durchpeitschte und später noch die verharmlosenden Vokabeln Rettungsschirm und Krisenmechanismus erfand. Doch was sollte gerettet werden? Nicht der Parlamentarismus, sondern der Euro, an dem alles, letztlich auch die bis zur Unkenntlichkeit deformierte Demokratie, irgendwie herumbaumelt.

Was war nun am Hammelsprung um das Betreuungsgeld und andere Gesetze so besonders? Hat das Parlament plötzlich seine Krallen gezeigt? Mitnichten. Wenn man weiß, dass es interfraktionelle Vereinbarungen über den Proporz bei Abstimmungen gibt, sieht die Sache anders aus. Falls nämlich in den Regierungsfraktionen Mitglieder fehlen, entsendet die Opposition immer nur soviel Abgeordnete wie nötig sind, um die Mehrheitsverhältnisse bei vollem Haus widerzuspiegeln. Das nennt man dann Geschäftsordnung oder parlamentarische Fairness. Jedoch hätte die ach so unfaire Opposition bei der Abstimmung über das Betreuungsgeld auch ein paar mehr eigene Mitglieder mobilisieren können, um eine überraschende Mehrheit gegen das Vorhaben der Bundesregierung zu organisieren.

Das tat sie aber nicht, weil die Feststellung der Beschlussunfähigkeit keiner der im Bundestag vertretenen Parteien einen größeren Schaden zufügt – das Verfahren über das Betreuungsgeld ist ja bloß verschoben –, sondern ausschließlich dem Parlament. Und das kann seine abermalige Beschädigung durch seine Mitglieder offenbar vertragen, wohingegen ein Verlust der Gesichter auf Seiten der Fraktionen hüben wie drüben unbedingt vermieden werden muss.

Wieso sollte das Theater eigentlich nicht abgesprochen gewesen sein? Unterm Strich hat man doch Zeit gewonnen – also das, was Bundeskanzlerin Merkel und die ihr ergebenen Fraktionen seit Jahren als politischen Erfolg verkaufen!

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Die Welt tobt, doch Merkel und die ihr hörigen Medien bleiben stur auf Geisterfahrt

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In Deutschland bekommt man kaum etwas von der zunehmenden Kritik an Merkels sturer Politik zu hören. Allenfalls ein von hiesigen Medien als dumpfes Geschrei transportiertes Echo ist zu vernehmen. Die Kanzlerin stehe wie ein Fels in der Brandung, heißt es dagegen bedeutungsschwanger, und sie wehre sich gegen eine Aufweichung von Regeln einer von den Mietmäulern als sinnvoll erachteten und nie näher untersuchten Sparpolitik (siehe Welt: Merkels knallharte Abwehrschlacht in Los Cabos).

Dabei kann weder von einer Sparpolitik die Rede sein – die Schulden steigen schließlich trotz Umsetzung der Auteritätsprogramme – noch kann man von der Einhaltung irgendwelcher Regeln fabulieren, die evident obsolet sein müssen, weil doch das Verfahren für jeden sichtbar längst gescheitert ist. Was aber, wenn der deutsche Michel mal wieder die Augen verschließt und in den Umfragen artig so antwortet, wie es die politischen Auftraggeber wünschen?

So sind 81 Prozent für noch schärfere Regeln bei der Einhaltung der Schuldengrenze, will das ZDF-Politbarometer herausgefunden haben. Diese Umfrage ist vergleichbar mit einer Erhebung aus dem Jahr 2007 zur Einführung eines Tempolimits auf deutschen Autobahnen. Damals sprachen sich ebenfalls 82 Prozent für eine gesetzliche Begrenzung der Geschwindigkeit aus. Allerdings wussten die Befragten, dass diese Regelung nur für Verkehrsteilnehmer gelten kann, die sich auch in Fahrtrichtung bewegen.

Eine Geschwindigkeitsbegrenzung für Geisterfahrer hat hingegen wenig Sinn, da solche Leute auch wenn sie nicht rasen eine unmittelbare Gefahr für die Straßenverkehrsordnung darstellen.   

Bei der Umfrage des ZDF verhält es sich nun ähnlich. Wenn man die Perspektive der Geisterfahrerei ausklammert, erscheint das Ergebnis rational. Dass der deutsche Michel nun nicht merkt, wie er hinters Licht geführt wird, mag zum Teil an ihm selbst liegen. Die Medien, die aber vor allem ihrem Selbstverständnis nach mit der Aufklärung des Michels beauftragt sind, versagen einmal mehr auf ganzer Linie. Sie versuchen nämlich den Eindruck zu vermitteln, dass der deutsche Wagen, trotz massiven Gegenverkehrs auf der gleichen Spur, in die richtige Richtung fährt.

Jakob Augstein schreibt zum Beispiel als vereinzelte Stimme dagegen an:

“Wir fahren gegen den Strom der wirtschaftlichen und politischen Vernunft und sind stolz darauf. Wir lassen uns einreden, dass alle Welt an “unser Geld” will. Dabei ist das erstens falsch und zweitens steht viel mehr auf dem Spiel als unser Geld.”

Und das etwas auf dem Spiel steht, ist auch an der zunehmenden Verkommenheit in der Sprache zu erkennen, mit der man die gesellschaftspolitische Geisterfahrt zu verteidigen sucht. Vom Nutzen ist da wieder die Rede und von deutschen Interessen, zu deren Durchsetzung man entweder mit oder ohne europäische Einigung und mit oder ohne Grundgesetz bereit ist. Mit Schaum vorm Mund wird eine chauvinistische Verbalattacke nach der anderen abgefeuert, während auf der anderen Seite von den in beständiger Regelmäßigkeit ertönenden Ordnungsrufen aus Karlsruhe kaum Notiz genommen wird.

Schandpragmatismus!

Die Elite lässt sich ihr zerstörerisches und verfassungswidriges Handeln in den ihr hörigen Medien verharmlosend als Pragmatismus auslegen. Wahr könne nur das sein, was Deutschland nütze, lautet die simple Formel. Nach dieser Vorgabe agiere Merkel souverän. Warum sollte uns Solidarität etwas nützen, wenn in den Krisenländern die Haushalte aus dem Ruder laufen und damit die Solidität in der europäischen Peripherie immer weiter schwindet. Bestrafung bei der Annahme vermeintlicher Hilfen, die als Disziplinierungsmaßnahme fehlinterpretiert werden, wirken wiederum rational aus der Sicht der Geisterfahrer.

Die politische Elite Deutschlands erinnert in ihrem infantil bockigen Auftreten fatal an jenen Schandpragmatismus einer Zeit, in der ein deutscher Irrweg gegen alle Vernunft sich darin äußerte, den Primat des Gedankens unter tosendem Beifall der aufgestachelten Massen einfach so ins Feuer zu werfen. Noch glänzt die deutsche Regierung und mediale Öffentlichkeit durch schiere Ignoranz oder Verachtung der Wirklichkeit. Doch kann man nicht gegen sie handeln. Die Wirklichkeit selbst ist das Kriterium der Praxis. Deshalb wird Merkel scheitern, was sie in Wirklichkeit ja schon ist. Nur will das hierzulande keiner wahrhaben.

Ein Überblick gefällig?

Wer mal in Zeitungsspalten gepresste Panik studieren möchte, dem sei gegenwärtig die Lektüre all der unzähligen Wirtschaftsartikel und Kommentare in der Auslandspresse empfohlen, in denen die Bundesregierung aufgefordert wird, endlich ihre Blockadehaltung bei der Einleitung kreditfinanzierter Konjunkturmaßnahmen aufzugeben. Ein Überblick gefällig?          

Quelle: Telepolis

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Auf der Ehrentribüne

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Sollte die deutsche Fußballnationalmannschaft heute Abend den Gruppensieg perfekt machen, kommt es im Viertelfinale am Freitag zur Begegnung mit den Griechen. Damit dürften die Schlagzeilen des Boulevards und sämtlicher anderer Medien für die kommende Woche wohl feststehen. Bundeskanzlerin Angela Merkel könnte zum ersten Mal bei dieser Europameisterschaft auf der Ehrentribüne in Danzig und wahrscheinlich neben einem Vertreter Griechenlands platznehmen. Möglicherweise sehen die Fans dann auch mehr von der politischen Begegnung in der Loge als von der sportlichen auf dem Feld.

Diesbezüglich hatte es in der vergangenen Woche vom ZDF-Kommentator Béla Réthy schon Äußerungen des Bedauerns gegeben, weil er Spiele ohne den üblichen Schwenk der Bildregie auf Politikernasen absolvieren musste.    

Gerade mit Blick auf die heute in Griechenland stattfindenden Parlamentswahlen dürfte der Partie am Freitag von den Medien eine besondere Rolle beigemessen werden. Wählen die Griechen links könnte die Bild-Zeitung neben dem Rauswurf aus dem Euro auch das sofortige Ausscheiden der Helenen bei der EM fordern. Flatter schreibt dazu absolut zitierwürdig:

“Die heißt nämlich “Euro2012″ und nicht “Drachme2012″. Und daran können sich auch die Pleitespanier gleich mal ein Beispiel nehmen. Wenn die frech werden, nehmen wir ihnen Messi weg und Ronaldo und ebenfalls die Rettungsschirme. Dann bleiben ihnen nur noch die Liegestühle. Auf denen aber liegen längst unsere Handtücher. Ja, da guckt ihr sparsam, was? Hättet ihr euch mal eher überlegen müssen.” 

Die Bundeskanzlerin hat vorsorglich mit der Einstellung der Hilfszahlungen gedroht, falls die Wahl in Griechenland nicht so ausgehen sollte wie gewünscht. Das würde dann bedeuten, dass die Südeuropäer auf Abruf weder deutsche U-Boote noch ihre Schulden bei deutschen und anderen europäischen Banken bezahlen könnten. Ein toller Plan, mit dem Merkels Chaostruppe noch immer alle verschaukeln will.

So ein Rausschmiss aus dem Euro ist außerdem schwieriger als gedacht. Denn diejenigen, die immer auf die Einhaltung von Verträgen pochen, müssten selbst vertragsbrüchig werden. Denn laut Merkels EU-Vertrag gibt es keinen Paragrafen, der den Austritt eines Landes regelt. Insofern hatte Merkel schon recht mit ihrer Schicksalsgemeinschaft, von der sie im Falle eines Wahlsieges der Linken oder einer Neuverhandlung des Austeritätsprogramms von wem auch immer, offenbar nichts mehr wissen will.

Darüber wird auf der Ehrentribüne wohl zu reden sein, wenn sich der Biorhythmus der Kanzlerin nach dem Ausflug zum G-20-Gipfel in Mexiko wieder normalisiert hat.

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Wohlfahrtsgewinn durch Verzicht

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Zwischen der Jagd auf Salafisten und der Fußball-Europameisterschaft beschäftigten sich die Medien auch mit Merkels Regierungserklärung. Das mit Abstand Blödeste, was ich zu diesem Thema heute in der Presse las, war ein Kommentar im Münchner Merkur, der die Bundeskanzlerin verteidigte und gegenüber Brüssel und Washington bekräftigte, dass Deutschland bis an den Rand der Selbstaufgabe bei der Eurorettung in Vorleistung gegangen sei.

„Es hat den durch den Verzicht seiner Bürger hart erarbeiteten Wohlfahrtsgewinn mehrerer Dekaden verpfändet und sieht sich mit der realen Gefahr des Verlusts seiner Spitzenbonität an den Kreditmärkten konfrontiert. Geriete Europas Kraftmaschine selbst in den Strudel der Krise, wäre für Europa nichts gewonnen – aber für Deutschland, seine Kanzlerin und die sie tragenden Parteien alles verloren.“

Die Frage ist doch, wer durch den Verzicht der Bürger einen Wohlfahrtsgewinn verbuchen konnte und damit nichts besseres anzustellen wusste, als ihn auf den Kapitalmärkten zu verjubeln. Wären die Überschüsse bei den Bürgern nicht vielleicht besser aufgehoben gewesen, um die Binnennachfrage zu stärken?

Der Verzicht für den Wohlfahrtsgewinn Weniger setzte sich aber auch gestern im deutschen Bundestag fort. Am Abend verabschiedete die Koalition, die im Prinzip auf die Einhaltung der absurden Schuldenbremse pocht, einen Nachtragshaushalt. Dieser sieht eine Erhöhung der Neuverschuldung um sechs Milliarden Euro vor. Mit dem Geld soll das Konto des europäischen Stabilitätsmechanismus ESM gefüllt werden, obwohl dieser noch nicht einmal vom Parlament ratifiziert wurde.

Das Absurde daran ist, dass sowohl die 17 Milliarden Neuverschuldung aus dem letzten Jahr wie auch die insgesamt 34,8 Milliarden Euro in diesem Jahr nicht im Widerspruch zur im Grundgesetz verankerten Schuldenbremse stehen. Wie das geht, hat Georg Schramm einmal sehr schön erklärt. Mehr Schulden ermöglichen nämlich mehr Schulden. Nach der Finanzplanung der marktkonformen bürgerlichen Regierung hätte Schäuble noch mehr neue Schulden aufnehmen dürfen.

Dass die Presse indes nichts von Finanzpolitik versteht, kann man sehr schön daran erkennen, dass sie die Reaktion der britischen Notenbank, ihren Währungsraum mit 100 Milliarden Pfund zu stärken, als mehr oder weniger gewöhnlichen Vorgang der Krisenpolitik bezeichnet, um die Kreditvergabe im Vereinigten Königreich zu erleichtern. Dabei liegen diese 100 Milliarden Pfund genauso wenig in den Tresoren der Bank-of-England herum wie jene Milliarden Euro, die ein Land wie Spanien, das eine deutlich niedrigere Gesamtverschuldung ausweist als Deutschland oder Großbritannien, dringend bräuchte.

Großbritannien druckt Geld gegen die sich verschärfende Wirtschaftskrise im Land und den sich abzeichnenden Verlust an Wohlstand. Die Eurozone druckt auch Geld, nur eben nicht um die Krise in den Griff zu bekommen und den Menschen, die dem Euro ausgeliefert sind, wenigstens ihre Existenz zu sichern, sondern um es den Geschäftsbanken zu geben, die es dann gegen “marktkonforme” Zinsen an die Staaten der Eurozone weiterverleihen.

In der Logik geht es dann auch nicht um den Erhalt irgendeiner Währung oder irgendeines Wohlstandes, sondern um die Rettung eines absurden wie gescheiterten Finanz- und Wirtschaftssystems innerhalb der Eurozone, das maßgeblich von Deutschland aus bestimmt wird. Je brüchiger das Ganze aber wird, desto härter wird der Ton und das Verlangen mit Bestrafungen und Sanktionen für eine radikale Anpassung der Politik in den Ländern zu sorgen, die als logische Verlierer der Gesamtkonstruktion bereits zum Start des gemeinsamen Währungsraums feststanden.

Ein Wohlfahrtsgewinn kann wenn überhaupt nur dann erreicht werden, wenn gerade wir Deutschen bei Wahlen auf Parteien verzichten, die eine Regierung wie die von Angela Merkel tragen.

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Die Presse spuckt Gift und Galle

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Wie erwartet spuckt die deutsche Presse Gift und Galle. Mit 100 Milliarden soll Europa und vor allem Deutschland für das Versagen spanischer Banker aufkommen, so der Tenor in den Redaktionsstuben. Dabei ist das Versagen spanischer Banker erst möglich geworden, weil deutsche Banker und Versicherer die Mittel zur Verfügung stellten, um den Immobilienboom in Spanien finanzierbar zu machen.

Den meisten deutschen Journalisten bleiben die Kapitalströme innerhalb Europas noch immer verborgen. Sie kapieren einfach nicht, welche Auswirkungen vor allem das deutsche Wirtschaftsmodell innerhalb der Eurozone hat. Aufgrund der binnenwirtschaftlichen Sparsamkeit (erzwungen durch permanenten Lohnverzicht und Gürtel-enger-schnallen) ist Deutschland ein großer Geldexporteur und damit auch Gläubiger spanischer Banken geworden.

Diese Tatsache lässt eine mehr oder weniger bedingungslose Rettung spanischer Banken aus politischer Sicht notwendig erscheinen, wenn man denn verhindern will, dass deutsche Institute erneut ins Straucheln geraten und wohlmöglich private Riesterrenten und Lebensversicherungen mit in den Abgrund ziehen. Denn der deutsche Michel hat kaum Kohle für ein eigenes Haus, aber für die sinnlose private Altersvorsorge, die vom Staat und damit wieder von ihm selbst, üppig subventioniert wird.

Spanische Staatsanleihen waren eine sichere Anlage, weil das Land auf der iberischen Halbinsel vor und auch während der Krise einen solide finanzierten Haushalt sowie eine niedrige Staatsverschuldung vorweisen konnte. Gerade mit Blick auf letzteres steht das Land noch immer besser da als beispielsweise Großbritannien oder auch Deutschland. Dennoch treiben marktkonforme Demokraten, kurz: Spekulanten, das Land an den Rand des Abgrunds.

Doch mit Gerüchten um den aufgeblähten Immobiliensektor wird den Anlegern suggeriert, spanische Banken könnten auf faulen Krediten sitzen, die letztlich das ganze Land nach unten ziehen. Damit steigen die Risikoaufschläge und die Prophezeiung eines Finanzierungsproblems erfüllt sich wie vorhergesagt.

Nun fordert die Presse aber nicht ein Ende der Spekulation oder ein Recht, seine eigene Währung auch drucken und ausgeben zu dürfen, sondern sie verlangt nach einer Bestrafungspolitik auch für Spanien. Die Sorge einiger Presseleute ist nicht etwa die, dass noch mehr Länder von Spekulanten ins Visier genommen werden, sondern dass die Griechen nach der Wahl die Bedingungen ihres Austeritätspaketes mit Verweis auf die spanische Lösung noch einmal nachverhandeln wollen.

Das wäre unerhört und ein Affront gegenüber der Kanzlerin, die den Euro schließlich nur retten will. Dabei ist nicht einmal klar, über welchen Mechanismus die 100 Milliarden, die Schäuble am Wochenende als ausreichend bezeichnete, an die spanischen Banken verteilt werden sollen. Es könnte sich dabei um ein Manöver handeln, den noch nicht ratifizierten ESM-Vertrag samt Fiskalpakt mit der nötigen Portion Druck durchzupauken. Denn ohne diesen Vertrag wäre die bereits als sicher verkaufte Rettung der spanischen Banken wohl hinfällig.

Mit viel Getöse dürfte erneut vor einem Scheitern der Eurorettung gewarnt werden und der lächerliche Streit um die Börsenumsatzsteuer in den Hintergrund treten. Bei diesem beschweren sich SPD und Grüne ja augenscheinlich über die Öffentlichkeitsarbeit der Union. Denn sowohl Kanzleramtsminister Pofalla wie auch Finanzminister Schäuble haben mit ihren Äußerungen, die Steuer überhaupt und schon gar nicht vor der nächsten Wahl umsetzen zu wollen, den schönen Plan der rot-grünen Vernebelungskünstler durchkreuzt.

Man könnte auch sagen, die CDU hat die Maske, mit der SPD und Grüne ihr Gesicht wahren wollten, einfach heruntergerissen. Zu Recht beklagen sich nun Gabriel und Trittin über einen schlechten Umgang innerhalb der großen Koalition. Nee, falsch: Gabriel hat das so formuliert:

Was die Union am Wochenende getan habe, sei „das Gegenteil von vertrauenswürdigem Verhandeln“, sagte Gabriel in der ARD-Sendung „Bericht aus Berlin“.    

Die Bundesregierung betonte indes, dass sie seit Jahren für eine solche Steuer eintrete. Leider haben andere Staaten etwas dagegen, hieß es zur Begründung. Man kann schließlich nicht jede Maßnahme so radikal und über Widerstände hinweggehend durchsetzen wie das beispielsweise bei dem ein und anderen (allen) Austeritätskurs in den Südländern geschehen ist.

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Um was wird bei der Euro2012 gespielt?

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Die vergangene Woche stand ganz im Zeichen der Euro2012. Nein nicht der in Polen und der Ukraine, sondern der in Brüssel, Berlin, Athen und Madrid. Wer darf den Euro behalten und wer nicht? Wer bekommt den Euro gegen Auflagen, um Banken zu retten und wer die Zustimmung zu seinem Fiskalpakt?

Gestern in der Halbzeitpause des Auftaktspiels der deutschen Mannschaft begrüßte Wolfgang Schäuble in den Tagesthemen die “Entscheidung” Spaniens, unter den europäischen Rettungsschirm zu schlüpfen. “Wir lösen die Probleme in den Ländern schrittweise”, so Schäuble in der ARD. Damit war er einen Tick offensiver eingestellt als Jogis Jungs, die im Spiel gegen Portugal oftmals einen Schritt zu spät kamen.

Auf die Frage, warum die ominöse Telefonkonferenz am Samstag stattfand, antwortete Schäuble souverän: “Weil da die Märkte geschlossen haben.” Ist das nun unfair gegenüber den Spekulanten, denen bei der Euro2012 gute Siegchancen eingeräumt werden oder einfach nur taktisch klug gespielt, um die vermeintlichen Rettungsgelder auch als solche erscheinen zu lassen?

Jedenfalls sieht der Plan aus Schäubles Schublade “Hilfs”Gelder von bis zu 100 Milliarden Euro vor, die laut dem deutschen Finanzminister ausreichen, um das Problem Spanien zu lösen. Die ganz große Endlösung ist derweil noch nicht in Sicht, da sich bedauerlicherweise erst vier Länder freiwillig dazu “entschlossen” haben, den sogenannten Rettungsfonds in Anspruch zu nehmen.

Neben den “faulen Griechen” und den zu “stolzen Spaniern” haben bereits Portugal und Irland unter dem Schirm ihren Platz einnehmen dürfen. Wer folgt nun als nächstes und sorgt damit für eine kollektive “Erleichterung”? Kandidaten sind reichlich vorhanden. Die Finanzmärkte werden bei ihrem Gegenangriff am Montag eine erste Duftmarke in diese Richtung setzen wollen. 

Unklar ist aber noch, ob die Berliner Variante der Euro2012 auf Fanfesten mit Public Viewing Angeboten begleitet wird. Denn nachdem SPD und Grüne mit ihrer Forderung nach einer Finanztransaktionssteuer einen linken Flügellauf erneut bloß antäuschten und nicht mal das Erreichen des Spielfeldes bereits als Durchbruch feierten, dürfte sich die Begeisterung der deutschen Schlachtenbummler eher in Grenzen halten.

Außerdem ist der deutsche Michel dank Aufklärungssendungen wie “Mein Revier – Ordnungshüter räumen auf” bestens informiert über den Fauxpas von Entwicklungshilfeminister Dirk Niebel, der einen Orientteppich an Zoll und Steuer vorbei mit Hilfe des BND ins Land schmuggelte. Allerdings sind einige Zuschauer irritiert darüber, dass es neben dem grünen und roten Kanal auch einen gelben für FDP-Minister außerhalb des Terminals zu geben scheint.

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TV-Tipp: Neues aus der Anstalt

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Neues aus der Anstalt heute Abend um 22.15 Uhr live und direkt nach dem heute journal. 

Unmittelbar vor Beginn der Fußball-EM sind Urban Priol und Erwin Pelzig in meisterlich-satirischer Verfassung. Gewohnt sicher spielen sich die beiden Spitzen-Kabarettisten die Bälle zu und beobachten, wer sich ins politische Abseits stellt. Hier wird jeder taktische Spielzug der Parteienvertreter genau analysiert.

Komplettiert wird das Team der Anstalt diesmal durch Luise Kinseher, Helge Schneider und Andreas Rebers.

Quelle: ZDF

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Die alte Leier von der Leyen

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Es fehlt an Personal in einem Bereich, der traditionell mies entlohnt wird. Es gibt zu wenige Erzieherinnen und Tagesmütter, heißt es. Ab August 2013 haben Eltern aber einen Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz, wenn die eigenen Kinder zwischen einem und drei Jahre alt sind. Die Kommunen kommen schon nicht mit dem Ausbau der dafür notwendigen Betreuungsplätze hinterher und nun fehlen auch noch die entsprechenden Fachkräfte. Das stellt für Bundesarbeitsministerin von der Leyen, die für dieses Thema eigentlich gar nicht zuständig ist, aber kein Problem dar. Sie will mal wieder Hartz-IV-Empfänger zwangsverpflichten.

Aber anders als bei der Debatte um Hartz-IV-Empfänger als Altenpfleger (“das könne ja schließlich jeder”) ist das schwarz-gelbe Gruselkabinett diesmal darauf bedacht, geeigneten Kandidaten eine Ausbildung an Fachschulen anzubieten. Damit der Plan auch nicht in den leisesten Verdacht gerät, eine Mogelpackung zu sein, bekräftigt die nun zuständige Ministerin Kristina Schröder “streng auf die Qualität der Aus- und Weiterbildungsinitiativen achten” zu wollen, da es sich um einen sehr sensiblen Bereich handele. Doch warum Hartz-IV-Empfänger?

Ganz einfach, weil dieser Personenkreis für jede Bezahlung arbeiten muss, egal wie streng auf die Qualität der Aus- und Weiterbildung auch geachtet wird. Die Alternative, die Berufe in “sensiblen Bereichen” dadurch attraktiver zu machen, indem man die Bedingungen verbessert, kommt bei von der Leyen und Schröder nicht in die Lohntüte. Denn die Bundesregierung setzt sehr streng auf die Mitesser der Gesellschaft. Nämlich die, die in Anzug und Krawatte auf dem Börsenparkett für n-tv vor der Kamera stehen.   

Schön wäre ein Roland Berger Friedhof mit einer McKinsey Ecke, meinte Volker Pispers schon 2004. Man könne sich doch einfach mal vorstellen, dass morgen alle Unternehmensberater, alle Investmentbanker und alle Aktienanalysten tot umfallen bzw. alle Krankenschwestern, alle Polizisten, alle Feuerwehrleute, alle Altenpfleger und natürlich alle Erzieherinnen. Wer würde ihnen persönlich fehlen? Bei Frau von der Leyen und Frau Schröder scheint es ja klar zu sein.

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