Jens Berger erklärt die “Rettungsroutine”

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Wohin fließen eigentlich die Rettungsgelder? Dieser Frage geht Jens Berger im dritten NachDenkSeiten Podcast nach. Dabei finde ich folgende Grafik über die Änderung der Gläubigerstruktur Griechenlands sehr aufschlussreich. Die Rettungspolitik hat vor allem den privaten Gläubigern genutzt. Alle bisher getroffenen Maßnahmen dienten augenscheinlich dem Zweck, den Anteil der öffentlichen Gläubiger gemessen an der Gesamtverschuldung zu erhöhen. Das bedeutet natürlich umgekehrt ein Bail-out des Privatsektors aus der Risikohaftung. Denn sollte es zu einem weiteren Schuldenschnitt kommen, wie es die Spatzen bereits von Dächern pfeifen, werden die öffentlichen Gläubiger, also die Steuerzahler, auf Forderungen verzichten müssen.

Die Änderung der Gläubigerstruktur ist nicht per se schlecht, da die öffentliche Hand auch andere Modalitäten wie etwa ein Moratorium vereinbaren kann. Das funktioniere aber nur solange, wie die solventen Staaten nicht selbst unter den Beschuss der Spekulanten geraten. Wie wir alle wissen ist der EFSF und der ESM kürzlich durch Moody’s abgewertet worden. Am Ende könne also nur die Zentralbank die notwendige Feuerkraft aufbringen, um Angriffe dieser Art gegen einzelne Eurostaaten abzuwehren.

Gläubigerstruktur

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TV-Tipp: Neues aus der Anstalt

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Priol und Pelzig ziehen Jahresbilanz am Dienstag, 18. Dezember um 22.15 Uhr wie immer live und nach dem heute journal.

Neues aus der Anstalt_NEU

Urban Priol und Erwin Pelzig servieren in der satirischen Weihnachtsbäckerei von „Neues aus der Anstalt“ frisches, heißes Politkabarett. Sie schenken der Koalition und Opposition eine kritische Jahresbilanz und ihren Zuschauern eine traditionell längere Festtagssendung mit 60 Minuten.

Als Gäste haben sich Rainald Grebe, Michael Hatzius, Jochen Malmsheimer und Nico Semsrott angekündigt.

Quelle: ZDF

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Noch drei Jahre und die Dekade ist voll

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Im Augenblick laufen ja wieder die Jahresrückblicke, dabei steht uns noch einiges bevor. Zum Beispiel die Ansprachen des politischen Leitungspersonals an Weihnachten und Neujahr. Am 25. Dezember spendet mit Joachim Gauck mal wieder ein neues Gesicht aus den Hallen von Schloss Bellevue den traditionellen Segen Urbi et Orbi, bevor dann die Regentin zu ihrer insgesamt achten alles ist und wird gut Rede ansetzten wird. Wenn schon zurückblicken, dann doch hier.

Als Merkel 2005 antrat, war ihr größter Wunsch, in Freundschaft mit den Nachbarn zu leben und mit kleinen Schritten das Land “in zehn Jahren wieder an die Spitze Europas zu führen”. Es folgte das Sommermärchen und die merkelsche Feststellung am Ende des Jahres 2006, dass sich Deutschland Schritt für Schritt gewandelt habe. Eine Kultur des Hinsehens, dieses Motto sollte für das Jahr 2008 gelten. Bei der sich abzeichnenden Bankenkrise schauten aber alle weg, was die Kanzlerin mit Blick auf 2009 wohl zu der Einleitung bewog, Wichtiges von Unwichtigem zu trennen. Die Finanzkrise war zu diesem Zeitpunkt nur ein Exzess von einigen Bankern und Managern ohne soziales Verantwortungsbewusstsein. Sie wollte daher nicht locker lassen, bis es endlich Regeln gebe. Heute hält sie die Zügel wohl noch immer fest in ihrer Hand.

Das Jahr 2009 sollte durch schnelles Handeln im Geiste bereits gemeistert™ werden, um stärker aus der Krise herauszugehen als man hineingetippelt war. Die Party an den Finanzmärkten war bereits zu Ende, doch Merkel wollte noch ein wenig weiter feiern. Nicht nur 60 Jahre Bundesrepublik, sondern auch die Feierlichkeiten zu 20 Jahre Mauerfall standen unmittelbar bevor. Die größte Krise aller Zeiten musste folgerichtig hinter die gefühlsduselige Silvestererinnerung von Angela mit ihrem Joachim in Hamburg zurücktreten. Ein Jahr später erklärte die Kanzlerin die schwerste Krise seit 60 Jahren bereits für beendet. Von nun an galt es den Euro zu retten und den Fokus auf eine Staatsschuldenkrise™ zu legen, die man nur erfand, um das Meistern der Finanz- und Wirtschaftskrise in Deutschland verkünden zu können.

Jetzt müsse halt Europa stärker aus der Krise herausgeführt werden, als es hineingegangen war. Und wer könnte das besser, als eine schwarz-gelbe Gurkentruppe™, der das mit Deutschland schon gelang? Das Jahr 2011 war für Merkel trotzdem wie eine Wundertüte. Arabischer Frühling, Fukushima und der siebenmilliardste Erdenbürger, darüber dachte die Kanzlerin während ihrer bisher letzten Ansprache nach. Frieden, Freiheit, Gerechtigkeit, Menschenrechte und Demokratie sind keine kodifizierten Rechte mehr, sondern hängen mehr denn je von der Sicherheit einer Währung ab, ja von dem Vertrauen der Finanzmärkte. Die marktkonforme Demokratie ist zu einem erklärten politischen Ziel der deutschen Regierungschefin geworden. Was wird sie diesmal sagen, am 31. Dezember 2012?

Sie wird natürlich wieder den Soldaten danken, die noch immer ihr Leben für Freiheit, Sicherheit und Schürfrechte riskieren, aber auch feststellen, dass ihre “Rettungsroutine” von Erfolg gekrönt sei. Bis zur Bundestagswahl ist die Eurokrise ja gelöst und die Verleihung des Friedensnobelpreises an die Europäische Union sei für sie Bestätigung und Ansporn zugleich, so weiterzumachen wie bisher. Mit historisch niedrigen Zinsen sei das Vertrauen der Finanzmärkte in Deutschland so hoch wie nie und damit auch die amtierende Bundesregierung so gut wie nie.

Noch drei Jahre und die Dekade ist voll. Dann hat Angela Merkel ein Jahrzehnt regiert und Deutschland an die Spitze Europas geführt, wie sie es 2005 versprach. Sie hat das Land aber Schritt für Schritt an die Spitze eines Europas geführt, das die Wunden ökonomischer Unterwerfung und Diskriminierung trägt. Und wer wird dann noch über die Freundschaft mit Nachbarn und Partnern reden, die in Frieden und Freiheit leben?

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Bildungsausgaben steigen nur nominal nicht real

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Die nächste Jubelmeldung des statistischen Bundesamts betrifft die öffentlichen Bildungsausgaben. Sie steigen im Jahr 2012 auf über 110 Milliarden Euro. Damit gaben Bund, Länder und Gemeinden 4,7 Milliarden Euro mehr aus als 2011. In den Nachrichten wird die Meldung aus Wiesbaden durchweg positiv bewertet und von einer Rekordsumme gesprochen, obwohl das schwache Abschneiden Deutschlands im internationalen Vergleich der Bildungsbudgets gleichwohl bekannt ist.

Doch keinem scheint aufgefallen zu sein, dass sich auch gemessen am Bruttoinlandsprodukt rein gar nichts verändert hat. Laut Aussage der Statistiker hat es im Vorjahr öffentliche Bildungsausgaben in Höhe von 105,6 Milliarden Euro gegeben, die gemessen am BIP von 2011 (2592,6 Mrd. Euro) 4,1 Prozent ausmachten. Nun werden 110,3 Milliarden Euro veranschlagt. Legt man nun die Wachstumsprognose der Bundesregierung in Höhe von 1 Prozent für 2012 zugrunde, würde ein BIP von 2618,5 Milliarden Euro herauskommen. Damit lägen die veranschlagten Bildungsausgaben bei 4,2 Prozent des BIP. Was für ein Sprung.

Nimmt man nun in einem zweiten Schritt Merkels berühmten Satz nach dem nicht minder berühmten Bildungsgipfel in Dresden aus dem Jahr 2008 zum Maßstab, der da lautete, die öffentlichen Bildungsausgaben bis zum Jahr 2015 auf mindestens 10 Prozent des BIP anzuheben, scheint es ja geradezu in einem Affentempo voranzugehen. In Wahrheit wird nicht mehr ausgegeben, sondern weiterhin gespart.

Rekordausgaben hin oder her, nominal ist nicht real. 

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Stoersender.tv mit Dieter Hildebrandt

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Dieter Hildebrandt: „Die Öffentlich-Rechtlichen machen sich in jede Hose, die man ihnen hinhält und die Privaten senden, was drin ist…“

Das neue Projekt von und mit Kabarettisten, die ihre Fernsehzeit hinter sich gelassen haben.

„Zuschauen war gestern. Heute gibt’s Störsehen. Mach mit!“

Der Hinweis kam übrigens von Pelzig, dessen Interview mit Roger Willemsen absolut empfehlenswert ist. Er deutete an, dass im kommenden Jahr auch Georg Schramm wie auch Willemsen und Pelzig an dem Projekt mitwirken werden.

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Passende Platzierung

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Die Onlineredaktion der Tagesschau hat mal wieder eine perfekte Platzierung der Nachrichten vorgenommen. Ganz oben natürlich die Mutti, die heute einen klaren Kantersieg einfahren konnte.

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Sie kommentierte ihre Wahl mit den Worten, „jetzt aber ran an den Speck“. Ob man das auf griechisch übersetzen kann? Jedenfalls meinte die rhetorische Ausfallerscheinung der Union mit Speck wohl die anstehende Wahl in Niedersachsen. Nur als Wahlkämpferin taugt Merkel noch weniger. Jeden, den sie offen untertstützte, stürzte kläglich. Sarkozy, de Jager, Mappus, Turner und bald auch McAllister? Letzterer klammert sich in seiner Verzweiflung nicht an den eigenen Schottenrock, wohl aber an den gleichnamigen Zipfel des wandelnden Hosenanzugs. Die niedersächsische CDU stehe wie eine eins hinter der großen Anführerin. Der „Rücktritt“ des Ministerpräsidenten kam überraschend. Das Wahlergebnis der alten zur neuen CDU-Vorsitzenden bestätigte aber den Trend zur blinden und bedingungslosen Gefolgsamkeit.

Merkel selber riss die Delegierten während ihrer Rede wohl im Geiste von den Sitzen, denn im Saal war es sichtlich ruhig. Sie lobte Märkel, abgeleitet von Angela Marktkonform, und führte die niedrigen Arbeitslosenzahlen als Begründung an. Ihre Regierung sei die Beste seit der Vereinigung. Zur höchsten Staatsverschuldung aller Zeiten gab es nichts zu sagen. Wahrscheinlich gehört dieser Punkt unter die Kategorie „erfolgreiche Wirtschaftspolitik“.

Auf dem Parteitag der CDU gab es wenig Geistreiches. Dafür schwebte scheinbar ein schwarz-grünes Gespenst über der Veranstaltung. Ob die FDP den Iran mit dem Abfangen der feindlichen Drohne beauftragt hat, ist nicht überliefert. Deppendorf meinte nur, dass das Thema allenfalls auf den Gängen im Saal besprochen wurde. Die Standleitung der ARD zum Flurfunk ist echt beeindruckend.

Was uns zum Verlierer des Tages führt. Eingezwängt zwischen dem Dax und der Zeitgeschichte sowie zwischen dem gescheiterten Steuerabkommen mit der Schweiz und der gescheiterten Bankenaufsicht befindet sich Peer Steinbrück, über den man erfährt, dass er kurz vor seiner offiziellen Nominierung zum Kanzlerkandidaten der SPD noch einen Vortrag bei einer kleinen schweizerischen Privatbank halten wird. Das war halt so abgesprochen. Während also das Steuerabkommen gestorben ist und die Bankenaufsicht weiter versagt, der Dax auch keine gute Figur abgibt und die Nachrichten von vor 20 Jahren, na ja, von gestern sind, grinst der Steinbrück der Gegenwart, das bedauerliche Schicksal der SPD, ohne Blumen aus einem Bild.

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Jubelmeldung: Exporte ziehen an

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Die deutschen Ausfuhren sind im 3. Quartal um 3,6 Prozent gestiegen, lautet die Jubelmeldung des statistischen Bundesamtes, die natürlich Eingang in die Nachrichtensendungen gefunden hat. Interessant ist aber, dass im gleichen Zeitraum die Einfuhren um 0,4 Prozent abgenommen haben. In Zahlen ausgedrückt heißt es nicht nur, Deutschland habe Waren im Wert von 275,4 Milliarden Euro abgesetzt, sondern zudem einen ziemlich schädlichen Überschuss von rund 50 Milliarden Euro in nur einem Quartal angehäuft.

Rechnet man alle Quartale zusammen beläuft sich der Exportüberschuss jetzt schon auf 143,5 Milliarden Euro. Im Vergleichszeitraum 2011 waren es zu diesem Zeitpunkt 119,1 Milliarden Euro.

Diesen Überschüssen stehen zwangsläufig Defizite gegenüber. Doch wer Defizite abbauen will, so wie die Bundesregierung das von den Eurozonenländern verlangt, muss zwangsläufig auch Überschüsse reduzieren. Im Moment sieht es so aus, als könne das einseitige deutsche Exportmodel durch Länder außerhalb der Eurozone getragen werden (Die Einbrüche der Ausfuhren in die Eurozone werden in den Nachrichten natürlich verschwiegen). Die Frage ist nur, wie lange das gutgehen kann. Diese Länder werden Defizite auf Dauer nicht hinnehmen und da sie nicht in Euro abrechnen, werden sie währungspolitisch zurückschlagen müssen.

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Tichy meint, es gibt keine Armut

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Warum reden, rechnen und politisieren wir uns so zwanghaft arm, fragt WiWo Chefredakteur Roland Tichy.

„Denn nur Arbeit schafft neben Lohn auch jene Wertschätzung, die die Menschen so dringend brauchen.“

Quelle: WiWo Blog

Genau, der Lohn ist gar nicht so wichtig. Wer glaubt, dass eine Wirtschaft dauerhaft von Exportüberschüssen leben kann, der glaubt auch, dass man sich von der Wertschätzung, deren Existenz man erst noch beweisen müsste, etwas zu essen kaufen kann.

Angesichts dieser geistigen Armut fällt es leicht, Deutschland als sozialpolitisches Musterland zu erkennen, in dem sogar die Jugendarbeitslosigkeit „trotz des Versagens der Bildungspolitik“ im Vergleich zu anderen Ländern geringer sei. In Frankreich, Italien und Spanien gelten Mindestlöhne und starre Arbeitsmärkte, die jeden zweiten Jugendlichen aussperren, so Tichy.

Es kommt halt immer darauf an, wie genau man hinschauen will. Die internationalen Statistiken zur Jugendarbeitslosigkeit sind seltsamerweise immer höher als die Datenerhebungen hierzulande. Das interessiert Tichy freilich nicht. Bei der Bundesagentur werden Jugendliche, die nur eine Ausbildungsstelle suchen nicht als arbeitslos gezählt. Das ist jetzt noch nichts Besonderes und wird auch in anderen Ländern so gehandhabt, allerdings hätte der Chefredakteur der Wirtschafts Woche schon darauf kommen können, dass Jugendliche einem hohen Risiko ausgesetzt sind. Sie werden schneller arbeitslos, kommen aber auch relativ zügig wieder in Beschäftigung, wenn die volkswirtschaftlichen Rahmenbedingungen stabil bleiben.

Ein gebildeter Mensch würde jetzt diese leicht festzustellenden Fakten nehmen, anschließend auf die Realität übertragen und sich die Frage stellen. Was passiert, wenn die Wirtschaft stagniert oder schrumpft? Obwohl die deutsche Jugendarbeitslosigkeit vergleichsweise niedrig ist, würde auch sie beim Einbrechen der Wirtschaft als erste rasant zunehmen. Gerade das lehrt uns die Entwicklung in den europäischen Südländern. Tichy müsste eigentlich alarmiert sein, da die Exportfixiertheit Deutschlands direkt von der Performance der Südeuropäer abhängig ist.

Die detaillierten Daten zur Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts im 3. Quartal müssten Herrn Tichy ebenfalls erschrecken, da sie seine Theorie, die Statistik weise kein Elend aus, Lügen straft. Die Zunahme des BIP ist nur noch gering. Die Ausrüstungsinvestitionen der Industrie gehen bereits zurück und nehmen damit auch den Einbruch der Wirtschaft insgesamt vorweg. Die realen Arbeitnehmereinkommen stagnieren seit Jahren und damit auch die Konsumausgaben, wohingegen die Exportüberschüsse neue Rekordstände erreichen. An diesen werden die Arbeitnehmer aber nicht beteiligt.

Folglich nehmen die Ungleichgewichte, die als Ursache der massiven Verschuldung in Südeuropa gelten müssen, innerhalb der Eurozone immer noch zu statt ab. Das wiederum hat aber überhaupt nichts mit Mindestlöhnen in den jeweiligen Ländern zu tun, wie Tichy insinuiert. Er bedient sich eines Tricks und verdreht Ursache und Wirkung. Gerade die Lohndrückerei Deutschlands hat zu ungerechtfertigten Wettbewerbsvorteilen geführt. Auf dieser Grundlage war es möglich die Beschäftigungssituation insgesamt zu beschönigen, obwohl weitestgehend Unterbeschäftigung und Einkommensarmut herrscht.

Das geistige Elend führender Wirtschaftsjournalisten ist erschreckend. Das kann aber auch Absicht sein.

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Fassadendemokratie

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Sahra Wagenknecht im Bundestag zur Abstimmung über die jüngsten „Griechenland-Hilfen“:

„Warum spielen sie alle als brave Marionetten in dieser Fassadendemokratie mit und lassen eine Koalition weiter herumstümpern, die offenbar glaubt, die soziale Realität in Deutschland und Europa ließe sich genauso leicht frisieren wie der Armuts- und Reichtumsbericht?“

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Versorgungssicherheit heißt, jemanden sicher versorgen

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Energieintensive Unternehmen erhalten bisher einen Mengenrabatt, weil sie viel Strom verbrauchen. Das bleibt auch so. Neu ist aber, dass dieselben Unternehmen auch Prämien kassieren können, wenn diese mal kurz auf Strom verzichten. In beiden Fällen zahlt  der normale Verbraucher indirekt über seine Stromrechnung die Geschenke an die Industrie. Während also die Bürger ständig aufgefordert werden, Strom zu sparen und gegebenenfalls den Anbieter zu wechseln, kann sich die Industrie weiterhin über Rabatte, Prämien und eine Deckelung der Haftung freuen. 

Damit ist auch klar, was mit “Versorgungssicherheit in Deutschland” gemeint ist. Die Konzerne und deren Besitzer müssen sicher mit dem Geld der Nichtbesitzenden versorgt werden. Die dürfen müssen dann freilich einen der vielen schlechtbezahlten Jobs annehmen. Aber wie wir aus der neuesten Version des Armutsberichts wissen, ist diese Entwicklung keinesfalls schädlich für eine Gesellschaft, sondern ein “Ausdruck struktureller Verbesserungen”.

Es ist schon erstaunlich, mit wie viel Verve sich der liberale Wirtschaftsminister für staatliche Eingriffe in einen Markt einsetzt, der doch eigentlich alles von alleine regeln soll. Es konnte ja auch keiner ahnen, dass Windmühlen auf dem Meer ihren produzierten Strom nicht durch die Luft katapultieren, sondern wie gewöhnlich per Kabel an ein Transportnetz angeschlossen werden müssen. Aber so ist das in einer Leistungsgesellschaft. Da riesige Windparks theoretisch viel leisten, nämlich Megawatt um Megawatt, müssen stinknormale Verbraucher, die ja nichts produzieren, tiefer in die Tasche greifen. Leistungslosen Wohlstand dürfe es aus Sicht von Rösler ja nicht geben.

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