Den Eingriff in die Souveränität eines Staates erledigt der deutsche Finanzminister bewusst am Wochenende

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Bundesfinanzminister Schäuble und der Internationale Währungsfonds (IWF) wollten ursprünglich eine Zwangsabgabe in Höhe von 40 Prozent. Nun verteidigt Schäuble die gefundene Lösung und sagte dem ZDF, dass die Aktion bewusst vor dem langen Wochenende in Zypern geplant worden sei. Schäubles Satz sollten Sie sich merken:

„Bankeinlagen sind eine sensible Sache, da muss man schnell handeln, daher macht man es am Wochenende.“

Den Eingriff in die Souveränität eines Staates erledigt der deutsche Finanzminister also bewusst am Wochenende. Bekannt war bisher, dass unpopuläre Beschlüsse wahlweise zur nächtlichen Stunde oder während Spielen der deutschen Nationalmannschaft getroffen wurden. Wenn es ums Ausland geht, fährt die Bundesregierung eine andere Strategie, um das Überraschungsmoment auf ihrer Seite zu behalten. Ich weiß gar nicht, ob dieses Vorgehen und diese Chuzpe von Schäuble mit schäbig auch nur ansatzweise richtig beschrieben wäre.

Inzwischen erwägt die konservative Regierung in Nikosia, die Banken auch am Dienstag geschlossen zu halten, falls das Parlament dem Plan der Eurogruppe im Schnellverfahren am verlängerten Wochenende nicht zustimmt. Derzeit hat die Zentralbank Zyperns alle Transaktionsgeschäfte gestoppt. Angesichts dieser Entwicklung kann kein Journalist mit der angebotenen Begründung der Regierung auch nur ansatzweise zufrieden sein. Was hier vor sich geht, hat mit der Sicherung des Euros nichts mehr zu tun. Brüssel und die Bundesregierung haben die Macht an sich gerissen und diktieren im Auftrag der Finanzmärkte nach belieben.

Nüchtern betrachtet, und das fällt schwer, ist die Währungsunion und Europa als Ganzes dem Zusammenbruch wieder ein Stück näher gerückt.

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Jetzt ist Zypern dran

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Per Zwangsabgabe werden Zyperns Bankkunden zur Kasse gebeten. Dies haben die Finanzminister der Euro-Länder in der Nacht auf Samstag beschlossen. Demnach soll von jedem Konto, das einen Stand von unter 100.000 Euro aufweist, ein Sonderbeitrag von 6,75 Prozent abgezogen werden. Die Bankbesitzer bleiben ungeschoren und damit zeigen die marktkonformen Demokraten wieder einmal ihr hässliches Gesicht.

Natürlich beteuern die sogenannten „Euroretter“ die Einmaligkeit und, na klar, die Alternativlosigkeit des Vorgangs. Dabei wird auch bei diesem Schritt deutlich, dass die Interessen der Finanzwirtschaft Vorrang genießen. Alarmierend ist dabei die Aussage von Bundeskanzlerin Angela Merkel am Rande eines CDU-Parteitags in Grimmen. Sie ist plötzlich der Meinung, dass die Einleger der Banken einen Beitrag zur Rettung der Institute leisten müssten: „Damit werden die Verantwortlichen zum Teil mit einbezogen – und nicht nur die Steuerzahler anderer Länder – und ich finde, das ist richtig.“

Diese Äußerung ist an Dummheit und Fahrlässigkeit kaum noch zu überbieten. Beim Ausbruch der Krise sah sich die Kanzlerin mit ihrem damaligen Finanzminister Steinbrück noch genötigt, eine Garantie auf Spareinlagen abgeben zu müssen, um eine Panik bzw. einen Banken-Run zu vermeiden. Nun nimmt sie einen weiteren Vertrauensverlust in den Euro und das System der Banken, hier dem heiligen Einlegerschutz, aus opportunistischen Gründen billigend in Kauf. Der Run auf die Banken ist fest einkalkuliert und wird von den Instituten selber, die den Coup zusammen mit Brüssel ersonnen haben, mit einer Ausgabensperre beantwortet.

Auf Zypern werden nun primär einheimische Kunden zur Kasse gebeten. Die Mär von den russischen Oligarchen, die auf der Insel ihr Geld wuschen, ließ sich nie bestätigen. Die Bundesregierung wusste das von Anfang an und spielte dennoch auf Zeit, da Merkels Image eine weitere Baustelle in Europa gerade nicht gebrauchen konnte.

Dabei ist die Schieflage des zyprischen Bankensektors folgerichtig und reiht sich nahtlos in die katastrophale „Eurorettungspolitik“ ein.

Diese Krise ist eine Folge der verkorksten Griechenland-„Rettung“, insbesondere der beiden von Deutschland erzwungenen Umschuldungen. Aber davon will man in Berlin natürlich auch nichts wissen…

Quelle: Lost in EUrope

Der Schritt, die Kunden der Banken in die Pflicht zu nehmen, hat sehr viel mit der Verabschiedung eines weiteren „Rettungspakets“ durch die Parlamente anderen Euroländer zu tun. Im November hätte Merkel nicht schon wieder vor den Bundestag und das Wahlvieh treten können. Und auch jetzt wäre das erneute Werben um Milliarden Hilfen kaum vermittelbar. Daher muss die deutsche Regierungschefin ihr national-chauvinistisches Blatt weiter ausspielen und eine Gegenleistung der „Bittsteller“ vorweisen, sei diese auch noch so absurd, widersprüchlich und selbstzerstörerisch.

Den Stammtisch wird sie mit dieser Aktion vielleicht noch erreichen, doch die Folgen sind wie bei jeder ihrer Entscheidungen katastrophal. Bundesfinanzminister Schäuble nennt das beschlossene Programm für Zypern fair. „Wir müssen im Sinne einer fairen Lastenteilung Eigentümer, Gläubiger und Einleger an den Kosten der Banken beteiligen.“ Gleichzeitig muss das Land der Privatisierung von öffentlichen Betrieben und massiven Ausgabenkürzungen zustimmen. An dieser Stelle arbeitet die Troika, sollte sie das Mandat erhalten, wie gehabt.

Das heißt, durch die übliche Kürzungspolitik raubt man dem Land nicht nur die volkswirtschaftliche Existenzgrundlage, sondern stiehlt den Menschen, die mit Arbeitslosigkeit und niedrigeren Einkünften rechnen müssen, auch noch ihr gespartes Vermögen, obwohl sie das mit Sicherheit brauchen werden, um die Segnungen der „Eurorettungspolitik“ irgendwie überstehen zu können. Die menschenverachtende Politik zum Wohle der Banken kennt somit keine Grenzen mehr. Das ist die Botschaft die Merkel, Schäuble und die „Euroretter“ tatsächlich aussenden. Leider werden die Deutschen das brutale Vorgehen nur als allzu richtig empfinden. Denn von Agitation versteht die Kanzlerin etwas.

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Die Gaga Politik

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Kurz zusammengefasst, läuft der Wahlkampf im Augenblick ja so:

Union und FDP loben die rot-grüne Ära, weil unter Schröder die Agenda 2010 und zahlreiche Steuererleichterungen für die Kapitalseite beschlossen wurden. Dagegen sehnen sich SPD und Grüne augenscheinlich die Regierungszeit Helmut Kohls zurück, da während seiner Regentschaft ein aus ihrer Sicht sozialverträglicher Spitzensteuersatz von über 50 Prozent und die Vermögenssteuer gegolten haben.

Das ist aber noch nicht alles. Streitereien gibt es auch innerhalb der sogenannten politischen Lager. Die Gurkentruppe aus Union und FDP zankt sich zum Beispiel darüber, ob sie regieren oder weiter reagieren soll. Die Grünen verlangen eine Korrektur der Agenda 2010 und schlagen ein Sanktions-Moratorium vor. Das passt wiederum den Spezialdemokraten nicht. Sie sehen ihr wichtigstes „Reformprojekt“ der vergangenen 150 Jahre in Gefahr. Mit der SPD sei so etwas nicht zu machen, diktiert der SPD-Chef Sigmar Gabriel den Journalisten in den Block. Er weist auch die Behauptung Jürgen Trittins zurück, wonach die SPD während der rot-grünen Regierungszeit die Einführung eines Mindestlohns verhindert habe.

Nicht in die Irre führen lassen

Der Wähler sollte sich allerdings durch diese absurden Scharmützel nicht in die Irre führen lassen. Ihm muss klar sein, dass Union, FDP, SPD und Grüne trotz des öffentlich vorgetragenen Theaters in den wichtigen Fragen natürlich einer Meinung sind. Dazu gehört auch, das absurde deutsche Wirtschaftsmodell weiter zu verteidigen. Bundeskanzlerin Angela Merkel tat das vergangene Nacht erneut auf einem Treffen der Eurozonen-Regierungschefs in Brüssel. Die Konferenz brachte natürlich keine Ergebnisse, dafür wieder einen Satz für die Nachrichten.

Schuld an der heutigen Arbeitslosigkeit in einigen Euro-Ländern sei eine über viele Jahre anhaltende Fehlentwicklung in der Produktivität und bei den Löhnen, sagte Merkel am Freitagmorgen. Sie meinte aber nicht die Fehlentwicklung auf deutscher Seite wie diese Grafik zur Performance der Lohnstückkosten eindrucksvoll belegt.

Entwicklung Lohnstückkosten
Quelle: Heiner Flassbeck via NachDenkSeiten

In dem Maße, wie die südeuropäischen Länder das Inflationsziel der EZB nach oben überschritten haben, hat Deutschland die Zielmarke deutlich unterschritten. Beide Verläufe hängen miteinander zusammen. Ohne diese Fehlentwicklung, und das ist der Witz, könnte sich Deutschland heute nicht als europäischer Musterknabe abfeiern lassen. Mit anderen Worten: Deutschlands Wirtschaftsmodell, an dem Merkel ja ganz klar festhalten möchte, braucht die außenwirtschaftlichen Ungleichgewichte, um überleben zu können. Das heißt, dass der Export von Arbeitslosigkeit zum Mantra der deutschen Wettbewerbsfähigkeit hinzu gehört.

Wenn die Kanzlerin daran tatsächlich etwas ändern wollte, müsste sie eine Politik verfolgen, die den Abbau der Ungleichgewichte zum Ziel hat. Deutschland müsste seine Binnenkonjunktur durch höhere Löhne stärken und ganz gezielt an Wettbewerbsfähigkeit verlieren, um anderen Volkswirtschaften eine Chance zu geben, sich zu entfalten. Wer aber andere zu Kürzungsprogrammen zwingt und gleichzeitig die eigene Wettbewerbsfähigkeit mit allen Mitteln verteidigt, der will auch in Zukunft seine Handelspartner über die Stellschraube Lohnstückkosten niederkonkurrieren. Wer so vorgeht, nimmt steigende Arbeitslosigkeit und Verschuldung billigend in Kauf.

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Die SPD lässt sich von Parteifreunden feiern

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Gerhard Schröder und die aktuelle SPD-Spitze lassen sich von richtigen Parteifreunden wie Merkel und Stoiber für die Agenda 2010 feiern. Von den ehemaligen SPD-Wählern und Partei-Anhängern ist bekanntlich auch niemand mehr übrig geblieben. Die haben die Segnungen der „Reformen“ ja trotz der ständigen Erklärungsversuche nicht verstanden. Für die restlichen Sozialdemokraten ist es offenbar nicht weiter verwunderlich, dass außer den Konservativen niemand für die Agenda 2010 Beifall klatscht, geschweige denn sie für einen Erfolg hält.

Zur besten Sendezeit in der Tagesschau um acht gab es dann heute auch surreale Bilder zu sehen, für die eigentlich keiner in der SPD Wahlkampfzentrale dankbar sein kann. Edmund Stoiber säuselte auf dem Podium herum. Er sagte sinngemäß, dass, wenn er damals 2002 Kanzler geworden wäre, niemals die tollen „Reformen“ hätte durchsetzen können, weil es dann nicht nur Montagsdemonstrationen gegeben hätte. Erhellend dürfte auch der Abschlusssatz für viele Zuschauer gewesen sein.

„Von SPD und Union ist man sich einig, dass die Agenda weiterentwickelt werden muss. Über die Richtungen werden die Parteien im Wahlkampf streiten.“

Der Wähler darf also über eine Richtung entscheiden, obwohl das Ziel, die weitere Demontage des Sozialstaates sowohl bei SPD und Union bereits feststeht. Vielleicht schafft es die SPD ja wieder an der Seite der Union als Juniorpartner all diese Segnungen umsetzen und vertreten zu dürfen.

Hier gibt’s den Bericht zum nachsehen.
http://www.tagesschau.de/multimedia/video/ondemand100~_id-video1279442.html

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Angriff auf die Reste des Sozialstaats (Teil 2)

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Erst hat die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM), die von Arbeitgebern finanziert wird, mit einem Papier (wie berichtet) über anstehende „Reformen“ für Aufsehen gesorgt. Nun legt die dubiose Bertelsmann Stiftung nach. Die Gütersloher Krake hat die Ruhr-Universität in Bochum mit der Berechnung einer langfristigen Entwicklung von Rentenniveau und Beitragssatz bis zum Jahr 2060 beauftragt. Das Ergebnis war vorhersehbar. Die Beiträge werden wohl steigen.

Doch was schlimm an steigenden Beiträgen zur Rentenversicherung sein soll, bleiben die „Experten“ natürlich schuldig. Sie leiten lieber einen Handlungszwang aus dem Befund der Wissenschaftler ab. Laut Studie läuft es natürlich auf eine Anhebung des Renteneintrittsalters hinaus und einer Verbreiterung der Einnahmebasis (auch Beamte und Selbstständige sollen einzahlen). Ziel ist die Bekämpfung steigender Beiträge.

Die Mängel der Studie liegen allerdings auf der Hand. Eine seriöse Prognose der Bevölkerungsstruktur im Jahr 2060 kann niemand ernsthaft aufstellen, auch die Ruhr-Universität nicht. Wer das Gegenteil behauptet, arbeitet nicht wissenschaftlich. Klar findet ein demografischer Wandel statt, den hat es aber schon immer und viel dramatischer als heute gegeben, ohne dass das gesetzliche Umlagesystem deshalb in Schwierigkeiten geraten wäre oder die Bertelsmann Stiftung sich darum gekümmert hätte. Die Schlüsse der Bertelsmänner stehen also empirisch auf sehr wackeligen Füßen.

Wer auf der Grundlage der Demografie Berechnungen anstellt, darf nicht nur das Verhältnis Rentner/Erwerbstätige betrachten, sondern muss mindestens auch die offenbar fehlenden Kinder in der Gleichung berücksichtigen. Sie verursachen ebenfalls Kosten, die von der Gruppe der Arbeitenden aufgebracht werden müssen. Wie sieht also der Befund aus, wenn durch ausbleibende Kinder eine Ersparnis zu erwarten ist, die den steigenden Kosten für die Alterssicherung gegenüberstehen? Diese Frage klammern die Verfechter des demografischen Wandels konsequent aus.

Letztlich geht es nicht um Demografie, sie ist nur ein Teilaspekt, sondern um die Beschäftigungslage einer Gesellschaft. Ein ausufernder Niedriglohnsektor, prekäre Arbeitsverhältnisse und ständig verordnete Lohnpausen machen der Sozialversicherung als Ganzes zu schaffen, egal wie die Alterskohorten auch aussehen mögen. Eine aktive Beschäftigungspolitik ist daher die Grundbedingung für sichere Renten. Höhere Beiträge zur Rentenversicherung sind demnach kein Teufelszeug, sondern durchaus sinnvoll, wenngleich die Löhne gemessen an der Produktivität ebenfalls steigen. Im übrigen müssen schon heute Menschen höhere Beiträge zahlen, die zum Abschluss einer privaten Altersvorsorge genötigt wurden. Mindestens 4 Prozent ihres Einkommens sollen sie verriestern oder aus dem Fenster werfen.

Als zweites müssen die politisch vorsätzlich vollzogenen Eingriffe ins gesetzliche Rentensystem zurückgenommen werden. Welchen Sinn haben die zahlreichen Dämpfungsfaktoren noch, als der privaten Versicherungswirtschaft in die Hände zu spielen? Es ist doch absurd, dass steigende Rücklagen im Rentensystem, wie zuletzt geschehen, nicht dazu verwendet werden dürfen, etwas gegen die sich abzeichnende Altersarmut zu unternehmen, sondern als Argument für ein weiteres Absenken des Versicherungsbeitrages herhalten müssen.

Hinzu kommt die Verteilungsfrage, die selbst unter den absurden Wettbewerbsbedingungen der Neoliberalen gerecht beantwortet werden könnte. Solange das Bruttoinlandsprodukt zunimmt, gibt es auch etwas zu verteilen. Der Sozialstaat kann also finanziert werden, wenn das politisch gewollt ist. Leider wird das Volkseinkommen immer ungerechter verteilt. Die Gewinn- und Vermögensseite profitiert immer stärker und versteckt sich dabei hinter der Worthülse Leistungsgerechtigkeit.

Auf der anderen Seite behauptet die Kanzlerin, dass es gar keinen größeren Kuchen zu verteilen gibt. Sie lässt die Menschen immer wieder glauben, der Sozialstaat müsse sich anpassen und die Deutschen ihren Gürtel wieder enger schnallen. Der globale Wettbewerb mit Asien und Südamerika zwinge dazu und schaffe diesbezüglich die sprichwörtliche Alternativlosigkeit. Nachdem Europa durch die deutsche Art zu wirtschaften weitestgehend ruiniert worden ist, ist nun die Welt für Merkel gerade groß genug.

Den brisanten Worten Merkels auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos, die mehr oder weniger unbeachtet blieben, folgt nun die Offensive der Spindoktoren in den einschlägigen Think Tanks, die jeder öffentlichen Kontrolle entzogen sind. Merkels Fahrplan bekommt einen Unterbau. Doch darüber redet man nicht, sondern lieber darüber, ob das SPD-Wahlprogramm dem Anschein nach sozialdemokratisch ist und wie ernst es die SPD als längst enttarntes Anhängsel der CDU wohl damit meinen könnte.

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Kieler Nachrichten zum Tarifabschluss

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Die Kieler Nachrichten meinen zum Tarifabschluss im öffentlichen Dienst:

Kieler Nachrichten

Quelle: dradio Presseschau, 11.03.2013, 7:05 Uhr

„Mehr als Nullrunden sind nicht zu finanzieren, eigentlich müssten die Gehälter sogar gekürzt werden, um die Sanierung der öffentlichen Kassen kurzfristig voranzutreiben.“

Eigentlich müsste der Kommentierende mal zu einer Schulung über simple Zusammenhänge der Volkswirtschaft. Dann würde er vielleicht verstehen, dass pauschale Gehaltskürzungen das Loch in den öffentlichen Kassen nicht kleiner, sondern größer werden lassen. Denn wer kommt denn für den Nachfrageausfall und die damit verbundene Schwächung der Wirtschaftsleistung auf?

Ich begreife solche Aussagen einfach nicht. An den Beispielen Griechenland und Spanien muss doch auch für Journalisten der Kieler Nachrichten erkennbar sein, falls sie ihre Augen auch benutzen, wohin eine blinde Sparwut führt. Auf keinen Fall zu einem Sparerfolg, nicht einmal kurzfristig. Der Tarifabschluss im öffentlichen Dienst liegt mit 2,65 Prozent für 2013 und 2,95 Prozent für 2014 ohnehin weit entfernt von einer vernünftigen Lohnpolitik.

Solche Kommentare wie oben passen allerdings zur gängigen Voodoo-Ökonomie.

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Angriff auf die Reste des Sozialstaats

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Es ist erstaunlich, mit welcher Wucht eine gesteuerte PR-Kampagne der von den Arbeitgebern finanzierten Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) mal wieder eingeschlagen hat. Da heißt es bei Spiegel Online, “Top-Ökonomen beklagen Reformstau in Deutschland” und die Tagesschau-Redaktion fragt dümmlich “Kommt jetzt die “Agenda 2020”? Zehn Jahre Agenda 2010 locken die Voodoo-Ökonomen erneut hinter dem Ofen hervor. Gemeinsam blasen sie zum Angriff auf die Reste des Sozialstaats.

Dabei versucht die Arbeitgeber-Lobby mit namhaften Politikern wie Kanzler a.D. Schröder, Steinmeier, Steinbrück und Gabriel (die SPD ist wirklich so bescheuert, sich für diesen Blödsinn wieder einspannen zu lassen) und “Experten” wie Christoph Schmidt, Klaus Zimmermann und Thomas Straubhaar eine neue Agenda 2020 ins Gespräch zu bringen. Die Lockerung des Kündigungsschutzes, die Rente mit 70 und eine höhere Beteiligung an den Gesundheitskosten werden da als dringende Aufgaben benannt und die bisher gescheiterte “Reformpolitik” als großer Erfolg gefeiert.

Die Widersprüche fallen niemanden weiter auf. Bei der Rente mit 67 etwa sei das Ende der Fahnenstange noch nicht erreicht. Die Menschen würden immer älter und das bei zunehmender Gesundheit, schwätzt beispielsweise der Vorsitzende des Sachverständigenrates Christoph Schmidt daher. Gleichzeitig fordert er aber eine stärkere Beteiligung der Menschen an den Kosten der Krankenkassen. Außerdem scheinen dem “Top-Ökonomen” die niedrigen Beschäftigungsquoten Älterer gänzlich unbekannt.

Beschäftigungsquoten

Quelle: Sozialpolitik aktuell

Klaus Zimmermann, früher mal Chef des DIW, jetzt Direktor des IZA warnt gar vor einem demografischen Chaos, obwohl keine Statistik diese Demagogie auch nur im Ansatz bestätigen könnte. Das Gegenteil ist richtig. Der demografische Alarmismus war von Anfang an unbegründet. Derzeit nimmt die Bevölkerungszahl in Deutschland wieder zu (siehe auch: destatis). Zimmermann selbst fiel, bevor er das DIW verließ, mit einer Forderung nach einer Lohnpause für Arbeitnehmer auf. Gleichzeitig empfahl er der Politik, die Mehrwertsteuer auf 25 Prozent zu erhöhen. Schade, dass seine Sprechpause schon vorüber ist.

Bleibt Thomas Straubhaar, der Wendehals unter den “Top-Ökonomen”. Er rät plötzlich zu einer Fortsetzung der Agenda-Politik, nachdem er im vergangenen Jahr noch von einer Umkehr im ökonomischen Denken sprach. Doch nun heißt es wie eh und je, weiter so! Denn Hartz IV Empfänger hätten kaum finanzielle Anreize, ihre Erwerbslosigkeit zu verlassen, so die Studie der INSM. Auch hier scheinen die “Top-Ökonomen” nicht zu wissen, dass 2,398 Millionen von insgesamt 4,422 Millionen ALG-II-Beziehern (Arbeitsmarktdaten Februar) offiziell nicht als arbeitslos gelten, weil sie zum Teil in Mini- und Midi-Jobs arbeiten, um ihre kärglichen Löhne anschließend vom Jobcenter aufstocken zu lassen. Zuletzt wurde sogar bekannt, dass immer mehr Arbeitslosengeld I Empfänger zusätzlich Hartz-IV beantragen müssen.

Fehlt zum Schluss eigentlich nur der SPD-Kanzlerkandidat, Fettnäpfchen Peer Steinbrück. Er meint angesichts des hanebüchenen Lobbyistengewäschs: “Wir sind Deppen, dass wir die Agenda immer mit Hartz IV gleichgesetzt haben.” Die SPD hätte nur selbstbewusster und stolzer mit der Agenda 2010 umgehen müssen. Seit 2003 tun die Sozialdemokraten allerdings nichts anderes, als den ökonomischen Unsinn stolz und selbstbewusst vor sich herzutragen. Doch was hat es der SPD gebracht? Eine Wahlniederlage nach der anderen. Nun muss sie also noch stolzer und noch selbstbewusster die Segnungen der Agenda vertreten, um verlorene Wählerstimmen zurückerobern zu können?

Kein Wunder, dass eine Frau von der Leyen nach so einer Vorlage die passende Pointe setzen darf. Die Reformschritte des damaligen SPD-Kanzlers Gerhard Schröder seien im Grundsatz “mutig und richtig” gewesen.

“Allerdings mussten wir deutlich nacharbeiten und die Agenda 2010 sozialer machen.”

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Welche Form von Demokratie ist gemeint

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Der Tod Hugo Chávez hat auch bei Leuten, von denen man es nicht erwarten würde, Bestürzung ausgelöst. Unter anderem zollte Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) seinen Respekt. Er verband diese Heuchelei aber gleich mit der Forderung, dass nun freie und demokratische Wahlen in dem lateinamerikanischen Land stattfinden müssten, die zu einem Aufbruch in eine neue Zeit beitrügen. Das Land habe „ein großes Potenzial, und Demokratie und Freiheit sind der richtige Weg, um dieses Potenzial zu verwirklichen“, so Westerwelle. Was hier so unscheinbar jovial klingt, ist pure Berechnung.

Westerwelle weiß ja ganz genau, dass die liberale und zum Teil aus Steuermitteln finanzierte Friedrich-Naumann-Stiftung seit geraumer Zeit in dem südamerikanischen Land agitiert und mit neoliberalen Schwesterorganisationen wie „Red Liberal de América Latina” (RELIAL) kooperiert. In diesem Netzwerk arbeiten inzwischen 46 Organisationen aus 17 Staaten zusammen. Ziel ist die Durchsetzung marktliberaler Konzepte und die Unterstützung bolivianischer und venezolanischer Sezessionsbewegungen (vgl. NachDenkSeiten).

Wenn Westerwelle also einen demokratischen Willensbildungsprozess einfordert, meint er eine bestimmte Form der Demokratie, die heute auch in einem Kommentar in der Süddeutschen anders gewendet zum Ausdruck kommt.

Sueddeutsche_2013-03-08
Quelle: Süddeutsche, 8. März 2013

Daniel Brössler kritisiert die Linkspartei wegen ihrer Trauer um Hugo Chávez. Er begründet das mit einer fehlenden Distanz der Linken. Schließlich habe Chávez freundschaftliche Bande zu anderen Diktatoren wie Ahmadinedschad und Lukaschenko geknüpft. Er schreibt in seiner Konklusio: „Wenn es dem Sozialismus dient, scheint das alles in Ordnung zu gehen. Sozialismus ohne Demokratie komme für sie nicht mehr in Frage, verkünden die Linken oft.“ Angesichts der oben geschilderten Verflechtungen von mutmaßlich echten Demokraten in innere Angelegenheiten eines souveränen Staates, scheint doch die Frage eher an Leute wie Westerwelle berechtigt zu sein, welche Form von Demokratie sie eigentlich meinen.

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