Einfach mal wirken lassen.
Gehe zu Stasi versus NSA. Realisiert von OpenDataCity (CC-BY 3.0)
JUL
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Einfach mal wirken lassen.
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Die Familienpflegezeit ist ein Flop. Das bestätigen auch die jüngsten Zahlen, die das Bundesfamilienministerium für das laufende Jahr präsentierte. Demnach wurden bislang nur 71 entsprechende Versicherungsanträge gestellt. Ein Ministeriumssprecher verwies auf die nötige „Anlaufzeit“, die man erst abwarten müsse.
Im März 2013 hat die Bundesregierung bereits in einer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Grünen zugeben müssen, dass zwischen dem 1. Januar 2012 und dem 28. Januar 2013 lediglich 147 Personen eine Familienpflegezeitversicherung im Rahmen einer Familienpflegezeit abgeschlossen hätten. Damals sprachen viele – eigentlich alle bis auf die Bundesregierung – von einem Flop. Das Familienministerium wollte das Anfang 2012 in Kraft getretene Familienpflegezeitgesetz aber erst einmal evaluieren. Dann, so die Regierung, könnten verlässliche Aussagen zur Nutzung der Familienpflegezeit gemacht werden.
Inzwischen liegen die nächsten niederschmetternden Zahlen auf dem Tisch. Von der angeblichen wie auch unsinnigen Evaluation, die offenbar nur Zeit schinden sollte, ist schon keine Rede mehr. So kurz vor der Bundestagswahl ist die Zeit für Durchhalteparolen gekommen. Im Regierungsjargon heißt das dann eben „Anlaufzeit“. Man kann es auch „Aussitzen“ nennen. Ein Flop bleibt es dennoch. Vielleicht sollte die Journaille mal fragen, wie viel Steuergeld die MaschmeyerRürup AG eigentlich für ihre glanzvolle Beratungsleistung im Gewandt des vermeintlich unabhängigen Sachverstandes erhalten hat.
Der zwingend vorgeschriebene Abschluss einer privaten Familienpflegezeitversicherung ist nämlich auf Anraten der MaschmeyerRürup AG ins Gesetz geschrieben worden (Arbeitstitel Lohnvorschussausfallversicherung, siehe hier im Blog). Ganz uneigennützig war das natürlich nicht. Denn bei der Absicherung geht es nicht primär um Sicherheit, sondern darum, dass die Kasse der großen Versicherungskonzerne auch weiterhin ordentlich klingelt. Die verdienen nämlich gut an der zunehmenden Privatisierung der gesetzlichen Sozialversicherung.
Die Unternehmen sind wie immer fein raus. Ihr Risiko wird durch den Steuerzahler getragen. Das neu geschaffene Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben (BAFzA) springt auch im Fall einer Privatinsolvenz des Arbeitnehmers ein, also für den Fall, dass der Arbeitnehmer die Lohnvorauszahlung, die sich der Arbeitgeber zinsgünstig beim Staat leihen kann, nicht zurückzahlen kann, steht das Bundesamt ein. Eine mögliche Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit des Arbeitnehmers wird durch die private Familienpflegezeitversicherung übernommen.
An den Beiträgen zu der Versicherung beteiligen sich die Arbeitgeber natürlich nicht. Die paritätische Finanzierung der Sozialversicherung ist unter Rot-Grün, Schwarz-Rot und Schwarz-Gelb zum Auslaufmodell geworden. Das Lebensrisiko hat der Versicherte gefälligst selbst zu tragen. Alles andere gefährdet bekanntlich Arbeitsplätze und die Mägen der tonangebenden Arbeitgeberschaft.
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„Wenn die Opposition Hans-Peter Friedrichs Reise in die USA als ‚Luftnummer‘ und ‚transatlantisches Duckmäusertum‘ bezeichnet, dann muss man fragen, was der Innenminister bei seiner Stippvisite hätte erreichen sollen“, meint ein Kommentator der Welt und zielt damit am Thema vorbei.
Die Frage stellt sich nämlich nicht, weil der Innenminister wegen mangelnder Kompetenz und Befugnis gar nicht erst hätte hinfliegen dürfen. Die Überwachung der Geheimdienste ist im Bundeskanzleramt angesiedelt. Dort laufen die Informationen zusammen. Nicht Friedrich, sondern Merkel hätte nach Washington reisen müssen. Doch sie duckt sich weg. Friedrichs Auftrag war hingegen, politische Aktivität lediglich zu simulieren.
Natürlich geht es bei den Angriffen der Opposition um Wahlkampf. Nur was hat diese Feststellung zu bedeuten? Dass die amtierende Bundeskanzlerin, die nur vorgibt, nichts zu wissen, am Ende besser den Skandal im Sinne des Grundgesetzes wird lösen können? Eine Regierung, die die Verfassung bricht, und das nicht nur einmal, gehört aus dem Amt gejagt. Wer hingegen die Auseinandersetzung um die gigantischen Abhöraktivitäten der NSA als Wahlkampfgeschrei abtut, betreibt selbst Wahlkampf und wirft sich schützend vor eine in allen Belangen versagende Regierung, die ihrerseits ums politische Überleben kämpft.
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„Neues schaffen heißt, Widerstand leisten. Widerstand leisten heißt, Neues schaffen.“ (Stéphane Hessel, Empört Euch!)
Dieser Satz gilt schon für viele Südeuropäer, die protestieren und ihrer Empörung täglich Ausdruck verleihen. Deutschland schläft derweil und bewundert sogar die gespielte Ahnungslosigkeit seiner Kanzlerin. Ihr würden immer noch über 60 Prozent ins Neuland folgen, obwohl knapp 80 Prozent davon überzeugt sind, dass Merkel lügt, wenn sie sagt, sie habe vom Abhörskandal und Prism erst aus den Medien erfahren.
Im Sommerinterview darf sie dann auch noch behaupten, die Vorratsdatenspeicherung sei eine europäische Richtlinie, die die Bundesregierung noch nicht umgesetzt habe. Dabei hatte das die Ahnungslose bereits mit ihrem Koalitionspartner SPD im Jahr 2007 getan. Allerdings erklärte das Bundesverfassungsgericht das Gesetz 2010, wie viele andere auch, für grundgesetzwidrig.
Steinbrück, damals Merkels Finanzminister, meint heute, wer hinter dem Steuer sitze, trage die Verantwortung – und zwar egal, ob er wach oder eingepennt ist. Na, damit kann sich der Kanzlerkandidat der Spezialdemokraten auch nur selbst gemeint haben.
Soviel Rotwein kann man gar nicht trinken, um diese Dekokratie (HG Butzko) zu ertragen.
Aujourd’hui, c’est le 14 juillet. Une fois de plus le temps pour une révolution.
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Grüne und SPD haben ein gemeinsames Konzept zur Einführung eines flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohnes vorgelegt. Bei einem Wahlsieg, zu dem es nicht kommen wird, wollen die beiden Parteien eine Lohnuntergrenze von 8,50 Euro einführen. Die Grünen-Spitzenkandidatin Katrin Göring-Eckardt erklärte, Deutschland sei eines der letzten EU-Länder, das noch keinen Mindestlohn habe. Es sei unwürdig, wenn Arbeitnehmer von einer Vollzeitbeschäftigung nicht leben könnten.
Aha. Wir hätten allerdings schon längst einen Mindestlohn haben können, wenn die SPD eine vorhandene Mehrheit zusammen mit den Grünen und den Linken genutzt und ihrem eigenen Antrag im Jahr 2007 auch zugestimmt hätte. Damals brachte die Fraktion die Linke eine Gesetzesinitiative der SPD, die sich damals in einer fruchtbaren Ehe mit der Union befand, in den Bundestag ein. Bis auf Wolfgang Gunkel, Detlef Müller (Chemnitz), Ottmar Schreiner („Von mir kann niemand verlangen, dass ich im Bundestag gegen meinen eigenen Text stimme – Mätzchen hin oder her“) und Dr. Marlies Volkmer lehnte die gesamte SPD-Fraktion den Antrag in namentlicher Abstimmung ab.
Klaus Brandner sagte im Bundestag zur Begründung:
Wir stimmen heute nicht gegen den Inhalt des Antrags der Linksfraktion, sondern gegen die politische Show. Wir wollen eine schnelle und verbindliche Lösung für die Menschen in diesem Land. Wir wollen unser Ziel mit unserem Koalitionspartner erreichen.
Wie erfolgreich und schnell das ging, hat man ja gesehen. Die Politshow hätte zumindest den unwürdigen Zustand verhindern können, über den sich die rot-grüne Opposition heute, sechs Jahre nach der Abstimmung, wieder beklagt. Die SPD hätte die Große Koalition platzen lassen und ein Stück von ihrem ramponierten Image zurückgewinnen können. Stattdessen hielten sie an der Ehe mit Angela Merkel fest und landeten folgerichtig bei 23 Prozent. Nun versuchen sie die fehlende Glaubwürdigkeit und fehlende Wähler mit einem Kanzlerkandidaten zurückzuerobern, der einen Mindestlohn als Finanzminister in der Großen Koalition selbst ablehnte, weil er neoliberal denkend den Verlust von Arbeitsplätzen befürchtete.
Heute spricht Steinbrück von einem Konjunkturprogramm, das durch das Konzept von SPD und Grünen ausgelöst würde. Faktisch handelt es sich aber bei dem Vorstoß um eine Fortsetzung der Niedriglohnpolitik mit Hilfe einer Lohnuntergrenze. SPD und Grüne behaupten, ihr Mindestlohn, 1360 Euro bei einer Vollzeitstelle, reiche zum Leben. Mag ja vielleicht sein, doch für die Rente reicht er definitiv nicht. SPD Chef Gabriel meint aber, dass nur eine vernünftige Lohnpolitik Altersarmut vorbeuge. Wer will dem widersprechen, nur landet ein Betroffener mit dem Mindestlohn von SPD und Grünen nach gegenwärtiger Rentenformel unterhalb der Grundsicherung.
Das wiederum heißt, das staatliche Zuschüsse im Alter doch wieder fließen müssen, damit die Menschen von ihrer kümmerlichen Rente leben können. Wie die Bundesregierung auf eine kleine Anfrage von Klaus Ernst am 23. Januar 2013 mitteilte, wäre rechnerisch schon jetzt ein Stundenlohn von rund 10 Euro erforderlich, um eine Rente oberhalb der Grundsicherung zu erzielen. Entweder können Steinbrück und Göring-Eckardt nicht rechnen oder sie sind weiterhin nicht ernsthaft an einer Verbesserung der ökonomischen Bedingungen interessiert.
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Kurz vor dem Stichtag am 1. August soll es nun plötzlich 20.000 Kita-Plätze mehr für unter Dreijährige geben, als benötigt werden. Laut Informationen von NDR-Info hätten die Bundesländer 800.000 Plätze an das Bundesfamilienministerium gemeldet. Von einem bemerkenswerten Endspurt ist nun die Rede und die Bundesregierung kann vor der Wahl mit einer weiteren vermeintlichen Jubelmeldung auftrumpfen. Deutscher Städtetag und Deutscher Städte- und Gemeindebund hatten gestern noch mit einem Defizit von 100.000 Plätzen gerechnet. Ein Widerspruch? Nein, bloß ein Rechentrick.
Um zu verstehen, wie es zu einem solchen Aufholprozess, der jetzt alle Beteiligten gut dastehen lässt, kommen konnte, muss man wissen, was Betreuungsplätze sind. Damit sind keineswegs nur Plätze in Kindertageseinrichtungen gemeint, sondern vor allem auch Plätze bei Tagesmüttern. Der Rechtsanspruch gilt als erfüllt, wenn ein Kind entweder in einer Einrichtung oder bei einer Tagesmutter untergebracht werden kann. Man sollte also davon ausgehen, dass die Kommunen, um den Rechtsanspruch zu erfüllen, das Angebot in der Tagespflege massiv ausgeweitet haben und das Erreichen der erforderlichen Quote also nicht unbedingt etwas mit einem Endspurt beim Ausbau von Krippenplätzen in Einrichtungen zu tun hat.
Viele Gemeinden werden auch pragmatische Lösungen anbieten und vorhandene Plätze aufteilen. Denn im Gesetz steht nicht, wie lange die Betreuung gewährleistet sein muss. Die Kommunen müssen sich da auf eigene Regelungen verständigen. So kann es durchaus sein, dass sich zwei Kinder einen Platz in der Tagespflege teilen, wenn die Betreuung nur für wenige Stunden und Tage durch die Eltern gewünscht wird. In beiden Fällen wäre der Rechtsanspruch erfüllt.
Beim Krippenausbau hörte man zuletzt immer dieselben Nachrichten. Kommunen, Land und Bund finanzieren den Ausbau zu je einem Drittel. Vor allem zwischen den beiden ersteren kam und kommt es immer wieder zu Reibereien über die Verteilung und den Einsatz der Mittel. Hinzu kommt, dass es aufgrund der grottenschlechten Bezahlung an qualifiziertem Personal fehlt, was die Einrichtung neuer Gruppen in bereits bestehenden Kitas oftmals verhindert.
Eine weitere Frage wirft die Jubelmeldung allerdings auch auf. Was wird mit dem unsinnigen Betreuungsgeld, über dessen Finanzierung die Bundesregierung einen Mantel des Schweigens gelegt hat. Eine Milliarde Euro will der Bund für das Wahlkampfgeschenk der CSU im kommenden Jahr bereitstellen, die durch Einsparungen im Haushalt wo bleibt unklar – aufgebracht werden sollen.
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Der Bundes-Gauck und zahlreiche Medien, wie etwa die Frankfurter Allgemeine bewundern Lettland, das demnächst gegen den Willen seiner eigenen Bevölkerung der Eurozone beitreten wird, für seine wirtschaftliche Entwicklung. Klaus-Dieter Frankenberger schreibt in der FAZ:
Die Nachricht ist deswegen vergleichsweise schön, weil zum Jahresbeginn ein Land den Euro einführen wird, das nach einem scharfen Wirtschaftseinbruch als Folge der Finanzkrise ein erfolgreiches Gesundungsprogramm absolviert hat, das also ein Beispiel dafür ist, dass die Kombination von strenger Haushaltsdisziplin und Wirtschaftsreformen durchaus funktioniert.
Dieses Wachstum stärkt, auch das ist eine nette Begleiterscheinung, die Fraktion derer, die solide Staatsfinanzen nicht für wachstumsfeindlich oder für eine deutsche Obsession halten.
So ähnlich hat sich auch der Bundespräsident auf seiner Reise durchs Baltikum ausgedrückt. Doch was ist dran an der Behauptung, Lettland habe ein erfolgreiches Gesundungsprogramm absolviert und Haushaltsdisziplin mit Reformen kombiniert? Lettland musste mit Ausbruch der Finanzkrise im Jahr 2008 den stärksten Wirtschaftseinbruch aller EU-Staaten hinnehmen (-4,6 Prozent und 18 Prozent im Jahr 2009). Die Arbeitslosenquote stieg auf 21 Prozent. Es folgte ein radikales Kürzungsprogramm, das bei einigen hierzulande offenbar die Freudentränen in die Augen treibt. Rund 30 Prozent der Beschäftigten im öffentlichen Dienst wurden entlassen und dem Rest das Gehalt um 40 Prozent gekürzt.
Ob so ein Gesundungsprogramm Herr Frankenberger von der FAZ auch akzeptieren würde? Er würde wohl auswandern und genau das taten auch rund 340.000 Letten. Das sind etwa 14 Prozent der Gesamtbevölkerung, die der baltische Staat seit dem Jahr 2000 verlor. Die Arbeitslosenrate sank also, weil die Menschen fluchtartig das Land verließen. Wären diese Menschen noch da, es gäbe nichts zu bejubeln für die neoliberalen Pfeifen aus der FAZ und dem Schloss Bellevue. Lettland gehört zwar zu den Staaten der EU, in denen die Wirtschaft am rasantesten wächst. Allerdings nimmt auch die Armut im Vergleich am schnellsten zu. Weit über 20 Prozent der lettischen Bevölkerung leben unterhalb der Armutsgrenze oder müssen erhebliche materielle Einschränkungen in Kauf nehmen.
Die Behauptung, da hätte etwas funktioniert, stimmt auch aus ökonomischer Betrachtung nicht. Fakt ist, dass ein völlig normaler Aufholprozess der lettischen Wirtschaft nach dem Einbruch stattgefunden hat. In Deutschland war das auch zu beobachten. Dennoch ist das Vorkrisenniveau längst nicht erreicht. Preisbereinigt lag das lettische BIP 2012 um etwas mehr als 12 Prozent unter dem Wert von 2007. Die aktuellen Wachstumsraten haben sich wie in den anderen Ländern Europas ebenfalls verlangsamt. Das Niveau bleibt also niedrig und die Leistungsfähigkeit insgesamt ist von der volkswirtschaftlichen Entwicklung der europäischen Partner abhängig, die ihrerseits mit Austeriätsprogrammen geknechtet werden.
Bei näherer Betrachtung fällt weiterhin auf, dass der lettische Staat gänzlich auf eine progressive Einkommenssteuer verzichtet und stattdessen das lineare Modell einer flat tax bevorzugt und vor allem auch Unternehmen und Kapital aus dem Ausland günstige Rahmenbedingungen bietet, die zuletzt im Fall Zyperns noch verteufelt wurden. Das Steueraufkommen und damit die Staatseinnahmen sind mit 27 bis 28 Prozent vom BIP dementsprechend niedrig (EU-Schnitt: 38,4 Prozent). Insgesamt ist die Steuergesetzgebung des Landes äußerst fragwürdig und sollte gerade aus Stabilitätsgesichtspunkten verstärkt unter die Lupe genommen werden. Wie sagte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble mit Blick auf Zypern so schön? Deren Geschäftsmodell sei gescheitert. Nun, Lettland betreibt ein ähnliches Modell, doch hier scheint die Bewunderung mal wieder zu überwiegen.
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Die Euro-Finanzminister haben am Montag ohne großes Tamtam eine weitere Tranche aus dem Euro-Rettungsschirm für Griechenland beschlossen. Trotz einer Regierungskrise in Athen und Auflagen, die offenkundig noch nicht erfüllt werden konnten, zeigt man sich in Brüssel gnädig. Wo früher wochenlang eine Auszahlung infrage gestellt wurde und landauf landab Politik und Medien die Griechen vor die Wahl stellten, endlich Reformen durchzuziehen oder aus dem Club auszuscheiden, hört man heute gar nichts mehr. Stattdessen beschäftigen sich die Kommentatoren mit dem Papst, der in Lampedusa einen bedeutungslosen Kranz ins Meer geworfen hat.
Statt einer kritischen Betrachtung der Finanzkrise, die durch weitere Zuspitzungen in Griechenland, Zypern, Portugal und Spanien gekennzeichnet ist, wird der deutsche Leser mit dem Papst bei Laune gehalten. Auftrag verfehlt!
Mit seinem Appell an die Nächstenliebe habe der neue Popstar der Katholischen Kirche der EU einen Spiegel vorgehalten, ist scheinkritisch zu lesen. Das beeindruckt die schreibende Zunft. Eher beiläufig wird erwähnt, dass die Griechen bitte, aber doch rasch, 4200 Beschäftigte im öffentlichen Dienst in eine Transfergesellschaft versetzen sollen, um den Auflagen der Troika zu entsprechen. Bundesfinanzminister Schäuble spricht in diesem Zusammenhang von Problemen, die es zu lösen gilt. Deshalb hat er auch auf eine Auszahlung in Raten bestanden, die wie immer auf einem Sperrkonto landen sollen, zu dem der griechische Staat selbst keinen Zugang hat, sondern nur seine Gläubiger, die es, und das ist der Sinn der ganzen Übung, ohne große Schrammen rauszuhauen gilt.
Bluten müssen andere. Was allerdings der Massenrausschmiss von 4200 Mitarbeitern im öffentlichen Dienst, um nichts anderes geht es ja, mit einer nachhaltigen Reform zu tun hat, lassen Schäuble und die ihn nicht fragenden deutschen Medien mal wieder offen. Zu den sogenannten Auflagen gehörte nämlich die Zustimmung Griechenlands, in vier Jahren 150.000 Stellen im Staatsdienst streichen zu müssen. Aber auch davon liest man schon lange nichts mehr, sondern nur von der nachgeplapperten Regierungsansicht, der öffentliche Dienst sei grundsätzlich zu aufgebläht.
Weiterhin ist zu lesen, dass vor allem Österreich und Frankreich auf eine schnelle Einigung gedrungen hätten. Allerdings hat auch die wahlkämpfende Bundeskanzlerin ein Interesse daran, möglichst ohne weiteren Krisengipfel durch den Sommer und zur anstehenden Bundestagswahl zu kommen. Eine kontroverse Debatte im Deutschen Bundestag wird es deshalb nicht geben. Vielmehr soll der Haushaltsausschuss über die Freigabe der sogenannten Hilfen entscheiden.
Dass die Krisenpolitik von Merkel, Schäuble und Co in vier Jahren Schwarz-Gelb krachend gescheitert ist, liest man ebenfalls nicht. Vielleicht helfen Bilder über die volkswirtschaftliche Entwicklung ausgewählter Krisenstaaten, um zu verstehen, was Merkel in ihrer Regierungserklärung vom 27. Juni meinte, als sie sagte:
Wir haben gezeigt, wir können das!
BIP Griechenland (Quelle: Eurostat)
BIP Spanien
BIP Portugal
BIP Italien
BIP Zypern
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Die Bundesagentur für Arbeit sorgt sich um ihre Finanzen, falls die Krise in mittlerer Stärke wieder zuschlagen sollte. Der Zeitpunkt des Aufschreis ist bemerkenswert, zeigt er doch, dass selbst die führenden Köpfe in der BA mit einer neuerlichen Zuspitzung rechnen, obwohl sie nach außen hin Gelassenheit demonstrieren und den Arbeitsmarkt wie auch das wirtschaftliche Umfeld gebetsmühlenartig als robust bezeichnen.
Bis zum Jahresende sollen die Rücklagen auf rund 1,7 Milliarden Euro sinken, heißt es. Damit wäre ein weiteres Programm zur Finanzierung von Kurzarbeit und ergänzender Maßnahmen, das zwischen acht und elf Milliarden kosten würde, nicht machbar, sagt Peter Clever, stellvertretender Verwaltungsratsvorsitzender. Er verlangt daher ein klares Bekenntnis der Bundesregierung zur BA in Krisenzeiten. Doch kaum jemanden interessiert die Frage, warum es noch einmal zu einer Krise kommen sollte. Es interessiert sich von der schreibenden Zunft auch niemand für die Frage, warum die BA beim Bund eigentlich um Zuschüsse betteln muss. Sind etwa die Beiträge, die in den vergangenen Jahren permanent unter dem Vorwand des Überflusses gesenkt wurden, nicht ausreichend, um Krisenszenarien zu überstehen. Und warum ist die Finanzierung von Kurzarbeit das einzige Krisenrezept? Wo bleibt die Forderung nach einem Beschäftigungsprogramm oder einer antizyklischen Intervention des Staates mittels Konjunkturprogramm?
Wir haben keine Krise, sagt die Regierung. Merkel meint, das Land sei stärker aus der Krise herausgekommen als es hineingegangen ist. Der nächste Einbruch der Wirtschaft wird die politisch Handelnden, egal in welcher Farbkonstellation sie auch nach dem Wahltermin im September zusammenarbeiten werden, erneut wie ein Spring-ins-Feld-Teufel überraschen. Die Leugnung einer Rezession vor der Bundestagswahl ist praktische Übung und war nicht anders zu erwarten. Die Eingliederung der Arbeitslosenversicherung in das Bundesfinanzministerium ist allerdings ein Skandal, den die Versicherten, die zu Recht Leistungen im Krisenfall einfordern, nicht hinnehmen sollten. Dass der Ausgleich für die Senkung der Beiträge (160 Milliarden Verlust), von denen nur die Arbeitgeber wirklich profitieren, über Steuern laufen muss, macht die Bundesagentur für Arbeit zu einem bloßen Werkzeug der Bundesregierung. Sie bestimmt über den Haushalt und damit über Maßnahmen, die finanziert werden dürfen. Dass dabei immer mehr Versicherte mit Vermittlungshemmnissen auf der Strecke bleiben, ist politischer Wille, aber nicht mit dem Versicherungsprinzip vereinbar.
Wer darüber hinaus Krisen verhindern will, muss selbst aktiv werden, anstatt sich schmarotzend auf die Konjunkturprogramme anderer Staaten zu verlassen und bis dahin Kurzarbeit endlos zu finanzieren. Deutschland profitierte 2008/2009 weniger von der eigenen Wirtschaftspolitik als von der befreundeter Handelspartner. Wenn sich Ausspähen unter Freunden nicht gehört und inakzeptabel ist, dann aber auch das einseitige Nehmen auf Kosten anderer im volkswirtschaftlichen Sinne. Die Zinsen sind niedrig. Nie war es günstiger Schulden zu machen, um die Konjunktur zu stimulieren. Gerade Deutschland müsste fiskalpolitisch sehr viel mehr tun, um die Krise in Europa zu beenden und einer Verschärfung der Lage auch hierzulande vorzubeugen.
Das Senken von Beiträgen zur Sozialversicherung ist dabei ein Irrweg, da sich die angeblichen Entlastungen immer nur negativ auf den Leistungskatalog auswirken und nicht, wie behauptet, stimulierend auf die Konjunktur. Die Arbeitnehmer sind verunsichert, weil sie nicht wissen, ob sie ausreichend abgesichert sind und halten sich mit Konsum und Forderungen nach mehr Lohn eher zurück. Die Arbeitgeber sind dagegen glücklich über Lohnkosten, die sie nicht zu zahlen brauchen. Investiert wird unter diesen Voraussetzungen allenfalls am Kapitalmarkt, da die Nachfrage aus der realen Wirtschaft fehlt. Das führt am Ende zu jener Krise, die die Bundesagentur offenbar erwartet, auch wenn sie offiziell behauptet, alles sei robust.
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Ende Juni jubelten die Medien über die gestiegenen Umsätze im Einzelhandel, die scheinbar zu den Weissagungen der GfK passen sollten. Ein Sonderfall, denn meistens bestätigen die Daten aus Wiesbaden die gemessene Kauflaune aus Nürnberg nicht und weisen eher Rückgänge und Stagnation aus. Dann interessieren sich aber auch die Medien nicht dafür. Sie orientieren sich streng an den Schönwetterzahlen des GfK-Konsumklimaindex. Nun gab es aber die Gelegenheit, im Angesicht eines leichten Aufwärtstrends beim privaten Verbrauch voller Inbrunst das Lied über die gute konjunkturelle Lage anzustimmen. Deutschlands Wirtschaft und den konsumierenden Menschen gehe es gut. Deutschland trotze der Krise usw. Dabei ist Deutschland nur dasjenige Land der EU, welches im Moment am wenigsten von der grassierenden Finanz- und Wirtschaftskrise in Europa betroffen ist.
Der sogenannte Musterschüler ist von der Krise keineswegs ausgenommen. Das zeigt, wie heute das Statistische Bundesamt mitteilt, unter anderem ein starker Einbruch der Exporte im Monat Mai um 4,8 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat. Vor allem die Ausfuhren in die Länder der Eurozone gingen weiter zurück. Die volkswirtschaftliche Schwäche Frankreichs, des wichtigsten deutschen Handelspartners, schlägt voll durch und kann nicht mal eben so durch Exporte in Drittländer kompensiert werden. Das einseitig orientierte deutsche Wirtschaftsmodell wankt gewaltig, das belegen auch die weiter rückläufigen Auftragseingänge im Monat Mai, die vergangene Woche vom Bundeswirtschaftsministerium eingeräumt werden mussten.
Politik und Medien wollen das aber nicht als Zeichen einer Rezession verstehen, sondern setzen weiterhin auf positive Stimmungsmache oder konstruieren absurde Kausalzusammenhänge. Rainer Brüderle meinte gar gestern im Sommerinterview der ARD, dass der amtlich gemessene Rückgang der Reallöhne nur deshalb zustande gekommen sei, weil SPD und Grüne die Steuerpolitik der Regierung im Bundesrat verhindert hätten. Dabei nimmt das Wachstumstempo bei den Löhnen seit dem vergangenen Jahr kontinuierlich ab und verhält sich damit analog zur Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts und dem schwächelnden Arbeitsmarkt. Beides sind allerdings Größen, die weiterhin der Schönfärberei unterliegen.
Außerdem sind die Nominallöhne um 1,4 Prozent und die Verbraucherpreise um 1,5 Prozent gestiegen. Würde die Inflation normal, wie in der Eurozone vereinbart, bei zwei Prozent liegen, sehe es noch düsterer an der Lohnfront aus. Betrachtet man die Langzeitentwicklung bei den Löhnen kann von einer Stütze der Konjunktur durch privaten Verbrauch keine Rede sein. Die Indikatoren zeigen also ganz klar in Richtung Rezession, die es freilich vor dem Wahltermin im September nicht geben darf. Die Frage ist nur, ob die Medien endlich ihren Job erledigen und das Scheitern dieser Regierung beim Namen nennen oder ob es ihnen besser gefällt, in Seifenoper-Manier und losgelöst von politischen Inhalten lediglich über Koalitionskonstellationen zu fabulieren.