Statistische Märchenstunde

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Aus der Pressemitteilung des statistischen Bundesamtes von heute zu den Ausgaben für Bildung, Forschung und Wissenschaft haben viele Medien eine halbe Falschmeldung produziert. Es ist zwar richtig, dass die aufgewendete Geldsumme in Deutschland im Jahr 2012 um 1,9 Prozent von 242,7 auf 247,4 Mrd Euro gestiegen ist, eine Sensation ist das aber nicht. Die Medien begehen denselben Fehler wie bei den steigenden Steuereinnahmen. Sie vergessen die Bezugsgröße. Dabei schreibt das statistische Bundesamt klipp und klar.

„Gemessen am Bruttoinlandsprodukt 2012 wurden 9,3 % für Bildung, Forschung und Wissenschaft verwendet, dies entspricht dem Vorjahresanteil.“

Genau genommen entspricht es nicht ganz dem Vorjahresanteil. Gemessen am Bruttoinlandsprodukt sind die Ausgaben für Bildung, Forschung und Wissenschaft sogar leicht gesunken. Mit dem Dreisatz kann man sich das sehr schnell selbst zusammenrechnen.

2011: (242,7 Mrd. Euro Bildungsausgaben x 100) / 2606,02 Mrd. Euro BIP

= 9,31 Prozent
2012: (247,4 Mrd. Euro Bildungsausgaben x 100) / 2668,01 Mrd. Euro BIP

= 9,27 Prozent

Also kein Grund zum Jubeln. Vielmehr geht der Anteil der Bildungsausgaben am volkswirtschaftlichen Kuchen zurück, obwohl Kanzlerin Merkel nach ihrem legendären Bildungsgipfel in Dresden aus dem Jahr 2008 erklärte, mindestens 10 Prozent des BIP in Bildung und Forschung investieren zu wollen. Also 7 Prozent für Bildung und 3 Prozent für Forschung. Bei der Bildung sieht es mit rund 5 Prozent (hier sind die international irrelevanten Ausgaben, die deutsche Politiker hierzulande für „zusätzlich bildungsrelevant“ halten wieder herausgerechnet) gemessen am BIP immer noch düster aus. Hier liegt Deutschland unterhalb des OECD-Durchschnitts.

Um die chronische Unterfinanzierung des Bildungssystems aber zu beenden, ist deutlich mehr Geld notwendig, als die knapp fünf Milliarden mehr im Vergleich zu 2011. Das Zehnfache wäre ein Gewinn und dann auch tatsächlich eine Erfolgsmeldung wert. Doch das ist mit den schwarzen und roten Nullen in Berlin eher nicht zu machen.


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Fakten und Regeln sind bei Hetzjagden egal

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Wer hat sich im Fall Edathy eigentlich nicht blamiert? Inzwischen ist der schwarze Hans-Peter zurückgetreten, nachdem die Mutti ein intensives Gespräch mit ihm am Telefon führte. Offensichtlich ging es dabei um einen neuen Job, denn Friedrich kündigte an: “Ich komme wieder!” Bei der Bahn dürfte diese Ankündigung für Aufregung sorgen. Die Schaffung eines weiteren Vorstandsposten droht. Was bleibt, sind die Widersprüche in den offen vorgetragenen Äußerungen von SPD-Spitzen und BKA-Präsident. Wer wusste was, zu welchem Zeitpunkt und ließ sich das Gewusste wie bestätigen, obwohl das rechtlich gar nicht erlaubt ist? Die Staatsanwaltschaft Hannover ist „fassungslos“ und hat weiterhin nichts Belastendes gegen Edathy in der Hand.

Die Behörde sieht sich vornehmlich als Opfer vieler undichter Stellen, aus denen Dienstgeheimnisse heraus getropft sein mussten. Nicht einmal die Post (ich weiß nicht welche) spielt mit, wenn ein Brief aus Hannover, am Freitag abgeschickt, erst am Mittwoch in Berlin beim Bundestagspräsidenten angekommen sein soll. Lustig ist aber, dass das Bekannte im Städtchen Rehburg der Staatsanwaltschaft in Hannover ebenfalls völlig fremd gewesen war. In dieser Woche soll sie nämlich einen Tipp bekommen haben, wonach Edathy auch ein Büro direkt neben der zuerst durchsuchten Wohnung unterhalte, weshalb sie dieses mit einem Richterbeschluss bewaffnet ebenfalls durchsuchte. Das sagt viel über die affektierten Ermittlungsmethoden aus.  

Hinzu kommt das verschwurbelte Amtsdeutsch, um die Rechtmäßigkeit des Vorgehens im Nachhinein zu legitimieren. Der Leiter der Staatsanwaltschaft Hannover, Jörg Fröhlich, verwies darauf, dass das Bundeskriminalamt ja eine Kategorisierung bei kinderpornografischem Material vorgenommen habe. Eindeutige Fälle gehörten der Kategorie eins an, weniger eindeutige Fälle der Kategorie zwei. „Was Edathy zur Last gelegt werden kann, sind Bestellungen der Kategorie zwei“, so Fröhlich. Das heißt also, dass ihm gar nichts zur Last gelegt werden kann, wenn die weniger eindeutigen Fälle nicht zu eindeutigen Fällen hinführen. Es wird ja weiterhin nur vermutet, dass derjenige, der solches Material bestellt, möglicherweise auch im Besitz schlimmeren Materials sei, also die Schwelle zur Strafbarkeit überschritten habe.

Verdacht ist nicht gleich Verdacht

Doch worauf gründet die Annahme, dass das im Fall Edathy zutrifft? Entweder gibt es einen Anfangsverdacht auf Besitz kinderpornografischen Materials oder nicht. Was die Staatsanwaltschaft Hannover, die vorgibt, nur Spezialisten zu beschäftigen, hier aber gemacht hat, sind Beweisermittlungsdurchsuchungen, sagt Monika Frommel, emeritierte Professorin für Strafrecht, im Deutschlandfunk. Das sei ein Verstoß gegen Grundrechte. “Ich kann nicht einfach, um einen Verdacht erst mal zu bekommen, in die Privatsphäre eindringen und dann auch noch unter Einschaltung der Presse. Das ist ja dann noch mal eine Stufe.”

Die Bemerkung ist interessant, weil sie den Blick auf die Medien richtet, die offenbar im Verbund mit den Sicherheitskreisen Informationen und wilde Spekulationen in die Öffentlichkeit getragen haben, über die sich ein Staatsanwalt, der ja Teil der Ermittlungsbehörde ist und nicht Teil der Justiz, dann auch noch beklagen kann. In meinen Unterlagen zum Verfahrensrecht für angehende Journalisten steht zu den Verdachtsarten.

Anfangsverdacht:

Voraussetzung für Einleitung eines staatsanwaltlichen Ermittlungsverfahrens. Für Anfangsverdacht genügt die auf Tatsachen gegründete Möglichkeit, dass eine Straftat vorliegt und der Verdächtige an der Tat beteiligt sein kann.

Handschriftlich habe ich hinzugefügt, dass der Anfangsverdacht in den seltensten Fällen berichtenswert ist, da rund 90 Prozent der Ermittlungsverfahren aufgrund dünner Faktenlagen wieder eingestellt werden. Eigene Recherchen des Journalisten wären notwendig. Über die Qualität dieser Recherchen ist schon einiges gesagt und geschrieben worden. Neben dem Anfangsverdacht gibt es aber auch noch den hinreichenden und den dringenden Tatverdacht, die beide eine ganz andere Qualität besitzen, im Fall Edathy aber überhaupt keine Rolle spielen.

Trotzdem erzählt der Leiter der Staatsanwaltschaft, dass Edathy grenzwertiges nicht indiziertes Material gekauft und sich dabei konspirativ verhalten habe. Damit erweckt die Behörde, die rein gar nichts in der Hand hat, dennoch den Eindruck eines höherwertigen Tatverdachtes. Er hätte ebenso korrekt und damit verständlich für alle sagen können, dass Edathy moralisch fragwürdige, aber vollkommen legale Bilder und Fotos gekauft hat, für die er ein eigenes Konto und eine eigene Email-Adresse verwendet hat. Mit den Zuspitzungen “grenzwertig”, “nicht indiziert” und “konspirativ” hilft er aber denjenigen, die mit Vorverurteilungen bereits um sich werfen. Diese scheinen auf einer soliden Grundlage zu stehen und niemand fragt sich mehr, ob es in Ordnung ist, jemanden strafrechtlich zu verfolgen, dem ein legales Verhalten vorgeworfen wird.

Eigene Spielregeln in Berlin

Festzustellen bleibt, dass jeder an dem Verfahren Beteiligte, seine Haut zu retten versucht. Was wir hier aber beobachten können, ist der Einsturz einer Fassade, hinter der Demokratie und Rechtsstaat nur noch vermutet werden können. Natürlich hat es eine Warnung an Edathy gegeben, weil die Clique im politischen Berlin zusammenhält und glaubt, in eigenen Rechtsräumen agieren zu dürfen, wie übrigens auch der Anruf des ehemaligen Richters und jetzigen SPD-Fraktionschefs Oppermann beim BKA-Präsidenten Ziercke beweist. Diese Leute brauchen sich auch nicht vor Strafverfolgung zu fürchten, weil sie dem Establishment bereitwillig dienen und eigene Spielregeln haben.

Deshalb hat Friedrich aus Sigmar Gabriels Sicht auch vollkommen richtig gehandelt, wie er im ARD-Brennpunkt sagt. Ihnen sei es nur darum gegangen, keine Ämter zu beschädigen und die Bildung der GroKo nicht zu gefährden. “Man würde Herrn Friedrich heute den Vorwurf machen, warum hast du damals nichts gesagt, bevor Menschen in ihre Ämter gekommen sind.” Das heißt, die SPD-Führung hat Sebastian Edathy ganz bewusst bei der Vergabe von Posten ausgeklammert. Gleichzeitig behauptet Gabriel aber auch, dass er, Oppermann und Steinmeier nicht mehr mit Herrn Edathy gesprochen hätten.

Es ist schwer zu glauben, dass ein Übergehen Edathys bei der Zusammenstellung des Personaltableaus stillschweigend vonstatten ging. Immerhin hatte sich der Mann als Vorsitzender des NSU-Untersuchungsausschusses einen Namen gemacht. Möglicherweise hat sich ja Edathy die Stille gefallen lassen, der Rest der SPD aber bestimmt nicht. Vor allem aus Niedersachsen dürften Nachfragen gekommen sein, die sicherlich auch beantwortet wurden, was wiederum die Quelle erklären könnte, auf die der Redakteur der “Harke” Anfang der Woche stieß. Was dann aber folgte, war nicht weniger als eine Hetzjagd, die sich weder an Fakten noch an Regeln hielt.


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Armseliges Schwarze Peter Spiel

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Die Ermittlungen gegen den ehemaligen Bundestagsabgeordneten Sebastian Edathy haben inzwischen eine weitere absurde Stufe erreicht. Noch immer hat eigentlich niemand genaue Informationen, diese scheinen aber bereits lange vor den angeordneten Hausdurchsuchungen die Runde gemacht zu haben, was die Staatsanwaltschaft nun dazu veranlasst hat, politischen Volljuristen, besser wäre die Bezeichnung Vollpfosten, vorzuwerfen, sie hätten Geheimnisverrat begangen und damit die Ermittlungen behindert.

Thomas Oppermann, Frank-Walter Steinmeier und Sigmar Gabriel wussten über etwas Bescheid, über das sie hätten nicht Bescheid wissen dürfen, wenn ich es richtig verstanden habe. Den Fehler hat aber offenbar der damalige Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich begangenen, als er die SPD-Spitze über den Verdacht der Ermittlungsbehörden unterrichtete. Mit Unterricht kennt sich Lehrer Sigmar Gabriel aus, weshalb er die ungenaue, aber sensible Information an seine Parteikollegen didaktisch weitergab. Oppermann und Steinmeier sind wie Friedrich Volljuristen, haben bis auf Oppermann aber nie praktisch als solche gearbeitet.

Oppermann habe sich nach eigener Darstellung nun die ungenaue, aber brisante Information vom BKA-Chef Jörg Ziercke in einem Telefonat bestätigen lassen, was der gelernte Kriminalpolizist natürlich sofort dementierte. Er will sich am “Schwarze Peter Spiel” nicht beteiligen, schließlich gibt es den ja auch schon, den schwarzen Hans-Peter, der offenbar die Arschkarte nicht mehr loswerden wird. Ach, die Plaudertasche Hans-Peter Friedrich, der zur NSA-Affäre im Bundestag sagte: “Die Verschwiegenheit unserer amerikanischen Partner führt leider zu Verschwörungstheorien.”

Jetzt wissen wir auch, welche Themen für Friedrich in seiner Amtszeit wichtiger waren, als der NSA-Skandal oder das flächendeckende Behördenversagen im Zusammenhang mit den NSU-Morden. Wäre Friedrich schlau, würde er die Unterrichtung seines Hauses ebenfalls als Behördenversagen titulieren, ist doch für die Strafverfolgung nicht der Bundesinnenminister, sondern das Justizministerium zuständig. Als Minister des Innern hatte er sich allerdings um die Gefahrenabwehr zu kümmern. Diese Aufgabe hat er dann wohl auch erfüllt und die gerade im Entstehen befindliche Große Koalition, der alle erwartungsfroh zujubelten, vor Schaden bewahrt.

Zu Edathy selber, kann man immer noch nichts Genaueres sagen. Er soll gewarnt worden sein. Er soll Festplatten zerstört haben und er soll, laut Fernsehberichten (via Klaus Baum), ein lustbezogenes Verhältnis zum Leben gehabt haben. Klaus schreibt und zitiert treffend weiter: “Der Schwachsinn in dieser Gesellschaft besteht in ihrer an den haaren herbeigezogenen Kausalität, die keine ist.” Ich würde sagen, dass es einfach viel Sendezeit für wenige bedeutungslose Fakten gibt und zu wenig Sendezeit für viel wichtigere Themen, deren Fakten darauf warten, endlich einmal einem breiten Publikum mitgeteilt zu werden.


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Mal wieder ein Tag der guten Stimmung

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Es ist erst ein paar Tage her, da meldete das Statistische Bundesamt lauter Umsatzeinbrüche. Im verarbeitenden Gewerbe wie auch im Einzelhandel will die Realität  einfach nicht zu den Erwartungen passen. Deutschland ging es im Dezember offenbar so gut, dass die Leute doch glatt das Einkaufen an Weihnachten vergessen hatten. Die Umsätze rauschten regelrecht in den Keller, ein reales Minus von 2,5 Prozent mussten die Einzelhändler hinnehmen. Den Medien war das kaum eine Meldung wert.

Heute war wieder der Tag der guten Stimmung. Und wie erwartet, hat es die Meldung der GfK zur “stabilen” Konsumlaune wieder in die Nachrichten geschafft. Hier ein Screenshot mit den Headlines zum Schlagwort “Kauflaune” bei Google News:

Kauflaune

Auch die Bundesregierung legte ihren Jahreswirtschaftsbericht vor. Nun freuen sich die Medien auf ein angeblich “kräftiges” oder wahlweise “robustes” Wachstum von 1,8 Prozent. Denn laut Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel habe die deutsche Wirtschaft auf einen stabilen und breit angelegten Erholungskurs eingeschwenkt. Das Bruttoinlandsprodukt, so Gabriel weiter, dürfte vor allem zulegen, weil es von der Binnenwirtschaft gestützt werde.

Die Botschaft ist also klar. Die Deutschen haben an Weihnachten nur für das BIP-Wachstum 2014 gespart. Doch warum jubeln alle über ein angeblich robustes/kräftiges Wachstum? Die Zahlen haben sich nicht geändert. Es sind jene Werte, auf die die optimistischen Prognosen, die bis zum vergangenen Herbst galten, nach unten korrigiert werden mussten. Damals jubelte aber keiner, weil die Experten die schwächeren Zahlen mit sinkenden Exporten und rückläufigen Investitionen begründeten. Daran hat sich also nichts geändert. Somit gebührt es erneut dem ökonomischen Analphabetismus und der Vergesslichkeit der Medien, dass heute wieder gejubelt werden darf.

Diesen propagandistischen Mist muss man eigentlich nicht mehr kommentieren, wäre da nicht die Aussage von Gabriel, die ungeprüft und unwidersprochen blieb. Er behauptete, dass die Dynamik der deutschen Binnenwirtschaft auch gut für die europäischen Partner wäre. “Wir kommen damit unserem Ziel, die wirtschaftlichen Ungleichgewichte im Euroraum abzubauen, ein Stück näher.” Dieses Ziel liegt ferner denn je. Die deutschen Ausfuhren sanken 2013 um 0,2 Prozent. Die Importe gingen mit 1,2 Prozent allerdings noch stärker zurück, was den Handelsbilanz-Überschuss auf 198,9 Mrd. Euro anschwellen ließ.

Das heißt, insgesamt reicht die Binnennachfrage eben nicht aus, um die Ungleichgewichte abzubauen. Sie werden sogar noch vergrößert. Aber Gabriel meinte ja die Eurozone. “In die Länder der Eurozone wurden im Jahr 2013 Waren im Wert von 401,9 Milliarden  Euro (– 1,2 Prozent) geliefert und Waren im Wert von 401,2 Milliarden  Euro (– 0,2 Prozent) aus diesen Ländern bezogen.” Beinahe ausgeglichen, möchte man meinen. Doch diese Zahlen sind geschönt, wie Stephan Kaufmann in der Frankfurter Rundschau feststellt. Er schreibt:

“Doch so rosig ist die Lage nicht. Denn die aktuelle Statistik beruht auf dem Versendungsland-Prinzip. Das bedeutet: Eine chinesische Ware, die über die Niederlande nach Deutschland geliefert wird, zählt als niederländischer Export. Aussagekräftiger ist das so genannte Ursprungsland-Prinzip, in dem diese Ware als chinesische Lieferung gezählt wird.

Nach dieser Statistik – die erst für die ersten elf Monate 2013 vorliegt – sieht es so aus: Deutlich mehr nach Deutschland exportieren konnten 2013 nur die Niederlande, Portugal und Belgien. Spanien gelang ein moderates Plus. Aus Frankreich, Griechenland, Irland und Italien bezog Deutschland weniger Importe. Das Defizit dieser Länder im Handel mit Deutschland schrumpfte nur, weil ihre Einfuhren aus Deutschland noch stärker sanken. Gegenüber Griechenland konnte Deutschland seinen Überschuss im vergangenen Jahr sogar ausweiten.

Fazit: Trotz einigen Verbesserungen erzielt Deutschland gegenüber den EU-Krisen- und  Wackelstaaten weiter hohe Handelsüberschüsse. Berechnet nach dem Ursprungsland-Prinzip lag der Überschuss mit der Euro-Zone 2013 bei 56 Milliarden Euro.”

Also, auch hier tut sich nichts. Um die Ungleichgewichte tatsächlich innerhalb der Eurozone abbauen zu können, müsste Deutschland deutlich mehr Importe aus den Defizitländern zulassen als es selbst Waren dorthin ausführt. Da das aber nicht so ist, haben die Staaten im Süden auch keine Chance wirtschaftlich aus der Krise herauszuwachsen. Die von Gabriel erhoffte Wirkung wird also ausbleiben, spätestens dann, wenn sich das Gerede von einer Zunahme der Binnennachfrage wieder als Luftnummer herausstellen wird, da eine dringend notwendige Anpassung der Kaufkraft an die ständig kolportierte Kauflaune auch in diesem Jahr wohl wieder ausbleiben wird. Darauf deuten übrigens auch schon die ersten mageren Tarifabschlüsse des Jahres hin.


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"Embedded" journalism

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Die Staatsanwaltschaft Hannover ermittelt gegen den ehemaligen Bundestagsabgeordneten Sebastian Edathy. Zu diesem Zweck ist unter anderem eine Privatwohnung des Politikers im niedersächsischen Rehburg von der Polizei durchsucht worden. Mit dabei auch ein Redakteur der in Nienburg erscheinenden Zeitung „Die Harke“. In der Dienstagsausgabe veröffentlichte das Blatt Fotos von der Durchsuchung, die nicht nur aus Sicht des Betroffenen Edathy, sondern auch aus Sicht anderer Medienvertreter und des Journalistenverbandes als mindestens problematisch eingestuft werden. Zu Recht, wie ich finde.

Zunächst einmal erschließt sich mir der Informationsgehalt der geschossenen Fotos nicht. Eines der Bilder zeigt in Nahaufnahme die Wohnung des Verdächtigen. Kaffeemaschine auf der Küchenzeile und Bilder an der Wand sind deutlich zu erkennen. Die eigentliche Durchsuchung spielt sich unscheinbar im Hintergrund ab. Der verantwortliche Redakteur behauptet, die Wohnung des Politikers gar nicht betreten zu haben. Im Interview mit dem NDR gibt er an, das Foto von einem öffentlichen Zugang aus gemacht zu haben, welcher zu den einzelnen Wohnungen und an deren Fenstern vorbeiführe. Ob dieser Zugang öffentlich war, kann ich nicht beurteilen. Wenn er es nicht war, hätte der Redakteur vor dem Drücken des Auslösers die Erlaubnis des Eigentümers einholen müssen.

Unabhängig von der juristischen Frage, bleibt aber auch noch die Verletzung journalistischer Regeln. Hätte der Redakteur nur eine Außenaufnahme von dem Haus gemacht und eventuell von Ermittlungsbeamten, die hineingehen oder Kisten mit gesicherten Beweismaterial heraus tragen, niemand würde ihn dafür kritisieren. Er hätte seine journalistische Sorgfaltspflicht erfüllt und sachlich den Vorgang in Wort und Bild geschildert, der natürlich von öffentlichem Interesse ist. Die vorliegenden Fotos legen aber eher den Schluss nahe, dass der Journalist mehr oder weniger „embedded“ war und einigen mal zeigen wollte, was eine „Harke“ ist.

Inhaltlich erfährt der Leser nicht viel, da die Behörden auch nichts bestätigen, was die Journalisten ihnen als vagen Verdacht hinwerfen. Dennoch gilt Edathy schon jetzt als vorverurteilt. Irgendetwas muss ja dran sein an der Geschichte, wenn so viele darüber berichten. Dabei wird die Andeutung der niedersächsischen Zeitung derart aufgeblasen, das sie am Ende wie eine Tatsache erscheint. Der Redakteur, der sich auf eine anonyme Quelle aus Parteikreisen beruft, was sein gutes Recht ist, musste aber um die zerstörerische Wirkung seiner Berichterstattung wissen. Bei so einer dünnen Faktenlage hatte er eine Entscheidung zu treffen. Und zwar zwischen einer sachlichen Berichterstattung einerseits und dem publizistischen Voyeurismus andererseits.

So gesehen muss sich der Journalist, der glaubt, die Vorwürfe hätten sich inzwischen „bekräftigt“, auch die Frage gefallen lassen, vor welchen Karren er sich hat spannen lassen oder in welche Kampagne er womöglich eingebettet war.


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Die Richter zweifeln, weil eine Analyse der Krise fehlt

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Das Bundesverfassungsgericht hält das Anleihekaufprogramm der EZB für rechtswidrig, will darüber aber selbst nicht entscheiden, sondern dem EuGH den Vortritt lassen. Die Entscheidung der Karlsruher Richter wird hierzulande allgemein begrüßt. Die Mehrheitsmeinung in Deutschland ist der Auffassung, dass die EZB ihre Kompetenzen mit dem 2012 beschlossenen OMT Programm überschritten habe. Überschritten vielleicht, nur falsch war das nicht.

Es sind jene Politiker und Experten, die sich selbst lobend auf die Schulter klopfen, weil sie glauben, dass ihre Krisenpolitik seit einiger Zeit zu wirken beginne. Diese angenommene wie falsche Wirklichkeit würde es aber nicht geben, hätte Mario Draghi auf seine Ankündigung verzichtet, im Notfall Staatsanleihen in unbegrenzter Höhe aufkaufen zu wollen. Ohne OMT hätten die Spekulanten, die auf die Pleite ganzer Staaten wetteten, gewonnen und damit den Zerfall der Eurozone erreicht.

Allein die Ankündigung Draghis beendete das Chaos an den Finanzmärkten. Wohlgemerkt, nur die Ankündigung. Denn das Programm ist bis heute nicht zum Einsatz gekommen. Die Richter in Karlsruhe wie auch Bundesbanker, Politiker und Mainstream-Ökonomen geißeln also etwas, dass bisher nur in der Theorie existiert. Die Justiz, die zur Ökonomie selten etwas Vernünftiges zu sagen hat, lässt aber immerhin die in den Medien unterschlagene Möglichkeit offen, das bestehende Vertragswerk der EU entsprechend zu ändern.

Eigentlich geht es um die Frage, ob ein regelkonformes Nichtstun dem vorzuziehen ist, was vernünftig war, als die Politik jämmerlich versagte. Die Regierungen wollten den Euro retten, taten aber nichts und trieben die Währungszone mit unbedarften Äußerungen an den Rand eines Kollapses. Draghi musste reagieren und die Politik akzeptierte das auch, weil sie ganz genau um die brisante Lage wusste, dies aber öffentlich nicht zugeben wollte.

Doch die Luft, die der EZB-Chef den Regierungen verschaffte, nutzten diese nicht für eine ehrliche Analyse der Krise, sondern für ein absurdes Diktat. Kredite nur gegen Auflagen oder anders ausgedrückt, Hilfen nur gegen die Bereitschaft zum wirtschaftlichen Selbstmord. Inzwischen steht der Euro nicht mehr für Wohlstand, sondern für wachsende Armut. Im Süden Europas übersteigt die Arbeitslosigkeit jedes nur erträgliche Maß. Die Wirtschaft schrumpft und die Deflation ist längst Realität. Im Norden hält die Selbsttäuschung weiter an. Haushaltskonsolidierung und Sparpolitik, das ist das Modell, dem sich alle anschließen sollen.

Deflationsgefahr wird systematisch unterschätzt

Das OMT-Programm der EZB kritisierten die Wahrnehmungsgestörten aus Deutschland vor allem mit der Furcht vor einer galoppierenden Inflation. Das Gegenteil ist seit 2012 der Fall. Die Preisstabilität ist nicht durch Inflation, sondern durch Deflation in Gefahr. Diese wird hierzulande aber weiterhin unterschätzt, da sich Verbraucher über fallende Preise doch freuen müssen. Aus Sicht der meisten Deutschen sei es eben viel gefährlicher, wenn die EZB direkte Staatenfinanzierung betreiben und die Schulden der einzelnen auf alle in der Eurozone übertragen würde.

Die Wirtschaftsredaktionen bagatellisieren deshalb die Deflationsgefahr und begrüßen das Stillhalten der EZB, die auf eine weitere Zinssenkung in der vergangenen Woche verzichtet hat. Dass die Zentralbank angesichts der desolaten Wirtschaftspolitik in der Eurozone ihr Pulver längst verschossen haben könnte, kommt den Redakteuren indes nicht in den Sinn. Sie sehen sicherlich noch etwas anderes. Eine niedrige Inflationsrate hilft nämlich dabei, die relative Wettbewerbsposition der Eurozone gegenüber dem Rest der Welt zu verbessern. Und nichts anderes hat die Mutti als Ziel ihrer Kanzlerschaft bekanntlich ausgegeben.

Um das zu erreichen, muss der Anstieg der Lohnstückkosten dramatisch gebremst werden. Eine Forderung, die auch der Zentralbankchef Mario Draghi offen unterstützt und damit belegt, dass er eben nicht wie allenthalben kolportiert, eine eigene und damit verbotene Wirtschaftspolitik betreibt, sondern sich vielmehr den irrsinnigen Ansichten der Finanzminister beugt, die das kollektive Sparen als Klassenziel ausgegeben haben. So wirken die vielen Arbeitslosen in der Eurozone, deren Hoffnungslosigkeit und der dramatische Zustand ganzer Volkswirtschaften hierzulande als notwendiges Übel auf dem Weg zurück ins Paradies.

Wenn man sich also die Diskussion seit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts anschaut, verfestigt sich der Eindruck, dass der ungeordnete Zerfall des Euro für einige weit weniger dramatisch wäre, als ein möglicher Verstoß der EZB gegen EU-Vertragsrecht. Die Lösung muss daher lauten, der Zentralbank auch politisch eine aktivere Rolle zuzugestehen, damit diese unser aller Währung auch beschützen kann. An den grundsätzlichen Problemen ändert das freilich nichts. Denn eine vernünftige Wirtschaftspolitik zu betreiben, bleibt Aufgabe der gewählten Regierungen, die aber bisher, wie oben schon erwähnt, jämmerlich versagt haben.


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Die Herde setzt zur Flucht an

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Schwellenländer wie Argentinien, Brasilien, Türkei und Indonesien geraten in Währungsturbulenzen. Die Investoren flüchten, so lauten die Nachrichten seit ein paar Tagen und Wochen. Nur warum flüchten die Investoren, die doch eigentlich als Spekulanten bezeichnet werden müssten? Ist es nicht die Aufgabe der Schwellenländer, künftig die Exportüberschüsse Deutschlands zu finanzieren? Dafür benötigen die aber Geld und zwar das der Investoren Spekulanten. Die wiederum flüchten aber nicht aus rationalen Gründen, wie uns jene Börsenheinis weißmachen wollen, die auch behaupten, dass die Aktie gerade wieder als Altersvorsorge tauge. Sie flüchten eigentlich nur, weil es die Herde tut. In Panik sozusagen.

Es ist schon erstaunlich, wie sich das Blatt in der öffentlichen Diskussion mal wieder gewendet hat. Plötzlich haben die Wirtschaftsredaktionen die Problematik anhaltender Leistungsbilanzdefizite entdeckt. Heiner Flassbeck weist am Beispiel der FAZ darauf hin. 

In der Türkei, schreibt Gerald Braunberger, riefen „das Leistungsbilanzdefizit und die Auslandsverschuldung Sorgen hervor.“ Na so etwas, Sorgen haben auf einmal Länder, die Leistungsbilanzdefizite und Auslandsverschuldung aufweisen. Wo doch gerade die FAZ in den vergangenen Wochen nicht müde wurde zu betonen, wie ungefährlich, ja geradezu gut die deutschen Leistungsbilanzüberschüsse für die ganze Welt sind. Wie können dann Defizite und Verschuldung schlecht sein, wenn Überschüsse und Forderungen doch durchweg gut sind? Sind die deutschen Überschüsse vielleicht gar nicht von dieser Welt? Sind es doch Mars und Venus, die die Defizite machen, die den deutschen Überschüssen gegenüberstehen?

An den Börsen wird erzählt, dass die Entscheidung der FED, die Geldschleusen langsam zu schließen, das Angstbarometer der Anleger wieder steigen lasse. Die Defizite der Schwellenländer würden nun sichtbar und das Risiko für die Anleger sei plötzlich zu hoch. Dabei waren die Leistungsbilanzdefizite schon vorher sichtbar, wurden aber absichtlich oder aus Unwissenheit übersehen, weil es die Anleger ja toll fanden, in die Schwellenländer und vor allem in die gut verzinste Währung zu investieren.

Hier zeigt sich wieder, wie absurd der Meinungsmainstream funktioniert. Das Interesse der Anleger gilt ja nicht irgendeiner wirtschaftlichen Entwicklung, sondern der Möglichkeit, mit billig geliehenem Kapital die höchst mögliche Rendite zu erzielen. Nicht Investition, sondern Spekulation ist die Triebfeder des Kapitalmarkts. Die Zinsunterschiede versprachen einen Profit unter der Bedingung der lockeren Geldpolitik (Carry-Trades). Diese neigt sich im Dollarraum nun allmählich dem Ende zu, so scheint es aber nur. Die Probleme der Schwellenländer sind daher nicht der Grund für eine Kapitalflucht der Spekulanten, sondern bloß ein Anlass, den man der zahlenden Öffentlichkeit als Brocken hinwirft.

Hinzu kommen bestimmte Automatismen, die an der Börse selten eine Erwähnung finden. Bei den dort berichtenden Journalisten herrscht der Glaube vor, dass selbst Anleger mal tief enttäuscht sein dürften und ihre seit Monaten vorhandene gute Stimmung “vorübergehend” verlieren können. Ich frage mich nur, wo genau das menschliche Gefühl der “tiefen Enttäuschung” in den Algorithmen der Superrechner versteckt sein soll, die blitzschnell über Kauf und Verkauf entscheiden.

Diese angenommene Emotionalität als Grundlage von Entscheidungen ist eine abwegige Vorstellung, die immer dann besonders deutlich wird, wenn “Unfälle” an den Marktplätzen dieser Welt passieren und die Börsenkurse plötzlich rasant zu fallen beginnen und der Handel sogar ausgesetzt werden muss. Mehr als 70 Prozent der amerikanischen und bis zu 50 Prozent der deutschen Aktiengeschäfte werden nicht von realen Anlegern oder Investoren getätigt, sondern von Computerprogrammen im Nanosekundenbereich. Das Ganze nennt sich Hochfrequenzhandel, auf den die Börsenheinis selbst schon einmal hingewiesen hatten.

Dieser Hochfrequenzhandel ist fehlerhaft und führt auch dazu, dass sich die Herde von Spekulanten davon natürlich beeinflussen lässt und ihre Geschäfte dem ausgelösten Druck entsprechend panisch anzupassen versucht. Das kann auch ein Gefühl erzeugen, nämlich nicht zu denen gehören zu wollen, die den Anschluss an die Herde verpassen. Der Hochfrequenzhandel bildet beschleunigt daher nur das ab, was auch im normalen Handel maßgeblich ist. Es sind keine Unternehmensdaten oder Nachrichten zur konjunkturellen Lage, die das Geschehen bestimmen, sondern ein simples Herdenverhalten basierend auf Gerüchten, Glauben und technischen Pannen.

Im Ergebnis wird einfach nur weitergezockt, ohne Rücksicht auf Schäden für die reale Volkswirtschaft, die am Ende nicht die Spekulanten zahlen. Das öffentliche Erkennen von Leistungsbilanzdefiziten als Problem passt da nur ins Bild, um die Zocker einerseits als rational denkende Anleger beschreiben zu können und die ahnungslosen Börsenheinis als seriöse Journalisten erscheinen zu lassen. Die bejubeln aber weiterhin den “fulminanten” Jahresauftakt der deutschen Industrie, die aber ihre Aufträge doch gerade aus jenen Ländern erhalten haben muss, die als neue Problemstaaten jetzt gebrandmarkt werden.

Statt von einem Aufschwung hier zu faseln, müsste die Journaille vor einem wirtschaftlichen Absturz warnen. Denn was sind die optimistischen Prognosen noch wert, wenn die deutsche Exportwirtschaft neben den Absatzmärkten der Eurozone nun auch noch die in Lateinamerika und Asien verlöre?

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Es wird Zeit für die Anstalt

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Die SPD will sich nach den Worten von Parteichef Gabriel im anstehenden Europawahlkampf klar vom Koalitionspartner Union abgrenzen. Denn gerade in den Bereichen Arbeit und soziale Gerechtigkeit gebe es unterschiedliche Vorstellungen, so der SPD-Chef zum Abschluss einer zweitägigen Klausurtagung in Potsdam. Gabriel nahm auch Stellung zu einer umstrittenen Bürgschaft seines Wirtschaftsministeriums für ein Rüstungsgeschäft mit Saudi-Arabien. Die rund 100 bestellten Patrouillenboote dienten zum Schutz von Erdölplattformen und nicht zur Unterdrückung der Bevölkerung, betonte er.

Das muss man wohl so verstehen: Im Wahlkampf gibt es Unterschiede, in der Regierung nicht. Denn selbstverständlich trete der SPD-Chef nach wie vor für eine Begrenzung von Rüstungsexporten ein und bleibe damit seiner Meinung nach auch glaubwürdig. Als Bundeswirtschaftsminister muss er hingegen umsetzen, was lange vor seiner Amtsübernahme beschlossen worden sei. Eine Abgrenzung zur alten Regierung ist in der neuen Regierung also leider nicht möglich. Glücklicherweise sind es ja nur Patrouillenschiffe und keine Panzer, die man einem despotischen Regime samt Bürgschaft zur Verfügung stellen will.

Das Ansinnen der saudischen Machthaber sei legitim, so Gabriel weiter. Ob diese unter demokratischen Gesichtspunkten selbst Legitimität besitzen, interessiert den Minister eher weniger. Er sei ja auch nicht als SPD-Chef eingestellt worden, sondern als Vorsteher eines Superressorts, in dem staatspolitische Verantwortung unter Beweis gestellt werden müsse. Diese Haltung würde der SPD-Chef im Wahlkampf sicherlich kritisieren, so Gabriel in Gedanken weiter, ihr im Amt aber nicht widersprechen.

Das wäre doch ein Fall für die Anstalt. Mal gucken, was die beiden Neuen von Wagner und Uthoff am Dienstag, 4. Februar, um 22:15 Uhr im Zweiten daraus machen. Bei Lanz gab es am vergangenen Donnerstag, 30. Januar, einen kleinen Vorgeschmack.

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Schäuble will kein Volkswirt, sondern Kaufmann sein

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Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble will in seinem Amt ein vorsichtiger Kaufmann sein. Die Medien nehmen es hin und applaudieren sogar, wenn er verspricht, im Jahr 2015 keine neuen Schulden mehr aufnehmen zu wollen (Wie oft hat das ein Finanzminister schon versprochen?). Doch was ein vorsichtiger Kaufmann im Bundesfinanzministerium zu suchen hat, interessiert niemanden. Nur wird in diesem Haus keine Fachkraft für Betriebswirtschaft benötigt, sondern jemand, der volkswirtschaftliche Zusammenhänge versteht und danach handelt. Das tut Schäuble aber nicht.

„Ich werde wie bisher nach den Prinzipien eines vorsichtigen Kaufmanns wirtschaften. Dass es geht, haben wir in den letzten vier Jahren bewiesen. Wenn es keine dramatische Verschlechterung der wirtschaftlichen Entwicklung gibt, bin ich zuversichtlich, dass es uns auch in diesem Jahr gelingt, mit weniger als geplant auszukommen.“

Vor ein paar Wochen traf Schäuble seinen amerikanischen Amtskollegen Jack Lew und verteidigte auf abenteuerliche Weise einmal mehr die deutschen Exportüberschüsse. Er sagte, dass das amerikanische Defizit nicht besser würde, wenn ein europäisches Defizit hinzukäme. In Davos erneuerte er nun diese eigenwillige Sicht der Dinge. Er akzeptiere die Kritik nicht und bezeichnete die Empfehlung des EU-Kommissars Rehn, wonach die Inflation in der Eurozone bei knapp zwei Prozent liegen sollte, um die wirtschaftlichen Probleme in den Griff zu bekommen, als Unsinn. Das, so Schäuble, würde ja bedeuten, dass Europa nur auf der Basis von Instabilität und Inflation funktioniere.

Inflation gleich Instabilität. Das ist ein weiterer Tiefpunkt in der Diskussion, die so arm an volkswirtschaftlichen Sachverstand ist. Die ominösen zwei Prozent Inflation sind ja nicht aus der Luft gegriffen und haben auch nicht viel mit Wahlkampf zu tun, wie Schäuble unseren hörigen Medien in die Blöcke diktiert, sondern gehen auf eine Zielvereinbarung zurück, die einzuhalten sich auch Deutschland bei der Gründung der Währungsunion verpflichtet hat. Worauf sonst sollte sich eine Währungsunion auch verständigen, wenn nicht auf eine Harmonisierung der Lohnstückkostenentwicklung, die die Inflation bestimmt?

Die Instabilität rührt schließlich nicht vom Inflationsziel her, sondern davon, es nicht einzuhalten. Schäuble findet offenbar Gefallen daran, wenn die Inflationsrate, wie zuletzt gemessen, bei unter 1 Prozent liegt. Denn die Deutschen fürchten Inflation so sehr, dass sie die Deflationsgefahr gar nicht mehr erkennen wollen oder können, die Europa inzwischen erfasst hat. Selbst die anhaltend niedrigen Zinsen der Zentralbank, die es ja nur deshalb gibt, weil die Rolle des Schuldners niemand mehr übernehmen möchte, zeigen das Ausmaß der Misere, die zu erkennen und zu bekämpfen aber mehr verlangt, als die Kurzsichtigkeit eines deutschen Finanzministers.

Der sähe es hingegen gerne, wenn alle sparen so wie er, irgendwann einen ausgeglichenen Haushalt vorlegen und am Ende keine neuen Schulden mehr machen würden. Dann, so Schäubles Überzeugung, stünden auch die anderen wirtschaftlich so gut da wie die teutonische “Wachstumslokomotive” mit ihren lächerlich mickrigen 0,4 Prozent BIP-Zuwachs im abgelaufenen Jahr. In diesem desaströsen Klima der verordneten Sparsamkeit investiert nur niemand mehr, obwohl gerade Schäuble und die deutsche Wirtschaft weiterhin darauf hoffen. Sie haben ja bis jetzt auch davon profitiert. Denn ohne die Schuldner des Auslands, die man mit erhobenen Zeigefinger ordentlich beschimpft und maßregelt, gäbe es keinen Exportüberschuss, den man bejubeln könnte.

Einem Volkswirt mit makroökonomischen Sachverstand wäre das wohl klar, einem studierten Juristen, der gern ein Kaufmann sein möchte aber nicht. Der hat zu komplizierten ökonomischen Sachfragen nämlich nix zu sagen, und flüchtet sich daher ins Prozedurale, sagt Heiner Flassbeck.

Klar, wenn einer etwas Blödes tut, wird es nicht besser, wenn ein anderer das Gleiche tut, würde ein Jurist sagen. Dass ein europäisches Defizit vermutlich einen amerikanischen Überschuss erlauben würde, und dass ein solcher Überschuss nach vielen Defizitjahren auch gerechtfertigt sein könnte, kommt einem Juristen nicht in den Sinn. Und es kann ihm nicht in den Sinn kommen, wenn ihm niemand klipp und klar sagt, dass die Welt insgesamt keine Überschüsse oder Defizite aufweisen kann und man deswegen nicht so daherreden sollte, wenn man sich nicht lächerlich machen will. Wer aber soll Wolfgang Schäuble das sagen?

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Die Methode Jörges: Ein Zwischenruf

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Hans-Ulrich Jörges, wir wissen es alle, ist einer der Top-Journalisten dieses Landes. Ich würde sagen, er hat die Härte für Höheres. Ach nee, dass hat Jörges einmal über zu Guttenberg gesagt, als der noch vorgab, eine große Nummer zu sein. Damals, 2009 war das, hatte Jörges auch schon sein komisches Video-Blog und spielte darin am Schreibtisch sitzend mit Pappfigürchen auf dem Mittelfinger. Mit ihnen zusammen kam Jörges zu dem Schluss, dass der Baron aus Bayern das größte Talent seit Angela Merkel sei, der neben Wulff auch das größte Potenzial dazu hätte, die Kanzlerin 2013 zu beerben.

Von seiner Meinung ließ Jörges auch dann nicht ab, als seiner Lieblingspappfigur der Sturz über ein Plagiat drohte. Bei Anne Will wetterte der Zwischenrufer im Jahr 2011 deshalb gegen die Guttenberg-Kritiker, die ja alle nur auf Äußerlichkeiten achten würden. Jörges schimpfte über Vorurteile nach dem Motto, wenn jemand gegeltes Haar trüge, müsse er unglaubwürdig und ein Schleimer sein. Aber lassen wir Jörges selber sprechen:

„Ein Mann mit Rückgrat. Das suchen die Leute. Aufrecht und authentisch. Und es zeigt sich eben, auch unter einem gegelten Haarschopf kann ein kluges Hirn und ein klarer Charakter stecken.“

Jörges hat eigentlich schon damals bewiesen, dass auch unter einem ungegelten Schopf kein kluges Hirn stecken muss. Den Charakter, es dabei bewenden zu lassen, hat der Zwischenrufer allerdings auch nicht. Nach der schauerlichen Markus Lanz Sendung von vergangener Woche, in der Jörges Gast war und Teile der Gesprächsführung übernahm, habe sich aus seiner Sicht nun ein Shitstorm von links entwickelt. Grund genug für einen neuerlichen Zwischenruf mit Pappfigur. Und was sagt er darin über Sahra Wagenknecht?

Dass sie im Jahr 2013 skandalöse neunmal in Talkshows eingeladen war und damit die Spitzenposition übernommen hätte. Wagenknecht, so Jörges, sei damit die wirksamste propagandistische Waffe der Linken. Was Jörges in seiner Manie aber verschweigt, ist die Tatsache, dass auch Jürgen Trittin, Peter Altmaier, Thomas Oppermann und Wolfgang Bosbach im Wahljahr genauso oft bei „Günther Jauch“, „Hart aber fair“, „Menschen bei Maischberger“, „Anne Will“, „Beckmann“ oder „maybrit illner“ herumgesessen haben und für ihre Parteien warben. Doch diese propagandistischen Waffen hält Jörges offenbar nur für Platzpatronen im Vergleich zu Wagenknecht.

Die hat das Mitglied der Stern-Chefredaktion nach eigener Aussage genau beobachtet und eine Methode Wagenknecht herausgefunden.

“Da sitzt diese eigentümlich altbürgerlich aufgerüschte Dame und wartet darauf, jede Diskussion auf das ihr genehme Feld überzulenken.”

Mal abgesehen von den Äußerlichkeiten, die Jörges illustriert und im Gegensatz zur Beschreibung des bayerischen Raubadels offenbar für zulässig hält, unterscheidet sich die Methode Wagenknecht jetzt von der Methode aller anderen Politiker in genau welchem Punkt? Ach ja in der Verbreitung von Halb- und Unwahrheiten im Nachhall des Applauses, den er nicht bekommen hat. Das ist aber eigentlich auch keine Besonderheit. Das Beispiel Mindestlohn allerdings ist von Jörges schlecht gewählt, weil hier Frau Wagenknecht näher an der Wahrheit liegt als Herr Jörges, was er mit seinem umständlichen Erklärversuch auch selbst bestätigt.

Ja, Herr Jörges, auch für Sie gilt, die Wahrheit ist die Wahrheit ist die Wahrheit, auch wenn sie bitter ist und schmerzlich. Das muss auch für den unterirdischen Hans-Ulrich der Gossenjournaille gelten.

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