Neue Zahlen aus Nürnberg. Der Arbeitslosenzahlen gehen zurück. Demnach waren im Mai gezählte 3,242 Millionen ohne Job. Das sind 165.000 weniger als im April und 217.000 weniger als im Mai 2009. Die offizielle Arbeitslosenquote sank um 0,4 % auf 7,7 Prozent. Das sind doch tolle Nachrichten, freuen sich Frau von der Leyen und Herr Brüderle. In der Pressenmitteilung der BA heißt es dann aber:
Insgesamt sind die Auswirkungen der Wirtschaftskrise auf den Arbeitsmarkt weiterhin moderat. Vor allem Kurzarbeit, andere betriebliche Vereinbarungen sowie ein rückläufiges Arbeitskräfteangebot haben den Arbeitsmarkt beträchtlich entlastet.
Quelle: BA
Wenn die Bundesregierung das Instrument der Kurzarbeit anwendet, die für Unternehmen gerade wieder verlängert wurde und andere betriebliche Vereinbarungen getroffen wurden, die den Arbeitsmarkt beträchtlich entlastet hätten, dann hat das doch einen Grund? Die Wirtschaftskrise! Wie kann man also behaupten, dass die Auswirkungen der Wirtschaftskrise moderat auf den Arbeitsmarkt wirken würden? Wer sich die Leistungen anschaut, die seit Beginn der Krise für die sinnlose Kurzarbeitergeldregelung verballert wurden, wird einmal mehr sehr deutlich wie hart die Wirtschaftskrise den hiesigen Arbeitsmarkt trifft.
Allein im Jahr 2009 wies die Bundesagentur für Arbeit ein Defizit von rund 14 Milliarden Euro auf und damit etwa 13 Mrd. Euro mehr als im Jahr 2008. Kurzarbeit kostet richtig Geld. Vor allem wenn die Regierung diese Regelung immer weiter verlängert und ansonsten nix weiter unternimmt, um die Konjunktur zu stützen. Das hat nun mit moderaten Wirkungen oder freudigen Aufschwungsfantasien der Damen und Herren Minister recht wenig zu tun. Bundeskassenwart Schäuble hat auch bereits angekündigt, die Leistungen für die Agentur für Arbeit und insbesondere das Kurzarbeitergeld im Rahmen seiner Sparmaßnahmen zurückfahren zu wollen.
Angesichts dieser Tatsachen muss man eigentlich alarmiert sein, anstatt fröhliche Botschaften zu verkünden wie Rainer Brüderle zum Beispiel:
„Die konjunkturelle Erholung hat erfreulicherweise zusätzliche Impulse aus der ungewöhnlich kräftigen Frühjahrsbelebung erhalten; sie setzt sich zunehmend auch am Arbeitsmarkt durch.
Die Frühjahresbelebung und der positive Schubeffekt der Entlastungsmaßnahmen, die die Bundesregierung zur Stärkung des Wachstums bereits umgesetzt hat, wirken jetzt zusammen und verstärken sich. In dieser Situation kommt es darauf an, dass die Politik das Vertrauen in die stärker werdenden Wachstumskräfte weiter stärkt und Raum für wirtschaftliche Eigendynamik schafft. Nur so lässt sich die erfreuliche Belebung in einen nachhaltigen Aufschwung bei Wachstum und Beschäftigung ummünzen.“
Quelle: pressrelations
Was für eine gequirlte Scheiße. „Stärker werdende Wachstumskräfte weiter stärken“ :roll: Gehen dem Minister da etwa die beschönigenden Worte aus? Das Wachstum im ersten Quartal 2010 war unter aller Sau. Ein Plus von 0,2 Prozent im Vergleich zum Vorquartal und 1,6 Prozent im Vergleich zum Vorjahreskrisenquartal. Mit anderen Worten heißt das, dass die deutsche Wirtschaftsleistung noch immer um 5,3 Prozent niedriger liegt als vor der Krise im ersten Quartal 2008. Das sind eben keine guten Nachrichten in schlechten Zeiten, wie sich Ursula von der Leyen heute zusammenfatasierte, sondern nach wie vor beängstigende Zustände.
Die geringe Wachstumsrate zeigt vor allem eines. Die noch immer anhaltende falsche Exportorientierung. Denn der größte Beitrag zum Wachstum steuert die Exportwirtschaft bei. Auf der anderen Seite gehen Bruttoanlageninvestitionen, die Arbeitsproduktivität und der private Konsum weiter zurück. Auf dem Binnenmarkt herrscht weiterhin Flaute. Die Einzelhandelsumsätze gehen auch im April, wie zu erwarten war, zurück. Das statistische Bundesamt meldete heute:
Einzelhandelsumsatz im April 2010 real um 3,1% gesunken
Nach vorläufigen Ergebnissen des Statistischen Bundesamtes (Destatis) lag der Umsatz im Einzelhandel in Deutschland im April 2010 nominal 1,8% und real 3,1% niedriger als im April 2009.
In den ersten vier Monaten des Jahres 2010 setzte der deutsche Einzelhandel nominal 0,2% und real 1,1% weniger um als im vergleichbaren Vorjahreszeitraum.
Es gibt also überhaupt keinen Grund für Euphorie. Selbst wenn die Arbeitslosigkeit zurückgeht, bei der ein Teil auf die Einrichtung neuer Teilzeitbeschäftigung zurückzuführen ist, heißt das eben noch lange nicht, dass es auch aufwärts geht. Unter Berücksichtigung der gesamtwirtschaftlichen Daten wird klar, dass der leichte Aufschwung erstens viel zu mickrig ausfällt und zweitens überhaupt nicht nachhaltig sein kann, wenn man sich vor Augen führt, dass überall Sparprogramme umgesetzt werden sollen. Wer kauft denn dann noch deutsche Exportgüter?
Gäbe es das Kurzarbeitergeld und damit eine Erhöhung der Staatsausgaben nicht, die deutsche Wirtschaft würde schrumpfen. Es bleibt also ein Rätsel der Bundesregierung, wie daraus nun ein sich selbst tragender Aufschwung werden soll, in dessen Zuge man die Staatsausgaben wieder einsparen könne. Sie sehen schon. Das wird nicht funktionieren. Die beabsichtigte Sparpolitik wird das Defizit in den öffentlichen Haushalten weiter erhöhen!
JUN
Über den Autor:
André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.